Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
174/2018
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 27.04.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Herr Pazerat (AfLW)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Wohnungswesen
Jahresbericht 2017

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 13.04.2018, GRDrs 174/2018. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


EBM Föll begrüßt Herrn Pazerat sehr herzlich als neuen Leiter der Abteilung Wohnungswesen.

Zunächst berichtet Herr Pazerat im Sinne der Vorlage anhand einer Präsentation, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

EBM Föll zieht ebenfalls das Fazit, dass die Situation am Wohnungsmarkt sehr angespannt sei. Dies werde sich kurz- und mittelfristig nicht ändern. Doch habe man eine Trendumkehr im geförderten Wohnungsbau bewirkt. Man werde deutlich höhere Fertigstellungen und Bezüge von Wohnungen erreichen. Natürlich wäre mehr auch hier besser. Doch die Zielsetzungen mit mindestens 300 Wohneinheiten (WE) im sozialen Wohnungsbau und insgesamt 600 WE im geförderten Wohnungsbau kontinuierlich über viele Jahre zu halten, werde erhebliche Anstrengungen in der Umsetzung kosten. Er bittet den Ausschuss, insbesondere bei der Schaffung von Planungsrecht, bei der Umsetzung der Zeitstufenliste Wohnen die notwendigen Entscheidungen konsequent zu treffen. Nur dann könnten die Fördervolumina umgesetzt werden.

Die Vertreter der Fraktionen danken für die Ausführungen.

StR Rudolf (CDU) schließt sich dem Vorsitzenden an. Die Wartezeiten seien grundsätzlich zu lang, doch habe man die Trendwende geschafft. Mit Freude habe er der Presse entnommen, dass die grüne Landesregierung in Anbetracht des angespannten Grundstücksmarktes auch über Außenentwicklung nachdenke. Das Bündnis für Wohnen wirke sich positiv aus. Es gelte nun, die Zeitstufenliste zügig abzuarbeiten. Die Bebauungspläne sollten ebenfalls rasch umgesetzt werden. Und die Genehmigung der Bauanträge müsse beschleunigt werden.

Dem transparenten Bericht zufolge entspreche die Nennung einer Zielzahl noch lange nicht der tatsächlich realisierten Zahl an Wohnungen, bemerkt StRin Fischer (90/GRÜNE). Die Umsteuerung beim geförderten Wohnungsbau sei richtig, da hier in der Vergangenheit viel versäumt worden sei. Im Hinblick auf die Mischung in den Quartieren sei die Lösung mit 20 % gefördertem Wohnungsbau bei privaten Bauherren sinnvoll. Mit SIM erhalte man in den nächsten Jahren an die 1.800 WE. Die sehr langen Wartezeiten bei 1- und 4-Zimmer-Wohnungen müssten verkürzt werden. Sie dankt den Genossenschaften für ihre Bereitschaft, wieder mit der Stadt zu kooperieren. Im Zusammenhang mit dem Presseartikel weist sie auf ein Missverständnis hin. Der Sprecherin der grünen Landtagsfraktion sei es um mehr Mut bei der Innenentwicklung bzw. Nachverdichtung gegangen. Diesen Mut erwarte sie auch vom Gemeinderat. Die Stadt verfüge durchaus über Instrumente, mit denen man die Aufenthaltsqualität in Quartieren sehr positiv gestalten könne. In Bezug auf die Innenflächen müsse die Stadt aktiv auf Eigentümer von Flächen bzw. Investoren zugehen. Sie fordert diejenigen, die eine Außenentwicklung befürworteten, auf, darzulegen, um wie viel schneller die entsprechende Zahl von Wohnungen dann gebaut werden könnten. Ihre Fraktion begrüße die in Anlage 4 zur GRDrs 174/2018 dargestellte Entwicklung der Bezüge im geförderten Wohnungsbau und werde ihren Beitrag dazu leisten, dass die hier prognostizierte Zahl an WE gebaut werden könne.

An dieser Stelle weist EBM Föll darauf hin, dass in der Geschäftsordnung des Gemeinderats die Redezeit bei einer Wortmeldung auf drei Minuten begrenzt sei. Das gelte - ungeachtet seiner bisher großzügigen Handhabung - auch für die Ausschüsse. Außerdem finde am 14.06.2018 eine Generaldebatte zum Thema Wohnen im Gemeinderat statt.

Ein großes Problem sieht StR Körner (SPD) - z. B. in Bezug auf das Gebiet Schafhaus - in der schleppenden Umsetzung der Beschlüsse. Dass es auch anders gehe, habe die Flüchtlingsunterbringung gezeigt. Durch eine konzertierte Organisationsstruktur innerhalb der Verwaltung, die schnelle Entscheidungen ermöglicht habe, habe man binnen kürzester Zeit Unterkünfte gebaut. Dies brauche man auch für den Wohnungsbau, denn die ansteigenden Zahlen seien zwar schön, aber noch weit von den benötigten entfernt. Im Übrigen seien auch die Ziele vom Dezember 2013 völlig überholt. Zum Vergleich: In Hamburg seien im letzten Jahr 3.200 Sozialmietwohnungen auf den Weg gebracht worden. Dies entspräche rund 1.000 WE in Stuttgart.

Eine entscheidende Rolle spiele die mittelbare Belegung. Über deren Umsetzung erbitte sich seine Fraktion einen Bericht. Diesen sagt EBM Föll zu. Die mittelbare Belegung solle natürlich nicht in den Beständen erfolgen, in denen ohnehin bereits viele Sozialmietwohnungen vorhanden seien. Herr Pazerat ergänzt, beim Quartier am Wiener Platz werde in der Ausschreibung von den Wohnungsbauunternehmen verlangt, präzise darzulegen, wie die mittelbare Belegung vonstattengehen solle und wo sich die Wohnungen konkret befänden.

Zu Folie 10 der Präsentation merkt StR Körner an, es gebe keine Anträge beim Land und keine Förderung durch die Stadt für die 100 WE, die für 2018 prognostiziert seien. Diese Wohnungen befänden sich längst im Bestand der Genossenschaften. In 90 % ihrer Wohnungen liege die Miete ohnehin unterhalb von 90 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Deshalb sollten diese Wohnungen aus der Statistik herausgenommen werden. Grundsätzlich sollte man prüfen, wo noch Erhaltungs- bzw. Milieuschutzsatzungen sinnvoll seien. Nach Ansicht von EBM Föll gehörten die 100 WE der Genossenschaften und die 50 WE der SWSG durchaus in die Statistik, da die Stadt daran Belegungsrechte erwerbe. Dass die Baugenossenschaften hier keine Förderung in Anspruch nähmen, hänge damit zusammen, dass die Stadt ihnen - im Rahmen des Bündnisses für Wohnen - bei der Belegung in anderen Bereichen entgegengekommen sei. In diesen Bestandsgebieten lägen 90 % der Wohnungen unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete, womit man die Zielgruppe der Vormerkdatei erreiche. Herr Pazerat präzisiert, im Bündnis für Wohnen gebe es drei Varianten, die allen offenstünden. Auch die Bündnispartner könnten Landesmittel verwenden, was er begrüßen würde. 2016 sei dies im Gegensatz zu 2017 auch der Fall gewesen. Die Subventionen für Bestandswohnungen seien aus seiner Sicht attraktiv. Die Stadt verfolge das Ziel, den Bündnispartnern möglichst die Variante 2 mit Landesmitteln anzudienen.

StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) beurteilt das Fazit, dass man eine Trendumkehr geschafft habe, als "ziemlich kühne Aussage". Aus Sicht seiner Fraktionsgemeinschaft dokumentiere der Bericht schlicht die Tatsache, dass der Verlust von mietpreisgebundenen Wohnungen fortschreite. Von ehemals 22.000 WE seien aktuell noch 14.443 WE übrig. Eine signifikante Verbesserung der Situation werde immer weiter in die Zukunft verschoben. Trotz des Bündnisses für Wohnen werde für 2020, immerhin 6 Jahre nach dem Dienstantritt des Oberbürgermeisters und 5 Jahre nach seinem wohnungspolitischen Programmpapier, ein weiteres Absinken prognostiziert. Die Prognose 2020/2024 belege auch, dass die Wohnungspolitik von OB Kuhn und der Mehrheit des Gemeinderats nicht dazu führe, dass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sich die Mieten in Stuttgart leisten könnten. Es sei in Stuttgart keine Seltenheit mehr, dass man 60 % und mehr des verfügbaren Einkommens für die Miete ausgeben müsse. Damit betreibe man einen Austausch der Stadtbevölkerung: Wohlhabendere verdrängten Klein- und Normalverdiener. Daran ändere auch die Außenentwicklung nichts, wie sich in anderen Städten, z. B. Frankfurt, Berlin oder München, zeige. Trotz hoher Bautätigkeit galoppierten die Mieten dennoch, was darauf hindeute, dass Bauen allein nicht der Generalschlüssel zur Lösung des sozialen Problems bezahlbaren Wohnens auch für Gering- und Normalverdienende sei. Seriöse Immobilienunternehmen wiesen darauf hin, dass die Versorgung mit Wohnungen für Gutverdienende gewährleistet sei. Hier müssten die Stadt bzw. der Gemeinderat umsteuern auf einen kommunalen Wohnungsbau auf städtischen Grundstücken mit dauerhaft niedrigen Mieten. Ein Zielbeschluss, dass dafür der Bestand an Wohnungen im Besitz der Stadt und der SWSG deutlich erhöht werden müsse, liege ja vor, werde jedoch nicht konsequent umgesetzt, da nach wie vor städtische Grundstücke verkauft würden. Die Grundstücksliste weise dafür ein Potenzial von 405 WE 2018 und über 900 WE 2020 aus. Damit könnte der negative Trend bei den mietpreisgebundenen Wohnungen gedreht werden.

Zu Ziffer 7 auf Seite 14 der Vorlage beantrage seine Fraktionsgemeinschaft, die Gebäude in der Friedhofstraße und der Mönchstraße bzw. die beiden Straßen, die nicht von der Erhaltungssatzung erfasst seien, in den Geltungsbereich aufzunehmen. Er lade die Mitglieder der anderen Fraktionen ein, hierzu einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Des Weiteren erkundigt er sich, wer das Monitoring durchführe und welche Kriterien dafür gälten.

StR Zaiß (FW) gibt zu bedenken, wenn privater Wohnraum geschaffen werde, würden dadurch ja wieder andere Wohnungen frei. Der für Flüchtlinge geschaffene Wohnraum sei zeitlich begrenzt auf höchstens 10 Jahre. Alle neuen Wohnungen müssten den aktuell geltenden Standards genügen, und dadurch verteuerten sich die Wohnungen. Hinzu komme in Stuttgart das Problem knapper Flächen. Die Innenentwicklung in Stuttgart stoße bereits an ihre Grenzen. Er halte 600 Sozialmietwohnungen im Jahr für zufriedenstellend.

Das Wohnungsproblem sei hausgemacht, so StR Conz (FDP), da zu wenige Grund-stücke zur Bebauung in sinnvoller Dichte ausgewiesen würden. Die Beschränkung auf die Innenentwicklung führe dazu, dass noch weniger gebaut werde. Die Innenentwicklung werde ohnehin nicht konsequent umgesetzt, wie er mit dem Verweis auf das Gebiet Talgrund West erklärt. Die Zahlen belegten, dass in allen Bereichen zu wenige Wohnungen gebaut würden.

StR Klingler (BZS23) hofft, dass die Ziele nicht extrem verfehlt würden und ein Gegensteuern möglich sei. Die Änderungen der Richtlinien im Energiesparprogramm seien ein positives Signal für die Umwelt und ein Wirtschaftsförderungsprogramm für das lokale Handwerk. Er rechnet mit einem starken Anwachsen der Vormerkdatei aufgrund der Flüchtlinge. Den Rückgang um 2.000 Sozialwohnungen im Zeitraum von 2010 bis 2017 führt er auf die Blockadehaltung der "linken Mehrheit" im Gemeinderat nach den Kommunalwahlen 2009 zurück, die 16 bereits vorbereitete Baugebiete gestrichen habe. Die Trendwende sei das Ergebnis eines Umdenkens bei SPD und Grünen und des Bündnisses für Wohnen.

EBM Föll räumt gegenüber StR Körner ein, dass die Verwaltung bei der Flüchtlingsunterbringung anders vorgegangen sei. Allerdings habe es sich dort um Standorte für eine befristete Nutzung gehandelt. Bei dauerhaftem Wohnungsbau stelle sich die Situation deutlich komplexer dar. Bebauungsplanverfahren unterlägen vielfältigen formalen Zwängen. Im Übrigen erwarte er von der SPD konkrete Vorschläge zusätzlich zur Zeitstufenliste, gegebenenfalls auch auf der grünen Wiese.

An StR Adler wendet er sich mit dem Hinweis, da es in der Vergangenheit keinen besonders hohen Wohnungsleerstand gegeben habe, lasse sich das Wohnungsproblem nicht ohne Neubau lösen, solange die Einwohnerzahlen stiegen.

Gegenüber StR Klingler stellt er klar, in der Berichterstattung sei immer schon zwischen EU-Ausländern und Nicht-EU-Ausländern unterschieden worden, weil EU-Ausländer den Inländern gleichgestellt seien. Es treffe auch nicht zu, dass EU-Ausländer gegenüber Flüchtlingen benachteiligt würden, denn nicht jede geflüchtete Person werde automatisch ohne die dreijährige Wartezeit in die Vormerkdatei aufgenommen. Er betont, dies gelte ausschließlich für die Flüchtlinge, die der Landeshauptstadt Stuttgart zur Unterbringung zugewiesen worden seien sowie darüber hinaus für Menschen mit einem Arbeitsplatz in Stuttgart oder Wohnungslose, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung untergebracht seien.

An StR Adler gewandt erklärt Herr Pazerat, die Erhaltungssatzung habe keine Befristung, doch habe sich der Gemeinderat darauf verständigt, dass nach fünf Jahren berichtet werden solle. Ende 2018 werde ein gemeinsamer Bericht des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung und des Amts für Liegenschaften und Wohnen vorgelegt werden. Im Gebiet der Erhaltungssatzung seien durchschnittlich ca. 15 Wohnungen modernisiert worden. Ziel der Erhaltungssatzung sei, den aktuellen Mieterbestand zu halten. Aus Sicht seines Amts sei dies der Fall. Im Zweifel kläre man mit dem Vorhabenträger, wie stark die Mieten angehoben werden könnten. Hier seien gesetzliche Vorgaben einzuhalten.

Str Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) regt an, in den Wohnungsbericht auch Zahlen zum Leerstand und der Zweckentfremdung von Wohnraum aufzunehmen oder auch zeitgleich entsprechende Berichte vorzulegen. Hier tendiert EBM Föll eher dazu, diese Themen getrennt zu beraten, da es sich um unterschiedliche Bereiche handle. Das Zweckentfremdungsverbot sei beim Baurechtsamt angesiedelt. Wenn der nächste Routinebericht zur Zweckentfremdung allerdings im zeitlichen Umfeld des Wohnungswesen-Jahresberichts vorgesehen sei, greife die Verwaltung den Vorschlag des Stadtrats gerne auf. Unterschiedliche Berichtszyklen wolle er jedoch nicht unterbrechen.


EBM Föll stellt nach intensiver Beratung fest:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen hat von der GRDrs 174/2018 Kenntnis genommen.
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