Ausgangssituation
Seit September 2011 führt die Landeshauptstadt Stuttgart in Kooperation mit dem Caritasverband Stuttgart e.V. und der evangelischen Gesellschaft Stuttgart das Projekt „Ausbildungschance“ durch. Junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr, die nach einer berufsvorbereitenden Maßnahme nicht in den Ausbildungsmarkt münden, erhalten mit „Ausbildungschance“ die Möglichkeit, eine Ausbildung mit sozialpädagogischer Begleitung zu beginnen und einen anerkannten Berufsabschluss zu erlangen (siehe u.a. GRDrs. 328/ 2012, 569/ 2013 ff).
Grundlage für „Ausbildungschance“ ist die von der Landeshauptstadt Stuttgart in Auftrag gegebene Studie zur beruflichen Situation Stuttgarter Haupt- und Förderschüler des Deutschen Jugendinstituts München. Die Ergebnisse der Studie zeigten auf, dass rund 20 % der Stuttgarter HauptschülerInnen auch im dritten Herbst nach dem Schulabschluss nicht in Ausbildung oder in qualifizierter Arbeit gemündet waren.
Ferner zeigt die Studie auf, dass die Übergänge von der Schule in den Beruf gut funktionieren und an dieser Stelle kaum Jugendliche verloren gehen. Es ist beim Übergang Schule- Beruf ein gutes Netzwerk mit zahlreichen Angeboten und Akteuren vorhanden. Bei den Jugendlichen, die länger als zwei Jahre nach dem Schulabschluss nicht in Ausbildung gemündet sind, zeigte sich eine schwierigere Situation. Nicht gelungene Anschlüsse an berufsvorbereitenden Maßnahmen, Ausbildungsabbrüche und Maßnahmenabbrüche, sowie frühe Annahme unqualifizierter Beschäftigung und prekärer Arbeitsverhältnisse sind bei der Zielgruppe gehäuft anzufinden und stellen ein erhebliches Risiko für misslungene Berufswege dar (Gaupp + Geiger, 2010, DJI).
Das Projekt „Ausbildungschance“ hat zum Ziel, die Zielgruppe der Jugendlichen zu erreichen und Ihnen eine anerkannte Ausbildung zu vermitteln, die von den benannten Punkten in besonderem Maße betroffen sind.
„Ausbildungschance“ wurde vom Deutschen Jugendinstitut evaluiert und als sehr wirkungsvolles Instrument zur Integration von Jugendlichen in den Ausbildungsmarkt und in Folge dessen in die Berufswelt zu ermöglichen. Zudem wird mit einer anerkannten vollwertigen Berufsausbildung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen entscheidend beigetragen.
„Ausbildungschance“ wird durch die Landeshauptstadt Stuttgart, mit 30 Ausbildungsplätzen für Jugendliche ohne Leistungsbezug SGB II + III finanziert.
Bis zu 40 weitere Plätze für LeistungsbezieherInnen werden über das Jobcenter bereitgestellt.
Projektstand
Zum aktuellen Zeitpunkt befanden sich 64 Teilnehmende in der Maßnahme. Davon sind vom Jahrgang 2019 noch 21 und vom Jahrgang 2020 noch 26 in der Ausbildung. Die Geschlechterverteilung von allen zugewiesenen Auszubildenden liegt bei 83% Männer und 17% Frauen. 80% der Auszubildenden haben einen Migrationshintergrund oder kommen aus Familien mit Migrationserfahrung. Die Erfolgsquote bei Teilnehmern, die die Probezeit überstehen, liegt bei ca. 60%. Der Hauptbeendigungsgrund „unentschuldigte Fehlzeiten“ ist eher als Symptom bzw. Folge tiefer liegender Probleme zu sehen. Folgende Problemlagen führten häufig zu Abbrüchen:
Finanzierung
Im Haushaltsjahr 2020 standen für die Auszubildenden ohne Leistungsbezug nach SGB II oder III, im Haushalt der städtischen Arbeitsförderung, für „Ausbildungschance“ jährlich 837.344,00 € zur Verfügung.
Mit den vom Jobcenter finanzierten BaEplus Ausbildungsplätze könnten jährlich bis zu 70 Jugendlichen eine Ausbildung mit sozialpädagogischer Betreuung ermöglicht werden. Das Gesamtvolumen der Finanzierung „Ausbildungschance“ beläuft sich auf 700 000,00 € im Jahr. Davon sind 970 € monatlich den Kosten des durchführenden Trägers zuzuordnen. Darunter die Begleitung der Jugendlichen mit einem Personalschlüssel von 1:12 und die Finanzierung der Lehrkräfte in „Ausbildungschance“ mit einem Personalschlüssel von 1:18.
Weitere 600 € werden durchschnittlich monatlich als Ausbildungsvergütung an die Auszubildenden ausbezahlt. Die Ausbildungsvergütung ist mit der IHK abgestimmt und in dieser Form anerkannt. Eine Anerkennung als Ausbildungsträger durch die IHK wäre sonst nicht möglich.
Ausblick
1. Seelische Gesundheit
§ „Ausbildungschance“ wird sich diesem Thema verstärkt annehmen und entsprechende Maßnahmen umsetzen.
§ Junge Menschen mit Fluchterfahrungen erhöhen den Anteil derer im Projekt deutlich, die Unterstützung im Bereich der seelischen Gesundheit benötigen. Zudem haben die TeilnehmerInnen auch sprachliche Defizite, so dass eine gezielte Deutschförderung auch weiterhin notwendig bleiben wird.
3. Alter
4. Geschlecht
§ 2020 stiegen die männlichen Teilnehmer im Projekt „Ausbildungschance“ an und erreichten 83 % aller Teilnehmer. Es stellt sich hier die Frage, ob männliche Jugendliche spezifische Lebens- und Lernsituationen haben, die eine Einmündung in Ausbildung erschweren und daher gezielt eine Förderung von dieser Zielgruppe erfolgen muss.
Jugendliche, die den Weg in Ausbildung nicht alleine schaffen, erhalten mit dem Projekt „Ausbildungschance“ die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu erlangen. Insbesondere für junge Menschen die bereits zwei Jahre die Schule beendet haben oder berufsvorbereitende Maßnahmen absolviert haben, sowie schwierige Lebenssituationen aufweisen, können durch die unterstützende Projektstruktur zu einem Ausbildungsabschluss gelangen. Gesellschaftliche Veränderungen wie Flucht oder Pandemie machen es notwendig, „Ausbildungschance“ stets weiter zu entwickeln und den jeweiligen Lebenssituationen der Jugendlichen anzupassen.
Auch nach mehreren Jahren „Ausbildungschance“ ist das Projekt notwendig und wichtig, um den jungen Menschen eine Möglichkeit zur Berufsausbildung zu geben, die den Übergang zwischen Schule und Beruf nicht alleine bewältigen konnten. In Anbetracht der Zielgruppe, die multiple Lebensschwierigkeiten aufweist und auf dem Ausbildungsmarkt weniger Chancen hat, sind die Ergebnisse nach wie vor sehr positiv zu bewerten.
Die Plätze werden gut belegt, da es dem Träger in hohem Maße gelingt, auf die Schwierigkeiten und Hemmnisse der Zielgruppe einzugehen und sie bis zu einem erfolgreichen Abschluss zu begleiten. Die Zusammenarbeit mit dem Träger der Maßnahme und dem der Arbeitsförderung/ dem Jobcenter, gestaltet sich ausgesprochen gut und zufriedenstellend.
Über den weiteren Verlauf und über die Weiterentwicklungen von „Ausbildungschance“, wird dem Gemeinderat in regelmäßigen Abschnitten berichtet werden.
Dr. Alexandra Sußmann
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