Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI-Strat
GRDrs 417/2024
Stuttgart,
06/04/2024


Einsamkeit - Beschlüsse der Haushaltsplanberatungen 2024/2025 und Weiterentwicklung der Strategie



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussEinbringungöffentlich08.07.2024

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1


Die Landeshauptstadt Stuttgart widmet sich seit 2022 auf Wunsch des Stuttgarter Gemeinderates als eine der ersten deutschen Großstädte dem Thema Einsamkeit. Dazu wurde von der Strategischen Sozialplanung gemeinsam mit vielen Partnern eine übergreifende Strategie entwickelt. Diese wird bundesweit z.B. vom Kompetenznetz Einsamkeit, das vom Bundesfamilienministerium im Rahmen der Einsamkeitsstrategie des Bundes eingerichtet wurde, oder im interkommunalen Projekt der Wüstenrot Stiftung „Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere“ positiv rezipiert und als Vorbild bezeichnet.

Einsamkeit ist ein individuelles und gesellschaftliches Problem, das der kommunalen Aufmerksamkeit bedarf, da es folgenreich für das Zusammenleben und die soziale Teilhabe ist. Grundsätzlich bezeichnet Einsamkeit ein subjektives, schmerzhaftes Gefühl und beschreibt die wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen. Sie kann durch vielfältige Faktoren wie etwa Krankheit, Verlust des Partners oder einen Ortswechsel ausgelöst werden. Studien zeigen, dass Einsamkeit stigmatisierend wirkt, die Gesundheit beeinträchtigt, zum Rückzug aus der Gesellschaft führt und das Vertrauen in Mitmenschen, in gesellschaftliche Institutionen und die Demokratie reduziert.

Am 09.10.2023 wurde im Sozial- und Gesundheitsausschuss über die bisherigen Entwicklungslinien und Ergebnisse sowie die weiteren Planungen der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit diskutiert, die von der Strategischen Sozialplanung seit 2022 prozesshaft, zielgruppenübergreifend und beteiligungsorientiert entwickelt wird (vgl. GRDrs 960/2023 „Stuttgart gegen Einsamkeit“).

In der ersten Strategiephase bis Herbst 2023 wurde der Schwerpunkt auf den Einbezug und die Weiterentwicklung bestehender Stuttgarter Angebote gelegt. Einrichtungen und Dienste aus den Bereichen Soziales, Bildung, Sport, Kultur u.v.m. wurden über Einsamkeit informiert und vernetzt, eine Stuttgarter Website (www.stuttgart.de/gemeinsam) mit Informationen zum Thema und hilfreichen Angeboten gegen Einsamkeit eingerichtet und Veranstaltungen, wie die Stuttgarter Konferenz gegen Einsamkeit am 07.11.2022, durchgeführt. Im Ergebnis konnte das Thema in Fachkreisen gut verankert werden. Viele Stuttgarter Angebote und Ämter setzen dieses Thema seither bezogen auf ihre jeweilige Zielgruppe eigenverantwortlich um.

Darauf aufbauend wurden in der zweiten Strategiephase seit Ende 2023 neue Schwerpunkte gesetzt (vgl. Anlage 1: Weiterentwicklung der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit):

Grundlagen der städtischen Haushaltsplanberatungen 2024/2025

Dank der Beschlüsse des Stuttgarter Gemeinderates im Doppelhaushalt 2024/2025 kann der der Einsamkeitsstrategie zugrundeliegende kooperative Planungsansatz der Strategischen Sozialplanung verstetigt und ausgebaut werden. Zwei weitere Mitarbeitende (je 0,5 VZÄ) mit den Schwerpunkten „Intergenerative Beziehungen“ und „Veranstaltungs- und Verwaltungsmanagement“ können sich ab 2024 einbringen. Zudem wurde das befristete Budget (40.000 EUR/Jahr) entfristet und auf 67.000 EUR/Jahr aufgestockt.

Zum Thema Einsamkeit wurden vom Gemeinderat zwei haushaltsrelevante Vorlagen beschlossen, womit die Themenfelder Einsamkeit und Kultur sowie Einsamkeit und Gesundheit weiterentwickelt werden können:


Nach der aktuellen Aufbauphase werden hier spezifische Erkenntnisse erwartet, die wiederum in die Weiterentwicklung des Themas aufgenommen werden.

Ausblick und Weiterarbeit

Die Erfahrungen mit der Strategie gegen Einsamkeit zeigen, dass es einer Vielzahl verzahnter Maßnahmen bedarf, um Einsamkeit in einer Großstadt wie Stuttgart zu lindern. Aufgrund der Komplexität gilt es, Einsamkeit über verschiedene gesellschaftliche Handlungsfelder prozesshaft und nachhaltig als kommunale und politische Gemeinschaftsaufgabe anzugehen. Unter Leitung und Moderation der Strategischen Sozialplanung ist es über viele Veranstaltungen und Abstimmungen gelungen, ein großes Netzwerk mit vielen Partnern aus Politik, Stadtverwaltung, Zivilgesellschaft, Bürgerschaft und sozialen wie kulturellen Angeboten aufzubauen und zu verstetigen. Damit konnten sehr viele Angebote, die bereits bestehen, sensibilisiert werden, dem Thema Einsamkeit einen besonderen Raum zu geben. Der Erfolg der Verortung des Themas Einsamkeit in den Stuttgarter Strukturen fußt auf dem integrativen ganzheitlichen Planungsansatz der Abteilung Strategische Sozialplanung. Dieser wird zielgerichtet und datenbasiert fortgesetzt, weitere Partner der Stadtgesellschaft und der Stadtverwaltung werden kontinuierlich in die Strategie und das Netzwerk eingebunden.

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) hat Ende Mai 2024 im Rahmen des veröffentlichten „Einsamkeitsbarometers“ der Bundesregierung neue Forschungsergebnisse vorgestellt. Es kommt in der Beurteilung der Daten zu dem Schluss, dass Einsamkeit auch in der postpandemischen Phase auf hohem Niveau fortbesteht und sich die Tendenz zur Chronifizierung zeigt. Bundesweit lag die Einsamkeitsbelastung in der Gesamtbevölkerung bei 7,6 % im Jahr 2017, bei 28,2 % in 2020 und bei 11,3 % im Jahr 2021. Diese Ergebnisse unterstützen den kontinuierlichen Ansatz gegen Einsamkeit in der Landeshauptstadt Stuttgart.






Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





Anlage 1: Weiterentwicklung der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit
Anlage 2: Plakate/Motive der Kampagne "GemEINSAMkeiten" im öffentlichen Raum in Stuttgart
Anlage 3: Reporting der Agentur urban propaganda zur Kampagne "GemEINSAMkeiten" in den sozialen Medien
Anlage 4: Heinsohn/Neumann/Reichhardt: "Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit: Valide Erhebung mit aktuellen Daten der Stuttgart-Umfrage liefert eine verbesserte Grundlage", in: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 3/2024, S. 48-60.
Anlage 5: Neumann/Reichhardt, "Die Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit. Ein inte-grierter Planungsansatz zur Linderung von Einsamkeit", in: PLANERIN 1/2024, S. 18-21.


Weiterentwicklung der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit

1. Öffentlichkeitswirksame Kampagne „GemEINSAMkeiten“

Auch aufgrund der Diskussionen am 09.10.2023 im Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsausschuss, in denen für eine stärkere öffentliche Präsenz des Themas in Stuttgart plädiert wurde, wurde ab Ende 2023 mit der Abteilung Kommunikation und der Agentur urban propaganda die öffentliche Kampagne „GemEINSAMkeiten“ aufgelegt. Ziel war es, mehr Stuttgarterinnen und Stuttgarter direkt zu erreichen, zu informieren und Einsamkeit weiter zu enttabuisieren.

Im Dezember 2023 und Januar 2024 wurde auf Litfaßsäulen, Gehwegabschrankungen und digitalen Anzeigetafeln im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet dazu aufgefordert, Gemeinsamkeiten zu entdecken und mehr auf sich und andere zu achten (siehe Anlage 2: Plakate/Motive der Kampagne „GemEINSAMkeiten“ im öffentlichen Raum in Stuttgart).

Menschen jeden Alters und in jeder Lebenssituation waren angesprochen. Die Botschaft lautet: Niemand ist allein. Die Kampagne macht Mut, mehr über Einsamkeit zu sprechen, sich Wissen anzueignen und miteinander aktiv zu werden. Dafür setzt die Kampagne auf eine positive emotionale Bildsprache, die das Verbindende und die Begegnung betont. Beispiele sind Teamsport, Flohmarktbesuche, Spaziergänge, Volkshochschulkurse, Kulturveranstaltungen usw. (siehe Anlage 3: Reporting der Agentur urban propaganda zur Kampagne „GemEINSAMkeiten“ in den sozialen Medien).

Mit Verweis auf die grundlegend überarbeitete und erweiterte Stuttgarter Website gegen Einsamkeit (www.stuttgart.de/gemeinsam) vermittelt die Kampagne, dass es viele Wege aus der Einsamkeit gibt und alle etwas dagegen tun können. Dies gilt auch im Hinblick auf Prävention, denn es ist wichtig, auch selbst frühzeitig aktiv zu werden und sich Vereinen, Gruppen usw. anzuschließen.

Flankierend wurde das Partner-Netzwerk über die Kampagne informiert und aktiv eingebunden, z.B. mit der Aktion „Gemeinsam durch die dunkle Jahreszeit“. Hier wurden über den Jahreswechsel geöffnete Treffpunkte und Angebote der Stadtverwaltung und von Trägern, Vereinen etc. gesammelt und auf der Stuttgart-Website zugänglich gemacht. Dies führte zu sehr positiven Rückmeldungen von Trägern und Betroffenen.

Um digital-affine Zielgruppen und auch junge Menschen ab 16 Jahren für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren, fand zugleich eine social media-Aktion statt (Dezember 2023 bis Januar 2024). Vier Motiv-Kombinationen wurden in Facebook und Instagram geschaltet. Hauptziele waren eine hohe Reichweite und große Sichtbarkeit. Diese Aktion war ebenso ein sehr großer Erfolg. Durch die Kombination verschiedener Motive konnte eine breite Ansprache der Zielgruppe in verschiedenen Lebenssituationen erreicht werden. Nach Auswertung der Agentur kamen über 1,1 Millionen Nutzerinnen und Nutzer mit den Motiven in Kontakt. Im dreiwöchigen Kampagnenzeitraum verzeichnete die Stuttgarter Website www.stuttgart.de/gemeinsam insgesamt 2.051 Besuche. Knapp 66 % dieser Besuche wurde durch die social media-Kampagne generiert (siehe Anlage 3: Reporting der Agentur urban propaganda zur Kampagne „GemEINSAMkeiten“ in den sozialen Medien).

Zeitgleich fand im Januar und Februar 2024 eine breite Postkartenaktion über CityCards und die eigene Weitergabe statt. Die Postkarten und Plakate wurden sehr nachgefragt, erfreuten sich bei Stadtteilbibliotheken, den Einrichtungen des Klinikums Stuttgart, der Schwäbischen Tafel e.V., Treffpunkten im Quartier und weiteren Partnern großer Beliebtheit und waren nach kurzer Zeit nicht mehr lieferbar. In Newslettern und Programmheften verschiedener Angebote wurde die Aktion stadtweit unterstützend beworben.

Ausblick

Anlässlich der bundesweiten Woche gegen Einsamkeit vom 17.06. bis 23.06.2024 wurden verschiedene öffentlichkeitswirksame Maßnahmen umgesetzt, um Bürgerinnen und Bürger für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren: u.a. Pressearbeit, Beschriftung des Delphi-Kinos, Postkartenverteilung und eine neue CityCards-Aktion.

Für den Spätsommer 2024 ist eine weitere Postkartenaktion mit neuen Motiven geplant, bei der themenspezifisch z.B. auf die (intergenerative) Begegnung von Jung und Alt, Kulturangebote oder Angebote für Ältere hingewiesen wird. Gegenseitig wird dabei auch auf die im selben Zeitraum stattfindende Öffentlichkeitskampagne des Projekts „Engagiert für Ältere“ der eva Stuttgart verwiesen, da hier Schnittmengen hinsichtlich Ansprache und Zielgruppen bestehen. Weitere Partner werden ebenso angesprochen und einbezogen.

Am 20.09.2024 beginnt mit der Premiere der Komödie „Frau Knöpfle kann`s nicht lassen“ (von Sam Bobrick) in der Komödie im Marquardt die Kooperation mit den Stuttgarter Schauspielbühnen zum Thema Einsamkeit. Aktuell werden einzelne Aufführungen mit Möglichkeiten der Begegnung von Teilnehmenden angereichert.

2. Verbesserung der Datenlage zu Einsamkeit in Stuttgart

Grundlegend für die Arbeitsweise der Strategischen Sozialplanung ist eine ausführliche Problemanalyse auf der Basis einer möglichst breiten Datenlage, die jedoch aufgrund der Neuartigkeit des Themas Einsamkeit in der ersten Strategiephase bis Herbst 2023 noch nicht vorlag. Durch die nachträgliche Auswertung der Stuttgart-Umfrage 2021 durch das Statistische Amt der Stadt Stuttgart wurde ermittelt, dass Einsamkeit altersunabhängig auftritt. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, mit einem schlechteren Gesundheitszustand und geringem Einkommen sind überproportional häufig betroffen (Heinsohn/Reichhardt: „Einsam in Stuttgart“, in: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2022, S. 86-98). Um ein noch aussagekräftigeres Bild zur Prävalenz von Einsamkeit in Stuttgart zu erhalten, wurden in der Stuttgart-Umfrage 2023 gezielt Fragen zum Thema Einsamkeit gestellt und ausgewertet. Diese Fragen sollen regelmäßig in die Stuttgart-Umfrage aufgenommen werden, um damit auch eine langfristige Beobachtung sicher zu stellen (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, in: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 3/2024, S. 48-60).

Die Auswertung der Stuttgart-Umfrage 2023 zeigt, dass sich 11,6 %, d.h. rund 58.000 Personen ab 16 Jahren, in Stuttgart einsam fühlen. Damit liegen die Stuttgarter Daten im Rahmen des Bundesdurchschnitts von 11,3 % des Jahres 2021 (Einsamkeitsbarometer der Bundesregierung, Mai 2024).

Die bereits 2021 identifizierten Risikogruppen für Einsamkeit wurden bestätigt und um weitere Faktoren erweitert. Einsamkeit zeigt sich somit tendenziell eher bei


Mit dieser Datenbasis verfügt Stuttgart nun nach Auskunft des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg über eine in Baden-Württemberg einzigartige Datenlage. Perspektivisch ist angedacht, die statistische Erfassung von Einsamkeit in Stuttgart mit weiteren kleinräumigen Daten anzureichern, um zu ermitteln, in welchen Stadtteilen oder gar Quartieren besonders viele der von Einsamkeit betroffenen Personengruppen leben. An dieser Frage arbeitet aktuell eine bundesweite Arbeitsgruppe im Projekt der Wüstenrot Stiftung „Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere“, an der das Statistische Amt der Stadt Stuttgart zum Thema Einsamkeit mitwirkt.

Die Strategische Sozialplanung nutzt die Stuttgarter Daten, um die Strategie gegen Einsamkeit weiterzuentwickeln und zusammen mit Partnern gezielte neue Vorhaben anzustoßen (vgl. Punkt 3: Umsetzung weiterer Themenschwerpunkte).

3. Umsetzung weiterer relevanter Themenschwerpunkte

3.1 Ansatzpunkt: Teilhabe an der Gesellschaft
Die Auswertung der Stuttgart-Umfrage 2023 zeigt, dass das Einsamkeitsrisiko von Menschen mit einem Haushaltseinkommen von unter 2.000 Euro mit 13 % deutlich erhöht ist (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/ Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, 2024, S. 55). Einsamkeit ist aber gerade bei Armutsbetroffenen nur ein Leidensfaktor in einer multiplen Problemlage, die meist auch weitere Belastungen wie Krankheit, Erwerbslosigkeit, Schulden oder psychosoziale Einschränkungen umfasst. Dies war auch ein Ergebnis der 4. Stuttgarter Armutskonferenz 2023 sowie der Landesarmutskonferenz 2023.

Maßnahmen zur Linderung von Einsamkeit bei Armutsbetroffenen durch soziale Angebote setzt das Netzwerk der Armutskonferenz 2023, die beteiligten Ämter, Stiftungen und Initiativen durch die Weiterarbeit an den Themen der Armutskonferenz um (vgl. GRDrs 418/2024 „4. Stuttgarter Armutskonferenz 2023 – Beschlüsse der Haushaltsplanberatungen 2024/2025 und Nachhaltigkeit“). Wichtig sind kostenfreie Unterstützungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der Begegnung. Teilhabeangebote in verschiedenen Handlungsfeldern und bei verschiedenen Zielgruppen von Armutsbetroffenen sind wichtige Faktoren in der Prävention und auch Linderung von Einsamkeit.

Daran anknüpfend wird das Statistische Landesamt Baden-Württemberg in der 2. Jahreshälfte 2024 einen neuen Gesellschaftsreport zum Thema Armut und Einsamkeit veröffentlichen. Die Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit wird hier als gelungenes kommunales Beispiel für die Linderung von Einsamkeit bei Menschen mit Armutserfahrungen vorgestellt. Darin wird auf die Stuttgarter Bonuscard + Kultur sowie die Stuttgarter Website gegen Einsamkeit mit vielen zumeist kostenlosen und niederschwelligen Angeboten, wie Kultur für alle e.V., die „Straßen-Universität“ des Sozialunternehmens Neue Arbeit gGmbH etc. hingewiesen.

Die Auswertung der Stuttgart-Umfrage 2023 zeigt zudem, dass „Personen, die sportlich aktiv sind, seltener von Einsamkeit betroffen sind“ (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/ Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, 2024, S. 56). Damit Sport bei Armutsbetroffenen zur Linderung von Einsamkeit beitragen kann, gibt es seitens des Amts für Sport und Bewegung viele kostenfreie und niederschwellige Angebote wie etwa die „Stadtteilspaziergänge“ oder „Sport im Park“, sowie Vergünstigungen für Bonuscard-Nutzer und -Nutzerinnen. Eine Übersicht der Angebote ist auf der Homepage www.stuttgart-bewegt-sich.de zu finden sowie in beigefügter Präsentation. Das Amt für Sport und Bewegung ist durchgehend ein aktiver Partner, um mit niederschwelligen Ansätzen Bewegung und das Erleben von Gemeinsamkeit zu verbinden; die Sportvereine wurden ebenfalls einbezogen.

Auch der Aspekt der Teilhabe an Arbeit und Betätigung ist ein wichtiger Baustein der Strategie gegen Einsamkeit. Aus diesem Grund hat sich die Strategische Sozialplanung bei der regionale Arbeitsmarktstrategie 2025 der Stadt Stuttgart für die Umsetzung des Europäischen Sozialfonds (ESF Plus) für die Aufnahme eines Peer-Mentoring-Programms für langzeitarbeitslose Menschen ab 55 Jahren in sozialen Einrichtungen eingesetzt. Auch damit kann Einsamkeit überwunden werden.

3.2 Ansatzpunkt: Räumliche Planung und Stadtgestaltung
Ein weiterer Schwerpunkt besteht darin, die städtebaulichen Gegebenheiten und die räumliche Planung mehr für Einsamkeit zu sensibilisieren, da alleinlebende Personen oder solche mit geringer Verweildauer in Stuttgart laut Stuttgart-Umfrage 2023 besonders von Einsamkeit betroffen sind (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/ Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, 2024, S. 54). Eine erste Information planerischer Kreise erfolgte auf zwei Wegen: Die räumlichen Aspekte von Einsamkeit aus Sicht der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit wurden in der referatsübergreifenden Arbeitsgruppe sozialverträgliche Planung (AGSP) des Amts für Stadtplanung und Wohnen am 07.12.2023 vorgestellt und regelmäßig in konkrete Planungen eingebracht.

Diese Erkenntnisse fanden zudem Eingang in einen Artikel der Strategischen Sozialplanung in der in Fachkreisen weit verbreiteten Fachzeitschrift „PLANERIN“ (vgl. Anlage 5: Neumann/Reichhardt, „Die Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit. Ein integrierter Planungsansatz zur Linderung von Einsamkeit“, in: PLANERIN 1/2024, S. 18-21). Darin wird am Beispiel des Stuttgarter Quartiers am Rotweg aufgezeigt, wie sich die Gestaltung von Raum- und Gelegenheitsstrukturen positiv auf das Einsamkeitserleben auswirken kann, wenn sie niederschwellige soziale Begegnungen und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Das Spektrum möglicher Ansatzpunkte reicht hierbei vom Ausbau begegnungsförderlicher „Dritter Orte“ (Begegnungsstätten, Stadtteil- und Familienzentren etc.) über kommunikative bauliche Wohnstrukturen (Gemeinschaftsflächen, Laubengänge uvm.) bis hin zu kreativen ehrenamtlichen Ideen, wie das Friedhofscafé „Café Kränzchen“ der Bürgerstiftung Stuttgart. Wichtige Aspekte werden regelmäßig auch in die Arbeitsgruppe sozialverträgliche Planung des Amtes für Stadtplanung eingebracht.
3.3 Ansatzpunkt: Gesundheit
Menschen mit schlechter Gesundheit oder chronischer Erkrankung sind besonders häufig von Einsamkeit betroffen. Das Einsamkeitsrisiko dieser Personengruppe ist laut Stuttgart-Umfrage 2023 um 19 bis 29 % erhöht (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/ Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, 2024, S. 53f.). Eine wichtige Maßnahme gemeinsam mit dem Gesundheitsamt ist daher der Ausbau der Kooperationen mit medizinischen Einrichtungen, Apotheken und Fach- und Hausarztpraxen. Diese sind als sogenannte „eh-da-Orte“ wichtige Anlaufstellen für Menschen, die ansonsten kaum noch soziale Kontakte pflegen. Modelle des international erprobten „social prescribing“, bei denen soziale Aktivitäten ärztlich verschrieben werden, könnten auch hierzulande Anwendung finden. Inzwischen gibt es dazu auch Pilotprojekte in Deutschland. Aufgrund der aktuellen Überlastung des hausärztlichen Systems in Stuttgart wird dieser Ansatz zunächst jedoch zurückgestellt.

Angedacht ist hingegen eine Kontaktaufnahme mit weiteren Formaten im medizinischen Vor- und Umfeld. So stellte die Evangelische Müttergenesung Württemberg am 17.04.2024 im Rahmen der Online-Veranstaltungsreihe „Auf ein Wort gegen Einsamkeit“ ihre stationären Vorsorgemaßnahmen für einsamkeitsbelastete Mütter und Väter in Familienverantwortung vor und vernetzte sich u.a. mit den Teilnehmenden des Klinikums Stuttgart. Weitergehend soll mit dem Projekt PORT (Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung) am Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung kooperiert werden. Ziel ist es, über die dort geplante niederschwellige Begegnung Erfahrungen zum Thema Einsamkeit zu generieren.

Um die Senkung des Einsamkeitsrisikos pflegender Angehöriger kümmert sich das im Stuttgarter Doppelhaushalt 2024/25 beschlossene Projekt des Klinikums Stuttgart (vgl. GRDrs 604/2023 „Förderung des Projektes Ausbau transsektoraler Angehörigenarbeit des Klinikums Stuttgart“). Durch das Angebot sollen pflegende Angehörige mehr für ihre eigene Gesundheitsförderung und für präventive Maßnahmen gegen Einsamkeit sensibilisiert werden. Dazu werden sie in wohnortnahe und niederschwellige Angebote in den Stuttgarter Quartieren vermittelt, Angebote in den Quartieren werden dort sinnvoll ergänzt, wo sie fehlen. Ein Ausbau der Vernetzung wohnortnaher professioneller Dienste und Begegnungsangebote wird angestrebt.

3.4 Ansatzpunkt: Kultur und soziale Integration
Personen mit Diskriminierungserfahrungen leiden besonders unter Einsamkeit. Ihr Einsamkeitsrisiko liegt um 10% höher als das von Menschen ohne solche Erlebnisse (vgl. Anlage 4: Heinsohn/Neumann/Reichhardt: „Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit“, 2024, S. 56). Ursache hierfür ist der damit einhergehende Vertrauensverlust und der häufige Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Betroffene bringen sich gesellschaftlich weniger ein und nehmen auch Kultur- und Freizeitangebote in geringerem Umfang wahr.

Niederschwellige Kulturveranstaltungen, die diese Diskriminierungserfahrungen zum Thema machen, können wichtige Ansatzpunkte sein. Ein sehr erfolgreiches Format war die Lesung des Buchs „Allein“ von Daniel Schreiber mit anschließender Diskussion am 12.03.2024 in der Dürnitz im Landesmuseum Württemberg. Mehr als 160 Personen haben die Veranstaltung besucht. In dieser Kooperationsveranstaltung der Strategischen Sozialplanung mit der Abteilung für Chancengleichheit und dem Landesmuseum Württemberg wurde das Thema Einsamkeit vor allem aus männlicher und LSBTTIQ-Perspektive diskutiert.

Die Schauspielbühnen in Stuttgart (Altes Schauspielhaus, Komödie im Marquardt) werden die Spielzeit 2024/2025 mit der Inszenierung eines Stückes gegen Einsamkeit eröffnen, in der eine alleinstehende einsame Seniorin regelmäßig Vertreterbesuch in ihre Wohnung einlädt, ohne etwas zu kaufen. Dieses Stück findet ihn Kooperation mit der Strategische Sozialplanung statt. Einzelne Aufführungen werden mit Begegnungsmöglichkeiten gestaltet.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist das neue Angebot des Vereins „Kultur für alle“, das im städtischen Haushalt 2024/2025 beschlossen wurde (vgl. GRDrs 337/2023 „Förderung des Angebots Kulturbegleiter*innen“). Bonuscard-Inhaberinnen und -Inhaber können sich über den Verein „Kultur für alle“ eine Begleitung für kulturelle Veranstaltungen suchen lassen und diese umsonst besuchen. Auch mehrere Personen mit Bonuscard können als Gruppe Veranstaltungen umsonst besuchen, dies ebenso mit Begleitung, falls gewünscht. Durch eine Begleitung und die Möglichkeit, Veranstaltungen als Gruppe wahrzunehmen, leistet dieses niedrigschwellige Angebot einen wichtigen Beitrag zu mehr kultureller wie sozialer Teilhabe und damit zur Linderung von Einsamkeit bei armutsbetroffenen Menschen (vgl. ausführlich zur Nachhaltigkeit der 4. Stuttgarter Armutskonferenz 2023: GRDrs 418/2024 „4. Stuttgarter Armutskonferenz 2023 – Beschlüsse der Haushaltsplanberatungen 2024/2025 und Nachhaltigkeit“).

3.5 Ansatzpunkt: Freiwilliges Engagement
Die Stärkung des freiwilligen Engagements hat einen präventiven Effekt auf Einsamkeit, sowohl bei den Empfängern und Empfängerinnen der ehrenamtlichen Leistungen wie auch bei den Freiwilligen selbst. In Kürze wird im „W!N-Magazin“ der Stuttgarter Freiwilligenagentur ein Artikel zu den verschiedenen ehrenamtlichen Einsatzfeldern zur Linderung von Einsamkeit erscheinen, der Lust auf ein freiwilliges Engagement macht und Optionen aufzeigt.

Gerade im Ehrenamt stellen sich im Umgang mit einsamen Menschen viele Fragen. Die Freiwilligenagentur Stuttgart plant ab Herbst 2024 eine regelmäßige Schulung zum Thema „Engagement und Einsamkeit“ im Rahmen ihrer Reihe „Treffpunkt Ehrenamt“. In diesem Jahr werden voraussichtlich Stadtteilbibliotheken im Fokus stehen. Das neue Angebot basiert auf zwei erfolgreichen Pilotschulungen zum Thema, die im Frühsommer 2023 von der Strategischen Sozialplanung und der Freiwilligenagentur Stuttgart durchgeführt wurden.









4. Vernetzung

In den Stuttgarter Fachkreisen konnte seit 2022 über Konferenzen sowie Veranstaltungs- und Informationsangebote, wie etwa der Veranstaltungsreihe „Auf ein Wort gegen Einsamkeit“ mit insgesamt neun Online- oder Präsenz-Formaten in anderthalb Jahren, ein Netzwerk gegen Einsamkeit aufgebaut und breit informiert werden. Dieses Netzwerk wird von der Strategischen Sozialplanung stetig beteiligungsorientiert weiterentwickelt und koordiniert. Wichtigste Informationsquelle des Netzwerks ist die Rundmail Einsamkeit der Strategischen Sozialplanung, die mehrfach im Jahr an mehr als 300 Adressen und Multiplikatoren versandt wird und über Veranstaltungen, Neuigkeiten zum Thema Einsamkeit aus Stuttgart und Deutschland sowie wissenschaftliche Erkenntnisse informiert.

Regelmäßig vermittelt die Strategische Sozialplanung über Vorträge auf Tagungen und bei Einrichtungen Wissen über und die Linderung von Einsamkeit, so z.B. bei einem Vortrag im Treffpunkt 50plus im Oktober 2023, bei der Kirchengemeinde St. Georg im Februar 2024 oder der Beratung von Kommunen wie Kirchheim Teck, die sich ebenso gegen Einsamkeit einsetzen wollen. Diese Aktivitäten werden kontinuierlich fortgesetzt.

Als erste deutsche Großstadt, die sich dem Thema Einsamkeit im Rahmen einer umfassenden Strategie widmet, arbeitet Stuttgart mit dem bundesweiten Kompetenznetz Einsamkeit und dem interkommunalen Projekt der Wüstenrot Stiftung „Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere“ eng zusammen. Gemeinsam mit anderen Partnern und Städten wie Dresden, Dortmund und Initiativen aus dem Diakonischen Werk der EKD usw. werden erste bundesweite Erfahrungen ausgewertet, um Leitlinien zu erarbeiten, wie Einsamkeit im Quartier vorgebeugt oder gelindert werden kann. Gemeinsam mit dem Statistischen Amt, das zu diesem Thema an einer weiteren Arbeitsgruppe teilnimmt, sollen für Stuttgart weitere Erkenntnisse abgeleitet werden. Die Ergebnisse des Projekts werden dem Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgestellt.

Der Deutsche Städtetag zeigt Interesse an den Stuttgarter Aktivitäten im Bereich Einsamkeit und wurde im April 2024 von der Bürgermeisterin Dr. Sußmann über die Meilensteine und Erfahrungen der Stuttgarter Strategie gegen Einsamkeit informiert.

Im Stuttgarter SDG-Bericht 2024 „Lebenswertes Stuttgart – Die globale Agenda 2030 auf lokaler Ebene“ wird beim SDG 10 „Weniger Ungleichheiten“ ein Indikator zum Thema Einsamkeit aufgenommen. Einsamkeit ist ein individuelles und ein gesellschaftliches Problem. Die Stärkung des Zusammenlebens und der Teilhabemöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger sind grundlegende Bausteine einer nachhaltigen Stadtentwicklung und einer demokratischen Gesellschaft.


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Anlage 5_Artikel Stuttgart gegen Einsamkeit_PLANERIN 1-2024.pdf
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Anlage 4_Artikel Einsamkeit in Stuttgart_Stat. Monatsheft_3_2024.pdf
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Anlage 3_Reporting urban propaganda_Soziale Medien Kampagne GemEINSAMkeiten.pdf
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Anlage 2_Kampagne GemEINSAMkeiten im öffentlichen Raum.pdf