Stellungnahme zum Antrag
258/2004

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 09/16/2004
Der Oberbürgermeister
GZ: 3506-06



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Dr. Eisenmann Susanne (CDU), Uhl Reinhold (CDU), Barg Stefan (CDU), Schmid Roland (CDU), Dr. Löffler Reinhard (CDU)
Datum
    08/30/2004
Betreff
    Stiftung Theaterhaus
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Die Anfrage wird wie folgt beantwortet:

Zu 1:

Am 08.10.1998 hat der Gemeinderat dem Projekt Pragsattel zugestimmt. Dabei ist er davon ausgegangen, dass die Gesamtkosten (einschl. Grundstückskosten) sich auf 16,1 Mio Euro belaufen. Folgende Finanzierungsanteile wurden der Beschlußfassung zugrunde gelegt:

· Stadt 8,5 Mio Euro
· Land 5,8 Mio Euro
· Stiftung 1,8 Mio Euro
Summe16,1 Mio Euro

Am 06.04.2000 hat der Gemeinderat nachträglich einer von der Stiftung durchgeführten Planänderung im Bereich der Musik der Jahrhunderte zugestimmt; der Kostenrahmen hat sich dadurch um 191.000 Euro erhöht. Die zusätzlichen Kosten wurden dem Finanzierungsanteil der Stiftung zugerechnet.

Nach dem gemeinsamen Konzept war es Aufgabe der Stiftung, der hierfür die Bauherrschaft übertragen wurde, den Gebäudekomplex unter Verwendung der zugesagten Mittel von Stadt und Land und unter Bereitstellung des Eigenanteils (d.h. der Einwerbung von Spenden, Zustiftungen und Zuwendungen) zu modernisieren und auszubauen. Nach Klärung verschiedener technischer und rechtlicher Fragen wurde im Herbst 2000 mit der Sanierung und dem Um- bzw. Neubau der Rheinstahlhalle begonnen.
Im Sommer 2001 wurde die Landeshauptstadt davon in Kenntnis gesetzt, dass der für diesen Bauteil festgelegte Kostenrahmen (9,2 Mio Euro) um 3,8 Mio Euro überschritten wird. Eine daraufhin von der Stadt geforderte und von Herrn Dipl.Ing. Veyhle durchgeführte Kostenprüfung ist Anfang 2002 zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Erstellung eines spielfertigen Hauses über die fehlenden 3,8 Mio Euro hinaus weitere 2,1 Mio Euro notwendig waren. Die Kosten für die Bauarbeiten in der Rheinstahlhalle haben sich damit um 5,9 Mio Euro bzw. 60 v.H. erhöht.

Die Kostensteigerungen waren im wesentlichen auf
- den schlechteren Erhaltungszustand einzelner Bauteile der historischen Rheinstahlhalle,
- die Kontamination von Bauteilen und Böden, die erst bei den Abbruch- und Aushubarbeiten festgestellt wurden,
- zusätzliche Sicherungsanforderungen der Prüfstatik,
- eine einseitige Erweiterung des Raumprogramms (von 49.000 cbm auf 63.000 cbm) durch die Stiftung Pragsattel,
- Erweiterungen der technischen und theaterspezifischen Anlagen und Ausstattungen,
- zusätzliche Anforderungen im Bereich Haus- und Bühnentechnik sowie
- die Berücksichtigung zusätzlicher Anforderungen beim Schallschutz
zurückzuführen.

Als Folge der Bau- und Kostenentwicklung wurde auf Forderung der Stadt die weitere Projektsteuerung einem Generalbevollmächtigten, Herrn Dipl.Ing. Veyhle übertragen.

Zum Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses zur Stiftungsauflösung (16.05.2002) war von folgenden Investitionskosten auszugehen:

Sanierung, Umbau, Neubau Rheinstahlhalle13,9 Mio Euro
Neubau Bereich Musik der Jahrhunderte 1,2 Mio Euro
Sanierung Verwaltungsgebäude* 1,4 Mio Euro
Grundstückskosten/Kosten Altlastensanierung 5,7 Mio Euro
Summe22,2 Mio Euro
*Hinzu kommen ABM-Mittel (Fördermittel des Arbeitsamts) in Höhe von 1,9 Mio Euro

Unter Berücksichtigung der Finanzierungszusagen des Landes haben sich mit dem Beschluß des Gemeinderats vom 16.05.2002 die Finanzierungsanteile wie folgt geändert:

· Stadt 14,3 Mio Euro
· Land 7,3 Mio Euro
· Bundesstiftung Umwelt 0,5 Mio Euro
· Spenden 0,1 Mio Euro
Summe22,2 Mio Euro

Zu 2:

Neben der Sanierungsförderung bewilligte das Land Baden-Württemberg der Stiftung Pragsattel für die Sanierung und den Umbau der Rheinstahlhalle aus Mitteln des Kulturetats einen direkten Zuschuss in Höhe von 2,43 Mio Euro. Bis zum Bekanntwerden der in Ziffer 1 genannten Kostenerhöhungen hatte das Land einen Teilbetrag von 657.000 Euro ausbezahlt. Im Zusammenhang mit den Kostensteigerungen bzw. der ungeklärten Finanzierung hat das Land darauf hingewiesen, dass dem Land nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen wegen der zu diesem Zeitpunkt fehlenden Sicherstellung der Gesamtfinanzierung die Auszahlung der restlichen Fördersumme (1,77 Mio Euro) nicht gestattet ist.

Das Land war zur Überweisung der noch ausstehenden Fördersumme an die Stadt (nicht an die Stiftung) nur bereit, wenn die Stadt für diesen Betrag eine Treuhandstellung übernimmt, die Gesamtfinanzierung sicherstellt und darüber hinaus die Stiftungsorgane die Auflösung der Stiftung unverzüglich in die Wege leiten. Die Umsetzung bzw. Konkretisierung dieser Forderungen (einschl. Stiftungsauflösung) wurde in einer Vereinbarung zwischen Stadt, Land und Stiftung am 10.07.2002 vertraglich geregelt. In einer Ergänzungsvereinbarung vom 10.09.2002 zu diesem Vertrag hat sich das Land bereiterklärt, zur Schließung der Finanzierungslücke weitere 792.000 Euro aus Mitteln des Kulturetats zu bewilligen.

Wie das Finanzministerium Baden-Württemberg in einer Stellungnahme vom 08.09.2004 deutlich macht, würde eine wesentliche Bedingung dieses Vertrages entfallen, falls die Stiftung der vertraglichen Verpflichtung zur Auflösung nicht nachkommen sollte. Nach Auffassung des Finanzministerium müßte in diesem Fall der Vertrag rückabgewickelt werden; der Rechtsgrund für die Auszahlung des o.g. Zuschusses würde wegfallen bzw. müßte das Land aus zwingenden haushaltsrechtlichen Gründen den Zuschuß in Höhe von 2,56 Mio Euro von der Stadt zurückfordern.

Zu 3:

Im Hinblick auf die gegenüber den bisherigen Standorten mit dem Umzug auf den Pragsattel für den Betrieb und die Auslastung verbundenen höheren Anforderungen sind Stadt (Beschluß Gemeinderat vom 08.10.1998) und Land 1998 übereingekommen, den jährlichen Betriebszuschuss für den Theaterhausverein ab Inbetriebnahme des Standorts Pragsattel von 2,55 Mio DM (Stand 1998 – Anteil Stadt: 1,725 Mio DM, Anteil Land: 825.000 DM) um 975.000 DM (Stadt: 625.000 DM, Land: 350.000 DM) zu erhöhen. Unter Berücksichtigung dessen haben sich die städtischen Betriebszuschüsse wie folgt entwickelt:

1998:0,89 Mio Euro (1,75 Mio DM)
1999: wie 1998
2000:0,96 Mio Euro (1,88 Mio DM)
2001:1,22 Mio Euro (2,39 Mio DM)
2002:1,23 Mio Euro (2,40 Mio DM)
2003:1,25 Mio Euro (2,44 Mio DM)

Die Stadt hat die Betriebszuschüsse an den Theaterhausverein seit 1998 um 41 v.H. erhöht. Die Zusage aus dem Jahr 1998 wurde mehr als eingehalten. Gemeinsam mit den Zuschusserhöhungen des Landes sind die auf dem Pragsattel entstehenden Mehrbelastungen (u.a. für Nebenkosten, Technik, Kasse) abzudecken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Theaterhausverein mit dem erheblich größeren Hallenangebot sowie der Sporthalle wesentlich bessere Vermarktungsbedingungen und damit die Möglichkeit hat, zusätzliche Einnahmen durch Vermietung und Sponsoring zu erschließen.

Insgesamt hat der Theaterhausverein seit seinem Bestehen, also in den Jahren 1984 bis 2003 von Stadt und Land Betriebskostenzuschüsse in Höhe von rd. 21,6 Mio Euro erhalten; davon hat die Stadt etwa zwei Drittel finanziert. Zusätzlich hat die Stadt Sonderzuschüsse (für betriebliche Maßnahmen sowie für Baumaßnahmen in Wangen) im Umfang von rd. 1 Mio Euro bewilligt.

Zu 4:

Der Theaterhausverein bzw. Musik der Jahrhunderte mußten für ihre Standorte in Wangen und in der Hasenbergstrasse bislang jährlich rd. 123.000 Euro bzw. 56.000 Euro Miete bezahlen. Bereits 1998 bestand zwischen der Stadt und den Beteiligten Übereinstimmung, dass für die Dauernutzer mit dem Umzug auf den Pragsattel gegenüber bisher keine Erhöhung der realen Mietbelastung verbunden sein soll, weil eine Mieterhöhung zwangsläufig aus den Etats dieser Einrichtungen, die zu einem erheblichen Anteil von der Stadt bezuschußt werden, hätte finanziert werden müssen.

Darauf hat die Verwaltung in der Vergangenheit wiederholt, zuletzt im Zuge der GRDrs 229/2003 (Mietverträge mit dem Theaterhausverein und Musik der Jahrhunderte) hingewiesen. Insofern ist in den vom Verwaltungsausschuß und vom Ausschuß für Wirtschaft und Wohnen am 12.03. bzw. 14.03.2003 behandelten Vertragsentwürfen geregelt, dass - vorbehaltlich einer abschließenden steuerlichen Prüfung - die Mietbelastung für den Theaterhausverein auf dem Pragsattel 123.000 Euro und die für Musik der Jahrhunderte 56.000 Euro betragen soll.

Unabhängig davon wäre im Hinblick auf die gegenüber den bisherigen Standorten wesentlich besseren räumlichen Voraussetzungen eine deutlich höhere Mietfestsetzung möglich gewesen. Ein von der Verwaltung im Herbst 2002 von einem Sachverständigen eingeholte gutachtliche Stellungnahme kam zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage der Gestehungskosten der Stadt (ohne Zuschüsse und Förderungen Dritter) eine jährliche Mietbelastung für den Bereich des Theaterhauses in Höhe von 1,1 Mio Euro und für Musik der Jahrhunderte von rd. 106.000 Euro möglich bzw. vertretbar gewesen wäre.

Zu 5 a:

Mit Bescheid vom 23.07.2002 hat das Regierungspräsidium Stuttgart die Aufhebung der Stiftung Pragsattel zum 31.03.2003 genehmigt. Die Genehmigung der Aufhebung wurde am 21.10.2002 im Staatsanzeiger bekannt gemacht. Unabhängig von dieser Bekanntmachung hat der Liquidator der Stiftung nach den gesetzlichen Bestimmungen die Auflösung zu veröffentlichen und dabei die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Diese Bekanntmachung ist am 28.04.2003 erfolgt.

Nach § 51 BGB darf das Vermögen der aufzulösenden Stiftung dem Anfallberechtigten (also der Landeshauptstadt Stuttgart) nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Bekanntmachung des Liquidators ausgeantwortet werden. Dies bedeutet, dass das Grundstückseigentum grundsätzlich erst nach Ablauf dieser Frist, also im Frühjahr 2004 von der Stiftung in Liquidation auf die Stadt hätte übertragen werden können. Die Übertragung wurde im Blick auf die anhängigen Klageverfahren zurückgestellt.

Daraus folgt, dass die Stiftung in Liquidation derzeit noch Grundstückseigentümerin ist. Sollte der Beschluß zur Stiftungsauflösung rückgängig gemacht werden, hätte die Stadt demnach formal keine Vermögenswerte zu übertragen. Die Stadt würde aber in diesem Fall auf eine Vermögensposition verzichten, die sich – wie in Ziffer 1 dargelegt – auf rd. 22,2 Mio Euro (Grundstückswert einschließlich Investitionskosten) beläuft.

Zu 5 b:

Wie in Ziffer 5 a erläutert, ist die Stiftung Pragsattel mit Bescheid vom 23.07.2002 aufgehoben; sie befindet sich derzeit in Liquidation. Die Verwaltung geht davon aus, dass in dem anhängigen Klageverfahren die Rechtmäßigkeit der Aufhebung bestätigt wird (vgl. Ziffer 5 c). Sollte der Vermögenswert (Grundstück einschließlich Investitonskosten) auf den die Stadt im Zuge der Anfallberechtigung einen Anspruch hat, gleichwohl in eine Stiftung eingebracht werden, müßte deshalb eine neue Stiftung gegründet werden.

Nach § 101 Abs. 4 GemO darf Gemeindevermögen nur im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Gemeinde und nur dann in Stiftungsvermögen eingebracht werden, wenn der mit der Stiftung verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Die Einbringung des städtischen Grundstücks im Wert von 5,4 Mio Euro in die im Jahr 2000 gegründete Stiftung Pragsattel wurde damals von der Rechtsaufsichtbehörde akzeptiert, weil davon ausgegangen wurde, dass nur über eine Stiftung in erheblichem Umfang Zustiftungen, Spenden und Zuwendungen zur Finanzierung der Investitionskosten eingeworben werden können.

Davon kann aufgrund der gemachten Erfahrungen (vgl. Ziffer 5 d) nicht mehr ausgegangen werden. Die Rechtsaufsichtsbehörde hat aus diesem Grund und im Blick auf den erheblich gestiegenen Vermögenswert auf Anfrage mitgeteilt, dass erhebliche Bedenken gegen eine Einbringung des Grundstücks in eine neuerlich zu gründende Stiftung bestehen.

Zu 5 c:

Gegen die Genehmigung der Stiftungsauflösung vom 23.07.2002 hat ein Vorstands-mitglied der Stiftung am 21.08.2003 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Am 14.10.2003 hat darüber hinaus ein Bürger, der der Stiftung rd. 13.000 DM zugewendet hat, Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass beide Klagen wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig sind.

Im Fall der Klage des Vorstandsmitglieds hat das Gericht weiter festgestellt, dass
– selbst wenn der Kläger sich auf ein Rechtsschutzbedürfnis hätte berufen können – er sein Klagerecht durch Verwirkung bereits wieder verloren hat, weil die Einlegung von Rechtsmittelns zu einem solch späten Zeitpunkt gegen Treu und Glauben verstößt. Das Verwaltungsgericht hat in in diesem u.a. Zusammenhang festgehalten:

“Unter den gegebenen Umständen dürfte nämlich allen Beteiligten klar gewesen sein, dass die Stadt Stuttgart spätestens ab dem 16.05.2002 nicht mehr bereit gewesen ist, der Stiftung weitere Mittel zum Zwecke der Fertigstellung des Theaterhauses zur Verfügung zu stellen, sondern zusätzlich benötigte Mittel nur unter der Bedingung zu investieren bereit gewesen ist, dass die Stiftung aufgelöst werde. Wenn der Stiftungsvorstand diesem Druck letztendlich nachgegeben hat, und sei es auch nur deshalb, weil er befürchtet haben mag, die Fertigstellung andernfalls zu gefährden, dann erscheint es treuwidrig, erst nach Fertigstellung des Projekts unter Aufwendung weiterer Mittel in Höhe von mehreren Millionen DM durch die Mitstifterin Rechtsmittel zu ergreifen und damit auch noch vier Monate nach Fertigstellung und Ablauf des Termins, zu dem die Auflösung der Stiftung erfolgen sollte, zuzuwarten.”

Zu 5 d:

Zum Bau- und Finanzierungsbeschluß im Jahr 1998 sind die Beteiligten (Stadt, Land und Nutzer) davon ausgegangen, dass die Stiftung über die Einwerbung von Spenden, Zustiftungen und Zuwendungen einen Eigenanteil von 1,6 Mio Euro (rd. 11 v.H. der ursprünglich veranschlagten Gesamtkosten) finanzieren kann. Im Zuge der Kostensteigerungen hat sich der Eigenanteil auf rd. 2,2 Mio Euro erhöht. Abgesehen von einem Zuschuß der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Höhe von 0,5 Mio Euro für das Energiekonzept, den nach den Förderrichtlinien auch die Landeshauptstadt hätte beantragen können und der deshalb nicht ohne weiteres dem Eigenanteil zuzurechnen ist, hat die Stiftung seit ihrem Bestehen Spenden in Höhe von 119.153 Euro eingeworben.

Die Stiftung konnte, obwohl sie ernsthafte Bemühungen zur Einwerbung von Spenden, Zustiftungen und Zuwendungen unternommen hat, die in sie gesetzte Erwartungen nicht erfüllen. Bei einem Weiterbestehen der Stiftung wäre – wenn überhaupt – die Einwerbung von Drittmitteln zur Finanzierung des Eigenanteils im o.g. Umfang nur sehr langfristig möglich gewesen. Zudem müßten die in diesem Zeitraum eingegangenen Spenden und Zustiftungen überwiegend zur Finanzierung des Eigenanteils verwendet werden. Ob darüber hinaus dann noch Mittel für die künstlerische Arbeit zur Verfügung gestanden hätten, muß aus der Sicht der Verwaltung offen bleiben.







Dr. Wolfgang Schuster