Beantwortung zur Anfrage
288/2011

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 09/26/2011
Der Oberbürgermeister
GZ: 1515-01



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Dr. Schlierer Rolf (REP) , DIE REPUBLIKANER im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
    07/13/2011
Betreff
    Nutzen und Kosten von Feinstaubplaketten
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Die Landeshauptstadt Stuttgart nimmt zu den gestellten Fragen wie folgt Stellung:

1. Hat sich in den genannten Zeiträumen, d.h. seit 1.3.2008 bzw. 1.7.2010, die Luftqualität und Feinstaubbelastung in Stuttgart messbar verbessert?

Die Luftqualität hat sich in den genannten Zeiträumen nicht verbessert. Allerdings war dies auch nicht zu erwarten, da

a) witterungsbedingte Schwankungen die theoretisch möglichen Reduzierungen überlagern, insofern ein längerer Beobachtungszeitraum notwendig ist, b) auch der prognostizierte Effekt aufgrund der relativ geringen Zahl betroffener Fahrzeuge klein ist, c) durch bestehende Ausnahmeregelungen – insbesondere bei der Stufe 1 – der Effekt im Vergleich zur Prognose nochmals geschmälert wurde.


2. Inwieweit können Veränderungen in Luftqualität und Feinstaubbelastung eindeutig der Einführung der Feinstaub-Plaketten zugeordnet werden?

Zur Umsetzung einer Luftreinhaltemaßnahme muss diese hinsichtlich ihrer Wirkung untersucht werden. Hierbei ergaben sich für Maßnahme M 2 eindeutige Reduzierungen bezüglich der Emissionen (Schadstoffausstoß) und ebenfalls – für statistisch ermittelte Ausbreitungs-/Witterungsbedingungen – bei den Immissionen (Schadstoffkonzentration). Allerdings weicht jedes Jahr mehr oder weniger stark von diesen mittleren Ausbreitungsbedingungen ab, so dass der reale Effekt bei den Immissionen stark schwankt. Eine messtechnisch ermittelte Veränderung der Luftqualität ist deshalb nie eindeutig einer Maßnahme zuordenbar, da die Randbedingungen nicht konstant und somit nicht vergleichbar sind.


3. Welche Messmethoden kommen an den Feinstaubmessstationen im Stadtgebiet zum Einsatz, und welche Vorkehrungen werden ergriffen, um Messfehler zu minimieren?

Die jeweilige Messmethodik entspricht den gesetzlichen Vorgaben (39. Bundes-Immissionsschutzverordnung). Dort wird je Schadstoff ein so genanntes Referenzmessverfahren festgelegt. Bei Stickoxiden handelt es sich dabei beispielsweise um ein physikalisches (optisches) Messverfahren nach dem Chemilumineszenz-Prinzip.

Die eignungsgeprüften Messgeräte unterliegen einer regelmäßigen Funktionskontrolle, werden dabei kalibriert und gegebenenfalls korrigiert. Praktisch wird dies zum Beispiel durch Vergleich des Anzeigewertes mit einer bekannten Prüfgaskonzentration durchgeführt. Die Kalibrier- bzw. Korrekturwerte werden dokumentiert.

Die Messungen werden im Auftrag des Landes Baden-Württemberg von einer qualifizierten und anerkannten Sachverständigenstelle, der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Griesbachstraße 1, 76185 Karlsruhe, durchgeführt.


4. Wie hoch sind die gesamten, seit 2008 angefallenen Verwaltungskosten für die Umsetzung der Stufen 1, 2 und 3 der Maßnahme M2 für den Stadthaushalt, insbesondere durch Bürgerinformation und Beschilderung, durch die Ausgabe von Plaketten und Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, die Überwachung der Einhaltung der Einfahrverbote, sowie den dafür jeweils erforderlichen Personalaufwand?

Die Sach- und Personalkosten für die Beschilderung aller 37 Zufahrten zum Stadtgebiet - stellenweise mit mehreren Schildern - betrugen für Stuttgart ca. 120 000 €. Für das Umland betrugen die Sach- und Personalkosten für Vorankündigung und Umleitungen ca. 180 000 €. In Summe fielen somit ca. 300 000 € an. Hinzu kommen noch die Kosten für die Abdeckung der roten Plakette zum 01.07.2010 und der gelben Plakette zum 01.01.2012 auf den Zusatzzeichen in Höhe von 10.000 €.

Die Kosten der Pressekonferenzen und Öffentlichkeitsarbeit wurden nie gesondert erhoben; sie sind auch nicht mehr exakt nachvollziehbar, da diese ämterübergreifend gebucht wurden.

Die Kosten für die Ausgabe der Plaketten sind nicht eindeutig der Landeshauptstadt Stuttgart zuzuordnen, da auch mit Hoheitsaufgaben beliehene Unternehmen, die die HU durchführen, Plaketten ausgeben dürfen. Jedenfalls wurde die städt. Gebühr von 6 € pro Plakette von der Verwaltung kostendeckend kalkuliert.

Auch die Kosten für die Unterhaltung einer Arbeitsgruppe für Ausnahmegenehmigungen wurden bei der Kalkulation der Gebühr berücksichtigt, so dass von Kostendeckung auszugehen ist. Eine separate Kostenermittlung über die Jahre hinweg ist schon wegen der Vielzahl der zeitlich befristeten und unterschiedlich langen Abordnungen nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand ermittelbar.

Bei der Verkehrsüberwachung lief die Umweltzone als weiterer Prüfauftrag im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nebenher, weshalb nennenswerte Mehrkosten nicht entstanden sind.


5. Wie hoch sind in der Gegenrechnung die gesamten, seit 2008 angefallenen Einnahmen durch Plakettenverkauf, Gebühren sowie Bußgelder für Verstöße?

Die Einnahmen aus dem Plakettenverkauf betrugen in den Jahren 2008 832.680 €, 2009 328.224 € und für 2010 301.914 €.

Das Regierungspräsidium Stuttgart hat auf Antrag der Stadtverwaltung bereits mit Erlass vom 26.02.2008 dem Gemeindlichen Vollzugsdienst (Städtischer Vollzugsdienst und Verkehrsüberwachung) die Überwachung des ruhenden Verkehrs auf die Einhaltung der Plakettenpflicht i. S. der 35. BImSchV, zunächst für die Dauer von drei Jahren, übertragen. Diese Regelung wurde mit Erlass des Regierungspräsidiums vom 07.04.2011 nochmals um drei Jahre verlängert.

Mit Einführung der Plakettenpflicht zum 01.04.2008 konnte zunächst nur der fließende Verkehr beanstandet werden, da in der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) nur das "Führen eines Kraftfahrzeugs" als Tatbestand hinterlegt war.

Mit Änderung der BKatV zum 01.02.2009 wurde die „Teilnahme am Verkehr“ ohne Plakette bußgeldbewehrt. Aufgrund dessen wurden ab diesem Zeitpunkt alle im ruhenden Verkehr angetroffenen Kraftfahrzeuge ohne Plakette mittels Halteranzeige beanstandet. Hierbei wurde unterstellt, dass das „Parken“ die Begrifflichkeit der „Teilnahme am Verkehr“ erfüllt.

Soweit in der Folge eine Fahreridentifizierung vor Ort und später im Rahmen des Anhörungsverfahrens nicht möglich war, wurde durch die Bußgeldstelle trotz bundesweit divergierender Rechtsauffassungen zur Anwendbarkeit des § 25 a StVG (sog. Halterhaftung) ein Kostenbescheid erlassen. Die Entscheidungen wurden vom Amtsgericht Stuttgart zunächst auch durchgängig gestützt, bevor sich gegen Ende des Jahres 2009 die Rechtsprechungspraxis unerwartet änderte. Nach einigen weiteren erfolglosen Gerichtsverfahren wurden die Überwachung des ruhenden Verkehrs zum 01.02.2010 eingestellt und keine Kostenbescheide mehr erlassen. Nur in den seltenen Fällen einer Fahreridentifizierung vor Ort erfolgt nach wie vor eine Verfolgung des Verstoßes.

Im Entwurf einer Neufassung der Straßenverkehrsordnung vom 12.05.2011 ist nun eine Klarstellung dahingehend vorgesehen, dass das Fahrverbot in den Umweltzonen auch den ruhenden Verkehr beinhaltet. Mit Inkrafttreten, wobei der Zeitpunkt voraussichtlich noch in diesem Jahr liegt, macht es wieder Sinn, Halteranzeigen aufzunehmen, da bei der erfahrungsgemäß absoluten Mehrzahl aller Fälle wieder ein Kostenbescheid nach § 25 a StVG (18,50 €) erlassen werden kann, wenn der Fahrer nicht zu ermitteln ist. Damit dürften wenigstens die tatsächlich anfallenden Verfahrenskosten abgegolten sein.

Die geänderte rechtliche Beurteilung des Fahrverbotes in den Umweltzonen und deren Sanktionsmöglichkeiten spiegelt sich auch in den Fallzahlen wider. So wurden in der Zeit vom 01.04.2008 bis 31.12.2008 644 Bußgeldverfahren, im Jahr 2009 5.580 Bußgeldverfahren, im Jahr 2010 562 Bußgeldverfahren und in der Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.11 240 Bußgeldverfahren durchgeführt. Das Regelbußgeld beträgt 40 € pro Verfahren.


6. Wie hoch setzt die Verwaltung die finanziellen Schäden für Fahrzeughalter im Großraum Stuttgart durch den drastischen Wertverlust ihrer Altfahrzeuge infolge bevorstehender Einfahrverbote, sowie durch zur Erlangung der gelben Plakette durchgeführte Investitionen z.B. zur Nachrüstung von Partikelfiltern, die durch das vorgezogene Einfahrverbot für Fahrzeuge mit gelber Plakette entwertet werden?

Hierzu liegen der Verwaltung keine Informationen vor.


7. Welche finanziellen Schäden müssen Transportunternehmen, Handel und Gewerbe in der Region von 1.1.2012 an verkraften, deren Nutzfahrzeuge, auch wenn sie nur wenige Jahre alt sind, überwiegend keine grüne Plakette haben?

Hierzu liegen der Verwaltung keine Informationen vor.


8. Welche Maßnahmen zieht die Verwaltung in Betracht, um die finanziellen Folgelasten der Maßnahme M2, insbesondere der Umsetzung von Stufe 3, für Bürger und Wirtschaft zu begrenzen?

Die Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart ist wie alle anderen von Umweltzonen betroffenen Verwaltungen an die vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg am 15.08.2011 mit entsprechenden Erläuterungen erlassene landeseinheitliche Ausnahmekonzeption von Fahrverboten in Umweltzonen gebunden. Für weitere, darüber hinausgehende Maßnahmen gibt es keinen Spielraum.







Dr. Wolfgang Schuster

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