Die erste Säule der kontrollierten Abgabe von Cannabis umfasst den privaten und gemeinschaftlichen nicht-kommerziellen Anbau von Cannabis. Nicht-gewinnorientierte Vereinigungen (sog. „Anbaugemeinschaften“ bzw. „Cannabis Social Clubs“) sollen demnach gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Nach derzeitigem Stand dürfen an die Mitglieder max. 25 Gramm pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren gilt aktuell eine Obergrenze von 30 Gramm Cannabis pro Monat, dessen THC-Gehalt zehn Prozent nicht übersteigen darf. Weiterhin dürfen die Anbaugemeinschaften höchstens sieben Samen oder fünf Stecklinge bzw. max. sieben Samen und Stecklinge pro Monat und Person weitergeben. Samen und Stecklinge dürfen auch an Nicht-Mitglieder abgegeben werden.
Im Rahmen der ersten Säule ist außerdem vorgesehen, dass alle Privatpersonen über 18 Jahren Cannabis im Eigenanbau anbauen dürfen (im Umfang von max. drei weiblichen Pflanzen). Die Mitführung und der Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit soll ab 18 Jahren ebenfalls erlaubt sein. Nach aktueller Lage dürfen Privatpersonen in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen.
Die zweite Säule soll darüber hinaus die Abgabe von Cannabis in staatlich lizensierten, kommerziellen Verkaufsstellen ermöglichen, jedoch zeitlich begrenzt auf bestimmte Regionen und unter wissenschaftlicher Begleitung. In einem Zeitraum von fünf Jahren soll so geprüft werden, welche Effekte diese sog. Modellregionen auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den illegalen Markt haben. Seit dem 06.07.2023 liegt ein Referentenentwurf des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vor (siehe https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/cannabisgesetz.html). Dieser Entwurf betrifft die erste Säule der geplanten kontrollierten Abgabe von Cannabis. Der vorliegende Entwurf lässt nach wie vor zentrale Fragen offen, wie z. B. welche Behörde/n zukünftig für die vorgesehene Kontrolle der Anbaugemeinschaften zuständig sein werden. Obwohl Prävention und Gesundheitsschutz als wesentliche Ziele des Gesetzes benannt werden, sind darüber hinaus bislang keine zusätzlichen Mittel für die Länder und Kommunen für Cannabisprävention vorgesehen und die Regelungen des Gesetzes zur Umsetzung von Prävention (z. B. hinsichtlich Präventionsbeauftragter in den Anbaugemeinschaften oder der Erreichbarkeit privat konsumierender bzw. anbauender Personen) sind wenig konkret (siehe Anlage 2 „Anmerkungen des Deutschen Städtetags zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“). Ein Gesetzesentwurf zur zweiten Säule ist frühestens im Herbst 2023 zu erwarten. Erst wenn dieser Gesetzesentwurf vorliegt, können die Rahmenbedingungen der Umsetzung der sog. Modellregionen eingeschätzt werden. In Reaktion auf die kommende kontrollierte Abgabe von Cannabis hat die Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsplanung im Zeitraum Juni – Juli 2023 verschiedene Austauschrunden initiiert. An diesen Treffen haben in wechselnden Zusammensetzungen Vertreter*innen des Amts für öffentliche Ordnung, des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration, des Gesundheitsamts, des Jugendamts und des Sozialamts, der Stuttgarter Suchthilfe- und Präventionsträger, der Stuttgarter Suchtmedizin, des Cannabis Social Club Stuttgart sowie des Rauschgiftdezernats teilgenommen. Im Rahmen dieser Treffen wurde eruiert, welche Chancen und Herausforderungen in der kontrollierten Abgabe von Cannabis gesehen werden und welche Rahmenbedingungen in der LHS Stuttgart notwendig sind, um gut für die kontrollierte Abgabe von Cannabis vorbereitet zu sein. Schließlich wurden Vor- und Nachteile einer evtl. Bewerbung der LHS Stuttgart als Modellregion diskutiert. Hinsichtlich der kontrollierten Abgabe von Cannabis im Rahmen der ersten Säule betonen alle Akteure die Notwendigkeit und Bereitschaft zur engen Kooperation. Als Herausforderung wurden im Hinblick auf Prävention und Beratung insbesondere bislang fehlende Angebote zur Frühintervention identifiziert. Die Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsplanung wird den weiteren Austausch initiieren und begleiten und evtl. notwendige Mittel für cannabisbezogene Prävention und Beratung in den kommenden Haushaltsplanberatungen zum DHH 2024/2025 beantragen. Deren Höhe ist aufgrund der nach wie vor unklaren Gesetzeslage derzeit allerdings schwer abzuschätzen. Mit Blick auf die kontrollierte Abgabe im Rahmen der zweiten Säule können auf Grundlage des Austauschs folgende Vorteile einer evtl. Bewerbung der LHS Stuttgart als Modellregion festgehalten werden:
· Vor dem Hintergrund der voraussichtlich ohnehin kommenden kontrollierten Abgabe von Cannabis im Rahmen der ersten Säule würde mittels einer Modellregion über staatlich lizensierte Verkaufsstellen neben den Anbaugemeinschaften und dem privaten Eigenanbau eine weitere legale Bezugsmöglichkeit für Konsumierende geschaffen, mit der sich Konsumierende mit Cannabis kontrollierter Qualität versorgen können. Damit würde dem Effekt entgegengewirkt, dass sich Konsumierende weiter auf dem illegalen Markt bedienen, denn nicht alle Konsumierenden können über Anbaugemeinschaften versorgt werden oder Eigenanbau betreiben.
· Konsumierende wären an staatlich lizensierten Verkaufsstellen sehr gut für Informations-, Präventions- und Beratungsangebote erreichbar, vergleichsweise besser als im privaten Raum oder in Anbaugemeinschaften.
· Im Rahmen einer Modellregion könnten zusätzliche Mittel für Präventions- und Beratungsangebote speziell zu Cannabis generiert werden. Dies ist auch insofern relevant, als bislang keine zusätzlichen Mittel für die Länder und Kommunen für Cannabisprävention vorgesehen sind.
· Durch die vom Gesetzgeber vorgesehene wissenschaftliche Begleitung der Modellregionen wäre ein engmaschiges Monitoring der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Stuttgart insgesamt möglich und die gewonnenen Erkenntnisse könnten auch nach dem Ende des Modellvorhabens für die kontrollierte Abgabe von Cannabis explizit in Stuttgart genutzt werden. Im Hinblick auf ein Monitoring der kontrollierten Abgabe von Cannabis laufen derzeit bereits Vorbereitungen für eine regelmäßige Analyse des Stuttgarter Abwassers auf Rückstände von Cannabis und anderen legalen wie illegalen Substanzen. Auf diese Weise können evtl. Konsumveränderungen infolge der kontrollierten Abgabe von Cannabis nachvollzogen werden. Als wesentlicher Nachteil einer evtl. Bewerbung wird insbesondere der zusätzliche Kontrollaufwand für die zuständige/n Behörde/n gewertet. Die Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsplanung ist daher bereit, eine Bewerbung der LHS Stuttgart als Modellregion für die kontrollierte Abgabe von Cannabis im Rahmen der zweiten Säule zu unterstützen und die entsprechenden Schritte zu ergreifen, zumal alle beteiligten Akteure auch im Hinblick auf die zweite Säule eine hohe Kooperationsbereitschaft betonen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die konkreten Rahmenbedingungen der Umsetzung von Modellregionen sowie die Bewerbungsformalia derzeit noch unklar sind. Eine Klärung ist frühestens ab Herbst 2023 möglich, wenn der entsprechende Gesetzesentwurf vorliegt (siehe oben). Mit dem Einverständnis der Ausschussmitglieder wird die Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsplanung in enger Abstimmung mit den genannten Akteuren weiter auf eine Prüfung der Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Modellregionen hinwirken und eine Bewerbung der LHS Stuttgart als Modellregion vorbereiten. Beteiligte Stellen --- Vorliegende Anträge/Anfragen --- Antrag 95/2023 der Fraktionsgemeinschaft PULS Dr. Alexandra Sußmann Bürgermeisterin 1. Kontrollierte Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene: Eckpunkte eines 2-Säulen-Modells 2. Anmerkungen des Deutschen Städtetags zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften <Anlagen> zum Seitenanfang