Protokoll:
Verwaltungsausschuß
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
261
1
Verhandlung
Drucksache:
334/2002
GZ:
SJG
Sitzungstermin:
06/19/2002
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
EBM Dr. Lang
Berichterstattung:
der Vorsitzende, BM Murawski, Herr Bohlmann (SozA/PR), Herr Pfeifle (JugA), Herr Tattermusch (SozA)
Protokollführung:
Herr Häbe
sp
Betreff:
Umsetzung des Gesetzes über eine
bedarfsorientierte Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG)
bei der Landeshauptstadt Stuttgart
Vorgang: Sozialausschuss vom 13.05.2002, öffentlich, Nr. 61
Ergebnis: Einbringung
Sozialausschuss vom 17.06.2002, öffentlich, Nr. 68
Ergebnis: Ablehnung des Beschlussantrages bei Stimmengleichheit
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales, Jugend und Gesundheit vom 08.05.2002, GRDrs 334/2002, mit folgendem
Beschlussantrag:
Dem vorgesehenen Stufenkonzept zur Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) in Stuttgart wird zugestimmt.
Für die Einführungsphase wird ein vorläufiger Stellenbedarf von 26 Planstellen auf der Grundlage von 200 Fällen je Sachbearbeiter einschließlich Stellenanteile für Leitung, Fachberatung, Sekretariat und IuK-Betreuung anerkannt. Dieser Bedarf verteilt sich auf folgende Bearbeitungsstufen:
15 Stellen ab 1. Juli 2002 für die Übernahme von rd. 3.900 Sozialhilfefällen bis spätestens 31. Dezember 2002
3 Stellen ab 1. Oktober 2002 für zu erwartende Neuanträge
8 Stellen für die laufende Bearbeitung des Fallbestands ab 1. Januar 2003
Zur teilweisen Deckung des Personalbedarfs werden
8,3 Stellen aus der Sozialhilfe ab Januar 2003 entsprechend der zu erwartenden Reduzierung der Fallzahlen in der Sozialhilfe
2,0 abzubauende Stellen aus dem Bereich Ausgleichsamt ab Juli 2002
eingesetzt.
Im Vorgriff zum Stellenplan 2004 sind somit 15,7 Planstellen zu schaffen; 1 Leitungsstelle, 1 Stelle für die Fachberatung, 1 Sekretariatsstelle, eine 1/2-Stelle für die EDV-Betreuung sowie 12,2 Stellen für die Sachbearbeitung - vgl. auch Anlage 3. Die Verwaltung wird ermächtigt 12,7 Planstellen ab Juni 2002 und 3,0 Planstellen ab Oktober 2002 zu besetzen.
4. Die Verwaltung wird ermächtigt, für die laufende Bearbeitung des Fallbestandes ab 2003 im Bedarfsfall bis zu 5 weitere Mitarbeiter/-innen ohne Blockierung von Planstellen auf der Grundlage der unter Ziffer 3 genannten Fallzahl einzustellen.
5. Für die Gewährung der Grundsicherungsleistungen und zur Deckung der laufenden Personal- und Sachkosten für die neuen Stellen werden im Verwaltungshaushalt 2003 in einem noch zu bestimmenden neuen Haushaltsunterabschnitt vorläufig 14.250.000 EUR überplanmäßig bereitgestellt. Hiervon werden 10.750.000 EUR durch entfallende Sozialhilfeleistungen und voraussichtlich 3.500.000 EUR durch die Kostenerstattung des Bundes gedeckt. Weitere Mittel müssen ggf. in 2003 für die Leistungen an Personen ohne bisherigen Sozialhilfebezug (Neufälle) bewilligt werden.
6. Zur Deckung der in 2002 anfallenden Personal- und Sachkosten werden in dem neuen Haushaltsunterabschnitt des Verwaltungshaushalts überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 450.000 EUR zugelassen. Für die Einrichtung der neuen Arbeitsplätze sowie die IuK-Ausstattung werden im Vermögenshaushalt 2002 überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 104.000 EUR zugelassen. Die Deckung erfolgt aus der bei AHSt. 1.9140.8500.000 veranschlagten Deckungsreserve.
7. Die Verwaltung wird im Laufe des Jahres 2003 über die Entwicklungen in diesem neuen Aufgabenbereich berichten und zu den Haushaltsplanberatungen 2004/2005 einen Bericht zum dauerhaft erforderlichen Stellenbedarf zur Umsetzung des GSiG, zu den finanziellen Auswirkungen und zur künftigen organisatorischen Zuordnung vorlegen. In diesem Zusammenhang werden baldmöglichst Vorschläge unterbreitet, wie die Bearbeitung derjenigen Fälle mit gleichzeitigem Anspruch auf Grundsicherung, Wohngeld und ergänzender Sozialhilfe mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand erfolgen kann.
8. Das Amt für Liegenschaften und Wohnen wird ermächtigt, die durch den OE-Prozess Wohngeld voraussichtlich entfallenden 4 Stellen für die durch die Grundsicherung erwarteten Zugänge bei der Wohngeldsachbearbeitung zu verwenden. Im Bedarfsfall können bis zu 2 weitere Stellen, die durch den OE-Prozess beim Amt für Liegenschaften und Wohnen (ohne Teil Wohngeld) abzubauen sind, verwendet werden.
Einführung/Sachvortrag
Einführend weist EBM
Dr. Lang
auf das Beratungsergebnis des Sozialausschusses hin. Anschließend trägt Herr
Tattermusch
in seinem Sachvortrag vor, das Grundsicherungsgesetz befasst sich mit der Zielgruppe der Menschen, die im Alter über nur unzureichende finanzielle Mittel verfügten und die ihren notwendigen Lebensunterhalt durch die Sozialhilfe gesichert erhielten. Die zweite Zielgruppe seien diejenigen Menschen, die zwar von ihrer Einkommens- und Vermögenssituation her Anspruch auf Sozialhilfe hätten, den Weg zum Sozialamt aber scheuten. Dabei handele es sich um die sogenannten “verschämten Altersarmen”. Die Sozialverwaltung begrüße den Gedanken, sich dieses Personenkreises anzunehmen und für diese Menschen eine andere Alternative zu suchen und zu finden. Im Gesetzgebungsverfahren habe es allerdings bedauerlicherweise einige handwerkliche Schnitzer gegeben, mit denen sich auch die Sozialverwaltung auseinanderzusetzen habe. Zum Teil hätten bereits Verbesserungen stattgefunden. Weitere Änderungen habe das Ministerium angekündigt. Vor diesem Hintergrund habe sich die Fachverwaltung entschieden, das Thema zunächst einmal sehr grundsätzlich anzugehen. Eingerichtet worden sei eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe, in der auch das Finanz- und Beteiligungsreferat sowie das Referat Allgemeine Verwaltung mitgearbeitet hätten. Darüber hinaus habe auf Bundesebene ein fachlicher Austausch stattgefunden, von dem die Stuttgarter Seite durchaus profitiert habe.
Die Vorlage stelle das Ergebnis der geleisteten Arbeit dar. Hinweisen müsse er darauf, dass die Zahlenangaben in dieser Vorlage auf gewissenhaften Schätzungen beruhten, da über den Personenkreis der verschämten Altersarmen nur beschränkte Unterlagen zur Verfügung stünden. Im Hinblick auf die Komplexität des Themas, die Unsicherheit bezüglich der Größe des Personenkreises und insbesondere angesichts der absehbaren Notwendigkeit, im Rahmen der Einarbeitungsphase noch Veränderungen einzubauen, habe sich die Sozialverwaltung für eine zentrale Bearbeitung in der Einarbeitungsphase entschieden. Hinzu komme, dass auch noch keine Ausführungsbestimmungen des Bundes existierten. Die Gestaltung dieser Einführungsphase sei kurz gefasst in der Beschlussantragsziffer 2 dargestellt.
Mit dem dort dargestellten Personalbedarf unterschreite man die Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände (150 Fälle/Sachbearbeiter); in Stuttgart werde von 200 Fällen/Sachbearbeiter ausgegangen.
Schwierig stelle sich auch das Thema Technik dar. Er habe heute Morgen ein Schreiben des PROSOZ-Institutes erhalten, wonach nun noch vor den Sommerferien endgültig das Erfassungsprogramm für das Grundsicherungsgesetz vorgestellt werden solle. Nach wie vor gebe es kein exaktes Datum, was die Zahlbarmachung angehe. Dieser Teil des Programmes werde erst im Oktober/November, eventuell auch erst im Dezember vorliegen.
Schwierigkeiten, die sich aus dem Gesetz ableiteten, gebe es natürlich auch. Diejenigen Menschen, die bisher Sozialhilfeleistungen bekommen hätten, hätten mit der Hilfe zum Lebensunterhalt auch das sogenannte "Pauschalierte Wohngeld" erhalten. Dies falle für die Empfänger von Grundsicherungsleistungen weg. Diese müssten deshalb einen gesonderten Wohngeldantrag stellen. Dies führe zu Mehraufwand bei den Bürgern. Vom Gesetzgeber sei dies aber so gewollt.
Ein weiteres Problem werde dadurch entstehen, dass die Bescheide über die Bewilligung der Grundsicherungsleistung nicht in diesem Jahr erteilt werden dürften. Soweit Bewilligungen vor dem 01.01.2003 erfolgten, müsse die Stadt Stuttgart die Kosten tragen. Nach gegenwärtiger Regelung gebe es keinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Bund. Den Bürgern müsse noch vermittelt werden, dass sie die Bescheide erst in allerletzter Minute erhielten.
Die Startphase werde mit einem erheblichen Schulungsaufwand für die neuen Mitarbeiter/-innen, die diese Aufgabe wahrnehmen, verbunden sein.
Zu der Fallzahlberechnung verweist er auf die Seite 7 der ausführlichen Begründung der Vorlage. Die Verwaltung habe sich intensiv mit dem Finanzbedarf auseinandergesetzt (Seiten 8 und 9 der Vorlage). Aufgezeigt werde, dass die Stadt Stuttgart erhebliche finanzielle Mittel aufwenden müsse (Seite 3 der Vorlage).
Die Organisation solle stufenweise aufgebaut werden. Nach einer zweijährigen, zentral organisierten Einführungsphase solle in die Dezentralität gegangen werden. Auch die Sozialverwaltung sehe in der Dezentralität ein höheres Maß an Bürgernähe und Bürgerorientierung. Für die Einführungsphase werde es dennoch auch im Interesse der Bürger als geboten angesehen, diese Kompetenz zu bündeln und eine zentrale Bearbeitung vorzunehmen. Dies nicht zuletzt, da die Verteilung der Fallzahlen noch nicht bekannt sei.
Grundsätzliche Ausführungen aus dem Ausschuss
Seiner Fraktion, so StR
Föll
(CDU), gehe es nicht um die Frage, ob die Grundsicherung richtig oder falsch sei. Der Grundansatz werde durchaus für richtig angesehen und gewollt werde, dass zum 01.01.2003 die betroffenen Bürger/-innen Sozialleistungen nach diesem Gesetz beziehen könnten. Allerdings werde der geplante Weg zur Umsetzung kritisiert. Die CDU-Gemeinderatsfraktion sei fest davon überzeugt, dass es mit der Umsetzung der Grundsicherung die Chance gebe, den Sozialhilfedienststellen eine neue Perspektive zu geben. Diese Chance wolle man nutzen. Daher werde das vorgeschlagene Umsetzungskonzept der Stadtverwaltung abgelehnt. Stattdessen werde beantragt, dass die Verwaltung beauftragt werde, ein Konzept mit einer dezentralen Struktur unter Eingliederung der Grundsicherung in die Sozialhilfedienststellen zu entwickeln. Den notwendigen Ressourcenbedarf unter Berücksichtigung des Stellenbemessungsverfahrens müsse die Verwaltung darstellen.
StR
Kanzleiter
(SPD) spricht sich dafür aus, entsprechend dem Verwaltungsvorschlag die Umsetzung des Gesetzes anzugehen. Respektiert werden sollte, dass viele Verwaltungsmitarbeiter diese Empfehlung ausgesprochen hätten. Nach einer gewissen Erfahrungszeit sollte dann untersucht werden, ob der zentrale Ansatz die richtige Struktur darstelle. In einer Prozessoptimierung könnten dann Verbesserungen angegangen werden. Außer Frage stehe, dass in Richtung Dezentralität gegangen werden müsse.
Erfreut zeigt sich StRin
Werwigk-Hertneck
(FDP/DVP) über die Einigkeit, dass als Ziel eine dezentrale Struktur angestrebt wird. Für eine Einführungsphase werde der Vorschlag der Verwaltung unterstützt, verbunden mit der Bitte, so rationell wie möglich das aufwendige Gesetz umzusetzen. Allenfalls könne über die Dauer der zentral angelegten Phase diskutiert werden. Sinngemäß äußert sich StR
Kauderer
(FW).
Positionen der Bezirksämter/Bezirksvorsteher
Die CDU-Gemeinderatsfraktion hat laut StR
Föll
in einem noch nie dagewesenen Umfang Anrufe von Beschäftigten der Bezirksämter und der Sozialhilfedienststellen erhalten, die die Haltung seiner Fraktion bei diesem Thema unterstützen. Offenbar würden die in der Praxis Tätigen sehen, was funktioniere und was den Menschen zugemutet werden könne. Nach Kenntnisstand von StRin
Gröger
(SPD) wünschten sich die Mitarbeiter/-innen der Bezirksämter die Umsetzung dieser Aufgabe nicht in den Sozialhilfedienststellen, sondern in den Ortsbehörden für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung. Da vorab aber nichts über die tatsächlich in den Bezirksämtern auftretenden Fallzahlen bekannt sei, könnten vorab auch keine zusätzlichen Stellenressourcen bereitgestellt werden. Für Herrn
Tattermusch
ist es nicht vorstellbar, dass sich einer der Anrufer aus den Bezirksämtern für eine Bearbeitung der Grundsicherung in den Sozialhilfedienststellen ausgesprochen hat. Einheitlich hätten sich alle Bezirksvorsteher dafür ausgesprochen, die Grundsicherung dezentral zu bearbeiten, und zwar in den Ortsbehörden.
Herr
Bohlmann
erklärt, die Ausführungen von Frau Bach (Vorsitzende PR Bezirksrathäuser) seien im Sozialausschuss teilweise missverständlich interpretiert worden. Dazu wolle er klarstellen, bei allen Sozialhilfesachbearbeitern/-innen der Bezirksämter und des Sozialamtes bestehe der nachhaltige Wunsch, dass die Grundsicherung nicht in den Sozialhilfedienststellen angesiedelt werde. Auch die Bezirksvorsteher würden einvernehmlich diese Position einnehmen.
Anonymität
StR
Föll
bemerkt, wenn es dem Gesetzgeber um die Gewährleistung der Anonymität gegangen wäre, hätte er die Umsetzung - und dies findet Unterstützung bei StR
Kauderer
- bei den Rentenversicherungsträgern angesiedelt. Von einem nicht abgebauten diskriminierenden Charakter der Sozialhilfedienststellen spricht StR
Kanzleiter.
Er verbindet einen dezentralen Ansatz bei den Sozialhilfedienststellen mit einer Erhöhung der Diskriminierungsschwelle. Nach Information von StRin
Gröger
ist auf Bundesebene aus Gründen der Datenerhebung und der Datenverfügbarkeit durch die Rententräger schon bei der ersten bzw. bei der zweiten Gesetzesanhörung von einer Bearbeitung durch die Ortsbehörden für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung abgesehen worden.
Armutsbericht
Der vom Sozialamt vorgelegte Armutsbericht (Seite 228) geht nach Aussage von StR
Föll
von einer überschaubaren "verschämten Armut" in Stuttgart aus. Demgegenüber bestätigt der Armutsbericht der Landeshauptstadt nach Auffassung von Herrn
Tattermusch
die in der Vorlage genannten Zahlen (2 % der über 60-Jährigen entspricht 2.500 Stuttgarter Bürgern/-innen, die den "verschämten Armen" zugerechnet werden müssen).
Besetzung der benötigten Stellen
Für notwendig erachtet StR
Kanzleiter,
die benötigten Stellen schnellstmöglich auszuschreiben. StR
Wölfle
(90/GRÜNE) nimmt die Position ein, dass die Frage der Stellenbemessung bereits beantwortet ist. Wenn das von der Verwaltung pro Mitarbeiter vorgeschlagene Bearbeitungsvolumen vom Gemeinderat akzeptiert werde, wäre eine Grundlage vorhanden, auf der fristgerecht zum 01.07.2002 geeignete Mitarbeiter/-innen gesucht werden könnten.
Gegenüber StR Wölfle teilt Herr
Tattermusch
mit, in die schon vorbereiteten Stellenausschreibungen könne selbstverständlich aufgenommen werden, dass zunächst eine zentrale Bearbeitung an einem bestimmten Standort vorgesehen sei aber das beabsichtigt werde, zu einem späteren Zeitpunkt in bestimmte Bezirksämter zu gehen.
Stellenbemessung/Personalaufwand
Dass die CDU-Gemeinderatsfraktion eine Absenkung des Stellenbedarfs unter die Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände anstrebt, vermutet StR
Kanzleiter.
Diesbezüglich unterstreicht StR
Föll,
er habe zur Stellenbemessungsfrage keine Ausführungen gemacht. Von ihm sei lediglich auf die Grundstruktur eingegangen worden. Im selben Zusammenhang erklärt StRin
Gröger,
um die Umsetzung nicht weiter zu verzögern und um nicht Gefahr zu laufen, Stellenressourcen falsch einzusetzen, müsse zentral organisiert begonnen werden. Auch EBM
Dr. Lang
äußert sich zur Stellenbemessungsfrage. Er trägt dabei vor, Herr Tattermusch habe in seinem Sachvortrag auf die Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände (150 Fälle/ Sachbearbeiter/-in) hingewiesen. Der Sozialamtsleiter lege ansonsten nachhaltig Wert auf die Benchmark mit anderen Städten. Eine Aufstellung über die Stellenbemessung vergleichbarer Städte, Stand Mai 2002, beinhalte folgende Fallzahlen/Sachbearbeiter: Dresden 360, Düsseldorf 330, Essen 440, Frankfurt 300, Hannover 450, Leipzig 300. Er gehe davon aus, dass zunächst einmal Erfahrungswerte gesammelt werden sollten. Aber diese Aufstellung zeige doch, dass die Landeshauptstadt mit einer vergleichbar ordentlichen Stellenausstattung starten wolle. Ob das derzeit Geplante das "Ende der Fahnenstange" sein muss, sei noch nicht gesagt. Danach bestätigt Herr
Tattermusch,
in der Tat hätten einige Städte sehr hohe Fallzahlen für die Bearbeitung der Grundsicherung vorgesehen. Hier müsse jedoch ein Zusammenhang mit der Stellenbesetzung hergestellt werden. Von der Grundtendenz her gebe es folgende zwei Linien:
a) Fallzahlen in der Größenordnung von 150 bis 200 je Sachbearbeiter. Dort sollen Mitarbeiter des mittleren Dienstes eingesetzt werden.
b) Höhere Fallzahlen würden durchweg von Städten eingeplant, die für die Sachbearbeitung Beschäftigte des gehobenen Dienstes einsetzen wollten. Nicht nachvollziehbar sei hier allerdings, wie ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes die Sachbearbeitung so beschleunigen könne, um letztlich sehr viel höhere Fallzahlen abzudecken.
Zentrale oder dezentrale Organisationsstruktur/Ziele und Perspektiven
Als Fakt bezeichnet es StR
Föll,
dass zwei Drittel der rund 2.400 Altfälle und auch die Mehrheit der voraussichtlichen Neufälle bislang und auch zukünftig ergänzende Sozialhilfe erhalten (z. B. durch Mehrbedarfszuschläge oder andere Leistungen). Ebenfalls werde das Wohngeld, das ein Großteil des betroffenen Personenkreises beziehe, künftig nicht mehr pauschaliert mit der Sozialhilfe ausbezahlt, sondern separat beantragt werden müssen. Die Mehrzahl der Betroffenen erhalte somit in Zukunft drei verschiedene Leistungen (Grundsicherung, ergänzende Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne eines Mehrbedarfszuschlages und Wohngeld). Bei einer zentralen Organisation der Grundsicherung bedeutet dies, dass die Menschen zukünftig auf drei verschiedene Verwaltungsstellen gehen müssten (zentrale Organisationseinheit beim Sozialamt, Sozialamt vor Ort, Abt. Wohngeld in der Holzstraße in der Innenstadt). Dies bezeichnet er als Tortur. Überwiegend handle es sich um ältere, häufig in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Das Geplante werde als Musterbeispiel angesehen, wie eine service-orientierte Verwaltung nicht aufgebaut sein dürfe. Zudem werde ein hoher Verwaltungsaufwand produziert (drei verschiedene Leistungen/drei verschiedene Sachbearbeiter/dreimal Antragsunterlagen/drei unterschiedliche Bescheide). Die Sachbearbeiter müssten sich jeweils individuell in die Situation der Antragsteller einarbeiten. Seine Fraktion wolle das Thema Grundsicherung dezentral in den Sozialhilfedienststellen ansiedeln. Dann könnte eine Umstellung auf die Grundsicherung verhältnismäßig einfach erfolgen, da die in den Sozialhilfedienststellen tätigen Sachbearbeiter bereits Kenntnisse über die Verhältnisse der Antragsteller hätten.
Richtig sei, dass der Gesetzgeber eine Zusammenlegung der Grundsicherung mit der Sozialhilfe nicht empfehle. Der Gemeinderat sei im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung aber frei, wie das Gesetz umgesetzt werde. Berücksichtigt gehörten die besonderen örtlichen Voraussetzungen. Stuttgart habe genug Sach- und Fachkompetenz, um einen eigenständigen Weg zu gehen.
Der Ansatz seiner Fraktion biete für die Sozialhilfedienststellen eine sehr viel weiter gehendere Perspektive. Die Frage, in welche Richtung sich die Sozialhilfedienststellen entwickeln sollten, müsse einer Beantwortung zugeführt werden. Mittel- und langfristig sei es richtig, den Weg zu gehen, dass aus den Sozialhilfedienststellen vor Ort Dienststellen für Sozialleistungen entstünden. Dort könnte dann mittel- und langfristig das Wohngeld integriert werden. Dieselben Überlegungen müssten bezüglich der wirtschaftlichen Hilfen nach dem KJHG angestellt werden. Andere Städte wie Köln und Bremen seien diesen Weg, da sie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgten, mit großem Erfolg gegangen. In Richtung Umbau der Sozialhilfedienststellen zu Dienststellen/Servicezentren für Sozialleistungen könne mit der Einführung des Grundsicherungsgesetzes ein erster Schritt erfolgen.
Auch StR
Kanzleiter
befürwortet im Namen seiner Fraktion dezentrale Strukturen in der Stadtverwaltung. Angestrebt werde eine Stärkung der Bezirksverwaltungen, damit Bürger kürzere Wege bei der Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Leistungen hätten. Soweit erkennbar hänge der von der Verwaltung vorgeschlagene Weg in diesem speziellen Fall mit der Einführungsphase zusammen. Es gehe darum, dem Ziel des Gesetzes möglichst schnell gerecht zu werden. Bei Festlegung der verwaltungstechnischen Abwicklung müssten die Realitäten Berücksichtigung finden. Die Sozialhilfedienststellen in den Bezirksämtern seien "total" überlastet und es gebe offene Stellen.
Nach Einschätzung von StR
Wölfle
könnte, wenn das von StR Föll bezüglich der Grundsicherung Skizzierte umgesetzt würde, der OE-Prozess über die Ansiedlung des Wohngeldes beendet werden. Dies würde seine Unterstützung finden. Er vermisst eine klare Aussage der Verwaltung über die Dauer der (zentralen) Einführungsphase. Des Weiteren fehlen ihm noch Argumente für einen zentralen Beginn.
Dafür, den Vorschlag von StR Föll nach Vorliegen der tatsächlichen Grundsicherungsfallzahlen umzusetzen, spricht sich StR
Kauderer
aus.
Übereinstimmend weisen StR
Föll
und StR
Wölfle
auf Probleme beim Auflösen zentraler Einheiten hin. Zwar verfügen die Sozialhilfesachbearbeiter nach Überzeugung von StR
Föll
über eine hohe Kompetenz. Diese müssten aber geschult werden und natürlich werde eine zentrale Einheit (Fachberatung/Hotline) sowie ergänzendes Personal in den Sozialhilfedienststellen benötigt. Wie letztlich eine dezentrale Form aussehe, könne er heute noch nicht sagen, aber dennoch müsse aus den bereits dargelegten Gründen (Effizienzgewinne) dezentral gestartet werden.
Von StRin
Gröger
erfolgt der Vorschlag, die in der Beschlussantragsziffer 7 zugesagte Berichterstattung dahin gehend zu ergänzen, dass vom Ausschuss erklärt wird: Ziel ist, einen Vorschlag zur Dezentralität vorzulegen. Dies erhebt sie im Namen ihrer Fraktion zum Antrag. Auch sie betont, dezentral müsse begonnen werden, da derzeit über die Anzahl der jeweiligen Fallzahlen noch nichts bekannt sei. Von der Verwaltung gehöre zugesichert, dass auch in der Anfangsphase sämtliche Formulare dezentral abgeholt und auch Anträge dann dezentral abgegeben werden könnten.
Einen nachhaltigen Unterschied in den Positionen erkennt EBM
Dr. Lang
nicht mehr. Es stelle sich die Frage, ob es Sinn mache, mit einem zentral organisierten Verfahren zu beginnen, wenn eigentlich von einer dezentralen Organisation als Ziel gesprochen werde. Ernsthaft könne dieses Ziel wohl auch nicht in Frage gestellt werden. Das Finanz- und Beteiligungsreferat habe die Vorlage zwar mitgezeichnet, allerdings unter dem Gesichtspunkt, dass wenn die Fachverwaltung für die Einführung eine zentrale Vorgehensweise vorschlage, das Finanz- und Beteiligungsreferat keinen anderen Weg vorziehen könne. In der Stellungnahme zur Vorlage habe sein Referat angemerkt: "Ich bitte deshalb, baldmöglichst Überlegungen anzustellen, wie in den Grundsicherungsfällen, in denen gleichzeitig Anspruch auf Wohngeld und aufstockende Sozialhilfe besteht, eine rationelle Bearbeitung an einer Stelle erfolgen kann. Es ist nicht bürgerfreundlich und es entspricht auch nicht den Zielen der Verwaltungsreform, wenn ein Anspruchsberechtigter an drei verschiedenen Stellen drei verschiedenen Anträge stellen muss und dann drei verschiedene Bescheide und Auszahlungen erhält. Genauso ist die getrennte Bearbeitung der Heimfälle nicht nachvollziehbar." Er könne sich daher eine Auftragsformulierung vorstellen, aus der hervorgehe: "Nach einer Einführungsphase, die nicht länger als ein halbes Jahr sein sollte, ist ein dezentrales Konzept vorzulegen". Nachvollziehen könne er derzeit nicht, inwieweit eine Verständigung auf ein dezentrales Konzept zu Verzögerungen führe. Dies sollte in der weiteren Diskussion geklärt werden.
BM
Murawski,
der sich erfreut über die Debatte zeigt und der sich den Ausführungen von EBM Dr. Lang anschließt, führt aus, der Ausschuss gebe ein einstimmiges und eindeutiges Signal zugunsten einer dezentralen Regelung ab. Insoweit gebe es zwischen den Referaten Soziales, Jugend und Gesundheit und Allgemeine Verwaltung Einvernehmen.
Tatsache sei, dass die Bezirksvorsteher eine dezentrale Regelung befürworteten, und zwar seines Wissens aus den von StR Föll genannten Gründen. Die Bezirksvorsteher/-innen gingen von Bündelungseffekten aus. Zudem werde die Annahme vertreten, dass Personen, die dem Kreis der "verschämten" Armut zugerechnet werden müssten, eher zum vertrauten Bezirksamt als zu einer zentralen Einrichtung gingen.
Er habe wie EBM Dr. Lang die Vorlage mitgezeichnet, da sich die Verwaltung stets bemühe, vernünftige Kompromisse zwischen verschiedenen fachlichen/sachlichen Standpunkten zu finden. Im vorliegenden Fall liege der Kompromiss darin, dass zunächst einmal zentral begonnen werden solle mit dem Ziel, dauerhaft eine Lösung aufzubauen. Dabei sei er sich mit den Bezirksvorstehern allerdings "ziemlich" sicher, dass es bürgernäher und bürgerfreundlicher sowie vom Verwaltungsablauf synergetischer wäre, wenn eine dezentrale Organisation erfolge.
Besonders erfreut sei er über den Beitrag von StR Föll. Der Stadtrat habe eine Perspektive eröffnet, die ein bedeutsames Ziel der Verwaltungsreform darstelle. Die Frage sei, ob nicht eine völlig neue Organisationsform im Bereich der sozialen Hilfeleistungen gesucht werden müsse, wenn schon festgestellt werde, dass sehr ähnliches Klientel, das verschiedene Hilfeleistungen beanspruche, zu einer Zusammenfassung auch innerhalb der Verwaltung in dezentrale Einheiten komme. Stadtbezirksbezogen regionalisierte, dezentrale Einheiten, die insgesamt für hilfebedürftige Bürger/-innen arbeiteten, die auch weitgehend selbstständig operierten mit dem eindeutigen Ziel, die Menschen durch Beratung und Hilfe aus der jeweiligen Hilfesituation herauszuholen, seien für die Betroffenen das Humanste und Sozialste, was ihnen überhaupt passieren könne und für die Stadt andererseits natürlich auch das Günstigste. Diese Perspektive sei für die in Zukunft zu führenden Debatten sehr wesentlich. Er fühle sich in seiner sachlichen Einschätzung durch die heutige Diskussion außerordentlich bestärkt, insbesondere durch das von StR Föll Ausgeführte. Es könne nur darum gehen, eine möglichst bürgerfreundliche Lösung anzustreben, die gleichzeitig unter dem Aspekt des Verfolgten die effektivste sei. Wenn es gelinge, die Hilfe auslösende Situation durch die Bündelung der Hilfeleistungen in einer Hand zu beseitigen, dann sei dies im Sinne der Allgemeinheit. Zu Recht habe StR Föll auf die Beispiele in Bremen und Köln hingewiesen. Über die vom Gemeinderat erkennbar einstimmig vorgenommene Grundausrichtung der Strategie sei er sehr froh. Damit befinde man sich auf einem Erfolg versprechenden Weg.
Nach Aussage von Herrn
Tattermusch
wird das Thema Mehrfachbezug auch auf Bundesebene diskutiert. Der Bundesgesetzgeber habe dazu bereits angekündigt, dass dieses zu den Dingen gehöre, die er bereinigen wolle (Abbau Doppelbezug). Die Bürger aus den Stadtteilen müssten nicht die zentrale Einheit aufsuchen. Für die Einführung des Gesetzes sei derzeit folgendes Verfahren vorgesehen und abgesprochen: Bundesweit würden die Rentenversicherungsträger im September ihre Rentenbezieher, die eine bestimmte Rentenhöhe nicht überschreiten, anschreiben. Dabei würden die in Frage kommenden Personen über das Grundsicherungsgesetz informiert und sie erhielten dabei einen bis dahin existierenden bundeseinheitlichen Antragsvordruck. Darüber hinaus werde die Sozialverwaltung dafür Sorge tragen, dass im gesamten Stadtgebiet in entsprechenden Dienststellen und Bezirksämtern diese Anträge zur Verfügung stünden, sodass auch jeder, der nicht von einem Rentenversicherungsträger bedacht werde, sich einen Antrag beschaffen und diesen dann einreichen könne. Zum Einholen von Auskünften sei die Einrichtung einer Hotline geplant. In einem intensiven Diskussionsprozess habe sich die Fachverwaltung für diese zentrale Lösung entschieden. Die Diskussionen hätten gezeigt - und dies wolle er ausdrücklich betonen -, dass es sich auch um die wirtschaftlichste Lösung handle.
Er könne bestätigen, dass auch die Fachverwaltung zukünftig von einer dezentralen Bearbeitung der Grundsicherung ausgehe. Die zentrale Bearbeitung werde nur für die Einführungsphase gewünscht. Hinsichtlich der Bedenken, ob dieses dann auch funktioniere, wolle er auf einen parallel laufenden Vorgang zum Wohngeld verweisen, mit dem sich der Gemeinderat zumindest im Reform- und Strukturausschuss befasst habe. Dort sei im Rahmen des OE-Prozesses beschlossen worden, zunächst einmal das Wohngeld zentral weiter zu bearbeiten, wobei dieses zunächst auch beim Amt für Liegenschaften und Wohnen weiter verbleiben solle. Wenn sich dieses Verfahren stabilisiert habe, solle die Dezentralisierung geprüft werden. Selbstverständlich seien die an der Basis Beschäftigten in das Projekt einbezogen worden.
Natürlich werde von der Sozialverwaltung das Ziel verfolgt - und mit den heute erfolgten Äußerungen würden Überlegungen im Sozialamt bestätigt -, Sozialkompetenzzentren dezentral im Stadtgebiet einzurichten. Dieses Thema solle im Rahmen einer Klausurtagung im Herbst vertieft behandelt werden. Dazu, wie so etwas aussehen könnte, seien bereits Vorüberlegungen erfolgt. Ob dieses dann der von BM Murawski angesprochene Einheitssachbearbeiter sei oder ob sich eine andere Lösung aufdränge, sei heute noch nicht bekannt. Ein Erfahrungsbericht aus Dortmund komme zum Schluss, dass der Einheitssachbearbeiter eine extrem teure Lösung darstelle. Einen diesbezüglichen Versuch habe die Stadt Dortmund abgebrochen.
Schwierig und äußerst problematisch wäre es jetzt, die Bearbeitung der Grundsicherung in die Sozialhilfedienststellen gegenwärtigen Zuschnitts zu geben. Dies würde eindeutig den Intentionen des Gesetzgebers widersprechen. Es gebe die Empfehlung des Bundes über die Verfahrensweise. Die Stuttgarter Sozialverwaltung habe einen möglichen Weg gewählt. Seit heute liege ihm eine Umfrage von Haupt- und Organisationsämtern anderer Städte vor. Diese zeige, dass es sehr viele unterschiedliche Wege gebe. Der Stuttgarter Weg sei einer davon. Interessant sei, dass gerade auch die zitierte Stadt Köln ebenfalls den Stuttgarter Weg einschlage. Bundesweit werde die Fallbearbeitung nur in zwei Städten in Sozialhilfedienststellen stattfinden (Karlsruhe, Gera). Wenn die Karlsruher Zahlen umgerechnet würden, müsste Stuttgart nicht 15, sondern 26 Stellen für die Einführungsphase beanspruchen. Erkennbar sei, dass es keinen Königsweg gebe.
Ob ein Bürger zwischen Sozialhilfe- und Grundsicherungsstelle unterscheide, werde sich zeigen. Für die Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes habe der Bund eine Evaluation durch ein wissenschaftliches Institut vorgesehen. Dort werde sicherlich sorgfältig herausgearbeitet, wie sich die unterschiedlichen Organisationsmodelle unter Berücksichtigung der Situation in der jeweiligen Stadt auf die Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen auswirke. Die zentrale Sachbearbeitung in der Einführungsphase werde nicht deswegen präferiert, da seitens des Sozialamtes die Erwartung bestehe, damit "Ruhm und Ehre" gewinnen zu können. In der Einführungsphase gehe es ausschließlich und alleine darum, eine bürgerfreundliche und effiziente Lösung zu haben.
Innerhalb der Projektgruppe/-lenkung, so Herr
Bohlmann,
sei einhellig aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Bürgerorientierung eine dezentrale Einführung befürwortet worden. Die Grundsicherung müsse aus politischen und fachlichen Gründen von der Sozialhilfe getrennt sein. Sowohl der Personalrat des Sozialamtes als auch der Personalrat der Bezirksämter erachteten eine zentrale Einführungsphase als notwendig. Daran anschließend müsse unter Beteiligung der Mitarbeiterschaft in die Dezentralität gegangen werden.
Zu den wirtschaftlichen Hilfen merkt Herr
Pfeifle
an, richtig und wichtig sei es, ständig Vergleiche mit anderen Kommunen anzustellen. Aber per se andere für besser zu halten als die Stuttgarter Stadtverwaltung, halte er nicht für richtig. 1999 habe der Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen, die wirtschaftlichen Hilfen zu dezentralisieren und in den Allgemeinen Sozialdienst (ASD) zu integrieren. Zwei Gründe hätten dafür den Ausschlag gegeben: Einmal sei gesagt worden, wirtschaftliche Hilfen stellten keine finanzielle Leistung für einen Bürger dar, sondern diese bezahlten die freien Träger, die eine pädagogische Leistung, die der ASD vermittelt/gewährt habe und die der freie Träger dann geleistet habe. Weiter sei damals das "Hilfe zur Erziehung"-Entwicklungsprojekt beschlossen worden. Auf der Suche nach der besten Lösung müsse weiter diskutiert werden.
Nochmals spricht EBM
Dr. Lang
von nicht weit auseinander liegenden Positionen. Auf der Basis des derzeitigen Verfahrensstandes schlägt er als Kompromissvorschlag vor, so wie im Beschlussantrag vorgesehen, zu starten. Gleichzeitig sollte der Auftrag erteilt werden, bis März 2003 ein dezentrales Konzept vorzulegen, das sowohl wirtschaftlichen Gesichtspunkten als auch dem Gesichtspunkt der Bürgerfreundlichkeit Rechnung trägt. Nach Einschätzung von Herrn
Tattermusch
liegen der Verwaltung allerdings erst zum 01.06.2003 gesicherte Zahlen über die Bezieher von Grundsicherungsleistungen vor.
Vor der Einführung einer dezentralen Struktur müssen laut StR
Kanzleiter
zunächst offene Fragen wie an welchem Ort diese neue Aufgabe angesiedelt werden soll (Ortsbehörde, Sozialhilfe oder Zusammenlegung dieser beiden Stellen in eine Dienststelle für Sozialleistungen) und die Stellenbemessungsfrage beantwortet werden. Berücksichtigt gehörten hier die Aussagen der Fachverwaltung. Nun sollte in der von der Verwaltung vorbereiteten Form begonnen werden, um dann möglichst schnell eine dezentrale Bearbeitung zu bekommen. In der Zwischenzeit müsse sich der Gemeinderat die Zeit nehmen die grundsätzlichen Dinge - nach deren Vorbereitung - wahrscheinlich im Reform- und Strukturausschuss zu diskutieren.
Nach Feststellung von StR
Wölfle
diskutiert der Gemeinderat einzelne Zielsetzungen an einem konkreten Objekt. Der von der Verwaltung unterbreitete Vorschlag passe ihm in der Zielsetzung nicht, da er einer Dienststelle für Sozialleistungen, über die allerdings noch nie Gespräche stattgefunden hätte, widerspreche. Würde bereits eine Entscheidung hin zu solchen Dienststellen für Sozialleistungen vorliegen, würde sich daraus sehr vieles ableiten bzw. viele Untersuchungen wären überflüssig. Seitens der Verwaltung werde der Einsatz von Stellen des mittleren Dienstes vorgeschlagen. Sollte aber vernünftiger Weise eine Entscheidung hin zu einer Integration in Sozialhilfedienststellen erfolgen, wäre diese Stellenbesetzung ein Fehler. Dann nämlich wäre es besser gewesen schon zu Beginn dieser Aufgabe im Sinne eines einheitlichen Niveaus Stellen des gehobenen Dienstes einzusetzen. Wenn also heute dem Verwaltungsvorschlag gefolgt würde, hätte man etwas vorweggenommen und dieses würde in Zukunft Schwierigkeiten mit sich bringen. Die Verwaltung könnte dann zu einem späteren Zeitpunkt sagen, "Dezentral wäre schon besser, aber damit würden sich personelle Schwierigkeiten ergeben". Dies sieht er nur als ein Beispiel für die in seinen Augen noch nicht vorliegende Entscheidungsreife an. Nach Einschätzung der Verwaltung dauere die Einführungsphase vom 01.07.2002 bis 31.12.2003. Nachvollziehbar ist für ihn eine zentrale Vorbereitung und die zentrale Einführung des Personals. Nach Abschluss dieser Einführungsphase müsse dann die Sachbearbeitung dezentral stattfinden. Damit könnte seiner Einschätzung nach mit Beginn des Dauerbetriebs (01.01.2003) begonnen werden. Dieses würde dann aber mit den Vorstellungen der Verwaltung in Richtung Eingruppierung nicht in Einklang stehen. Er wolle durch seine Nachfragen keine Verzögerungen erwirken. Die einzelnen Verwaltungsstellungnahmen aber ließen Eigeninteressen erkennen, weshalb er sich als Politiker genötigt sehe, diese Stellungnahmen dahin gehend zu überprüfen, ob die Einzelinteressen den Interessen der Bürgerschaft widersprächen.
Den Kompromissvorschlag von EBM Dr. Lang sieht StR
Föll
nicht als tragfähig an. Es könne nicht sinnvoll sein, dass 3.900 Akten von den Sozialhilfedienststellen in eine zentrale Dienststelle transportiert werden müssten, um sie dann ein Jahr später wieder zu dezentralisieren. Auch er sieht bei den benötigten Stellen die Eingruppierungsfrage. Daraus ergebe sich dann wiederum die Stellenbemessungsfrage. Zudem stehe die Frage im Raum, welche Verwaltungsteile geschult werden müssten. Der Antrag seiner Fraktion würde lauten:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, kurzfristig ein Konzept mit dezentraler Struktur unter Eingliederung der Grundsicherung in die Sozialhilfedienststellen und Darstellung des dafür notwendigen Ressourcenbedarfs vorzulegen.
2. Darüber hinaus wird die Verwaltung beauftragt, eine Konzeption für den mittel- und langfristen Umbau der Sozialhilfedienststellen in dezentrale Dienststellen für soziale Leistungen unter Einbeziehung des Wohngeldes und der wirtschaftlichen Hilfen nach KJHG, vorzulegen.
Sicherlich werde der zweite Punkt längere Zeit in Anspruch nehmen, da darüber intensive Diskussionen geführt werden müssten; der Gemeinderat müsse eine grundsätzliche Zielvorgabe formulieren. Eine frühzeitigere Beteiligung des Gemeinderats durch die Verwaltung wäre notwendig gewesen.
Nach Informationen von Herrn
Tattermusch
besteht bundesweit die Hypothese, dass eine Einbindung der Grundsicherung in die Sozialhilfedienststellen das nicht Erreichen oder nur ein teilweises Erreichen des betroffenen Personenkreises zur Folge hätte. Von dieser Arbeitshypothese gingen gegenwärtig alle Sozialhilfeträger bundesweit aus. Ob diese falsch sei oder richtig werde sich durch die wissenschaftliche Evaluation zeigen.
Hinsichtlich des Vorschlages der Sozialverwaltung könne er sich auf die Diskussionen der verschiedenen Arbeitsgruppen und der Projektlenkungsgruppe beziehen. Für die Dezentralität gebe es zwei Varianten. Einmal handle es sich dabei um Kompetenzzentren. Wie bereits ausgeführt sei der Weg des Einheitssachbearbeiters eine sehr teure Lösung (A 11-Stellen). Eine andere Möglichkeit stelle ein dezentrales Kompetenzzentrum dar, mit einer sehr engen Vernetzung. Hierbei wäre z. B. denkbar bestimmte Aufgabenfelder, die ohnehin bereits dem mittleren Dienst zugeordnet seien, zusammenzufassen. Künftig werde es nicht mehr die "große Doppelung" zwischen Sozialhilfe und Grundsicherungsleistungen, sondern zwischen Wohngeld und Grundsicherungsleistungen geben. All dieses werde auftragsgemäß bearbeitet und nach Abschluss werde der Gemeinderat über die Ergebnisse informiert, wobei er hier spontan sagen wolle, für ihn stelle die wirtschaftliche Jugendhilfe einen Annex zur sozialpädagogischen Jugendhilfe dar.
Es werde wohl sehr viele Anträge von Menschen geben, die zunächst aufgrund ihres Rentenbezuges Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hätten, bei denen allerdings dann die Vermögensprüfung und weiteres zu einem negativen Bescheid führe. Gerechnet werde damit, dass sehr viele Anträge abgelehnt werden müssten.
Aus der Vorlage zitiert StR
Wölfle
"die für die Bevölkerung notwendige deutliche Trennung zur Sozialhilfe kann gewährt werden durch die Zuweisung der Aufgabe an die Abteilung "Ausgleich- und Versicherungsamt des Sozialamtes". Diesbezüglich fragt der Stadtrat nach, wo sich diese Dienststelle befinden soll und ob dort für die Bürgerschaft erkennbar ist, dass diese Dienststelle nichts mit einer Sozialhilfedienststelle zu tun hat. Nach Auskunft von Herrn
Tattermusch
befindet sich diese zentrale Dienststelle in der Eberhardstraße 35. Aus bestimmten rechtlichen Gründen müsse die von StR Wölfle genannte Bezeichnung aufrechterhalten werden.
Für seine Fraktion, so im Verlauf der Aussprache StR Wölfle, seien heute noch zu viele Fragen offen geblieben. Von daher werde darum gebeten diesen Tagesordnungspunkt ohne Votum an den Gemeinderat weiterzuleiten, damit heute und in den morgen stattfindenden Fraktionssitzungen noch weitere Gespräche geführt werden können.
Nachdem sich gegen diese Vorgehensweise keine Einwendungen erheben, stellt EBM
Dr. Lang
fest:
Dieser Tagesordnungspunkt wird ohne Votum an den Gemeinderat verwiesen.