Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 153/2021
Stuttgart,
03/26/2021


Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof, Stuttgart-Nord - IBA '27-Projekt



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Bezirksbeirat Nord
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
30.03.2021
19.04.2021

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 wird die Weissenhofsiedlung zu ihrem 100-jährigen Bestehen im Mittelpunkt stehen. In und um die Weissenhofsiedlung widmen sich diverse Projekte dem Erbe der Weissenhofsiedlung, u.a. ihrer Architektur und ihrer Funktionsräume. Aktuell beschäftigt man sich im Kontext der IBA 2027 u.a. mit dem öffentlichen Raum, der Brenzkirche und der Weiterentwicklung der Akademie der Bildenden Künste.

An diesem zentralen Punkt werden im Ausstellungsjahr 2027 auch viele Besucher*innen erwartet, die sich über die Weissenhofsiedlung und die IBA 2027 informieren wollen. Deshalb schlägt die Verwaltung vor, die Besucher*innen der IBA 2027 auch angemessen willkommen zu heißen und zu informieren. Dies soll durch ein neues Besucher- und Informationszentrum am Eingang zur Weissenhofsiedlung erfolgen, welches auch gleichzeitig ein Beitrag zur IBA 2027 sein soll. Dieses öffentliche Gebäude für Einheimische und Besucher*innen der Ausstellung soll einen städtebaulich einzigartigen Akzent im Eingangsbereich von ABK und Weissenhofsiedlung setzen. Es soll die heterogenen Inhalte der Weissenhofsiedlung zusammenführen, den Städtebau zur Zeit der damaligen Werkbundausstellung rekapitulieren und den öffentlichen Raum neu interpretieren. Nur 100 Meter entfernt soll zeitgleich auf dem Gelände der Akademie der Bildenden Künste (ABK) ein Neubau entstehen, der den bestehenden Campus in seiner Nutzungsvielfalt erweitern und sich sichtbar im Städtebau des Weißenhofs einfügen soll. Um diese gemeinsame Entwicklung der Weissenhofsiedlung und der ABK zu ermöglichen, wird die Durchführung eines zweistufigen Planungsprozesses vorgeschlagen. Noch in der zweiten Jahreshälfte 2021 soll ein städtebaulicher Ideenwettbewerb unter einer gesamtheitlichen Betrachtung der städtebaulichen Situation stattfinden. Dieser wird von der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg gemeinsam durchgeführt werden, wobei die Stadt Stuttgart die Federführung besitzt. Darauf aufbauend finden Realisierungswettbewerbe für die jeweiligen Einzelprojekte - darunter auch für das Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof unter der Federführung der Landeshauptstadt Stuttgart - statt.
Anschließend werden Gestaltungsmaßnahmen sowie Hochbauarbeiten umgesetzt, um sich zum Ausstellungsjahr der IBA 2027 den interessierten Stuttgarter*innen und Besucher*innen der Stadt präsentieren zu können.


Bericht

Geschichte und Städtebau der Weissenhofsiedlung

Die Weissenhofsiedlung entstand 1927 im Rahmen der Ausstellung des Deutschen Werkbundes „Die Wohnung“ als experimentelle Bauausstellung und gilt als eines der wichtigsten Zeugnisse des „Neuen Bauens“. Ziel war es, neue Wege zur Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zu beschreiten und Lösungen aufzuzeigen, wie gesunde Wohnungen rationell und kostengünstig erstellt werden können. Die Stadt stellte damals das Grundstück und Mittel aus dem städtischen Wohnungsbauprogramm zur Verfügung.

17 Architekten der europäischen Avantgarde waren eingeladen, Lösungen für das „Wohnen des modernen Großstadtmenschen“ zu entwerfen, darunter Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius, Max und Bruno Taut sowie Hans Scharoun aus Deutschland, Le Corbusier aus Frankreich, Mart Stam und J.J.P. Oud aus den Niederlanden, Victor Bourgeois aus Belgien und Josef Frank aus Österreich.

Innerhalb kürzester Zeit entstanden voll funktionsfähige Experimentalbauten mit insgesamt 63 Wohnungen, die nach der Ausstellungszeit von der Stadt vermietet wurden.
Den Architektenentwürfen lag ein neuartiges städtebauliches Konzept von Ludwig Mies van der Rohe zugrunde, der vom Deutschen Werkbund zum künstlerischen Leiter der Bauausstellung ernannt worden war und die Auswahl der beteiligten Architekten wesentlich beeinflusste.

Die Weissenhofsiedlung ist ein einmaliges Manifest der „klassischen“ Moderne. Es gibt kaum einen vergleichbaren Ort, an dem sich die Avantgarde gemeinsam derart programmatisch präsentierte. Die konsequent kubischen Baukörper der Weissenhofsiedlung zeugen vom Durchbruch eines neuen Baustils, der später als „Internationaler Stil“ das Gesicht des 20. Jahrhunderts prägte.

Mit der Stuttgarter Ausstellung gelang es dem 1907 gegründeten Deutschen Werkbund, nach dem Ersten Weltkrieg wieder als bedeutsame kulturelle Kraft hervorzutreten. Neben der Weissenhofsiedlung wurden unter dem programmatischen Titel „Die Wohnung“ weitere temporäre Ausstellungen zur modernen Lebensführung gezeigt und Stuttgart wurde zum Treffpunkt der internationalen modernen Bewegung und eines interessierten Publikums.

Im Nationalsozialismus wurde die Siedlung als „Kulturschande“ verfemt. Im Zweiten Weltkrieg und in seinen Folgen gingen zehn Häuser im mittleren Teil der Siedlung verloren. Nach einer langen, darauffolgenden Phase der Vernachlässigung wurde die Siedlung 1958 unter Denkmalschutz gestellt.

Eine durchgreifende Sanierung der Siedlung in den 1980er Jahren war Ausdruck zunehmender Wertschätzung. Diese positive Entwicklung setzte sich 2006 fort mit der Eröffnung des Weissenhofmuseums im denkmalgerecht instand gesetzten Doppelhaus von Le Corbusier und der Einschreibung der beiden von Le Corbusier entworfenen Häuser in die Welterbeliste der UNESCO im Jahr 2016 als Bestandteil der transnationalen seriellen Welterbestätte „Das architektonische Werk von Le Corbusier - Ein außergewöhnlicher Beitrag zur Moderne“.

Zwischen 1927 und 1932 entstanden nach dem Impuls durch die Stuttgarter Weissenhofsiedlung auch in der heutigen Stuttgarter Partnerstadt Brno (Brünn), Wroclaw (Breslau), Wien und Prag Siedlungen der dortigen Werkbünde. Diese Siedlungen haben die Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert wesentlich beeinflusst. Sie bilden als Zeug-nisse der gemeinsamen Wurzeln moderner Architektur und ihrer Verbreitung in Europa ein europäisches Kulturgut von außergewöhnlichem Rang und spiegeln exemplarisch die politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen und Brüche im Europa des 20. Jahrhunderts wider: Den demokratischen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg, danach Verfolgung der international ausgerichteten Avantgarde durch nationalistische und rassistische Regime, Spaltung in Ost und West nach dem Zweiten Weltkrieg sowie das Gemeinsame Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Unter der Federführung der Landeshauptstadt Stuttgart haben die Städte im Jahr 2013 ein Netzwerk gebildet, das im Jahr 2020 von der Europäischen Kommission mit dem
Europäische Kulturerbesiegel ausgezeichnet wurde.


Planerische Zielsetzung

Die Weissenhofsiedlung ist das Ergebnis einer IBA und somit wichtigster Referenzpunkt für alle Projekte der zweiten Internationalen Bauausstellung in der Region Stuttgart. Die IBA 2027 StadtRegion Stuttgart ist als regionale Großveranstaltung angelegt und viele ihrer Besucher*innen werden die Stuttgarter Weissenhofsiedlung im Präsentationsjahr 2027 sehen wollen. Darüber hinaus ist das 100-jährige Bestehen der Weissenhofsiedlung selbst schon ein Ereignis mit touristischem Potential. 1927 besuchten 500.000 Menschen innerhalb drei Monaten die Ausstellung „Die Wohnung“. Die IBA 1927 war innovativ und visionär; sie erfand eine völlig neue Formensprache und Bauweise und erprobte neue Materialien. Sie war konzeptionell ausgerichtet; von ihr sollten Impulse auf die Stadtentwicklung und Architektur ausgehen. Einige Themen von damals sind heute aktuell: Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, nach neuen Wohnformen, nach technischen Möglichkeiten, die das Bauen intelligenter und nachhaltiger machen.

Ziel der IBA 2027 für den Weissenhof ist, mit den Akteuren/Grundstücks- und Gebäude-eigentümern vor Ort, den Denkmalschutzbehörden und der Stadt Stuttgart eine Strategie für die Erneuerung, funktionale Verdichtung und Aufwertung der Siedlung selbst, ihren Außenraum und die direkte Umgebung mit Brenzkirche und Kunstakademie zu entwickeln. In der Perspektive sollen unterschiedliche Maßnahmen dazu beitragen, das architektonische Vermächtnis Le Corbusiers und anderer Vertreter des Neuen Bauens zu würdigen und durch einen modernen und experimentellen Städtebau fortzuschreiben. Die Maßnahmen reichen von der Umgestaltung des öffentlichen Raums bis hin zur Realisierung neuer Gebäude.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Weissenhofsiedlung werden für 2027 zahlreiche Besucher*innen erwartet. Die Siedlung soll sich 2027 deshalb in einem besonderen Licht präsentieren. Am äußeren Rand der Siedlung sollen die notwendigen verkehrlichen Infrastruktureinrichtungen, wie z.B. temporäre Bushaltestellen, für die zu erwartenden Besucher*innen vorgesehen werden.

In der Weissenhofsiedlung selbst soll während des Präsentationsjahres in Teilen ein temporäres Parkverbot herrschen, um Barrieren als Resultat ruhenden Verkehrs zu
reduzieren und autofreie Bereiche zu schaffen. Verkehrsflächen, wie der Sackgassenteil des Bruckmannwegs, sollen durch diese Maßnahme attraktiver für Fußgänger werden. Weitere temporäre Parkverbotszonen im Bruckmannweg und im Bereich der Oud-Häuser stehen zur Debatte. Dabei gilt es, auf die Anwohner Rücksicht zu nehmen und alternative Parkmöglichkeiten anzubieten. Die teilweise Herausnahme des Verkehrs soll dabei eine von mehreren Maßnahmen zur Aufwertung des öffentlichen Raums sein.

Durch die Erneuerung beschädigter Beläge soll der Straßenraum in weiten Teilen der Siedlung in Anlehnung an den Originalzustand von 1927 optisch wiederhergestellt werden. Andere, eher unterschwellige Maßnahmen könnten dazu beitragen, das Erscheinungsbild zu verbessern und attraktive, (halb-)öffentliche Aufenthaltsräume zu schaffen. Unter Vorbehalt ist geplant, nach außen hin sichtbare Gebäudeelemente wie Hecken, Mauern oder Eingänge in ein gesamtheitliches Gestaltungskonzept zu integrieren. Auch öffentliche Sitzmöglichkeiten sollten künftig in größerem Umfang vorhanden sein.

Als Eigentümerin der Verkehrsflächen wird sich die Landeshauptstadt Stuttgart der Herausnahme des Verkehrs und der Umgestaltung des unmittelbaren Straßenraum zuwenden. Die Weissenhofsiedlung hingegen ist größtenteils im Besitz der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG). Dieser obliegen die sonstigen gestalterischen Maßnahmen für den öffentlichen Raum im Bereich der Weissenhofsiedlung.

Die Aufwertung der Weissenhofsiedlung ist nur einer von mehreren Bausteinen des geplanten Maßnahmenkonzepts. Ein anderer Baustein ist das inmitten der Weissenhofsiedlung liegende, städtische Grundstück Bruckmannweg 10 (ehemaliges Döcker-Haus). Erste Ideen zur Nutzung des Grundstücks im Rahmen der IBA 2027 wurden formuliert. Angedacht ist, dass der Bruckmannweg 10 für das Präsentationsjahr der IBA 2027 als Versuchsfeld dient. Dort könnte beispielsweise ein temporäres Gebäude entstehen, das sich mit dem Thema des innovativen Bauens auseinandersetzt. Basierend auf dem Grundgedanken der IBA wären experimentelle Bau- und Nutzungsformen zu erproben, um somit nachhaltige Impulse für den Städtebau zu setzen. Eine zerstörungsfreie geophysikalische Erkundung mittels Bodenradar bis in eine Tiefe von zwei Metern wird beauftragt werden, um herauszufinden, an welcher Stelle des Grundstücks und bis in welche Tiefe Eingriffe in den Untergrund möglich sind, ohne die denkmalgeschützten Reste des Döcker-Hauses zu beschädigen. Die anstehende Bodenuntersuchung wird Aufschluss darüber geben, inwiefern ein Neubau hinsichtlich Statik und Nutzung von den Bedingungen im Untergrund betroffen ist. Die Aufgabe wird sein, ein Bauwerk zu realisieren, das auf diese Bedingungen reagieren kann. Wer die Bauherrschaft für das temporäre Bauwerk übernehmen soll, ist noch offen und für das Präsentationsjahr zu kuratieren.

Im Mittelpunkt der städtebaulichen Agenda soll die Errichtung eines Besucher- und Informationszentrums am Eingang zur Weissenhofsiedlung stehen. Es soll auf einer stadteigenen Fläche zwischen der Weissenhofsiedlung, der Beamtensiedlung und der ABK realisiert werden. An dieser Stelle, Am Weißenhof 1, befindet sich derzeit ein kleiner Kiosk, der zugunsten des Bauwerks weichen wird. Das Besucher- und Informationszentrum soll von der Landeshauptstadt Stuttgart geplant und realisiert werden. Betreiber könnte der Verein „Freunde der Weissenhofsiedlung e.V.“ sein. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Kunstakademie ist anzustreben, Synergieeffekte zu nutzen und kooperierende Nutzungen der Akteure „Freunde der Weissenhofsiedlung e.V.“ und ABK perspektivisch im Gebäude zu verankern.

Das dauerhafte Gebäude hat die Aufgabe, Besucher*innen im Ausstellungsjahr der IBA und darüber hinaus funktional in Empfang zu nehmen. In erster Linie soll das Besucher- und Informationszentrum den städtebaulichen Auftakt zur architekturhistorisch wertvollen Weissenhofsiedlung markieren. Es muss dem Gebäude gelingen, den musealen Charakter der Siedlung einzufangen und gleichzeitig einen lebendigen öffentlichen Raum zu schaffen, der die Vielfalt des Weissenhofs bündelt und ein Ort der Begegnung und Diskussion wird. Unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes soll das Besucher- und Informationszentrum in seiner architektonischen Ausgestaltung neue Technologien und innovative Ideen zum ressourceneffizienten Bauen präsentieren.

In direkter Nachbarschaft zum geplanten Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof liegt die Akademie der Bildenden Künste (ABK). Dort ist geplant, den bestehenden Campus auf bereits bebauten, eigenen Flächen zu erweitern. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Planungsnähe wird eine gemeinsame Entwicklung der Weissenhofsiedlung und der ABK angestrebt.

Der Neubau soll an der Ecke Oskar-Schlemmer-/Stresemannstraße entstehen. Dazu ist der Abbruch beider Bestandsbauten notwendig. Ob ein oder zwei Baukörper am Standort realisiert werden, ist noch unklar. Für Planung und Bau wird das Land Baden-Württem-berg zuständig sein. Durch die beiderseitige Entwicklung des Areals resultieren zwei Vorteile: Einerseits wird die Eingangssituation der Weissenhofsiedlung verbessert, andererseits wird die ABK in ihrer Gesamtheit und im konzeptionellen Einklang mit dem Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof entwickelt.


Wozu braucht es ein Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof?

Nach ihrer Erbauung 1927 wurde die Weissenhofsiedlung innerhalb von drei Monaten von 500.000 Interessierten besucht. Auch heute ist die Weissenhofsiedlung Ziel internationaler Besucher*innen. Mit dem Weissenhofmuseum im Haus Le Corbusier steht eine leistungsfähige Besucherinfrastruktur zur Verfügung, die mehrsprachige Führungen und Informationsmaterial bereithält. Die Trägerschaft liegt bei der Stadt Stuttgart, der Betrieb wird vom Verein „Freunde der Weissenhofsiedlung e.V.“ gewährleistet, der zusätzlich zum festangestellten Personal ehrenamtliches Engagement zur Verfügung stellt.

Das Vermittlungsangebot wird ergänzt durch Veranstaltungen und Ausstellungen in der Weissenhofwerkstatt im Haus Mies van der Rohe. Museum und Werkstatt sind zum einen in ein lokales Netzwerk weiterer Akteure aus der Architektenschaft sowie Stuttgarter Hochschulen und Kultureinrichtungen eingebunden. Daneben bestehen lebendige internationale Verbindungen zu ähnlichen Einrichtungen und zu wissenschaftlichen Institutionen.

Die Weissenhofsiedlung ist mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar und auch Bestandteil der Aktivitäten der städtischen Tourismusgesellschaft Stuttgart Marketing GmbH.
Die Besucherzahlen des Weissenhofmuseums beliefen sich kontinuierlich jährlich auf etwa 25.000. Mit der Aufnahme der beiden Häuser von Le Corbusier in die Welterbeliste der UNESCO und im Bauhausjahr 2019 stieg diese Zahl auf fast 40.000. Das Corona-Jahr 2020 weicht hiervon natürlich extrem ab.

Durch die Regularien des Denkmalschutzes dürfen sich maximal 50 Personen gleichzeitig im Weissenhofmuseum aufhalten. Über die Dauerausstellung hinaus sind keine weiteren Ausstellungen oder gar Fachvorträge möglich, dafür gibt es keine Räumlichkeiten. Auch eine Barrierefreiheit für Gehbehinderte kann im Haus Le Corbusier aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht hergestellt werden.

Die Zahlen des Weissenhofmuseums erfassen jedoch nicht die vielen Besuchergruppen und Einzelbesucher*innen, die täglich durch die Siedlung gehen, ohne das Museum zu besuchen und sich u.a. am vorhandenen Leitsystem orientieren.

Der Verein „Freunde der Weissenhofsiedlung e.V.“ erarbeitet derzeit zusammen mit dem sogenannten Site Manager beim Amt für Stadtplanung und Wohnen, der die Siedlung hinsichtlich des Welterbestatus und des Europäischen Kulturerbesiegels betreut, ein digitales Konzept für das bestehende Leitsystem durch die Siedlung.

Für den Empfang der im IBA-Jahr zu erwartenden Besuchergruppen und Einzelbesucher*innen ist jedoch ein sowohl hinsichtlich seiner Nutzungsmöglichkeiten als auch seinem architektonischen Duktus der Bedeutung der Siedlung angemessenes Empfangsbauwerk unerlässlich.

Das Gebäude sollte u.a. die Unterbringung unterschiedlichster Nutzungen ermöglichen. Insbesondere könnten ein Stand für Fachbücher und ein Bistro, das auch ein Catering für Vortragsveranstaltungen übernehmen kann, untergebracht werden. Daneben kommen Wartebereiche, Ticketkasse, Ausstellungs- und Vortragsräume, Garderobe, Lagerräume und natürlich eine für viele Besucher*innen dimensionierte Toilettenanlage infrage. Für das Personal (Besucherservice) sind vier Büroarbeitsplätze erforderlich, außerdem ein Sozialraum sowie Toiletten für feste und viele freie Mitarbeiter*innen. Perspektivisch sind auch synergetische Nutzungen unter Einbindung der ABK vorstellbar und wünschenswert. Es wird anvisiert, über die Nutzungen eines Besucher- und Informationsgebäudes hinaus ebenso kulturelle und museale Inhalte zu integrieren und somit die inhaltliche Brücke zu den benachbarten Akteuren der ABK zu schlagen. Auch Kooperationen mit der Architektenkammer sind nicht ausgeschlossen. Weitere Nutzungen sind darüber hinaus denkbar.

Der Standort eines Besucher- und Informationszentrums Am Weißenhof ermöglicht auch die fußläufige Einbindung des Ausstellungsortes und Projektes um die Wagenhallen. Die Wagenhallen sind fußläufig nur 10-15 Minuten entfernt, so dass hier auch Synergieeffekt zu erwarten sind und es einen direkten Bezug zu neuen Projekten der IBA 2027 geben kann.

Nach dem Ausstellungsjahr der IBA 2027 kann das Gebäude weiterhin im Rahmen der Weissenhofsiedlung genutzt werden. Der Bedarf an einer Cafeteria und Räumen für bürgerschaftliches Engagement aus der Nachbarschaft sind bisher schon vorhanden. Auch ist eine teilweise Nutzung durch die ABK wünschenswert und denkbar.


Bisherige Entwicklungen und weiteres Vorgehen

Am 22. März 2019 wurde der Weissenhof neben zehn anderen IBA-Projekten vom Aufsichtsrat der IBA’27 GmbH ins IBA’27-Netz aufgenommen. Seitdem setzen sich die am Weissenhof vertretenen Interessensgruppen über die künftige Behandlung des Areals im IBA-Kontext auseinander, darunter die Stadt Stuttgart, das Land Baden-Württemberg, die ABK, die SWSG und die IBA’27-Gesellschaft. Infolge der bisherigen Gespräche zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und Vertretern des Landes geht bislang als Ergebnis hervor, dass die gemeinsame Entwicklung beider Baufelder am besten mithilfe eines zweistufigen Planungsprozesses erreicht werden kann.

Der zweistufige Planungsprozess setzt sich zusammen aus einem Ideenwettbewerb und anschließendem Realisierungswettbewerb für die Einzelprojekte. Zunächst wird ein
städtebaulicher Ideenwettbewerb für das gesamte Planungsgebiet durchgeführt. Dabei werden raumplanerische und konzeptionelle Fragestellungen des übergeordneten Städtebaus geklärt. Ziel ist es, räumliche und funktionale Bezüge zwischen den einzelnen Bausteinen am Weissenhof herzustellen und konzeptionelle Lösungen zur weiteren Entwicklung zu finden. Im Ideenwettbewerb soll insbesondere eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welche Masse, Kubatur und Lage für das Besucher- und Informationszentrum im Eingangsbereichs des Weissenhofs - und damit in diesem städtebaulich sensiblen Gefüge - richtig ist. Leitthemen, Nutzungen und erste Raumprogramme sollen formuliert werden. Der Ideenwettbewerb soll in der zweiten Hälfte 2021 stattfinden. Noch vor Abschluss der ersten Wettbewerbsstufe soll mit der Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens begonnen werden, um planungsrechtliche Grundlagen für die Realisierung zu schaffen.

Darauffolgend sollen 2022 jeweils für das südliche und das nördliche Baufeld Realisierungswettbewerbe durchgeführt werden. Die Zuständigkeit für den Erweiterungsbau der ABK liegt beim Land Baden-Württemberg, die Zuständigkeit für das Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof bei der Landeshauptstadt Stuttgart. Auf diese Weise werden beide Flächen parallel entwickelt. Im Rahmen der Realisierungswettbewerbe werden die allgemein formulierten, städtebaulichen Ziele des Ideenwettbewerbs konkretisiert. Unter anderem sollen Architektur und Funktionen der Bauwerke ermittelt werden. Vorrangiges Ziel dieser Vorgehensweise ist es, bis 2027 das Besucher- und Informationszentrum Am Weißenhof fertiggestellt zu haben. Auch der Neubau auf dem ABK-Campus soll ungefähr in diesem Zeithorizont realisiert werden.

Gemäß dem beschriebenen Vorgehen ist für den weiteren Planungsprozess die Durchführung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs unter der Federführung der Landeshauptstadt Stuttgart vorgesehen. Die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg werden dabei gemeinsam den städtebaulichen Wettbewerb erarbeiten und umsetzen. Dessen Betrachtungsbereich umfasst die Weissenhofsiedlung, die Beamtensiedlung, die ABK, den Eingangsbereich zur Weissenhofsiedlung, die Brenzkirche sowie den öffentlichen Raum als zusammenhängendes Gesamtgebilde zwischen der Friedrich-Ebert-Straße, der Stresemannstraße, der Oskar-Schlemmer-Straße und der Rathenaustraße. Neben der Betrachtung des städtebaulichen Gesamtkontextes werden folgende Stadtbausteine in der Hauptsache untersucht: Das Besucher- und Informationszentrum, der Neubau der ABK sowie das Baufeld am Bruckmannweg 10. Diese stellen den Planungsbereich des Wettbewerbs dar.

Ein wichtiger Bestandteil des Ideenwettbewerbs soll zudem der unmittelbar an das geplante Besucher- und Informationszentrum angrenzende Kreuzungsbereich Birkenwaldstraße zwischen Robert-Mayer-Straße und Friedrich-Ebert-Straße sein. Insbesondere für Fußgänger*innen, Radler*innen und den ÖPNV sind die Belange neu zu formulieren. Auch Baumpflanzungen sind zu untersuchen. So ist vor allem die Rathenaustraße als Aussichtsstraße mit sowohl Talblick als auch Blick in die Weissenhofsiedlung deutlich zu verbessern.

Da die Gebäude von Le Corbusier und Pierre Jeanneret den Welterbestatus der UNESCO besitzen, liegt der gesamte Planungsbereich des Planungsprozesses in der Welterbe-Schutzzone (sogenannte Pufferzone). Damit einher gehen bauliche Einschränkungen, die besonders zu berücksichtigen sind. Der Umgang mit diesen Einschränkungen wird zu Beginn der Auslobung des Ideenwettbewerbs verbindlich abgesprochen und
auch die Zustimmung von ICOMOS und von der Fondation Le Corbusier als wesentliche Interessensvertreter am Weissenhof wird hierzu und zu allen städtebaulichen Fragen eingeholt werden. Aufgabe der Wettbewerbsteilnehmer*innen wird sein, adäquate Antworten für die baulichen Restriktionen zu finden, sodass diese im späteren Realisierungswettbewerb als Grundlage für den Hochbau definiert werden können.

Als nächster Schritt ist die Erarbeitung einer Auslobung für den städtebaulichen Ideenwettbewerb geplant. Diese soll noch vor der Sommerpause vorgelegt werden. Ziel ist es, dass 2027 das Besucher- und Informationszentrum am Weissenhof steht und betrieben werden kann.

Alternativ wäre es überlegenswert, mit der Architektenkammer Baden-Württemberg ins Gespräch zu kommen, ob nicht dieses Gebäude auch in Zukunft der Standort eines schon lange gewünschten Zentrums für Architektur- und Ingenieurbaukunst Baden-Württemberg sein könnte.


Finanzielle Auswirkungen

Für das Projekt werden Planungsmittel benötigt. Es wird angestrebt, den städtebaulichen Ideenwettbewerb mit umgeschichteten Restmitteln des laufenden Haushalts zu finanzieren (Antrag auf Ermächtigungsübertragung wird gestellt). Für den Realisierungswettbewerb (Besucher- und Informationszentrum), das Bebauungsplanverfahren und erforderliche Gutachten sollen nach Ermittlung der weiteren Bedarfe Mittel für den nächsten Doppelhaushalt angemeldet werden.


Beteiligte Stellen

Referat AKR, Referat WFB, Referat T


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine
keine




Peter Pätzold
Bürgermeister





1. Planungsprozess
2. Übersichtsplan
3. Übersichtsplan Ideenwettbewerb (Kataster)
3.1 Übersichtsplan Ideenwettbewerb (Luftbild)


<Anlagen>


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Anlage_1_Besucher-_und_Informationszentrum_Am_Weißenhof_Planungsprozess.002.pdf
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Anlage 2_Besucher-_und_Informationszentrum_Am_Weißenhof_Übersichtsplan_gedreht.002.pdf
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Anlage 3_Besucher-_und_Informationszentrum_Am_Weißenhof_Abgrenzung_Ideenwettbewerb_Kataster_gedreht.002.pdf
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Anlage 3.1_Besucher-_und_Informationszentrum_Am_Weißenhof_Abgrenzung_Ideenwettbewerb_Luftbild_gedreht.002.pdf