Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs 773/2021
Stuttgart,
10/26/2021


Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV):
Gerontopsychiatrische Dienste (GerBera) - Sachstand 2020




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich22.11.2021

Bericht:


Mit der GRDrs 700/2020 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Gerontopsychiatrische Dienste (GerBera) – Sachstand 2019“ wurde letztmals über die Situation in den Diensten berichtet. Mit der GRDrs 257/2019 „Ausbau der Gerontopsychiatrischen Dienste ab 2020“ wurden Haushaltsmittel für die zusätzliche Förderung von 4 Fachkraftstellen bei den Trägern Klinikum Stuttgart, Caritasverband für Stuttgart e. V. und Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V. beschlossen. Aktuell werden 18 Fachkraftstellen in den Diensten gefördert. Hierdurch konnte die gewünschte Entlastung der einzelnen Fachkräfte erreicht werden.

Ziel der Gerontopsychiatrischen Dienste ist die Erhaltung und Förderung sozialer Alltagskompetenzen gerontopsychiatrisch erkrankter Menschen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben. Die Linderung des Verlaufs und der psychosozialen Auswirkungen gerontopsychiatrischer Erkrankungen sowie die Verminderung seelischer Leidenszustände und krisenhafter Entwicklungen stehen dabei im Vordergrund. Durch die Arbeit der GerBera soll ein Verbleib im gewohnten Umfeld so lange wie möglich erhalten bleiben.

Die Zielgruppe der GerBera sind Menschen ab 63 Jahren in Stuttgart, die an dementiellen Erkrankungen, Veränderungen der Stimmungslage, wie z. B. Depressionen, Verkennungen der Realität oder unter Ängsten und anderen psychosozialen Beeinträchtigungen leiden. Außerdem gehören zur Zielgruppe der GerBera Angehörige, nahestehende Bezugspersonen und andere Menschen im sozialen Umfeld der/des gerontopsychiatrisch Erkrankten.

Die besonderen Herausforderungen während der Corona-Pandemie

2020 war ein Jahr, dass insbesondere durch Kontakteinschränkungen und die Sorge um eine mögliche Ansteckung und Erkrankung geprägt war und deshalb eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten darstellte.

Bis auf eine kurze Unterbrechung im März/April fanden dennoch Hausbesuche durch die GerBera-Mitarbeiter*innen statt, um den besonders vulnerablen Personenkreis weiterhin in seiner Häuslichkeit zu unterstützen. Bei einigen Klient*innen war der Hang zu beobachten, sich aus Angst vor einer Ansteckung zurückzuziehen und zu isolieren. Insbesondere die alleinlebenden älteren Menschen profitierten jedoch von den Hausbesuchen und den Kontakten mit den GerBeras. Häufig wurde der Mangel an direkten Kontakten durch telefonische Kontakte ausgeglichen. Bei Menschen mit Schwerhörigkeit, sprachlichen Verständigungsproblemen (Migrationshintergrund) und auch bei demenzkranken Menschen sind Telefonkontakte aber erschwert. Die Nutzung von Schutzmaßnahmen war immer wieder, besonders bei demenzkrankten Menschen, ein Thema. Beispielsweise konnten Menschen oftmals den Sinn des Maskentragens nicht verstehen und erlebten das „maskierte“ Gegenüber beängstigend. Es wurde versucht, die fehlende Tagesstruktur aufgrund von temporären Schließungen der Gruppenangebote u. a. durch das Seniorentelefon Dreiklang, den Besuchsdienst und die Helferkreise auszugleichen. Bei den Angehörigen war zu beobachten, dass durch fehlende Entlastungsangebote ein zusätzlicher Druck auf den Angehörigen lastete. Hier war es Aufgabe der GerBera, die Angehörigen durch Beratungsgespräche zu entlasten.

Gemäß GRDrs 432/2020 („Aufrechterhaltung der städtischen institutionellen Förderung für die Angebote der freigemeinnützigen Träger im Bereich des Sozialamts trotz Betriebseinschränkungen nach Corona-Verordnung“) erfolgte die Förderung der Gerontopsychiatrischen Dienste im Jahr 2020 in vollem Umfang. Die hierfür eingesetzten Fördermittel beliefen sich auf rd. 1,5 Mio. EUR.

Situation in den GerBera – Auswertung der Daten 2020 und Schlussfolgerungen


Fallzahlen 2020:

Mit 1.760 Klient*innen (2019: 1908) war die Anzahl der Klient*innen pandemiebedingt geringer als im Vorjahr und entsprach trotz Fachkraftstellen-Erweiterung 98 Betreuungen insgesamt pro Fachkraft. Von diesen Betreuungen waren 1.159 längerfristig (über 4 Kontakte). Die durchschnittliche Zahl der Hausbesuche betrug 182 pro Fachkraft (insgesamt 3.278 in 2020, 3.832 in 2019). Zum einen gab es aufgrund der Situation weniger Neuaufnahmen in den Diensten bei gleichbleibender Zahl von Beendigungen. Zum anderen fanden vermehrt Kontakte über das Telefon statt als z. B. durch Hausbesuche. Die Kontakte waren aber zeitintensiver. Bei fast 700 Kontakten war eine Zeitdauer über eine Stunde erforderlich. Die Anzahl der Kontakte hat ebenfalls zugenommen (10 % der Klient*innen benötigten 110 Kontakte im Jahr, vereinzelt sogar über 200 Kontakte).

Es gab einerseits in den allerersten Monaten der Pandemie die Erfahrung, dass sich Angehörige (im Home-Office) vermehrt um ihre alten, demenziell Erkrankten gekümmert haben und dann andererseits in Folge verzweifelte Anrufe/Anfragen von Angehörigen oder betroffenen Menschen, die Unterstützung suchten. Diese gestalteten sich meist intensiv.

Soziodemografische Daten:

Von den Klient*innen der Gerontopsychiatrischen Dienste sind 15 % unter 70 Jahre alt, 40 % über 70 Jahre und 45 % sogar über 80 Jahre. Zwei Drittel der Klient*innen sind nach wie vor aufgrund der höheren Lebenserwartung Frauen. 66 % der betreuten Menschen sind alleinlebend. 16 % der Klient*innen sind nach wie vor auf Grundsicherung
oder Sozialhilfe angewiesen.

Die Pflegeeinstufung hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert. 80 % haben entweder keinen Pflegegrad oder sind unterhalb Pflegegrad 3 eingestuft. Lediglich 6 % haben Pflegegrad 4 und 5. Eine Einstufung in höhere Pflegegrade ist mit starken körperlichen Beeinträchtigungen verbunden.

22 % der Klient*innen haben einen Migrationshintergrund und sind nicht in Deutschland aufgewachsen.

Bezogen auf die Krankheitsbilder standen folgende Diagnosen im Vordergrund:
45 % der betreuten Menschen litten an einer Demenzerkrankung, 36 % an einer affektiven Störung/Depression, bei 10 % lag eine Schizophrenie bzw. eine wahnhafte Störung vor. Der Rest verteilt sich auf sonstige Diagnosen (9 %).

Pflegedienste: Bei den Pflegediensten war die Situation in den letzten Jahren durch Personalprobleme schwierig. Die GerBeras verbrachten insbesondere während der Pandemie viel Zeit mit der Organisation von ambulanter Pflege für ihre Klient*innen. Daran und an dem Problem des Mangels an bezahlbaren Hol- und Bringdiensten hat sich nichts geändert. In den Zeiten der Pandemie war u. a. durch Kohortenbildung in den Pflegeteams aber auch durch Krankheitsausfälle die Situation nochmals verschärft.

Pflegeheimplätze: Die Suche nach einem Pflegeheimplatz war und ist schwierig. Besonders schwierig ist es bei Kurzzeitpflegeplätzen. Zeitlich vorausplanbare Kurzzeitpflegeplätze sind sehr schwer zu finden. Ebenso besteht weiterhin der Mangel an beschützten Heimplätzen besonders für bewegungsaktive demenzkranke Menschen. Im Zeitraum 2020 war die Situation durch die teilweise Schließung der Pflegeheime besonders angespannt.

Tagesstruktur: Tagesstrukturierende Angebote und Betreuung für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen, die weder pflegebedürftig noch an Demenz erkrankt sind, stehen in Stuttgart noch nicht ausreichend zur Verfügung. Für ältere Menschen mit Pflegeeinstufung sind Tagespflegeangebote in vielen Fällen ein geeignetes und finanzierbares Angebot. Ältere Menschen mit depressiver Symptomatik ohne körperliche Pflegebedürftigkeit können die Tagespflege meist schon aus finanziellen Gründen nicht nutzen. Angebote der Begegnungsstätten für Ältere für diese Zielgruppe erreichen eine Gruppe von Klient*innen. In verschiedenen Regionen wurden sogenannte gerontopsychiatrische Angebotsmodule initiiert. Der Wegfall von gewohnten Alltagsstrukturen führte bei manchen alleinlebenden demenzkranken Menschen zu erheblichen Problemen der täglichen Grundversorgung. Es kam auch hier teils zu Krankenhauseinweisungen und Anregungen gesetzlicher Betreuungen. Zum Teil bildeten sich aber auch erfreulicherweise nachbarschaftliche Unterstützungsnetzwerke.

Behandlung: Die Behandlung und Betreuung gerontopsychiatrisch erkrankter Menschen in Akutkrankenhäusern ist nach wie vor an einigen Kliniken ein großes Problem. In einigen Stadtgebieten ist es zudem schwierig geworden, die hausärztliche Versorgung älterer Klient*innen sicherzustellen. Ein anderes Problem ist, dass viele Hausärzte kaum noch zeitliche Kapazitäten haben, bei alten Menschen mit umfassendem Hilfebedarf Hausbesuche durchzuführen. Die Folge war eine Zunahme von Rettungseinsätzen und Krankenhausaufenthalten. Dies ist nicht immer unproblematisch für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen. Die Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere am Klinikum Stuttgart hat sich in den Zeiten der Pandemie bewährt und soll weiter ausgebaut werden. Insbesondere der neue Ansatz der Stationsäquivalenten Behandlung (StäB) hat sich für den Personenkreis der gerontopsychiatrisch erkrankten Menschen bewährt, da ein Ortswechsel sie in der Regel noch mehr verwirrt und sie von einer Behandlung zu Hause profitieren. Diese Kooperation zwischen GerBera und StäB ist eine wertvolle Weiterentwicklung für die betroffenen Menschen.



Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





1. Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV): Gerontopsychiatrische Dienste - Sachstand 2020 2. Fallbeispiele


Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV):
Gerontopsychiatrische Dienste – Sachstand 2020


1. Entwicklung der Fallzahlen und Inanspruchnahme der Gerontopsychiatrischen Dienste (GerBera)

Zielgruppe der Gerontopsychiatrischen Dienste sind in erster Linie Menschen (vorwiegend ab 63 Jahren), die an

· dementiellen Erkrankungen,
· Veränderungen der Stimmungslage wie z. B. Depressionen,
· Verkennungen der Realität, z. B. wahnhaften Störungen im Alter, oder
· unter Angsterkrankungen und anderen psychosozialen Beeinträchtigungen

leiden.

Außerdem gehören zur Zielgruppe der Gerontopsychiatrischen Dienste Angehörige, nahestehende Bezugspersonen und andere Menschen im sozialen Umfeld des gerontopsychiatrisch Erkrankten.

Im Jahr 2020 betreuten die Mitarbeiter*innen von GerBera insgesamt 1.760 Klient*innen. Unter den längerfristigen Betreuungen ist knapp die Hälfte der Klient*innen 2020 erstmalig mit GerBera in Kontakt gekommen. Insgesamt führten die Mitarbeitenden 3.278 Hausbesuche bei längerfristigen Betreuungen durch.
In 204 Fällen insgesamt endete die Unterstützung im Verlauf des Jahres.

Anzahl Klient*innen und Hausbesuche
2018
2019
2020
Längerfristige Betreuungen
Unter „Betreuung“ wird in Zusammenhang mit der Dokumentation und Statistik die Beratung, fachliche Begleitung und Hilfekoordination für die Klienten verstanden
(über 4 Kontakte)
1.214
1.192
1.159
Direkte Kurzbetreuungen (1 - 4 Kontakte)
279
263
215
Indirekte Kurzbetreuungen (1 - 4 Kontakte
ausschließlich zum Umfeld der älteren Klient*in,
z. B. Angehörige, andere Dienste usw.)
466
453
386
Gesamtzahl Klient*innen:
1.959
1.908
1.760
Erstbetreuungen (unter längerfristigen)
510
552
481
Hausbesuche
3.704
3.832
3.278

2. Soziodemografische Daten

Die soziodemografischen Daten wie Lebensalter, Geschlecht, Familienstand, Herkunft und finanzieller Hintergrund in 2020 zeigen keine signifikanten Veränderungen.


3. Zugangswege

An den Hauptzugangswegen hat sich insgesamt wenig verändert. Die meisten Anfragen kamen wieder von Angehörigen oder aus dem Umfeld.

Angehörige, Bekannte, Nachbarschaft
37 %
niedergelassener Arzt
4 %
Krankenhaus (Psychiatrisches)
9 %
den älteren Menschen selbst
4 %
Bürgerservice Leben im Alter
7 %
Gerontopsychiatrische Tagesklinik
4 %
Sonstige (Anzahl)
7 %
Memory Clinic
3 %
Krankenhaus
6 %
Sozialamt
3 %
Amt für öffentl. Ordnung/Gericht
5 %
Beratungsstellen
2 %
Pflegedienst
5 %
niedergelassener Nervenarzt / PIA
2 %

Zugangswege unter 2 % sind in der Tabelle nicht dargestellt (insg. 3 %).

Die Entwicklung der finanziellen Situation der Klient*innen und der Personen mit Migrationshintergrund ist im Vergleich zum Vorjahr weitestgehend gleichgeblieben, muss jedoch weiter beobachtet werden, um die Ausrichtung der GerBera hinsichtlich des Umgangs mit Altersarmut und der besonderen Situation von älteren Migrant*innen Rechnung zu tragen.

4. Inanspruchnahme verschiedener Hilfen

Gegenüber den Vorjahren haben sich die Daten wenig verändert.

Ein Großteil der Klient*innen erhält Unterstützung durch Allgemeinärzte (81 %). Auch zu Nervenärzt*innen Facharzt für Psychiatrie und/oder Neurologie und zu anderen Fachärzt*innen hatten je etwa 30 % der Klient*innen im Lauf des Jahres mindestens einmal Kontakt. Nach wie vor gibt es lange Wartezeiten etwa bei Nervenärzt*innen. Vielfach nehmen auch Hausärzt*innen keine neuen Patient*innen auf.

Etwa die Hälfte der Klient*innen wird nach wie vor durch einen Pflegedienst unterstützt. Dabei kann es um die Hilfe bei der Medikamenteneinnahme, um Pflege, hauswirtschaftliche Unterstützung oder um Betreuung gehen oder um eine Kombination verschiedener Hilfen. Etwa ein Viertel der Klient*innen war wenigstens einmal in einem Krankenhaus zur Behandlung einer organischen Erkrankung und jede achte Klient*in im Lauf des Jahres in einer psychiatrischen Klinik. Dies zeigt, dass die GerBera ältere Menschen mit vielerlei Erkrankungen und umfassendem Hilfebedarf (Multimorbidität) erreichen.

5. Öffentlichkeitsarbeit/Aktivitäten im Sozialraum/Fortbildung

Die Pflege von Kooperationskontakten und Öffentlichkeitsarbeit sind dauerhafte Aufgaben für GerBera, da Menschen oft erst dann Unterstützungsangebote wahrnehmen und auf sie aufmerksam werden, wenn sie betroffen sind. Die Dienste werden sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei anderen Institutionen nach wie vor gut angenommen.

Insgesamt sind die Aktivitäten im Sozialraum wichtig, um die vorhandenen Hilfen sinnvoll zu vernetzen und Synergien zu fördern. Die meisten Veranstaltungen haben 2020 nur eingeschränkt oder gar nicht stattgefunden.

Im Rahmen der Qualitätssicherung nutzen die Mitarbeit*innen der GerBera Möglichkeiten für Fortbildungen und Erweiterung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen, die im Jahre 2020 nur eingeschränkt stattfanden.

6. Erfahrungen mit der Versorgungssituation und Perspektiven

· Die ambulanten psychiatrischen Pflegedienste könnten verstärkt zur Unterstützung zum Einsatz kommen, wenn eine spezielle Kostenübernahme fachlich sinnvoller Hilfen durch die Kassen möglich wäre. Eine verstärkte fachliche Spezialisierung dieser Dienste im Bereich der Gerontopsychiatrie wäre dann möglich. Generell leiden gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen auch unter dem Fachkräftemangel und dem Zeitdruck, dem Mitarbeitende von Pflegediensten ausgesetzt sind.

· In Bezug auf den Bedarf von Hausbesuchen durch Psychiater*innen mit gerontopsychiatrischer Fachkompetenz ist eine noch stärkere Erweiterung der Ressourcen der Memory Clinic wünschenswert.

· Ein zunehmendes Problem ergibt sich durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Ältere Klient*innen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Wohnung verlieren, haben kaum Chancen, eine Wohnung zu finden. Bei betreuten Seniorenwohnungen gibt es in der Regel Wartezeiten. GerBera-Mitarbeiter*innen haben nicht die zeitlichen Ressourcen, eine aufwendige Unterstützung bei der Wohnungssuche zu leisten. Ein behelfsmäßiger Aufenthalt in einer Notunterkunft wirkt sich in hohem Maße belastend auf gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen aus.

· Die vom Stuttgarter Gemeinderat beschlossene Aufstockung der Förderung der GerBera um insgesamt vier Fachstellen ab 2020 war für die Mitarbeitenden und Träger der Dienste eine große Hilfe. Den Diensten ermöglicht dies nicht nur weiterhin mit der demografischen Entwicklung Schritt zu halten, sondern auch sich den erhöhten Herausforderungen und Belastungen durch das sich einschränkende ambulante Unterstützungssystem zu stellen und die älteren Menschen weiterhin mit allen vorhandenen Möglichkeiten zu unterstützen.

· Grundsätzliche Weiterentwicklungen und Verbesserungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen bleiben gerade im Blick auf die zunehmenden allgemeinen Versorgungsdefizite weiterhin eine wichtige Aufgabe. Positiv erwähnt werden soll an dieser Stelle die in Stuttgart geschaffene Möglichkeit einer Stationsäquivalenten Behandlung für gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen (StäB-Ger). Die Vermeidung eines stationären psychiatrischen Klinikaufenthalts ist für einen Teil der älteren Menschen eine wertvolle Hilfe, da gerade für sie und besonders bei einer bestehenden Demenzerkrankung ein kurzfristiger Umgebungswechsel sehr belastend sein kann und Krankheitsauswirkungen unter Umständen erheblich verstärken kann. Die GerBera sprechen sich aufgrund der positiven Erfahrungen für eine Ausweitung dieses Angebots aus.




Quelle:
Gemeinsamer Jahresbericht der acht Gerontopsychiatrischen Beratungsdienste, 2020
Träger: Caritasverband für Stuttgart e. V., Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V., Klinikum Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit


Anlage 2 zu GRDrs 773/2021

Fallbeispiele

Zwei Beispiele aus der Begleitung:


Frau A. ist verwitwet und leidet seit einigen Jahren an einer Altersdepression. Sie bekam viel Besuch von Nachbarn und Freunden, besuchte an drei Tagen in der Woche die Tagesstätte im Gemeindespsychiatrischen Zentrum (GPZ) und hatte regelmäßige Gespräche mit einer GerBera-Mitarbeiterin. Trotz der Depression ging es ihr soweit gut, dass sie keine weiteren psychiatrischen Hilfen benötigte.

Doch schon im ersten Lockdown brachen sämtliche ihrer Kontakte weg. Die Tagesstätten mussten schließen und auch die Nachbarn und Freunde blieben aus Verunsicherung durch Corona fern. Gewohnte Aktivitäten wie Essen gehen, zur Kosmetikerin oder der monatliche Friseurtermin waren nicht mehr möglich. Anfangs fanden die Gespräche mit GerBera nur noch telefonisch statt. Die Depression verschlimmerte sich und Frau A. benötigte engere Begleitung. Durch den Wegfall der anderen Kontakte konzentrierte sie sich zunehmend auf die GerBera-Mitarbeiterin, die dann sogar täglich anrief. Durch die intensiven Kontakte zu GerBera fasste sie zunehmend Vertrauen. Sie traute sich sogar Probleme anzusprechen, die sie bisher nicht geäußert hatte.


Frau K. ist 86 Jahre alt. Sie ist verwitwet und lebte allein. Die geregelte Wochenstruktur mit vier Tagen in der Tagespflege und einem Besuchstag der berufstätigen Tochter gaben der demenzerkrankten Frau Sicherheit. Neben der Geselligkeit waren die gemeinsamen Mahlzeiten für sie besonders wichtig, denn alleine hatte sie kaum Appetit.

Die Corona-Einschränkungen trafen sie besonders hart: wochenlang fiel die Tagespflege aus. An manchen Tagen rief Frau K. bis zu fünfmal bei GerBera an. Das Seniorentelefon Dreiklang sorgte für Telefonkontakte und die GerBera-Mitarbeiterin führte vermehrt bei Spaziergängen Gespräche mit Frau K. Auch der Kontakt zur Tochter wurde intensiviert. Die Versorgung mit Essen auf Rädern musste nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Frau K. mochte das Essen anscheinend nicht, sie hatte keinen Appetit. Sie fühlte sich sehr einsam und ihr Zustand verschlechterte sich. Schon im Vorfeld der Pandemie bemühte sich die Tochter Frau K. vorsorglich um einen Platz im Pflegeheim. Es dauerte jedoch noch Monate bis ein Platz in einer geeigneten Einrichtung frei wurde. Nun kann Frau K. wieder Gemeinschaft erleben und zu Kräften kommen.




Quelle:
Gemeinsamer Jahresbericht der acht Gerontopsychiatrischen Beratungsdienste, 2020
Träger: Caritasverband für Stuttgart e. V., Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V., Klinikum Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit



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