Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau und Umwelt
Gz: StU
GRDrs 940/2018
Stuttgart,
01/07/2019


Filderstudie - Überprüfung und Weiterentwicklung der räumlichen Wachstumspotenziale im Filderraum



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Bezirksbeirat Birkach
Bezirksbeirat Möhringen
Bezirksbeirat Plieningen
Bezirksbeirat Vaihingen
Ausschuss für Umwelt und Technik
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
28.01.2019
28.01.2019
28.01.2019
28.01.2019
05.02.2019

Bericht:


Anlass

Die Filder stellt einen der wichtigsten Räume in Baden-Württemberg dar. Mit der überregional bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur und dem Messestandort besitzt der Filderraum eine Standortgunst, die innerhalb von Baden-Württemberg einzigartig ist. Seit Jahrzehnten bildet sich im Filderraum die wirtschaftliche Dynamik der Wirtschaftsregion Stuttgart bedingt durch die Lage des Flughafens und der Autobahn unmittelbar ab. Der Filderraum hat sich dabei zu einem hochverdichteten Teilraum im Süden von Stuttgart entwickelt.

Gleichzeitig weist der Raum eine besondere Bodengüte der landwirtschaftlichen Fläche auf und dient als bedeutendes Naherholungsgebiet. Der Infrastrukturstandort mit Flughafen, Messe und zukünftigem Filderbahnhof wird sich weiter räumlich ausprägen und siedlungsstrukturell seine Spuren hinterlassen – vergleichbare Stadtregionen zeigen dies deutlich. Mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der einhergehenden Verbesserung der Erreichbarkeit nimmt die Attraktivität des Raumes, insbesondere für die Wirtschaft weiter zu. Aber auch als Wohnstandort wird der Raum attraktiv bleiben. Der Druck und die Begehrlichkeiten auf den Filderraum werden fortbestehen.

Mit dem stetigen Wachstum werden zunehmend auch Grenzen der Raumverträglichkeit erreicht, da der Filderraum auch durch seine offene Landschaft, hochwertige Landwirtschaft sowie durch seine dörflichen Zentren geprägt ist. So ist der Filderraum einerseits teilweise urban und hoch verdichtet, andererseits aber auch wichtige landwirtschaftliche Produktionsfläche und bedeutender Freiraum, was zu einer starken Flächenkonkurrenz
führt, die in einem einzelkommunalen Handeln und in einem Wettbewerb der Kommunen untereinander nicht zu bewältigen sind.

Um den verschiedenen siedlungsrelevanten sowie freiraumbezogenen Nutzungsansprüchen gerecht zu werden, ist eine vorausschauende und abgestimmte Planung zur Nutzung des Raums unabdingbar.

Mit der GRDrs 26/2016 „Kommunaler Arbeitskreis Filder – Inhaltliche Perspektiven und organisatorische Veränderungen“ hat die Verwaltung den Gemeinderat u. a. über die beabsichtigte Filderstudie, die damals noch den Titel „Teilraumfortschreibung Filder 2016“ trug, informiert. Die vom Kommunalen Arbeitskreises Filder (KAF) und vom Verband Region Stuttgart (VRS) gemeinsam beauftragte Studie „Überprüfung der Weiterentwicklung der räumlichen Wachstumspotenziale im Filderraum“ des Büros Albert Speer und Partner hat das Ziel, räumliche Entwicklungsüberlegungen anzustellen und ihre Grenzen aufzuzeigen. Dabei sollte insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie die Nutzungsansprüche mit den Anforderungen der Landwirtschaft und des Naturschutzes vereinbart werden können.

Die Studie ist inzwischen fertiggestellt. Sie wurde in enger Kooperation mit den Kommunen erstellt. In wenigen Punkten gibt es Abweichungen zur Meinung der Verwaltung. Dies betrifft insbesondere das Nachverdichtungspotenzial in der Siedlung Fasanenhof, das aus Sicht der Verwaltung zu hoch eingeschätzt wird sowie die allerdings nur an einer Stelle der Studie benannte Wohnbaufläche im Bereich Trautäcker in Möhringen. Im Hinblick auf die im Vorfeld gelaufenen Untersuchungen und Bemühungen beim Eiermann-Areal, entsprechen die Vorschläge für die Forschungsstandorte nicht den realen Anforderungen der Universität oder der ansässigen Forschungsinstitute. Dennoch ist dort ein Anteil an innovativen wissenschaftlichen Einrichtungen vorgesehen. Bei einer etwaigen Erweiterung des Max-Planck-Instituts in Büsnau nach Süden ist aus Sicht der Verwaltung lediglich eine bauliche Neuausformung des südlichen Randes auf dem vorhandenen Grundstück bei Erhalt des wasserführenden Grabens vorstellbar.

Darüber hinaus generieren die vorgesehenen Neuentwicklungen und Umstrukturierungen eine nicht unerhebliche Verkehrserzeugung, die das bestehende Verkehrssystem nicht aufnehmen kann. Nach Meinung der Verwaltung besteht über die bereits fest disponierten Maßnahmen beim ÖPNV (S21, U6-Verlängerung zum Flughafen, S2-Verlängerung nach Neuhausen) weiterer Handlungsbedarf.
Die vom Gutachterbüro vorgeschlagenen Expressbuslinien und/oder Seilbahnen haben allenfalls die Funktion den schienengebundenen ÖPNV zu ergänzen. Aus Sicht der Verwaltung ist der weitere Ausbau der Schieneninfrastruktur gemäß dem Nahverkehrsentwicklungsplans vordringlich.

Die Filderstudie wurde am 18. Oktober 2018 im Ständigen Ausschuss des KAF öffentlich vorgestellt. Bevor die sie eine Grundlage für die Teilfortschreibung des Regionalplans wird, soll sie in den einzelnen Kommunen eingehend diskutiert werden.





Im Folgenden werden die planerischen Inhalte der Filderstudie zusammengefasst dargestellt:

Standortanalyse

Der Studie vorangestellt wird eine vertiefte Analyse des Untersuchungsraumes und der relevanten Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft. Einen wesentlichen Aspekt bildet dabei die Auseinandersetzung mit den veränderten Erreichbarkeiten des Filderraums durch den neuen Filderbahnhof als zukünftig zweitgrößten ÖPNV-Halt in der Region Stuttgart (neues Raum-Zeit-Gefüge) und den daraus resultierenden Wirkungen sowie Chancen und Risiken. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wie sich Flughafenstandorte und ihre Agglomerationen in anderen Städten entwickelt haben, um Rückschlüsse auf eine mögliche Entwicklung im Filderraum ziehen zu können.

Zu den wesentlichen Ergebnissen (Stärken, Schwächen, Potenziale, Risiken), die in dieser Standortanalyse ermittelt wurden, zählen:

Konzeption

Aufbauend auf den Erkenntnissen der Standortanalyse, des Raumwiderstandes und der Raumeignung sowie der Betrachtung von grundsätzlichen Entwicklungsoptionen, wird ein räumliches Leitbild für den gesamten Filderraum entwickelt. Darin werden Vorschläge für die Verortung von regionalbedeutsamen Flächen und Elementen aus den Bereichen Wohnen, Gewerbe, Wissen sowie zur Landschaft und zur Mobilität erarbeitet. Besonders relevante Teilräume wie der Teilraum Vaihingen-Möhringen werden detailliert betrachtet.

Im Mittelpunkt der Filderstudie steht die Nutzung der Vorteile durch die verbesserte Erreichbarkeit am künftigen Filderbahnhof sowie der Erhalt der vielfältigen Filderlandschaft. Aufgrund der guten Böden und der bereits erfolgten Belastungen und Aufsiedlungen sieht die Studie die prioritäre Entwicklung von Wohn- und Arbeitsorten im Umfeld der Knotenpunkte des öffentlichen Personennahverkehrs durch qualifizierte Nachverdichtung, Stadt- umbau oder – je nach Kommune – auch Außenentwicklung vor. Dabei ist eine regional abgestimmte Planung für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung entscheidend.

Im Einzelnen werden aufbauend auf drei Szenarien ein Raumbild und folgende zentrale Grundprinzipien formuliert:

Verdichtung und Konzentration an der Mobilitätsdrehscheibe

Das Umfeld des Flughafens Stuttgart soll künftig den Schwerpunkt der Gewerbeentwicklung darstellen, da die Erreichbarkeit für sämtliche Verkehrsträger hier am größten sein wird. Flächen sollten vorrangig mit hoher baulicher Dichte in räumlicher Nähe zur Verkehrsdrehscheibe entstehen. Dafür stehen bereits Flächen aus der vorbereitenden Bauleitplanung zur Verfügung.

Nutzung der Erreichbarkeitsvorteile durch Entwicklung und Verdichtung im Einzugsbereich der ÖPNV-Halte

Die ÖPNV-Orientierung von neuen Entwicklungsflächen soll dazu führen, dass ein höherer Anteil der Bewohner die täglichen Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem privaten Pkw zurücklegt. Im stau- und abgasgeplagten Stuttgarter Talkessel ist dieser Leitgedanke von noch größerer Bedeutung als anderswo. Es wird vorgeschlagen, Entwicklungsflächen im Umkreis von rund 1.000 m um leistungsfähige Haltestellen bzw. künftige Haltestellen (S-Bahn, Stadtbahn, Expressbus) zu konzentrieren.

Verknüpfung von Wissensstandorten mit der Mobilitätsdrehscheibe zur Wissensregion Filder

Wissensbasierte Beschäftigung bildet künftig den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung. Auch in der Produktion nimmt dieser Bereich einen immer größeren Stellenwert ein. Durch die funktionale Verknüpfung der bestehenden Forschungs- und Hochschulstandorte und die Ergänzung um neue Adressen wird der Filderraum zu einer Wissensregion mit besonderer Strahlkraft weiterentwickelt. Als Schwerpunkt und Keimzelle wird der Wissenscluster Vaihingen gesehen.

Orientierung am Leitbild der Innenentwicklung

Für eine nachhaltige Entwicklung ist es unerlässlich zunächst die bestehenden Innenentwicklungspotenziale zu nutzen. Dabei sind zunächst Flächen, für die bereits Planungsrecht besteht, zu entwickeln. Im weiteren Schritt sind Flächen, die für eine Nachverdichtung, Umnutzung oder Aufstockung in Frage kommen, zu berücksichtigen.

Fokussierung der Entwicklung auf besonders geeignete Bereiche und Entwicklungsachsen

Um die einzigartigen Landschaftsräume des Filderraums zu erhalten und die Erreichbarkeitsvorteile optimal zu nutzen, wird die Entwicklung auf bestimmte Fokusbereiche und Entwicklungsachsen konzentriert. Diese befinden sich im Wesentlichen im Bereich der Mobilitätsdrehscheibe am Flughafen, der bestehenden Entwicklungsgebiete und der ÖPNV-Halte. Die Landschaftsräume dazwischen werden so von weiterer Entwicklung freigehalten und können weiterhin für die Landwirtschaft, den Naturschutz sowie die Naherholung genutzt werden.

Schaffung neuer Mitten

Die meisten Orte auf den Fildern sind durch Gebietsreformen der 1970er-Jahre zu neuen kommunalen Gebietskörperschaften vereint worden. Ein wichtiges Thema in diesen Gemeinden ist das Zusammenwachsen der einzelnen Ortsteile unter Bewahrung der jeweiligen lokalen Identitäten. Dies betrifft vor allem Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen.

Bewahrung der lokalen Identität in den alten Ortskernen und im Landschaftsraum Filder

Die alten Ortskerne haben eine große Bedeutung für die lokale Identität. Einige dieser Zentren weisen Nachverdichtungs- und Aufwertungspotenziale auf, die genutzt werden sollen. Insbesondere wenn sich diese Bereiche in der Nähe der ÖPNV-Halte befinden. Die Besonderheit des Filderraums liegt auch in seinen vielfältigen Landschaftsräumen, die sowohl für die Nahrungsmittelproduktion als auch den Naturschutz und die Naherholung von großer Bedeutung sind. Diese Räume sollen erhalten und besser vernetzt werden. Ziel ist, die identitätsstiftende Wirkung zu erhalten und zu verbessern.




Raumbild/Raumentwicklung

Aus den Grundprinzipien der räumlichen Entwicklung werden im Raumbild regionalbedeutsame Potenziale für Wohnen, Gewerbe, Wissenschaft und Landschaft sowie Mobilität verortet. Die vorgeschlagenen Potenzialräume stellen Orte mit besonderer Eignung zu Neuentwicklung, Erweiterung bzw. Umstrukturierung dar. Für die Landeshauptstadt Stuttgart trifft die Filderstudie folgende Aussagen:

- Wohnpotenziale sollen im Wesentlichen durch qualifizierte Nachverdichtung und bauliche Ergänzung der Siedlungen Dürrlewang und Fasanenhof sowie die Umstrukturierung des Eiermann-Campus und des Hansa-Areals geschaffen werden. Sollten die US-Militärstandorte in Vaihingen und Möhringen einmal aufgegeben werden, schlägt die Filderstudie für die Patch Barracks eine Konversion in Wohnen und Forschung sowie für die Kelley Barracks eine Konversion überwiegend in Wohnen vor.

- Gewerbepotenziale sollen ebenso durch qualifizierte Nachverdichtung und Umstrukturierung vor allem im SynergiePark sowie in den Gebieten Vaihinger Straße/Lautlinger Weg, östliche Plieninger Straße und Fasanenhof-Ost akquiriert werden. Aufgrund der künftig steigenden Bedeutung des Bahnhofs Vaihingen und des großen Erfolgs des Stuttgarter Engineering Park (STEP) wird für die nördliche Fläche des ehemaligen Aurelis-Areals ein zweiter STEP-Standort vorgeschlagen.


- Wissenspotenziale sollen im Wesentlichen durch qualifizierte Nachverdichtung und Umstrukturierung am Universitäts- und Forschungscampus Vaihingen, durch Umstrukturierung und Erweiterung am Universitätscampus Hohenheim sowie durch die räumliche Arrondierung des Max-Planck-Instituts in Büsnau geschaffen werden. Im Bereich des sogenannten Eiermann-Campus könnte ein Teil der Umstrukturierungsfläche als Forschungsfläche entwickelt werden.

- Landschaftselemente: Abgeleitet aus dem interkommunalen Rahmenplan Landschaftsraum Filder werden zwischen den Siedlungsstrukturen prägende Grünzäsuren dargestellt und an mehreren Stellen Grünbrücken über die A8 vorgeschlagen.

- Mobilitätselemente: Es wird ein Expressbussystem mit zum Teil eigenem Fahrweg vorgeschlagen, um das ÖPNV-System zu ergänzen und die Zeit bis zur Herstellung langfristig geplanter Schienenverbindungen zu überbrücken. Der Vaihinger Bahnhof soll durch Ergänzung eines Expressbushaltes zu einem bedeutenden Mobilitätsschwerpunkt im westlichen Filderbereich weiterentwickelt werden.
Die Filderstudie sieht grundsätzlich den Bau weiterer Straßen zur Entlastung nicht als Lösung an, da dieser wahrscheinlich weiteren Verkehr anziehen wird. Vielmehr wird vorgeschlagen, den zusätzlich zu erwartenden Verkehr durch den Ausbau des ÖPNV sowie den Ausbau neuartiger Mobilitätssysteme abzuwickeln.

Um den Filderraum nicht nur nach ökonomischen, sondern auch nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten im Sinne der Nachhaltigkeit zu entwickeln, kommt der gezielten Lenkung der Flächenentwicklung eine besondere Bedeutung zu. Sie kann nur dann gelingen, wenn eine intensive interkommunale und regionale Übereinkunft und Steuerung erfolgt.

Die nun vorliegende Filderstudie bedarf einer intensiven regionalen, interkommunalen und kommunalen Diskussion, um die verschiedenen Akteure ernsthaft mit einzubeziehen und die Ergebnisse der politischen Auseinandersetzung mit der Studie in dem Planwerk einfließen zu lassen.


Beteiligte Stellen

keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine
keine




Peter Pätzold
Bürgermeister





Broschüre Filderstudie





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