Stellungnahme zum Antrag
107/2004

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 05/17/2004
Der Oberbürgermeister
GZ: OB



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
    03/22/2004
Betreff
    Das Wasser gehört uns allen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Vorbemerkung:

Durch den Verkauf der städtischen Minderheitsbeteilung von 42,5 % an der NWS an die EnBW im Jahr 2001 wurde nicht das Trinkwasser verkauft, sondern die technische Infrastruktur (Wasserverteilnetz ebenso wie das Gas- und Stromversorgungsnetz). Aufgrund des weiterhin bestehenden Konzessionsvertrages zwischen Stadt und EnBW ist diese verpflichtet, das Trinkwassernetz im Stadtgebiet zu betreiben und alle Bürgerinnen und Bürger zu versorgen.

Zusätzlich hat sich die Landeshauptstadt Stuttgart gegenüber der EnBW per Vertrag vom 27.11.2001 auf Dauer eine unabhängige und weisungsungebundene Vertretung in den Zweckverbänden Bodenseewasserversorgung, Landeswasserversorgung, Filderwasserversorgung und Strohgäuwasserversorgung gesichert. Über die Entsendung der städtischen Vertreter entscheidet der Gemeinderat.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass in der Landeshauptstadt die Trinkwasserversorgung mit hoher und überdurchschnittlicher Qualität zu einem angemessenen Preis dauerhaft sichergestellt ist. Der öffentliche Einfluss auf die Versorgungssicherheit, die Qualität und den Preis ist durch gesetzliche Vorschriften und vertragliche Vereinbarungen weiterhin gegeben.




Zum Fragenkomplex Eigentum:

1. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz kann niemand Eigentum am Wasser, gleichgültig, ob Oberflächenwasser oder Grundwasser, erwerben. Gibt es von dieser Grundregel Ausnahmen ?

Wasser ist unbestreitbar die Grundlage des Lebens auf der Erde und findet deshalb in den Rechtsvorschriften besondere Berücksichtigung. So ist der Staat nach Artikel 20a des Grundgesetzes verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung zu schützen. Das Wasserrecht ist bundesrechtlich durch ein Rahmengesetz (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) und landesrechtlich im Wassergesetz (WG) geregelt. Wasser ist ein öffentliches Gut; Eigentum an Wasser kann nicht erworben und folglich auch nicht veräussert werden.

Hieraus jedoch abzuleiten, dass die jeweils zuständige Gemeinde die Trinkwasserversorgung in eigener Regie zu betreiben oder dafür ein eigenes Netz zu unterhalten hat, wäre falsch. Es ist rechtlich unstrittig, dass die Gemeinde die Wasserversorgung auch durch einen Betreibervertrag von einem Privaten oder durch die Trägerschaft eines Privaten mittels eines Konzessionsvertrages erledigen lassen kann. Letzteres ist in der Landeshauptstadt Stuttgart der Fall, der umfassende Kontroll- und Aufsichtsrechte (Wasseruntersuchungen, Einsicht in betriebsbezogene Unterlagen, etc.) verbleiben.

2. Hat die EnBW als privater Wasserversorger eine Versorgungspflicht mit Trinkwasser gegenüber den Stuttgarter Bürgern ?

Ja. Diese Versorgungspflicht besteht aufgrund des zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der TWS abgeschlossenen Konzessionsvertrags, der auch für die jeweiligen Rechtsnachfolgerinnen – zunächst NWS, heute EnBW – Gültigkeit hat. Demnach ist die EnBW verpflichtet, jedermann im Stadtgebiet zu den allgemeinen Bedingungen und Preise an die Versorgungsnetze für Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme anzuschließen und zu versorgen.

3. Wer entscheidet, wer wie viel Wasser aus den Wasservorkommen (Grundwasser, Seen etc.) entnehmen kann ?

Die Entnahme von Wasser ist grundsätzlich nur nach behördlicher Genehmigung zulässig. Je nach örtlicher Zuständigkeit entscheidet die Landeshauptstadt Stuttgart (Amt für Umweltschutz als untere Wasserbehörde) oder das zuständige Regierungspräsidium als höhere Wasserbehörde über Entnahmerechte.

4. Finden bei diesen Entscheidungen Kriterien wie Zustand der Versorgungsleitungen etc. Berücksichtigung ?

Nein. Für die Bewilligung von Entnahmerechten ist der Zustand der Versorgungsleitungen kein Entscheidungskriterium. Der Zustand der Versorgungsleitungen wird von der EnBW im Rahmen des Instandhaltungs- und Ernerungsprogramms berücksichtigt. Die EnBW ist bei der Netzbetrachtung und Schadensanalyse führend und kann durch wirtschaftliche Sanierungskonzepte eine optimale Ernerungsstrategie umsetzen. Im übrigen ist ein schlechter technischer Zustand des Trinkwasserversorgungsnetzes auch nicht im wirtschaftlichen Interesse der EnBW als Netzbetreiberin, da z.B. Wasserverluste im Netz zu einem unwirtschaftlichen Betreib führt. Ferner gilt das Kostendeckungsprinzip, d.h. die notwendigen Investitionen werden durch den Wasserpreis finanziert.

5. Wie lange hat zum Beispiel der Zweckverband Bodenseewasserversorgung (BWV) gesicherte Entnahmerechte aus dem Bodensee ?

Die Bodenseewasserversorgung hat durch eine wasserrechtliche Bewilligung des Regierungspräsidiums Freiburg gesicherte Entnahmerechte bis 2038. Bei der Landeswasserversorgung gelten für verschiedene Entnahmestellen jeweils gesonderte Entnahmebewilligungen. Die größte Entnahme betrifft die Donau und das Donauried. Hier sind die Bewilligungen bis 2032 bzw. 2039 befristet. Eine Verlängerung der Entnahmerechte ist nach dem WHG auf Antrag bei den zuständigen Behörden möglich.

6. Können Entnahmerechte an Dritte veräußert werden ?

Das Wasserentnahmerecht steht nach WHG und WG nur dem Begünstigten zu. Entnahmerechte können somit nicht veräußert werden. Für die Bodenseewasserversorgung gilt, dass die Bewilligung nur mit Zustimmung des Landratsamts Bodenseekreis an Dritte übertragen werden kann.


Zum Fragenkomplex Preisgestaltung:

7. Kann der Eigentümer des Trinkwasserversorgungsnetzes die Wasserpreise nach Belieben gestalten ?

8. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Preisgestaltung hat der Gemeinderat oder andere öffentliche Stellen ?

Hinsichtlich der Preisgestaltung ist die EnBW nicht frei. Wasserversogungsunternehmen bilden die Preise nach dem Kostendeckungsprinzip. Eine Subventionierung durch die öffentlichen Haushalte erfolgt in Deutschland grundsätzlich nicht.

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat durch die vertragliche Vereinbarung mit der EnBW vom 27.11.2001 festgeschrieben, daß als Grundlage für die Entwicklung des Wasserpreises in Stuttgart die Kostenrechnung des Jahres 2001 als Basis dient. Vor einer beabsichtigten Wasserpreiserhöhung hat die EnBW den erhöhten Aufwand der Landeshauptstadt Stuttgart offenzulegen und damit nachzuweisen.

Im übrigen gelten für Wasserversorgungsunternehmen die Bestimmungen des Kartellrechts, die bei einer missbräuchlichen Preisgestaltung Sanktionen und Eingriffsmöglichkeiten gestatten.

9. Sind die Kosten für das Wasser in Stuttgart angemessen ? Auf welcher Grundlage wird die künftige Entwicklung des Wasserpreises erfolgen ?

Das Trinkwasser in der Landeshauptstadt Stuttgart übertrifft die strengen Anforderungen der Trinkwasserversorgung erheblich. Der Preis setzt sich aus einem Mengen- und einem Bereitstellungspreis zusammen. Er liegt knapp über dem Durchschnitt in Deutschland, obwohl durch die topographische Lage eine technisch aufwändige Versorgung mit ca. 50 Wasserspeichern erforderlich ist. Zusätzlich sind die in Großstädten strengeren Sicherheitsanforderungen durch das Wassersicherstellungsgesetz zu beachten. Hinzu kommt, dass der Aufwand aufgrund der Fernwasserversorgung per se höher ist.

Die Entwicklung des Wasserpreises erfolgt auf der in der vorherigen Frage erläuterten Vereinbarung von Landeshauptstadt und EnBW.

10. Ist die EnBW gesetzlich oder vertraglich verpflichtet, ihre Kalkulation gegenüber der Stadt offen zu legen ?

Ja, vertraglich. Auf die Antwort zu Fragen 7) und 8) wird verwiesen.

11. Kann durch die Steuerung der Vergaberechte Einfluss auf die Preispolitik eines privaten Wasserversorgers genommen werden ?

Jedem Mitglied der Wasserzeckverbände stehen sogenannte Bezugsrechte, bemessen in Liter je Sekunde zu. Die Bezugsrechte liegen bei fast allen Mitgliedern über dem Bedarf. Hintergrund war die Erwartung der Mitglieder bei Gründung der Zweckverbände, dass der Wasserbedarf in Zukunft steigen würde.

Die Preise für die Wasserentnahme werden sowohl bei der Bodenseewasserversorgung als auch bei der Landeswasserversorgung für alle Mitglieder satzungsgemäß in Form einer Umlage festgesetzt. Die Wasserzweckverbände dürfen dabei keinen Gewinn erzielen. Von den Zweckverbänden kann damit kein Einfluß auf die Preispolitik der einzelnen Mitglieder genommen werden.

Über die Auslastung des Bezugsrechts kann jedoch jedes Mitglied selbst den Bezugspreis in gewisser Weise steuern. So ergibt sich z. B. in 2004 bei der Landeswasserversorgung bei einer 50 %-igen Auslastung der Bezugsrechte ein Bezugspreis von 0,34 €/m³, bei einer 70 %-igen Auslastung des Bezugsrechts ein Bezugspreis von 0,29 €/m³.








Zum Fragenkomplex Infrastruktur

12. Auf welche Weise können Land oder Gemeinden sicherstellen, dass ein privater Wasserversorger das Trinkwasserleitungsnetz in Stand hält ?

Die Anforderungen an Trinkwasser sind in der Richtlinie 98/837EG der Europäischen Union geregelt. Diese Richtlinie wurde mit der Novellierung der Trinkwasserverordnung im Mai 2001 in nationales Recht umgesetzt. In dieser Trinkwasserverordnung sind die Handlungs-, Unterlassungs-, Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Eigentümers einer Wasserversorgungsanlage detailliert festgelegt. Es ist auch festgelegt, welche Wasseruntersuchungen in welchen Zeitabständen durchzuführen sind.

Aus einer Vielzahl von weiteren Vorschriften sind wegen der grundsätzlichen Bedeutung außerdem hervorzuheben:

DIN 2000: Leitsätze für Anforderungen an Trinkwasser sowie Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserversorgungsanlagen.

DVGW W 1000: Anforderungen an Trinkwasserversorgungsunternehmen. Die EnBW Regional AG wurde im Frühjahr 2004 als erstes Unternehmen in Baden-Württemberg auf Basis der Anforderungen dieser Richtlinie vom DVGW geprüft und zertifiziert.

Die Instandhaltung des Trinkwasserleitungsnetzes ist Voraussetzung für die Erfüllung der Versorgungspflicht und Gegenstand des Konzessionsvertrages.

Das städtische Gesundheitsamt überwacht die Erfüllung der Pflichten gem. Trinkwasserverordnung, dazu gehört auch die Überwachung der Wasserversorgungsanlagen.

13. Kann die Stadt, falls die EnBW ihre Unterhaltsinvestitionen vernachlässigen sollte, die bis 2013 gültige Konzession an die EnBW nicht verlängern ?

Der Konzessionsvertrag mit der EnBW endet am 31.12.2013 ohne weitere Bedingungen.

14. Könnte die Stadt, nach Auslaufen der Konzession 2013, die Konzession an jemand anderes vergeben oder das Trinkwasserversorgungsnetz erwer- ben ? Wie ließe sich der Preis hierfür errechnen ?

Theoretisch kann die Stadt die Konzession an einen anderen vergeben, sofern dieser über die entsprechenden Wasserversorgungsanlagen verfügt, die die oben beschriebenen Qualitätsstandards erfüllen.

Die Landeshauptstadt Stuttgart könnte die Wasserversorgung nur übernehmen, wenn sie die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung hätte. Um das Trinkwassernetz von der EnBW zu erwerben, müsste die EnBW zunächst zum Verkauf bereit sein. Dabei wäre zu beachten, dass im umfangreichen Rohrnetzsystem der EnBW die Versorgungsnetze von Strom, Gas und Wasser gemeinsam betrieben werden. Dadurch kommen bei der EnBW beträchtliche Synergieeffekte zum Tragen, was sich günstig auf die Höhe des Wasserpreises auswirkt. Eine Trennung, d.h. Entflechtung dieses Netzsystems, wäre in der Praxis kaum zu vollziehen und wenn, dann nur mit enormem Kostenaufwand.

Weiterhin müsste die Landeshauptstadt Stuttgart von der EnBW neben der Infrastruktur auch das gesamte know-how für den Betrieb der Wasserversorgung erwerben. Auch das Risiko der Bezugsrechtsauslastung (siehe Punkt 11) ginge vollständig auf die Landeshauptstadt über.

Im übrigen würden bei den Hausanschlüssen der Versorgungsleitungen deutlich höhere Kosten entstehen, da diese nicht mehr durch einen einheitlichen Anbieter gelegt werden könnten.

Die Folge wären zwangsläufig stark steigende Wasserpreise für die Bürgerinnen und Bürger, was nicht das Ziel von rationalem kommunalen Handeln sein kann.


Zum Fragenkomplex Wasserqualität:

15. Die Vorschriften über die Wasserqualität sind in europäischen Gesetzen und Bundesgesetzen festgelegt. Kann ein privater Wasserlieferant diese Gesetze unterlaufen ?

Unter Punkt 12 wurde ausführlich erläutert, welche rechtlichen Vorschrieften für die Qualität des Trinkwassers gelten. Diese Gesetze und Vorschriften gelten für alle Versorger und Betreiber, sowohl für Privatunternehmen als auch für kommunale Anbieter.

Die Überwachung und Kontrolle der Fernwasserversorgung obliegt in Baden-Württemberg dem Landesgesundheitsamt. Wie bereits oben erwähnt, überwacht das städtische Gesundheitsamt die Erfüllung der Pflichten im Rahmen der Trinkwasserverordnung. Darüber hinaus erfolgt die Überwachung mittels der täglich vom Zentrallabor der EnBW übermittelten Wasserbefunde. Außerdem werden die verschiedenen Hochbehälter innerhalb des Stadtgebiets vom Gesundheitsamt beprobt. Diese Überprüfungen umfassen sowohl mikrobiologische als auch chemische Parameter. Das in Stuttgart angebotene Trinkwasser ist unverändert von höchster Qualität. Die kontrollierten Inhaltsstoffe liegen mit großem Abstand unter den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung. Ein Unterlaufen der Trinkwasserverordnung ist nicht möglich.

16. Welche Schritte werden eingeleitet, wenn seitens des städtischen Gesundheitsamtes festgestellt wird, dass die Qualität des Trinkwassers nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht ?

Der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage hat dem Gesundheitsamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein festgesetzter Grenzwert überschritten wird. Zusätzlich verfügt – wie unter Punkt 15 erläutert – das Gesundheitsamt über eigene Erkenntnisse.

Das Gesundheitsamt entscheidet in einem solchen Fall, ob eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu befürchten ist, und ob die betroffene Wasserversorgung bis auf Weiteres fortgeführt werden kann. Das Gesundheitsamt ordnet die zur Abwendung der Gefahr notwendigen Maßnahmen an, ebenso die Information der Bevölkerung sowie die Sicherstellung der Wasserversorgung der Bevölkerung durch das betroffene Unternehmen auf anderem Versorgungswege.

Zuwiderhandlungen sind gemäß Trinkwasserverordnung und Infektionsschutzgesetz strafbewehrt (bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe) oder stellen eine Ordnungs-widrigkeit dar (Geldbuße bis zu 25.000,-- €).






Dr. Wolfgang Schuster