Stellungnahme zum Antrag
233/2010
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
12/08/2010
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 1517-04.02
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
08/10/2010
Betreff
Da sind sie wieder die heißen Tage
Anpassung an den Klimawandel
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Zu 1. und 2.:
Die Erarbeitung eines Klimaanpassungskonzeptes Stuttgart auch als Ergänzung zum STEK (Stadtentwicklungskonzept) unter Federführung des Amtes für Umweltschutz ist notwendig. Gerne kommt die Verwaltung dem Antrag nach. Hilfreich zur Erarbeitung sind die in einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Amtes für Umweltschutz nach dem Hitzesommer 2003 vorbereiteten ersten Überlegungen zur Anpassung an den Klimawandel. Ebenso nützlich sind die Mitwirkung des Amtes für Umweltschutz im EU-Projekt AMICA (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) in den Jahren 2004 bis 2007 und Überlegungen im Rahmen der Erarbeitung und Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes Stuttgart (KLIKS) seit 1997.
Für ein Klimaanpassungskonzept Stuttgart ist in Teilbereichen eine umfangreiche Grundlagenarbeit zu leisten. Dabei ist die Notwendigkeit von personellen und finanziellen Ressourcen zu prüfen. Gegebenenfalls sind im Einzelfall Vergaben von Unteraufträgen denkbar. Die Verwaltung wird eine entsprechende Vorlage zum weiteren Vorgehen Anfang 2011 vorbereiten. Bei der erforderlichen konzeptionellen Arbeit sind zunächst insbesondere die Fachdisziplinen Stadtklimatologie, Stadtplanung und Landschaftsplanung gefordert. Die Abteilung Stadtentwicklung im Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung und die Abteilung Stadtklimatologie im Amt für Umweltschutz haben hierzu erste Ideen entwickelt.
Aufgrund der besonderen klimatischen Gegebenheiten in Stuttgart mit der besonderen Bedeutung kleinräumiger Wirkungen (insbesondere Durchlüftung, Kaltluftbildung, Kaltluftabfluss) beabsichtigt die Stadtplanung die Erarbeitung eines differenzierten stadträumlichen Dichtemodells in Verbindung mit einem Klimaanpassungskonzept. Dieses soll als Grundlage für die weitere Entwicklung der Stadt und als Vorgabe für die zukünftigen städtebaulichen Verfahren (Wettbewerbe, Bebauungsplanung) gelten. Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit die erforderliche Anpassung an zukünftig veränderte klimatische Verhältnisse veränderte Bauformen und öffentliche Räume, eine Anpassung der Pflanzenwahl bei der Begrünung von Grundstücken und Straßenzügen oder an den Hochwasserschutz erforderlich macht und wie diese Erfordernisse in ein Gesamtkonzept integriert werden könnten.
Wie kann die Anzahl der entsiegelten oder teilentsiegelten Innenhöfe vergrößert werden?
In Sanierungsgebieten gehört die Entsiegelung oder Teilentsiegelung von Innenhöfen regelmäßig zu den Sanierungszielen in dicht bebauten Innenstadtquartieren.
Solche Maßnahmen können jedoch nur mit Zustimmung und finanzieller Beteiligung der meist privaten Eigentümer durchgeführt werden und sind häufig durch die Nutzungskonkurrenz, insbesondere durch Nutzung als privater Kfz-Stellplatz, begrenzt.
Eine höhere Anzahl von Entsiegelungen könnte erreicht werden, wenn der Gemeinderat wieder das städtische „Grünprogramm“ auflegen würde, mit dem 1999 auf relativ breiter Basis in Stadterneuerungsvorranggebieten Begrünungen in Höfen und an Fassaden gefördert werden konnten.
Darüber hinaus dient die Umgestaltung öffentlicher Räume nicht allein gestalterischen und sozialen Belangen. Die Schaffung von Pflanzbeeten und Baumpflanzungen entlang von Straßen oder auf Plätzen zielt ausdrücklich auch darauf, die Beschattung öffentlicher Räume und das Kleinklima zu verbessern.
Der Grad an Ver- und Entsiegelung eines Grundstücks kann durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan beeinflusst werden. Die Grundflächenzahl (GRZ) gibt den Grad der maximal möglichen Versiegelung eines Grundstücks durch Gebäude oder Hofflächen an. Dies kann bei Grundstücken mit baulicher Vornutzung Entsiegelung bedeuten.
Entsiegelungen können auch Ergebnisse der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen sein.
Wie können bestehende Frischluftbahnen noch besser geschützt werden und wie können beeinträchtigte Frischluftbahnen verbessert werden?
Auf Ebene des Flächennutzungsplans besteht die Möglichkeit, entsprechend große Flächen, die in einer Frischluftbahn liegen, als „Grünfläche“ (GR) darzustellen. Auf diesen Flächen wäre eine Bebauung somit im Grundsatz nicht möglich. Der Flächennutzungsplan und der Landschaftsplan stellen darüber hinaus so genannte „Grünsanierungsgebiete“ und „Grünkorridore“ dar, mit dem Ziel auf Ebene der Bebauungsplanung die Grünausstattung des Plangebietes aufzuwerten und gleichzeitig das Kleinklima zu verbessern. Die Stuttgarter Halbhöhenlagen als stadtklimatologisch sehr wichtige Bereiche sind im Flächennutzungsplan als „Kombination aus den Nutzungsarten Wohnbaufläche/Grünfläche (W/GR)“ dargestellt. Der Rahmenplan Halbhöhen geht auf die stadtklimatologische Bedeutung detailliert ein.
Auf Ebene des Bebauungsplans kann über die Festsetzung beispielsweise der Gebäudestellung, der überbaubaren Grundstücksfläche, der Höhe baulicher Anlagen, der Lage der Bebauung auf dem Grundstück und durch Begrünungsmaßnahmen wie Pflanzgebote steuernd eingegriffen werden.
Eine Beeinträchtigung von Frischluftbahnen ist in der Regel durch eine entsprechend hohe Bebauung und/oder deren Stellung gegeben. Eine Verbesserung ist in solchen Fällen nur durch einen Gebäuderückbau zu erreichen.
Zu 3.:
Das Klimaanpassungskonzept Berlin wird derzeit erarbeitet und nicht vor Herbst 2011 fertig gestellt. Eine Arbeitsgruppe erstellt zurzeit das Grobgerüst für die Strategie. Grundlage soll die Deutsche Anpassungsstrategie werden. Ein Bericht über das Berliner Klimaanpassungskonzept ist im Herbst 2010 daher noch nicht möglich.
Zu 4.:
a) Bei Parkhäusern oder Parkgaragen ist das oberste Deck in Zukunft nicht mehr als Parkplatz sondern als Grünfläche auszubilden.
Eine Dachbegrünung für Parkhäuser ist festsetzbar. Für Gebäude mit Flachdach oder leicht geneigtem Dach kann die Festsetzung von Dachbegrünung in Stuttgart heute als Standard bezeichnet werden.
b) Beim Neubau oder wesentlicher Änderung von Stadtbahntrassen sind diese grundsätzlich zu begrünen.
Beim Neubau von Stadtbahntrassen berücksichtigt die SSB AG bereits heute diesen Ansatz, wenn die Maßnahme aus Mitteln nach dem Entflechtungsgesetz (GVFG-Bundes- oder –Landesprogramm) entsprechend bezuschusst wird. Nicht sinnvoll ist die Begrünung von Stadtbahntrassen, wenn sie keine natürliche Bewässerung erhalten, z. B. unter Brücken. Bei einer Verlegung einer Stadtbahntrasse gilt dies ebenfalls.
Findet eine Erneuerung des gesamten Gleiskörpers im Zuge einer Ersatzinvestition statt, die nicht durch die öffentliche Hand bezuschusst wird, erneuert die SSB AG bisher nicht den Gleiskörper in seiner bisherigen Bauart. Ein Wechsel vom Schotteroberbau in einen Oberbau mit fester Fahrbahn und Begrünung verlängert die Sperrzeiten für die Gleisbaumaßnahmen. Dies belastet zusätzlich Nutzer und Anwohner der Stadtbahntrasse und erhöht auch die Herstellungskosten wegen des notwendigen Ersatzverkehrs.
c) Die SSB wird beauftragt zu prüfen, ob vorhandene Trassen nachträglich begrünt werden können (Beispiel Olgaeck).
Die Nachbegrünung des besonderen Bahnkörpers am Olgaeck im Zuge der Stadtbahnlinie U15 war ein Test, der hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die laufenden Instandhaltungskosten noch nicht abgeschlossen ist.
Im Zusammenhang mit dem barrierefreien Ausbau der Stadtbahnhaltestelle Badstraße der Linie U13 wird ein Teil des Wilhelmsplatzes nachträglich begrünt. Auch hier handelt es sich um einen Test unter anderen Rahmenbedingungen.
Im Zuge des Neubaus der U12 zwischen den Haltestellen Löwentor und Hallschlag wird ein Drittel des besonderen Bahnkörpers als Schotteroberbau mit Nachbegrünung ausgeführt, während der übrige Streckenabschnitt als begrünter Bahnkörper mit fester Fahrbahn geplant ist. Auch hier sollen die Herstellungs- und Wartungskosten unterschiedlicher Bautypen in einem langfristigen Versuch ermittelt werden.
Nach ersten Abschätzungen geht die SSB AG allerdings davon aus, dass die Nachbegrünung eines Schotteroberbaus allein schon wegen der höheren Herstellungskosten nur die Ausnahme sein kann. Zwingende Voraussetzung für diese Bauart ist jedoch, dass Betonschwellen im Schotterbett liegen, weil nur so mittel- bis langfristig die Lagestabilität des Gleises gewährleistet werden kann.
Angesichts der strikten Ausgabendisziplin, der auch die SSB AG unterliegt, sind nach heutiger Einschätzung diese Aufwendungen nur dann zu vertreten, wenn sie durch Dritte mindestens in der Herstellung bezuschusst werden.
d) Bei der Planung und beim Bau städtischer Gebäude ist ein passiver sommerlicher Wärmeschutz vorzusehen.
Der sommerliche Wärmeschutz ist aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (z. B. EnEV 2009, DIN 4108) bei allen städtischen Hochbauten zu beachten und ggf. nachzuweisen.
Neben den Vorgaben aus dem Energieerlass der Landeshauptstadt werden für Neubauten im Wesentlichen die nachfolgenden Planungsgrundsätze zugrunde gelegt, um eine sommerliche Überhitzung zu vermeiden und moderate Raumlufttemperaturen auch an heißen Tagen sicherzustellen:
- Ausstattung der Fensterflächen mit einem außen liegenden, wirksamen
Sonnenschutz
- Begrenzung des Fensterflächenanteils auf einen sinnvollen Wert (30 – 40 %
haben sich in der Praxis bewährt)
- Bevorzugung massiver, schwerer Bauweise zur Nutzung als Wärmepuffer
bzw. Bau- und Dämmstoffe mit hoher spezifischer Wärmekapazität,
Gründächer
- Minimierung der Wärmeeinträge infolge innerer Lasten
- Schaffung optimaler Voraussetzung zur gezielten Abfuhr von Wärmelasten
durch Lüften (morgens und in den Abendstunden) in Form von ausreichend
dimensionierten und angeordneten Fensteröffnungen (ggf. Nachtlüftung, quer
lüften)
- Nach Ausschöpfen der passiven Komponenten auch aktive Maßnahmen wie
Bauteilaktivierung, Lüftungsanlagen mit vorgeschalteten Erdreichwärme-
tauschern oder Energie optimierter Kühlung (adiabate Kühlung)
e) Generell ist bei Planungen der sommerliche Wärmeschutz neben dem winterlichen Wärmeschutz zu betrachten.
Direkte Wärmeschutz- und Sonnenschutzmaßnahmen am Gebäude sind in einem Bebauungsplan nicht festsetzbar. Über gestalterische Maßnahmen und die Festsetzung von Begrünungsmaßnahmen und Baumstandorten sowie Gebäudestellung und –höhe kann den Aspekten des sommerlichen Wärmeschutzes ein Stück weit Rechnung getragen werden und eine gezielte Verschattung von Gebäudeteilen erreicht bzw. die Voraussetzungen für passive Kühlsysteme geschaffen werden.
Dr. Wolfgang Schuster
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