Antrag vom 09/15/2010
Nr. 270/2010

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Bio zahlt sich aus
Mit dem Weingut der Stadt Stuttgart auf dem Weg zum ökologischen Anbau

Der Anbau von Wein spielt in Stuttgart seit vielen Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Neben der primären wirtschaftlichen Bedeutung ist der Weinbau als landschaftsprägende Bewirtschaftungsform mit langer kulturell bedeutender Geschichte und Handwerkstradition auch ein wichtiger Faktor für den Tourismusstandort Stuttgart. Die nicht flurbereinigten Lagen insbesondere im Steillagenweinbau besitzen für den Naturschutz eine besondere Bedeutung. Der Bio-Weinbau bietet hervorragende Chancen, Premium-Produkte mit Tourismus und Naturschutz zu verknüpfen. Hierzu bedarf es auch eines professionellen Produktmarketings.
Die Rebflächen des Stuttgarter Weinguts und vor allem die Mauerweinberge liegen zum Teil mitten in der Innenstadt, wie die Karlshöhe, die Silberburganlagen, Hasenberg, Cannstatter Zuckerle und der Weinberg in der Mönchhalde. Trotz mancher Fortschritte werden aus arbeitwirtschaftlichen Gründen und zur Ertragssicherung in der Bebauung immer noch Blattherbizide (Roundup, Basta) eingesetzt.
Da die Belastung auch des Stuttgarter Grundwassers durch Herbizide immer noch erheblich ist, empfahl der Sachverständigen Rat für Umweltfragen, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, vor allem von Insektiziden und Fungiziden, soweit wie möglich zu reduzieren. Neben der Kontaminierung des Grundwassers schädigen Pflanzenschutzmittel auch die Biodiversität, indem nützliche Pflanzen und Insekten gleich mit vernichtet werden. Gerade die besonders geschützten und ökologisch wertvollen Trockenmauern sind von dem Einsatz der Herbizide immer wieder mit betroffen. Mit den entsprechenden Folgen für dort lebende Tiere und Pflanzen.
Angesichts der Umweltverträglichkeit ist in jeder Hinsicht der ökologische Anbau am effektivsten und konsequentesten. Manchmal führen bereits kleinere Schritte zu einer ökologischeren Gesamtausrichtung, wie man am Beispiel des Biotopverbunds in Untertürkheim sehen kann. Bei dem Projekt „Förderung und Wiederansiedlung der alten Weinbergsflora“ konnte belegt werden, dass die Ansiedlung von Wildkräutern ungeliebte Unkräuter erfolgreich verdrängen konnte. Darüber hinaus ist die Aussaat von Wildkräutern insgesamt weniger aufwendig, als die regelmäßige Verwendung von Herbiziden.
Angesichts einer sich immer weiter vergrößernden Käuferschicht, die bereit ist für biologische und regionale Produkte mehr Geld auszugeben, wäre mit einer Umstellung auf naturnahen bzw. ökologischen Weinanbau und einer geschickten Vermarktung ein wesentlicher Imagegewinn für die Stadt Stuttgart zu erwarten.
Weine aus ökologischem Anbau sind ein wachsendes Segment im deutschen Weinangebot nur nicht im Weingut der Stadt Stuttgart. Der Wein-Trend 2009 war Bio. Die Wirtschaftskrise bescherte Öko-Weinen keine Gewinneinbrüche. Im Gegenteil, mit Bio-Weinen konnte 2009 sogar Zuwächse erzielt werden. Das Deutschen Weininstitut (DWI) in Mainz geht angesichts der wachsenden Nachfrage nach Bioweinen für die nächsten Jahre auch zukünftig von einem weiteren Zuwachs aus.
Wie im Anhang 1 der Beschlussvorlage GRDs 529/2010 Haushaltsicherungskonzept 2009 beschrieben, hat das Weingut der Stadt Stuttgart wichtige Funktionen und kann nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachtet werden: Das Weingut trägt zur Imagepflege bei und ist ein wichtiger Marketingaspekt (Alleinstellungsmerkmal, Tourismus). Es leistet insbesondere durch die Bewirtschaftung der innerstädtischen Steil- bzw. Terrassenlagen einen wichtigen Beitrag zur Stadtgestaltung und zum Stadtbild sowie zur Natur- und Landschaftspflege („Großstadt zwischen Wald und Reben“). Die terrassierten Weinberge mit ihren Trockenmauern sind ein von Menschenhand geschaffenes Kulturdenkmal mit ökologischer Tiefenwirkung. Auch eine Nichtbewirtschaftung der Steillagen würde die Stadt Geld kosten.
Gerade weil so viele Interessen der Stadt (Tourismus, Kulturdenkmal, Stadtbild, usw.) eine Rolle spielen, ist es umso wichtiger, das Weingut auch weiterhin in städtischer Regie zu betreiben. Nur so kann die Stadt Stuttgart die wichtigen Standortfaktoren und guten Marketingargumente auch wirklich gezielt einsetzen. Die ökologische Ausrichtung des Weinguts ist daher in städtischer Regie für die Stadt deutlich vorteilhafter.

Gründe für eine Umstellung des Weingutes der Stadt Stuttgart zum ökologischen Weinanbau gibt es also viele:
· Nachhaltigkeit des Anbausystems
· Qualitätssteigerung und „Terroir“
· Vermarktungsvorteile der Weine
· Nachfrage auf dem Fassweinmarkt
· Agrarfördermaßnahmen
· Förderung der Biodiversität im Weinberg und damit der Stadt
· Vermarktungsvorteile des Tourismusstandortes Stuttgart sowie der Stadt Stuttgart selbst
· Gesundheitsschutz der Stuttgarterinnen und Stuttgarter


Daher beantragen wir: 1. Die Verwaltung soll darlegen, wie eine Bewirtschaftung des Weingutes der Stadt Stuttgart auf naturnahen Anbau sukzessive umgestellt werden kann. Hierzu wird eine Ausschreibung zur Erstellung eines Gutachtens zur Umwandlung des Weingutes der Stadt Stuttgart hin zum ökologischen Anbau durchgeführt. Die Kriterien müssen mindestens dem ECOVIN-Standard entsprechen.
2. Die Verwaltung und das Weingut der Stadt Stuttgart werden angehalten, alle Förderprogramme zu eruieren, welche für eine Umstellung zu ökologischem Anbau in Frage kommen, wie bspw. MEKA III, das Agrarumweltprogramm des Landes Baden- Württemberg.
3. Zu prüfen ist auch, die Begleitung in der Umstellungsphase bzw. Zertifizierungsphase durch eine unabhängige Beratung.
4. Das abschließende Gutachten soll neben rein ökonomischen Faktoren der Umstellung auch die ökologischen und touristischen Benefits als ökonomischen Faktor in die Gesamtbilanz einkalkulieren.
5. Neben der Umstellung des Betriebes muss ebenso eine entsprechende Marketingstrategie inkl. Maßnahmen entwickelt werden.


Thekla Walker Niombo Lomba Silvia Fischer Werner Wölfle



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