Stellungnahme zum Antrag
331/2007

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 10/10/2007
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7703-02



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    07/26/2007
Betreff
    Pflege von Streuobstwiesen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Zu 1.:

Früher gab es in jeder Gemeinde mit Obstanbau einen Baumwart (Gemeindemitarbeiter), der neben der Baumpflege auch beim Straßenunterhalt und als Feldhut eingesetzt wurde. Für die klassische Baumwartausbildung folgte nach der landwirtschaftlichen Winterschule ein spezieller Ausbildungsgang von 12 Wochen. Die Baumwartevereinigung in Stuttgart ging 1960 im Obstbauring Stuttgart („Interessengemeinschaft der Erwerbsobstbauern, Baumwarte und Baumschuler“) auf. Seit 1980 wird nur noch im Landkreis Rastatt die klassische Baumwarteausbildung (rein obstbauliche Ausrichtung) über 7 Wochen angeboten, die mit dem Abschluss „Staatlich geprüfter Baumwart“ endet.

Der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e. V. (LOGL) hat 1997/1998 in Abstimmung mit dem Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum und den Kreisfachberatern eine landeseinheitliche Ausbildung (ca. 80 Unterrichtsstunden) zum Fachwart für Obst und Garten initiiert. Ziel ist die Förderung des Hobbys Obstbau, des landschaftsprägenden Streuobstbaus, der Gartenkultur und die Unterstützung eines wirksamen Naturschutzes. Veranstalter der Fachwarteausbildung sind die Kreisverbände der Obst- und Gartenbauvereine, der LOGL stellt Unterrichtsunterlagen, wirkt an der Prüfung mit und verleiht Ausweis bzw. Urkunde. Zuletzt wurden in Stuttgart 2004/05 30 Fachwarte ausgebildet, die Unterweisungen im obstbaulichen Teil (ca. 75%) erfolgten vom Obstbauberater der Landeshauptstadt.

Mit der Fachwart-Ausbildung kann nicht der Kenntnisstand eines „alten Baumwartes“ erreicht werden. Deshalb bietet die Obstbauberatung jährlich mehrere Fortbildungen für Fachwarte an: Winter- und Sommerschnitt (auch an großkronigen Obstbäumen), Veredelung, Erkennen von Krankheiten und Schädlingen, monatliches Rundschreiben mit Informationen zu aktuellen Problemen sowie Tipps zu kulturtechnischen Maßnahmen im Obstbau. Weitere Angebote der Obstbauberatung richten sich an Jedermann (z. B. Obstbau-Winterkurs und Obstbau-Sommerkurs, Merkblätter zu Sortenwahl oder Pflanzung) und Mitarbeiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts (spezielle Hochstammschnittunterweisungen).

Leider sind die Baumwarte mit entsprechender Ausbildung aus Altersgründen immer weniger aktiv und die jüngeren Fachwarte beruflich stark eingespannt. Somit fehlt es überall an fachlich qualifiziertem Personal zur optimalen Obstbaumpflege. Die Wiedereinführung des „klassischen Baumwartes“ scheitert letztlich daran, dass es diesen als solchen nicht mehr gibt. Als weitere, fachlich geeignete Berufsgruppe käme allenfalls noch ein Gärtner der Fachrichtung Obstbau in Frage. Die Gärtner-Ausbildung (Baumschule, Obstbau, Gemüse, Garten- und Landschaftsbau, Zierpflanzen) ist heute jedoch so stark spezialisiert, dass die ausgelernten Gärtner nur sehr bedingt in anderen Fachrichtungen einsetzbar sind. Somit ist beispielsweise die Vergabe von Obstbaumschnittmaßnahmen an Landschaftsgärtner nur an wirklich geeignete Betriebe sinnvoll.

Zu 2.:

Hauptgrund für den Niedergang der Streuobstwiesen ist das mangelnde wirtschaftliche Interesse – auch der Landwirtschaft – aufgrund der bisher niedrigen Erzeugerpreise. Die Stadt Stuttgart fördert daher seit vielen Jahren den Absatz lokal erzeugten Streuobstes durch Unterstützung des Vereins „Stuttgarter Apfelsaft“.

Im Doppelhaushalt 2006/2007 hat der Gemeinderat einmalig 15.000 € für Streuobstpflege zur Verfügung gestellt. Die Abwicklung des Programms erfolgt beim Amt für Umweltschutz. Bisher haben erst einzelne Obst- und Gartenbau- sowie Bürgervereine Anträge auf Förderung von Nachpflanzungen bzw. Schnittaktionen alter Streuobstbäume gestellt. Die beabsichtigte Förderung der Streuobstpflege durch Landwirte ist derzeit nicht möglich, da die aufgrund beihilferechtlicher Vorgaben erforderlichen Abstimmungen des Landes mit der EU-Kommission noch nicht abgeschlossen sind.

Eine Verbesserung der Pflege bestehender Bestände kann durch die Förderung der Vermarktung erreicht werden. Hierzu gehören u. a.

· dezentrale Obstsammel- und Annahmeaktionen in allen Stuttgarter Ortsteilen, z. B. durch Vereine und Schulen auf privaten und öffentlichen Flächen
· Einrichtung von Obstbörsen (interessierte private Abnehmer werden mit Streuobstbesitzern ohne Verwertungsinteresse zusammengeführt z. B. Obstbörse Aichtal, Kreis Esslingen)
· Obstsaft-Aktionen mit mobilen Mostpressen für den Eigenverbrauch (z. B. NABU-Aktion 2006 in Plieningen)
· Verbesserung der Vermarktung des „Stuttgarter Apfelsaftes“ durch Einzelhandel
· Verstärkung des Verkaufs von „Stuttgarter Apfelsaft“ an Schulen und bei Vereinen
· Rationelle Gewinnung von Streuobstapfelsaft auf größeren, zusammenhängenden städtischen und privaten Flächen durch Landwirte, Unterstützung der Anpachtung durch die Liegenschaftsverwaltung
· Anpflanzung von Brennobstsorten für Obstbrennereien.

Der Wirkungskreis von Aufpreisinitiativen (an die Mitglieder wird ein höherer Mostobstpreis als marktüblich ausbezahlt, z. B. beim „Stuttgarter Apfelsaft“) bzw. Streuobstinitiativen beschränkt sich meist auf den entsprechenden Stadt- oder Landkreis. Der Marktanteil am gesamten Apfelsaftumsatz ist mit etwa 5 % recht gering. Um den Absatz anzukurbeln, werden in letzter Zeit auch verstärkt Mischsäfte (z.B. Apfelsaft mit Mango aus „Fair-Trade“-Handel) angeboten. Auch mobile Saftpressen, bei denen der Saft aus den eigenen Äpfeln haltbar gemacht wird und als „Bag-in-Box“ wieder mit nach Hause genommen wird, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.

Zu 3.:

Weitere Vorschläge zur Verbesserung der Streuobstpflege müssen die Probleme bei neu gepflanzten Obstbäumen (z. B. in Ausgleichsmaßnahmen) berücksichtigen. Oft wachsen diese aufgrund mangelnder Fachkenntnisse bei der Entwicklungspflege nicht optimal heran. Die Sicherung der fachgerechten Entwicklungspflege solcher Streuobstbäume durch Obstbau-Fachkräfte ist daher dringend erforderlich. Wo eine Vermarktung des Streuobstes nicht gesichert ist, wird künftig die Anpflanzung von Wildobstbäumen (z. B. Vogelkirsche) empfohlen.

Zu 4.:

Die Forderung nach einem Runden Tisch wird unterstützt. Möglicherweise könnte sich daraus ein privat getragener, kontinuierlich arbeitender Arbeitskreis bilden, ggf. in Verbindung mit dem AK Stuttgarter Apfelsaft, der alle Akteure zusammenfasst. Das Amt für Liegenschaften und Wohnen wird eine entsprechende Veranstaltung organisieren.








Dr. Wolfgang Schuster