Protokoll:
Ausschuss für Umwelt und Technik
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
18
9
Verhandlung
Drucksache:
893/2016
GZ:
AKR 8710
Sitzungstermin:
24.01.2017
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Dr. Mayer
Berichterstattung:
-
Protokollführung:
Frau Sabbagh
pö
Betreff:
Ratskellergaststätte
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 17.01.2017, GRDrs 893/2016, mit folgendem
Beschlussantrag:
1. Der Sanierung des Ratskellers - veredelter Rohbau - mit einer Kostenannahme von 5 Mio. EUR (4,2 Mio. EUR netto) wird grundsätzlich zugestimmt.
2. Das Hochbauamt wird mit der Weiterplanung beauftragt. Die für die Sanierung bereits zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln in Höhe von rund 1 Mio. EUR (Ermächtigungsübertragung aus dem Ergebnishaushalt 2014/2015) werden zur Deckung der Planungskosten frei gegeben.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, erneut eine Interessensabfrage unter oben genannten Prämissen durchzuführen, die sich auf die gesamte Ratskellergastronomie einschließlich des Stadtbesens, der Terrasse und der neuen Außenfläche bezieht.
4. Von der Verlängerung der Verpachtung des Stadtbesens bis 31.12.2017 mit der bisherigen Pächterin wird Kenntnis genommen.
5. Die zusätzlichen Finanzmittel von 3,2 Mio. EUR (Gesamtkosten 4,2 Mio. EUR netto abzüglich 1 Mio. EUR im Wege der Ermächtigungsübertragung zur Verfügung stehende Finanzmittel) werden zum Haushalt 2018/2019 angemeldet.
Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Zunächst berichtet BM
Dr. Mayer
kurz im Sinne der Vorlage.
Die Vertreter der Fraktionen danken für die Ausführungen.
StR
Kotz
(CDU) erklärt, seine Fraktion werde die Vorlage unterstützen. Das Thema werde in der Öffentlichkeit intensiv, teilweise sogar emotional diskutiert. Er habe den Eindruck, dass nicht die Kosten den entscheidenden Faktor darstellten, sondern der zeitliche Zusammenhang mit der Schließung des Cafés Scholz, was dazu geführt habe, dass der Marktplatz nun ohne gastronomisches Angebot sei. Zudem habe die Verwaltung den Ratskeller geschlossen, ohne ein Konzept bzw. einen Nachfolgepächter für die Zukunft zu haben. Auch die Finanzierung sei nicht geregelt gewesen. Ein solches Vorgehen der Verwaltung sei alles andere als rühmlich.
Dass nun die Hausbesitzerin die technische Infrastruktur bereitstelle (Variante 2), erachte seine Fraktion als richtig. Eine vergrößerte Außenfläche solle möglichst nah an die Sonne heranrücken. Positiv vermerkt er auch, dass der Stadtbesen wenigstens noch bis Ende des Jahres in Betrieb bleibe. Er bittet, bei aller notwendigen Sorgfalt im Vergabeverfahren und bei den Planungsgrundlagen so zügig wie möglich vorzugehen, damit dieser "unschöne Zustand" baldigst beendet sei. In Bezug auf das Interessensbekundungsverfahren solle der Gemeinderat in Entscheidungen einbezogen werden. Er hoffe, dass man hier einen verlässlichen Partner finde, sodass dort in ein paar Jahren wieder Ruhe einkehre.
Es gehe in erster Linie um die Belebung des Marktplatzes in den Abendstunden, betont StR
Winter
(90/GRÜNE). Nach Ansicht seiner Fraktion vertrügen der Marktplatz und seine Umgebung eine Gastronomie. Er erinnert daran, dass bereits in den vorherigen Haushaltsplanberatungen entsprechende Mittel eingestellt worden seien. Die Variante 2 sei gangbar und sinnvoll. Seine Fraktion habe kein Interesse daran, die Räume leer stehen zu lassen, was ja dennoch Unterhaltungsaufwendungen nach sich ziehen würde. Wichtig sei die Auswahl der Pächter, da der Marktplatz auf interessante Weise wiederbelebt werden solle. Die Trauer um den früheren Ratskeller halte sich bei seiner Fraktion in Grenzen, nun erwarte man eine zeitgemäße Nutzung mit Gastronomie und Veranstaltungsräumen. In der Abwägung der drei Varianten wünsche seine Fraktion eine zügige Umsetzung der Variante 2 und unterstütze die Vorlage.
Seine Fraktion unterstütze die Vorlage nur in Ziffer 4, erklärt StR
Pfeifer
(SPD). Darüber hinaus könne er in den Jubelchor seiner Vorredner nicht einstimmen. Die Vorlage stelle "ein Musterbeispiel für eine innovative, strategische und vorausschauende Politik aus der Verwaltung" dar. Seit 2½ Jahren beschäftige man sich mit diesem Thema, ohne dass bislang die Finanzierung oder ein Konzept, geschweige denn ein Betreiber oder ein konkretes Modell vorlägen. Lange Zeit, bevor der Ratskeller habe geschlossen werden müssen, sei klar gewesen, dass das Mietverhältnis beendet werde. Das Ergebnis der Planungen sei kümmerlich.
Nun solle für mindestens 5 Mio. €, von denen er nicht glaube, dass sie ausreichten, eine zusätzliche Gastronomie eingerichtet werden. Seine Fraktion habe schon vor einem Jahr gesagt, dass sie es nicht als kommunale Aufgabe ansehe, für 5 Mio. € oder mehr eine zusätzliche Gastronomie in der Innenstadt einzurichten. Hier sei der freie Markt gefragt. Zur emotionalen Diskussion merkt er an, in Deutschland würden gegenwärtig keine neuen Ratskeller mehr gebaut. Die gastronomische Szene habe sich verändert, und Kellerlokale seien nicht mehr gefragt bzw. nur als Szenelokale oder Ähnliches. Wenn jedoch der Keller schon vorhanden sei, brauche man eine interessante Außenbewirtschaftungsfläche. Doch befinde sich der Ratskeller auf der Schattenseite des Marktplatzes. Eine mit der Sonne wandernde Bewirtschaftung erfordere enormen Aufwand im Auf- und Abbau, das gelte grundsätzlich auch für die Markttage. Hinzu kämen noch Probleme mit dem Denkmalschutz und der Stadtgestaltung z. B. wegen Stuhllagern oder Bistroeinheiten. In den nächsten Jahren kämen in der Umgebung des Marktplatzes ohnehin neue Gastronomien hinzu: im Arthotel in der Nadlerstraße, im Gebäude der Rathausgarage sowie im Dorotheenquartier. Zudem sei jetzt schon klar, dass die Stadt die Pachthöhe dauerhaft subventionieren müsste. Allerdings sei dies kein Grund, die Räume einfach stillzulegen. Ohnehin suche man oft genug Räume im Rathaus. Hier erinnert er an einen Antrag seiner Fraktion mit der Anregung, in einem Teil des Untergeschosses Szeneläden und Ähnliches einzurichten. Auch dies würde zur Belebung des Marktplatzes beitragen.
StR
Pantisano
(SÖS-LINKE-PluS) schließt sich im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft seinem Vorredner an. Die Räume ungenutzt zu lassen, sei keine Option. Da im Umfeld aber relativ viel Gastronomie - welcher Art, müsse noch abgewartet werden - entstehe, müsse im Rathaus nicht zwingend eine weitere eingerichtet werden. Die Frage sei auch, ob sich ein Pächter im Wettbewerb mit den umliegenden Angeboten bei einer Pacht von ca. 20.000 €/Monat bewähren könne. Seine Fraktionsgemeinschaft werde sich deshalb der Stimme enthalten.
Sollte ein Restaurant dort eingerichtet werden, müsste es ein Angebot mit moderaten Preisen sein, das die Bürger z. B. auch für eine Familienfeier nutzen könnten. Entsprechend müsse auch die Höhe der Pacht geregelt sein. Seine Fraktionsgemeinschaft vermisse in den bisherigen Überlegungen den Gedanken, dass man hier etwas Städtisches für das Gemeinwohl schaffen wolle, das sich von der übrigen, rein wirtschaftlich ausgerichteten Gastronomie abhebe.
Für StR
Zeeb
(FW) ist es müßig, sich an den möglichen Fehlern der Vergangenheit aufzuhalten. Vielmehr müsse man nach vorne schauen. So ausgewogen die Vorlage auch scheine, so betrachte er sie doch als "ganz bescheidenen Zwischenschritt". Es gebe noch sehr viele Unsicherheiten. Er plädiert dafür, die Planung voranzutreiben. Seiner Ansicht nach sollte eine Stadt wie Stuttgart einen Ratskeller haben. Seine Fraktion unterstütze das Szenario 2, wobei die Verwaltung die Interessentenauswahl mit viel Fingerspitzengefühl ausloten müsse. Man wolle schließlich einen guten Pächter und eine angemessene Pacht bei verhältnismäßigen Umbaukosten. Er gebe StR Pfeifer recht, dass die Kostenschätzung lediglich vorläufig sein könne, da vieles von den Wünschen des Pächters abhänge. Und ein solcher müsse zunächst gefunden werden.
StR
Brett
(AfD) stimmt der Vorlage im Namen seiner Fraktion grundsätzlich zu. Stuttgart brauche einen Ratskeller, zum einen als "gute Stube der Stadt" und zum anderen als "Kantine erster Klasse". Ein Szeneladen oder eine Disco dagegen passten nicht. Prinzipielle Kritik äußert er am Vorgehen der Stadt, die viel zu lange zugewartet habe, obwohl das Vertragsende bekannt gewesen sei. Die Verantwortung hierfür sieht er bei BM Wölfle.
Auch StR
Conz
(FDP) kritisiert die Verwaltung. Man lasse den Pachtvertrag auslaufen und überlege sich erst dann das weitere Vorgehen. Deshalb sei der Ratskeller nun seit vielen Monaten geschlossen. In vielen Kommunen sei der Ratskeller ein Aushängeschild der Gemeinde. Unabhängig von der späteren Art der Nutzung - ob "für die Großdisco der SPD" oder "die Szeneläden der Linken" - sei immer ein veredelter Rohbau notwendig, der ohnehin nicht mehr besage, als dass es einen Estrich und vergipste Wände gebe. Subventioniert sei dies in allen Fällen, egal wer die Räume nutze. Stelle man sie allerdings für das Konzept von SÖS-LINKE-PluS zur Verfügung, müsse man dies noch viel mehr subventionieren als eine "halbwegs vernünftige Gastronomie". Seine Gruppierung werde der Vorlage zustimmen, sei sie doch zuversichtlich, dass man hier eine attraktive gastronomische Nutzung finden werde.
StR
Dr. Schertlen
(STd) sieht es als Gebot der Stunde, die Sanierung des Ratskellers, die 2004 bei der Sanierung des Rathauses ausgelassen worden sei, nun nachzuholen. Dabei halte auch er die Variante 2 für die sinnvollste. Über das Betriebskonzept für die Räume sollte dann der Gemeinderat bzw. Ausschuss diskutieren. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Fläche aufgeteilt werde und u. a. ein Raum von Bürgern gemietet werden könne.
Gegenüber den StRen Conz und Zeeb bestätigt BM
Dr. Mayer,
es handle sich aktuell um einen Zwischenstand, und der Gemeinderat bleibe einbezogen, insbesondere auch bei der abschließenden Vergabeentscheidung.
An StR Pfeifer gewandt erklärt er, die Verwaltung habe "den Ratskeller nicht aus Spaß geschlossen", sondern deshalb, weil dessen Betrieb brandschutzrechtlich nicht mehr zulässig gewesen sei. Der Ratskeller habe aufgrund der Baumängel geschlossen werden müssen und könne auch für keine andere Nutzung, z. B. als Büro, zur Verfügung stehen, bevor nicht brandschutztechnisch saniert worden sei. Dafür sei ein Millionenbetrag erforderlich.
Was die Außenfläche anbelange, so hätten etliche Bewerber die Flexibilität in der Außenbewirtschaftung als positiv und spannend bewertet. Alle angesprochenen Gastronomen hätten auch die Gastronomie im Umfeld des Rathauses positiv gesehen, da so der Standort belebt werde.
Gegenüber StR Pantisano räumt er ein, bisher liege noch kein detailliertes Konzept vor. Das ergebe sich aber zwangsläufig, da man das Konzept von den Interessenten erwarte.
StR
Winter
betont, wenn man die seit 1956 nicht sanierten Räumlichkeiten des Rathauses in irgendeiner Form nutzen wolle, müsse man die legitimen Auflagen erfüllen und entsprechend umbauen. Selbst die Schließung habe Kosten zur Folge. Die Vorarbeit sei in interfraktionellen Gesprächen erledigt worden, und nachdem Referat WFB die Vorlage nun mitgezeichnet habe, könne man die Sanierung zügig angehen. Bei der Auswahl des Konzepts sollte man sich flexibel zeigen. Seiner Fraktion gehe es darum, nicht nur die umliegenden Orte zu beleben, sondern explizit auch den Marktplatz. Für die Räume stelle er sich weder eine Disco noch einen Ratskeller der 70er-Jahre vor. Vielmehr freue er sich auf innovative Angebote.
StR
Pfeifer
stellt klar, dass seine Fraktion dort keine Großdisco wolle. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass Kellerlokale heute nicht mehr ausschließlich als Restaurant genutzt würden, sondern z. B. als Disco. Natürlich sei klar gewesen, dass man schließen müsse, um zu sanieren. Doch habe der Prozess sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Seine Fraktion plädiere keineswegs für eine Stilllegung der Räume. Es sei völlig klar, dass man nachholen müsse, was bei der Sanierung des Rathauses vor 15 Jahren versäumt worden sei. Dafür müsse man investieren. Doch ob man dann eine Gastronomie einrichte oder etwas anderes, müsse beim Brandschutz bedacht werden. Den Folgeschritt der Verwaltung, dort eine Gastronomie zu planen und hierfür noch mehr zu investieren, lehne seine Fraktion jedoch ab. Nach wie vor sei sie der Ansicht, dass eine wirtschaftliche Pacht nicht erzielbar sein werde. An dieser Stelle merkt BM
Dr. Mayer
an, wenn man dort Büroräume vorsehe, müsse man den Millionenbetrag gleichfalls investieren, ohne dass sich die Möglichkeit einer Amortisation ergebe.
Da es sich bei Ziffer 4 lediglich um eine Kenntnisnahme handle, lässt BM Dr. Mayer über die Vorlage insgesamt abstimmen und stellt fest:
Der Ausschuss für Umwelt und Technik
stimmt
der Vorlage mit 13 Ja- und 2 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen mehrheitlich
zu.
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