Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
165
1
VerhandlungDrucksache:
580/2016
GZ:
Sitzungstermin: 27.07.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Sabbagh de
Betreff: Ergebnisbericht über das Bündnis Wohnen in Stuttgart

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 22.07.2016, öffentlich, Nr. 89

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (14 Ja-, 3 Nein-Stimmen)

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 26.07.2016, öffentlich, Nr. 381

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (14 Ja-, 2 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 11.07.2016, GRDrs 580/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Den Ergebnissen des "Bündnisses Wohnen in Stuttgart" gemäß beiliegendem Eckpunktepapier vom 5. Juli 2016 (Anlage) wird zugestimmt. 2. Die Verwaltung wird beauftragt, die sich daraus für die Stadt ergebenden Maßnahmen zügig umzusetzen. Neben der beschleunigten Schaffung von Baurechten sind auch Richtlinien und Förderprogramme zu ändern. Die Verwaltung wird diese den zuständigen Gremien zur Beschlussfassung vorlegen.


Im Einvernehmen mit dem Gemeinderat werden die TOPs 1 - 4 gemeinsam aufgerufen. Die Aussprache ist nachfolgend wiedergegeben.

OB Kuhn führt zunächst kurz in das Thema ein (nachfolgend im redigierten Wortlaut):

"Ich bin mit dem Abschluss, oder Ergebnis - Bündnis für Wohnen - jetzt in der ersten Runde sehr, sehr zufrieden, weil es in der Summe dazu führt, dass die Ziele, die wir haben, nämlich Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau, und zwar wenigstens langsames Anwachsen des Bestandes von Sozialwohnungen, mit diesem Schritt erreichbar sind. Und es ist eine gute Botschaft, denn in den letzten Jahrzehnten hat Stuttgart Jahr für Jahr Sozialwohnungen verloren. Und jetzt können wir den Trend umdrehen. Selbstverständlich werden manche sagen: zu wenig, schneller, mehr und so. Ich finde es aber wichtig, dass wir die Trendumkehr nicht zerreden.

Die Trendumkehr kommt so zustande: Gegenwärtig fallen ja pro Jahr 450 Wohnungen aus der Belegungsbindung heraus, und zwar sowohl solche, die regulär auslaufen, als auch solche, die vorzeitig abgelöst werden. Macht immer so etwa 450 aus. Wir können mit dem, was heute auf dem Tisch liegt, und auch die GRDrs Nr. 906/2015 ist ja Teil dessen, was im Bündnis für Wohnen beschlossen worden ist, tatsächlich 300 Wohnungen im Neubau jedes Jahr realisieren. Das sind die Ziele unseres Wohnungskonzeptes aus dem Jahr 2013. Wir können 50 Verlängerungen über die SWSG schaffen, 100 übernehmen die Wohnungsbauunternehmen und dazu kommt die Aussage als Selbstverpflichtung, dass sie keine weiteren vorzeitigen Ablösungen mehr tätigen wollen. Rechnerisch werden es mittelfristig also wieder mehr Wohnungen im sozial geförderten Wohnungsbau. Ich will es nochmals betonen: Es ist eine Trendumkehr, die nur die Stadt Stuttgart liefert in der Region, außer uns baut nur Esslingen noch Sozialwohnungen, die anderen reden davon, aber sie tun es nicht. Und das ist ein Punkt, auf den wir Stuttgarter auch stolz sein können, denn das Kernproblem beim Stuttgarter Wohnungsbestand ist ja, dass wir für ganz kleine Einkommen, oder für Leute, die kein Einkommen aus Erwerbsarbeit haben, zu wenig Wohnraum haben, der in irgendeiner Weise bezahlbar und finanzierbar ist. Mir ist es wichtig, dass wir dieses fortsetzen.

Und ich finde auch, lieber Herr Körner, obwohl ich nicht der größte Fan eines Bündnisses für Wohnen war, als ich ins Amt kam, war es richtig, eines durchzuführen. Es ist auch nicht beendet. Wir werden uns weiter treffen mit allen Beteiligten, und auch unterjährig erörtern, was man an Zusatzverbesserungen noch machen kann. Die Stadt Stuttgart hat sich verpflichtet, dass wir beim Genehmigen von Wohnungen, also von Wohnungsbau, stärker bündeln. In einer Arbeitsgruppe, die Herr BM Pätzold geleitet hat, gab es schon einen runden Tisch, bei dem das gegenseitige Verständnis mit den Wohnungsbauunternehmen und Genossenschaften aufgebaut wurde. Da haben wir auch Verpflichtungen übernommen. Aber das ist ja so, beim Bündnis für Wohnen müssen alle bestimmte Verpflichtungen übernehmen, sonst hat es keinen Sinn. Die Wohnungsbauunternehmen können auch noch Potenzial auf ihren eigenen Grundstücken mobilisieren, auch das ist ein wichtiger Punkt. Und in der Summe bin ich sehr, sehr froh, dass es gelungen ist, dass auch die Genossenschaften wieder in den sozialen Wohnungsbau einsteigen, in dem sie ja - von ihrem Interesse her - nicht tätig waren, aber jetzt doch wieder einsteigen werden und wollen.

Ich will Ihnen noch sagen zum Abschluss meiner kurzen Einführung. Die GRDrs 906/2015, die ich schon erwähnt habe, hat eine besonders große Bedeutung. Sie weist aus, dass wir auf großen städtischen Entwicklungsflächen die Quote für den sozialen Wohnungsbau auf 60 % erhöhen. Im ersten Moment, das haben die Beratungen im Vorfeld, im Ausschuss, ergeben, für viele eine hohe Zahl. Aber wichtig ist dazu zu wissen, dass 30 % davon durch die mittelbare Belegung im Bestand der Wohnungsbestandshalter abgebildet werden kann. Das heißt, real haben wir dann in einer solchen städtischen Entwicklungsfläche eben 30 % sozialen Wohnungsbau im engeren Sinne. Und das ist eine wichtige Bedingung für die Übernahme der Verantwortung der Wohnungsbaugenossenschaften, die ich Ihnen schon beschrieben habe.

Zum Abschluss noch zwei Punkte, die wichtig sind. Eigentlich ist das Stuttgarter Wohnungsproblem auch nur regional zu lösen. Nehmen Sie den Unterschied zu München. Die Stadt München baut noch Trabantenstädte, kann man fast sagen, für 20.000 Einwohner auf Münchner Gemarkung - auf dem Acker. Da, wo die die bauen, ist aber auf Stuttgart übertragen z. B. Backnang oder Leonberg. Das heißt, wir haben eine viel engere Fläche, die uns überhaupt zur Verfügung steht. Das sage ich allen, die immer mit den Zahlen kommen von Städten wie München oder Frankfurt. Die Kernfrage ist, ob wir in großem Stil Wohnungsbau auf dem Acker betreiben wollen. Und ich meine, dass wir da vorsichtig sein sollten, weil es zur Stuttgarter Stadtqualität gehört, dass wir auch außen rum viel Grünfläche haben, sei es als landwirtschaftlich genutzte Fläche, sei es im Weinbau, im Wald oder in Parks. Und das gehört jetzt schon dazu, dass wir darüber diskutieren. Natürlich werden wir wachsen, im Wesentlichen über Verdichtung. Vielleicht mit der einen oder anderen Ausnahme. Aber nicht in so großem Stil, dass wir sagen: jetzt 'hauen' wir mal 20.000 Wohnungen irgendwo hin, und dann schauen wir, was daraus wird. Dies ist die eigentliche Streitfrage, über die es hier zu reden gilt. Allerdings kann man die nicht so lösen, dass man sagt: 'Abstrakt bin ich für Wohnungsbau auf dem Acker, aber wenn es dann konkret wird, bin ich dagegen'. Das müssen alle wissen, die sich auf dieses geistige Abenteuer einlassen, ob das funktionieren kann oder nicht. Ich nenne das 'Wachstum nach Stuttgarter Maß', weil ich finde, alle Städte müssen die eigene Formel - wo sie wachsen können, wie sie wachsen können - selber entwickeln, selber definieren, sonst wird die Stadt ja nicht durch die Stadt selber gestaltet, sondern durch Sach- und Fremdzwänge. Das ist mir wichtig. Ich verweise nochmals auf die Debatte, die ja vor uns liegt: Welche Wachstumsperspektiven sehen wir eigentlich für die Stadt Stuttgart? Darüber werden wir noch intensiv beraten.

Dann will ich noch sagen, in das Wohnungsbauthema muss Intelligenz rein. Die Inanspruchnahme von Wohnquadratmetern wächst kontinuierlich pro Person. Eine Zahl habe ich mitgebracht: In den letzten zwanzig Jahren ist die Wohnfläche in Stuttgart bei neu gebauten Wohnungen um durchschnittlich 27 m²/ Wohnung gewachsen, oder 0,9 Räume. 27 m² in zwanzig Jahren. Würden wir dieses Wachstum stoppen oder sogar durch intelligente Bauformen reduzieren können, wäre dies eine wesentliche Quelle künftigen Wohnraums. Es ist alles nicht einfach, aber wenn wir einmal die Frage stellen: Kann man so bauen, dass der Mensch mit weniger m² glücklich ist und gute Wohnformen hat, vielleicht auch gemeinschaftlich genutzte Räume hat in Häusern, wie wir es ja von Waschräumen traditionell kennen? Dann haben wir sehr, sehr viel gewonnen. Also intelligente Nutzung ist eine Ressource, und ich strebe auch an in Zusammenhang mit der IBA, dass wir solche Wohnformen auch in großem Stil ausprobieren und damit zeigen, dass es geht. Das kann man ja an internationalen Beispielen sehen.

Ich bitte alle Fraktionen, auf Doppelspiele in dieser Wohnungsdiskussion zu verzichten. Hierzu zwei Beispiele: Wer hergeht und sagt, wir brauchen mehr Sozialwohnungen, und dann wie in Zuffenhausen in der Keltersiedlung das aber untergräbt, nach dem Muster, da gehe es aber nicht - da werden von der SWSG Wohnungen umgebaut und damit mehr Wohnungen entstehen -, der treibt eigentlich ein Doppelspiel. Das muss ich klipp und klar sagen. Ich habe mich übrigens auch gefreut, dass Sie unterwegs waren vor Ort - das war an die SPD adressiert - und dafür auch geworben haben. Und andererseits, alle die von der Zeitstufenliste philosophieren, müssen wissen, dass das Rosensteingelände mit 7.500 Wohnungen da vermerkt ist. Wer also jetzt spekuliert, man macht das vielleicht doch nicht und dagegen kämpft, der muss wissen, dass er dann 7.500 Wohnungen in den Wind geschrieben hat. Und da helfen auch die 1.000 Wohnungen auf der C1-Fläche eigentlich wenig, weil 7.500 weniger 1.000 nach Adam Riese 6.500 Wohnungen sind, die dann in Stuttgart nicht entstehen können. Ich finde, dass alle Fraktionen die wohnungsbaupolitischen Grundsatzaussagen mit dem was wir praktisch machen können, auch in Einklang bringen müssen. Ich ja auch, es ist manchmal nicht einfach, weil man auch in Widersprüche geraten kann. Aber es ist wichtig, dass wir eine ehrliche Wohnungsdebatte führen, die zu einem Maß führt, das wir in Stuttgart verkraften und das vor allem im unteren Segment bei preiswerten Wohnungen, die bezahlbar sind, mehr schafft, als wir es heute haben. Unbezahlbare Eigentumswohnungen und deren Wachstum ist ganz klar kein Ziel einer städtischen Wohnungsbaupolitik. Es hilft doch niemandem, wenn in Betongold investiert wird, worin keiner wohnen kann, der dringend eine Wohnung braucht. So ist meiner Ansicht nach die Lage."


Anschließend nehmen die Fraktionen Stellung.

StR Hill (CDU) stimmt OB Kuhn zu, dass der Soziale Mietwohnungsbau im Grunde zum Erliegen gekommen sei. Deshalb habe es keine Alternative dazu gegeben, das Bündnis Wohnen in Stuttgart wieder aufleben zu lassen. Ergebnis sei eine solide Vereinbarung, zu der sich alle mit voller Überzeugung bekennen könnten. Seine Fraktion halte die vereinbarten Maßnahmen für geeignet, neue Wohneinheiten im sozial geförderten Wohnungsbau zu schaffen und einen leichten Zuwachs bei Belegungsrechten zu erreichen.

Seine Fraktion bekenne sich uneingeschränkt zu den Pflichten, die die Stadt in diesem Bündnis mit den Baugenossenschaften eingegangen sei. Dazu gehöre, 6 Baufelder zur Verfügung zu stellen, städtische Grundstücke in einem vereinfachten Auswahlverfahren zu vergeben, eine Eigenkapitalverzinsung von 4 %, die durch eine entsprechende Förderung sichergestellt werden solle, und schließlich die Sonderregelung in den Belegungsrechten, die es den Baugenossenschaften erlaube, ihre Mieterstruktur zu gestalten.

Mittel- und langfristig müsse der Soziale Mietwohnungsbau deutlich ausgebaut werden, wofür man weitere Potenziale heben müsse. Mit Blick auf die Diskussion im WA merkt er an, entscheidend sei für seine Fraktion, realistische Ziele vorzugeben, denn durch ambitionierte, aber unrealistische Ziele schaffe man keine einzige Wohnung mehr. Dabei gelte es, in den Bestandsgebieten ein intelligentes Maß der Dichte zu finden, das die Menschen akzeptierten. Statt sich dem Diktat der Zahl zu beugen, müsse man die Qualität und Zahl an dem orientieren, was am jeweiligen Ort passe.

Es wäre wünschenswert gewesen, früher in diesen Prozess einzusteigen, umso zügiger müsse man deshalb nun voranschreiten. Die Stadtverwaltung, insbesondere Referat StU, sei gefordert, im Hinblick auf die 6 Baugebiete, aber auch die Zeitstufenliste Wohnen 0 und 1, alles zu ermöglichen, damit der Wohnungsbau verstärkt werden könne. In diesem Zusammenhang sollte aber die Berichterstattung über die Belegungsrechte, die Zahl der Wohneinheiten und die Fortschritte im Bereich von Referat StU nicht einmal im Jahr erfolgen, sondern alle 3 - 4 Monate. Die Zusage von OB Kuhn im WA, den Gemeinderat stärker in diesen Prozess einzubinden, nehme er mit Freude zur Kenntnis.

StRin Fischer (90/GRÜNE) begrüßt das Ergebnis, für das "alle Vertragspartner über ihren Schatten springen mussten". Was die Umsetzung anbelange, so habe es der Gemeinderat in der Hand, auf städtischen Flächen lebendige, vielfältige Wohngebiete mit einer hohen Aufenthaltsqualität zu schaffen. Man sollte nicht auf die IBA warten, um intelligente Lösungen für attraktive, kleinere Wohnungen zu entwickeln.

Um mehr als die geplanten 1.800 WE/Jahr zu bauen, helfe es nicht, auf der grünen Wiese Flächen auszuweisen, da dann aufgrund des langwierigen Verfahrens bis zum Bau viele Jahre vergehen würden. Diesbezüglich werde das Rosensteinquartier noch vorher zur Verfügung stehen. Damit die urbane Stadt attraktiv bleibe, dürften die Grünzonen am Rand nicht angegriffen werden. Die Stadt habe im Bündnis Wohnen in Stuttgart zugesagt, die baurechtlichen Verfahren für die Innenentwicklung zu beschleunigen.

Sie betont, dass ihre Fraktion unrealistische Zielzahlen ohne die konkrete Angabe, wo gebaut werden solle, nicht unterstützen werde. Man müsse einen Weg finden, die planungsrechtlich kurzfristig zur Verfügung stehenden Flächen von 390 ha entlang der S-Bahn-Achsen in der Region zu aktivieren. Darüber sollten alle Parteien mit ihren Vertreterinnen und Vertretern in den Gemeinderäten der betreffenden Kommunen über die Vorteile, die eine Steigerung der Einwohnerzahl für ihren Ort hätte, sprechen. Um das Potenzial von rund 30.000 zusätzlichen Einwohnern zu heben, brauche man auch ein regionales Bündnis Wohnen in Stuttgart.

Seine Fraktion verstehe sich in der Wohnungspolitik als Antreiber, so StR Körner (SPD). Das auch von OB Kuhn angesprochene Wachstum nach Stuttgarter Maß bestehe aktuell darin, dass vor allem die Mieten anstiegen. Mit Sicherheit liege die durchschnittliche Angebotsmiete inzwischen bei über 11 €/m2, das bedeute für eine Familie mit zwei Kindern eine Kaltmiete von über 1.000 €. Dies könnten sich zu viele Familien in Stuttgart mit einem ganz normalen Einkommen nicht mehr leisten, wie sich am höchsten negativen Wanderungssaldo von Familien mit Kindern zeige. Hinzu komme, dass Stuttgart bei den Sozialmietwohnungen - mit nur 65 fertiggestellten im Jahr 2015 - noch meilenweit von der Trendwende entfernt sei.

Nach Ansicht seiner Fraktion lege die Stadt zu wenig Ehrgeiz an den Tag, wenn es um den Bau von mehr, vor allem preiswerten Wohnungen gehe. Das erklärte Ziel von 1.800 WE halte er für realistisch, da 2014 2.000 neue Wohnungen gebaut worden seien und 2015 sogar 2.100. Auch noch nach den 1990er Jahren seien in Stuttgart teilweise deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt worden. OB Kuhn habe im Übrigen nicht begründen können, wie man auf 1.800 WE/Jahr komme und welche Rolle der objektive soziale Bedarf spiele. In Anbetracht der genannten Zahlen sei das Ziel für seine Fraktion nicht ambitioniert. Gleichwohl müsse man, um es zu erreichen, alle Optionen für den Neubau eingehend prüfen, unter anderem auch Neubaugebiete, die nicht in der Zeitstufenliste Wohnen enthalten seien. Dann gelte es abzuwägen. Natürlich müsse man bei Neubaugebieten "auf dem Acker" besonders vorsichtig vorgehen, aber man müsse auch berücksichtigen, dass die Situation eine andere sei als noch vor einigen Jahren. Andere Städte reagierten ebenfalls, wenn neue Umstände einträten. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass der Gemeinderat bereit sei, über eine Änderung des Bebauungsplans zu sprechen, wenn die Firma Allianz auf einer grünen Wiese bauen wolle, nicht aber, wenn es um Wohnungsbau gehe.

Eine weitere Option sei die Nachverdichtung. Und um die in der Zeitstufenliste beschriebenen Potenziale zu heben, brauche man wesentlich mehr Personal im Stadtplanungsamt. Man sollte über eine Erhöhung der SIM-Quote von aktuell 20 auf 30 % nachdenken und prüfen, ob man, wie Hamburg, die SIM-Quote nicht nur bei neuem Baurecht, sondern bei größeren Vorhaben auch, wenn Befreiungen gewährt würden, erweitern solle.

Seine Fraktion schlage außerdem vor, die städtischen Zuschüsse pro Wohnung zu erhöhen und dafür neben den bisherigen Förderwegen einen dritten Förderweg einzurichten, bei dem Sozialmietwohnungen, deren Miete bis auf 9 €/m2 steigen könne, weiterhin mit 7,50 €/m2 angeboten würden.

Die Stadt sollte grundsätzlich mehr Grundstücke kaufen, als dies momentan der Fall sei.

Und schließlich sei es überaus positiv, dass es im Bündnis Wohnen in Stuttgart gelungen sei, die 15 Wohnungsbaugenossenschaften in Stuttgart, die ungefähr gleich viele Wohnungen anböten wie die SWSG, jedoch zu einem günstigeren Mietzins, ins Boot zu holen. Er weist auf die Besonderheit bei den Genossenschaften hin, deren Mieter als Mitglieder der Genossenschaft vom erwirtschafteten Gewinn profitierten. Erfreulich sei auch die Flexibilität bei den Belegungsrechten für die Sozialmietwohnungen, die zum Wiedereinstieg der Genossenschaften beigetragen habe. Mit den Vorlagen gehe man einen Schritt in die richtige Richtung und deshalb stimme seine Fraktion zu.

StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) stimmt OB Kuhn zu, dass der Wohnungsbau und insbesondere die Versorgung mit sozialem Wohnraum keine allein städtische Aufgabe sein könne, sondern dass man hier regionale Lösungen erarbeiten müsse. Die Stadt Stuttgart sei damit überfordert, für die ganze Region Sozialwohnraum zur Verfügung zu stellen.

Er kritisiert, dass sich die Verwaltungsspitze im Bündnis Wohnen in Stuttgart nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft mit der Privatwirtschaft - und dazu zählten für ihn auch die Genossenschaften - auf ein Konzept mit drei gravierenden Mängeln geeinigt habe: Es bleibe quantitativ hinter dem in der Vormerkdatei dokumentierten Bedarf an Wohnungen mit sozialen Mieten zurück, es decke diesen Bedarf nicht dauerhaft, sondern verpflichte die Wohnungsunternehmen mit viel öffentlichem Geld nur zeitlich befristet zur Mietpreisbindung, und es führe dazu, dass die Stadt mit dem Verkauf ihrer Grundstücke an Privatunternehmen dieses wichtige Steuerungsinstrument aus der Hand gebe - mit langfristigen Folgen für die Stadt und ihre Bürger. Das Bündnis Wohnen in Stuttgart könne sich auch nicht an den Zielen messen, die sich OB Kuhn 2013 gesteckt habe. Lediglich gegenüber den wohnungspolitisch völlig verlorenen Jahren hörten sich die nun vorgelegten Ergebnisse wie Fortschritt an. Doch schon auf den zweiten Blick erweise sich das Konzept als kurzsichtige, nicht langfristig wirksame Scheinlösung.

Die "Phantomwohnungsbaufläche" Rosensteinviertel könne, wenn überhaupt, frühestens in 15 Jahren bebaut werden, während beim - inzwischen allen bekannten - Umstiegskonzept von S21 mit dem Ende der Tunnelarbeiten das C-Areal mit über 1.000 möglichen Wohnungen gleich in Angriff genommen werden könnte. Stattdessen verkaufe die Stadt nun ihr Tafelsilber mit Preisnachlässen von mindestens 45 % bei Sozialmietwohnungen und bis zu 80 % bei Wohnungen für mittlere Einkommensbezieher, und sie garantiere über weitere Zuschüsse den Investoren mindestens 4 % Rendite. Im Gegenzug verpflichteten sich die Immobilienunternehmen lediglich auf zeitlich begrenzte Mietpreisbindung und darauf, sich nicht vorzeitig von Mietpreisbindungen freizukaufen. Die meisten der aktuell mietpreisgebundenen Wohnungen stünden auf ehemaligen städtischen Grundstücken, die seinerzeit verbilligt bzw. mit Steuergeld subventioniert an Wohnungsbauunternehmen verkauft worden seien. Dieser Drehtüreffekt wiederhole sich für die Unternehmen in regelmäßigen Zyklen ausgesprochen rentabel.

Insofern beinhalteten die Beschlussvorlagen keine dauerhafte Mietwohnungsversorgung, sondern nur eine subventionierte soziale Zwischennutzung, wobei die Mieten von 7,50 € bis 9 €/m2 für viele, z. B. Familien mit Kindern, aber auch Rentner, nicht mehr erschwinglich seien.

Für die Investoren sei die mittelbare Belegung "eine schöne Dreingabe für eine profitable Weiterverwertung nach Ende der Mietpreisbindung", z. B. durch Umnutzung in Eigentumswohnungen.

Nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft sollte strategische Wohnraumentwicklung langfristig angelegt sein, doch wenn nun die letzten großen Areale verkauft würden, entfielen für die Wohnungsunternehmen die letzten Anreize gegenüber den Bauträgern, sich an der Schaffung von Sozialwohnraum wenigstens befristet zu beteiligen. Nach dem Auslaufen der Mietpreisbindungen könne man dann nur noch auf die grüne Wiese ausweichen, was wegen des immensen ökologischen und klimatologischen Schadens zu Recht als falsch kritisiert werde.

Man müsse vielmehr auf eine kommunale Wohnungsbaupolitik ohne diesen Drehtüreffekt für Wohnungsbauunternehmen umsteuern, weil Wohnen ein Menschenrecht sei und deshalb Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge sein müsse. Soziale Mieten könnten nur dauerhaft gesichert werden, wenn - und hier wiederholt er eine Forderung seiner Fraktionsgemeinschaft in den Haushaltsplanberatungen - die Stadt keine Flächen mehr verkaufe, sondern solche für einen Bodenfonds ankaufe und damit in ein Gemeindewohnungsbauprogramm mit 1.000 WE/Jahr einsteige. Sowohl die Flächen als auch die Mittel in Höhe von jeweils 125 Mio. € 2016 und 2017 seien vorhanden. Dieses Geld sei gut angelegt, amortisiere sich und die Gemeindewohnungen stünden "als wertige Immobilien auf der Habenseite der Stadt in den Büchern".

Im Bündnis Wohnen in Stuttgart habe man einen gemeinsamen Nenner gefunden und ein Ergebnis präsentiert, räumt StR Zeeb (FW) ein. Allerdings berücksichtige dieses in erster Linie die Interessen der großen Wohnbauunternehmen, während die kleinen Wohnbaugenossenschaften, die auch gerne Wohnraum bauen würden, nur am Rande und auch erst auf Intervention seiner Fraktion bedacht würden. Komplett vergessen habe man die kleinen freien Bauträger sowie die privaten Bauherren, die private Mietobjekte aufgrund der günstigen Finanzmarktsituation realisieren würden. Und erfahrungsgemäß seien dies keine schlechten Vermieter.

Er pflichtet OB Kuhn bei, dass jede Wohnung, also auch die hochpreisige, zähle. Deshalb habe seine Fraktion dafür plädiert, kleine Arrondierungsflächen als Bauland auszuweisen und dafür Baurechte zu schaffen. Das könne seiner Ansicht nach "nicht so dramatisch für das Stuttgarter Stadtklima" sein. Schließlich sollten weder die Hanglagen zugebaut noch großflächig Ackerland versiegelt werden. Doch benötige man Grundstücke für 6-Familien-Häuser oder Reihenhäuser als weiche Standortfaktoren. Das erreiche man nicht mit weniger Quadratmetern pro Person oder intelligenten Wohnformen, sondern mit zusätzlichen kleinen, arrondierenden Bauflächen und mit maßvoller Nachverdichtung im Bestand. Auf diese Weise könnten mindestens 100 Wohnungen schnell realisiert werden. Seine Fraktion werde der Vorlage "murrend" zustimmen, weil am Ende vielleicht doch ein paar zusätzliche Wohnungen geschaffen würden.

StR Klingler (AfD) erklärt, der Ergebnisbericht zeige eine Trendwende an. Nun würden endlich wieder Sozialwohnungen gebaut. 2009 habe eine neue Mehrheit im Gemeinderat von 17 bereits genehmigten Baugebieten 16 gestrichen. Damit habe man keine Flächen mehr für Wohnungsbau gehabt. Auch seine Fraktion wolle nicht alle diese Baugebiete wieder aufleben lassen, denn der Charakter der Stadt, einer Weltstadt zwischen Wald und Reben, solle erhalten bleiben.

Wichtig sei, dass die Wohnungsbaugenossenschaften wieder partnerschaftlich einbezogen seien und die Ziele realistisch formuliert worden seien. Stuttgart brauche nicht nur Neubaugebiete, sondern auch neue Ideen, z. B. ein Dachprogramm, bei dem bei älteren Gebäuden die Dachböden und bei neueren die Flachdächer ausgebaut würden und dies gefördert werde. Außerdem könne man aus Sicht seiner Fraktion Straßen, z. B. die B 10 zwischen dem Mineralbad Leuze und dem Gaskessel, überbauen und so Wohnen am Fluss ermöglichen. Zugleich eliminiere man damit den Lärm, könne die Emissionen absaugen und müsse keine weiteren Flächen versiegeln.

Bezahlbar sei, wie man sehe, jeder Wohnraum. Doch müsse man auch günstigen Wohnraum für jene anbieten, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stünden. Stuttgart leide unter den negativen Folgen der Gemeindereform, weil es keine Flächen hinzu bekommen habe und nicht wie andere Großstädte agieren könne. Deshalb müssten sich die Städte in der Region am Sozialen Wohnungsbau beteiligen. Es gelte, für möglichst viele einen interessanten Wohnraum anzubieten. Wobei nachverdichten und dichtes Bauen nach Auffassung seiner Fraktion ein Einschnitt in die Lebensqualität sei. Die Menschen wohnten gerne in Stuttgart, weil es hier relativ viel Grün gebe.

Seine Fraktion werde den Vorlagen zustimmen, weil ihr eine stärkere Nachfrage nach dem Programm PWE wichtig sei und sie es begrüße, dass die Einkommensgrenzen bei geförderten Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher angepasst worden seien.

StRin Yüksel (FDP) begrüßt, dass man den Abbau von Sozialwohnungen zumindest habe stoppen können. Sie signalisiert die Zustimmung ihrer Gruppierung zu den Ergebnissen des Bündnisses Wohnen in Stuttgart und zu den übrigen Beschlussvorlagen. Allerdings verstehe sie die Ergebnisse so, dass Innenentwicklung zwar Vorrang habe, dies aber nicht ausschließe, dass kleinere Neubaugebiete, insbesondere in den Randgebieten der Stadt, ausgewiesen würden. Sie stimmt StR Zeeb zu, dass eine Nachverdichtung allein nicht ausreiche, um genügend Wohnraum zu schaffen. Deshalb müsse man eine mehrgleisige Strategie verfolgen und z. B. angesichts der knappen Ressource Boden in Stuttgart auch darüber nachdenken, höher zu bauen, was städtebauliche Gutachter im Übrigen ebenfalls forderten.

Aufgrund des dramatischen Preisanstiegs bei Mieten und Wohneigentum, so StR Dr. Schertlen (STd), müssten immer mehr Menschen über ein Drittel, teilweise sogar mehr als die Hälfte ihres Nettoeinkommens in die Miete investieren. Eigentumserwerb für Normal-, ja selbst Besserverdiener, rücke in weite Ferne, jedoch sei das steuernde Eingreifen in den Wohnungsmarkt zum einen sehr schwierig und zum anderen auch nur in eingeschränktem Umfang Aufgabe des Staates bzw. der Stadt. Regulierende Mittel, wie z. B. eine Leerstandsabgabe, dürften nur das allerletzte Mittel sein. Immerhin belegten die Preise die Attraktivität Stuttgarts.

Damit auch sozial Schwächere - und dazu zählten auf dem Wohnungsmarkt bereits Facharbeiter - in Stuttgart wohnen könnten, müsse die Stadt selbst zum Akteur werden. Leider handle ihre Tochter SWSG zunehmend gewinnmaximierend, statt bezahlbare Wohnungen für Durchschnittsverdiener zu schaffen. So kosteten z. B. Stadthäuser in Botnang 4.600 €/m2 und eine Wohnung am Roten Stich in Zuffenhausen über 4.000 €/m2. Für freie Wohnungen der SWSG seien Mietpreise von ca. 10 €/m2 die untere Grenze. Es werde höchste Zeit, dass die SWSG ihrer eigentlichen Rolle wieder nachkomme und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stelle. Das Bündnis Wohnen in Stuttgart sei hierzu nur ein kleiner Baustein, ein wesentlich größerer wäre, den Flächenverkauf städtischer Grundstücke zu beenden und darauf selbst Wohnraum zu schaffen.

Dass es sich hier um einen Markt handle, zeige sich auch daran, dass man in Stuttgart gegenüber dem flachen Land allein für das Haus einen Aufschlag von 20 % auf den eigentlichen Material- und Herstellpreis bezahle. Insofern müsste es für die Stadt möglich und zum Teil sogar lohnend sein, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Am offenen Markt werde solcher in absehbarer Zeit nicht entstehen.

Grundsätzlich sollte Stuttgart am bewährten Konzept der Innenentwicklung festhalten und sich nicht in die Grünflächen, sondern vielmehr in die Höhe entwickeln. Hier müsse jedoch im Einzelfall bewertet und entschieden werden. Dabei müssten Streuobstwiesen, Waldflächen am Stadtrand und die innerstädtischen Parks tabu sein. Stattdessen müssten die weniger nachgefragten Flächen in der Region attraktiver gemacht werden, indem man sie verkehrlich näher an die Landeshauptstadt heranhole. Und schließlich müsse man bei der Schaffung von Wohnraum - z. B. im Rosensteinviertel - auch den damit einhergehenden Anstieg des Verkehrs bedenken.



OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 580/2016 mit 50 Ja- und 8 Nein-Stimmen bei 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.

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