Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs 44/2021
Stuttgart,
02/11/2021


Ausbildungschance



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich22.02.2021

Bericht:


Ausgangssituation

Seit September 2011 führt die Landeshauptstadt Stuttgart in Kooperation mit dem Caritasverband Stuttgart e.V. und der evangelischen Gesellschaft Stuttgart das Projekt „Ausbildungschance“ durch. Junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr, die nach einer berufsvorbereitenden Maßnahme nicht in den Ausbildungsmarkt münden, erhalten mit „Ausbildungschance“ die Möglichkeit, eine Ausbildung mit sozialpädagogischer Begleitung zu beginnen und einen anerkannten Berufsabschluss zu erlangen (siehe u.a. GRDrs. 328/ 2012, 569/ 2013 ff).

Grundlage für „Ausbildungschance“ ist die von der Landeshauptstadt Stuttgart in Auftrag gegebene Studie zur beruflichen Situation Stuttgarter Haupt- und Förderschüler des Deutschen Jugendinstituts München. Die Ergebnisse der Studie zeigten auf, dass rund 20 % der Stuttgarter HauptschülerInnen auch im dritten Herbst nach dem Schulabschluss nicht in Ausbildung oder in qualifizierter Arbeit gemündet waren.

Ferner zeigt die Studie auf, dass die Übergänge von der Schule in den Beruf gut funktionieren und an dieser Stelle kaum Jugendliche verloren gehen. Es ist beim Übergang Schule- Beruf ein gutes Netzwerk mit zahlreichen Angeboten und Akteuren vorhanden. Bei den Jugendlichen, die länger als zwei Jahre nach dem Schulabschluss nicht in Ausbildung gemündet sind, zeigte sich eine schwierigere Situation. Nicht gelungene Anschlüsse an berufsvorbereitenden Maßnahmen, Ausbildungsabbrüche und Maßnahmenabbrüche, sowie frühe Annahme unqualifizierter Beschäftigung und prekärer Arbeitsverhältnisse sind bei der Zielgruppe gehäuft anzufinden und stellen ein erhebliches Risiko für misslungene Berufswege dar (Gaupp + Geiger, 2010, DJI).

Das Projekt „Ausbildungschance“ hat zum Ziel, die Zielgruppe der Jugendlichen zu erreichen und Ihnen eine anerkannte Ausbildung zu vermitteln, die von den benannten Punkten in besonderem Maße betroffen sind.

„Ausbildungschance“ wurde vom Deutschen Jugendinstitut evaluiert und als sehr wirkungsvolles Instrument zur Integration von Jugendlichen in den Ausbildungsmarkt und in Folge dessen in die Berufswelt zu ermöglichen. Zudem wird mit einer anerkannten vollwertigen Berufsausbildung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen entscheidend beigetragen.

Ausbildungschance“ wird durch die Landeshauptstadt Stuttgart, mit 30 Ausbildungsplätzen für Jugendliche ohne Leistungsbezug SGB II + III finanziert.

Bis zu 40 weitere Plätze für LeistungsbezieherInnen werden über das Jobcenter bereitgestellt.

Projektstand


Zum aktuellen Zeitpunkt befanden sich 64 Teilnehmende in der Maßnahme. Davon sind vom Jahrgang 2019 noch 21 und vom Jahrgang 2020 noch 26 in der Ausbildung.

Die Geschlechterverteilung von allen zugewiesenen Auszubildenden liegt bei 83% Männer und 17% Frauen. 80% der Auszubildenden haben einen Migrationshintergrund oder kommen aus Familien mit Migrationserfahrung.

Die Erfolgsquote bei Teilnehmern, die die Probezeit überstehen, liegt bei ca. 60%.
Der Hauptbeendigungsgrund „unentschuldigte Fehlzeiten“ ist eher als Symptom bzw. Folge tiefer liegender Probleme zu sehen. Folgende Problemlagen führten häufig zu Abbrüchen:

In Anbetracht der sehr schwierigen Lebenssituation vieler TeilnehmerInnen, die erhöhte Teilnahme von Flüchtlingen und der Tatsache, dass die Jugendlichen trotz berufsvorbereitender Maßnahmen nicht alleine in Ausbildung münden konnten, ist die Abschlussquote von 60% als ausgesprochen gut zu bewerten. Besonders hervorzuheben ist zudem, dass das Nichtbestehen der Abschlussprüfungen einschließlich der Wiederholungsprüfungen sehr selten ist. Hält ein Jugendlicher die Ausbildungszeit durch, so kann auch von einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss ausgegangen werden.

Weiterhin ist zu beobachten, dass der Trend zu dreijährigen anspruchsvolleren Berufen ungebrochen ist. Die Berufswünsche sind sehr viel differenzierter geworden.
Folgende Berufe sind im Jahrgang 2019 und im beginnenden Jahrgang 2020 vertreten:

Ein Drittel aller in die Maßnahme vermittelten TeilnehmerInnen haben einen Fluchthintergrund. Darunter auch junge Menschen mit teils erheblichen Sprachdefiziten.
Die Sprachförderung während der Ausbildung bleibt nach wie vor eine Notwendigkeit.

Im Bereich der seelischen Gesundheit wird weiterhin ein Anstieg der Auszubildenden verzeichnet, die Probleme aufweisen und Unterstützungsangebote benötigen. Die höhere Anzahl von jungen Menschen in „Ausbildungschance“ mit Fluchterfahrung, hat auch die Gruppe der Auszubildenden mit seelischen Problemen anwachsen lassen. Hier wird es zukünftig notwendig sein, innerhalb von „Ausbildungschance“ entsprechende Hilfestellungen verstärkt anzubieten

Personen, die bereits in der Maßnahme „Reif für die Ausbildung“ (nur Jobcenterkunden) als ausbildungsreif identifiziert worden sind, haben in der Regel einen eher unproblematischen Ausbildungsverlauf. Wider Erwarten ist der „erste“ Ausbildungsmarkt nach wie vor sehr aufnahmefähig, so dass weder das Jobcenter noch JobConnections auffallend mehr junge Menschen zu versorgen hätten. LeistungsbezieherInnen werden vom Jobcenter direkt in „Ausbildungschance“ vermittelt. Junge Menschen ohne Leistungsbezug, werden nach eingehender Beratung über JobConnections, für „Ausbildungschance“ empfohlen. Hierbei ist „Ausbildungschance“ stets nachrangig zu allen anderen Maßnahmen für junge Menschen.

Zum Berichtszeitpunkt war der Ausbildungsjahrgang 2020 beider Maßnahmeteile zu 78% belegt. In den Maßnahmen BaEplus (Jobcenter finanzierten Ausbildungsplätze für LeistungsempfängerInnen) und Ausbildungschance befinden sich zum Berichtszeitpunkt 133 TeilnehmerInnen.


„Ausbildungschance“ in Coronazeiten

Die Maßnahmen BaEplus/ Ausbildungschance wurden schon auf Grund der bestehenden Ausbildungsverträge nicht ausgesetzt. Der praktische Teil der Ausbildung wurde in der Regel nicht unterbrochen.

Während des „harten“ Lockdowns, waren die Büros und Schulungsräume der Caritas kurzzeitig geschlossen, die Berufsschulen ebenfalls. Durch Anrufweiterschaltungen auf Diensthandys war eine Erreichbarkeit jedoch stets gewährleistet. Die Betreuung erfolgte über Home-Office und Fernlernen via Cloud-Speicher, Messenger und in Papierform. Nach relativ kurzer Zeit konnte die Mitarbeiterschaft wieder in geteilten Teams anwesend sein.

Die Nachfrage nach dem zunächst virtuellen Stütz- und Förderunterricht war auch vor dem Hintergrund der Schulschließungen, ausgesprochen hoch. Face-to-Face Beratung wurden baldmöglichst (ab Zulässigkeit) wiederaufgenommen. Ebenfalls die Prüfungsvorbereitung als Einzelunterricht. Ein regulärer Unterricht in Gruppen fand ab Juni wieder statt. Hier war die Anwesenheitsdisziplin ausgesprochen gut, zumal der Berufsschulunterricht erst sehr spät wiederaufgenommen wurde. Insbesondere mit den Berufsschullehrkräften der Kooperationsklassen funktionierte die Zusammenarbeit sehr gut. Wie auch in den vergangenen Jahren, sind die MitarbeiterInnen von „Ausbildungschance“ an 2,5 Tagen an den Berufsschulen anwesend, um die Auszubildenden zu unterstützen und eng mit den Berufsschulen zu kooperieren. Dies hat sich auch in der Evaluation des Deutschen Jugendinstituts als ein sehr wichtiger Unterstützungsfaktor erwiesen, der auch zukünftig beibehalten werden soll.

Bei den Abschlussprüfungen der Kammern konnte kein „Coronabonus“ erkannt werden. Durch die engmaschige Betreuung verzeichneten wir nur wenige coronabedingte Abbrüche. Das vereinfachte Krankschreibungsverfahren wurde von den Teilnehmern nicht ausgenutzt.

Die „Corona-Phase“ erforderte von allen Beteiligten höchste Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und Kreativität. Da momentan und künftig auf Abstands- und Hygieneregeln geachtet werden muss, werden viele Kurse des Stütz- und Förderunterrichts geteilt angeboten. Die Umsetzung dieser Maßnahmen führt den durchführenden Träger räumlich, personell und finanziell an die Grenzen. Erfreulich ist es, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt weder bei der Mitarbeiterschaft noch bei den Auszubildenden bei Ausbildungschance eine Coronainfektion nachgewiesen werden konnte.

Finanzierung

Im Haushaltsjahr 2020 standen für die Auszubildenden ohne Leistungsbezug nach SGB II oder III, im Haushalt der städtischen Arbeitsförderung, für „Ausbildungschance“ jährlich 837.344,00 € zur Verfügung.

Mit den vom Jobcenter finanzierten BaEplus Ausbildungsplätze könnten jährlich bis zu 70 Jugendlichen eine Ausbildung mit sozialpädagogischer Betreuung ermöglicht werden. Das Gesamtvolumen der Finanzierung „Ausbildungschance“ beläuft sich auf 700 000,00 € im Jahr. Davon sind 970 € monatlich den Kosten des durchführenden Trägers zuzuordnen. Darunter die Begleitung der Jugendlichen mit einem Personalschlüssel von 1:12 und die Finanzierung der Lehrkräfte in „Ausbildungschance“ mit einem Personalschlüssel von 1:18.

Weitere 600 € werden durchschnittlich monatlich als Ausbildungsvergütung an die Auszubildenden ausbezahlt. Die Ausbildungsvergütung ist mit der IHK abgestimmt und in dieser Form anerkannt. Eine Anerkennung als Ausbildungsträger durch die IHK wäre sonst nicht möglich.

Ausblick

1. Seelische Gesundheit

2. Fluchthintergrund

3. Alter


4. Geschlecht

Zusammenfassung

Jugendliche, die den Weg in Ausbildung nicht alleine schaffen, erhalten mit dem Projekt „Ausbildungschance“ die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu erlangen. Insbesondere für junge Menschen die bereits zwei Jahre die Schule beendet haben oder berufsvorbereitende Maßnahmen absolviert haben, sowie schwierige Lebenssituationen aufweisen, können durch die unterstützende Projektstruktur zu einem Ausbildungsabschluss gelangen. Gesellschaftliche Veränderungen wie Flucht oder Pandemie machen es notwendig, „Ausbildungschance“ stets weiter zu entwickeln und den jeweiligen Lebenssituationen der Jugendlichen anzupassen.

Auch nach mehreren Jahren „Ausbildungschance“ ist das Projekt notwendig und wichtig, um den jungen Menschen eine Möglichkeit zur Berufsausbildung zu geben, die den Übergang zwischen Schule und Beruf nicht alleine bewältigen konnten. In Anbetracht der Zielgruppe, die multiple Lebensschwierigkeiten aufweist und auf dem Ausbildungsmarkt weniger Chancen hat, sind die Ergebnisse nach wie vor sehr positiv zu bewerten.

Die Plätze werden gut belegt, da es dem Träger in hohem Maße gelingt, auf die Schwierigkeiten und Hemmnisse der Zielgruppe einzugehen und sie bis zu einem erfolgreichen Abschluss zu begleiten. Die Zusammenarbeit mit dem Träger der Maßnahme und dem der Arbeitsförderung/ dem Jobcenter, gestaltet sich ausgesprochen gut und zufriedenstellend.

Über den weiteren Verlauf und über die Weiterentwicklungen von „Ausbildungschance“, wird dem Gemeinderat in regelmäßigen Abschnitten berichtet werden.

Dr. Alexandra Sußmann














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