Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 226/2017
Stuttgart,
05/18/2017


Projekt "Teilhabe am Arbeitsleben - Angebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung am Übergang von Förder- und Betreuungsgruppen und den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)" - Abschlussbericht



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich29.05.2017

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 27 UN-BRK) sollen alle Menschen mit Behinderung Zugang zu Arbeit und Beschäftigung haben. Das Ziel der Sozialverwaltung ist es, die Teilhabe am Arbeitsleben für alle Menschen mit Behinderung schrittweise dieser Maßgabe anzunähern. Dabei stellt die Beschäftigung im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich der WfbM ein wichtiges Teilziel dar, das von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung auch geteilt wird.

Hier setzt ein Projekt an, das im Mai 2014 vom Sozialamt gemeinsam mit den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) des bhz Stuttgart e. V., den Neckartalwerkstätten des Caritasverbands für Stuttgart e. V. und den Stuttgarter Werkstätten der Lebenshilfe GmbH begonnen und im Juli 2015 erweitert wurde (GRDrs 505/2015 „Projekt „Teilhabe am Arbeitsleben – Angebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung am Übergang von Förder- und betreuungsgruppen und den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“ – Zwischenbericht“. Es hat das Ziel, Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf den Verbleib im Arbeitsbereich zu sichern bzw. ihnen den Wechsel vom Förder- und Betreuungsbereich in den Arbeitsbereich zu ermöglichen.

Projektergebnisse

Durch individuelle Betreuung am Arbeitsplatz und über ergänzende strukturelle Veränderungen in der WfbM konnten positive Entwicklungen bei den 17 Projektteilnehmern erreicht werden. Durch die auf den jeweils individuellen Unterstützungsbedarf zugeschnittenen Maßnahmen können sie auch über das Projekt hinaus im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich bleiben. Darüber hinaus ist bei mindestens 4 Personen zeitnah ein Wechsel vom Förder- und Betreuungsbereich in den betreuungsintensiven Arbeitsbereich möglich. Im Fokus des Projektes standen Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen, junge Menschen aus dem Berufsbildungsbereich, deren Übergang in den Arbeitsbereich der WfbM gefährdet war, sowie Menschen, die aufgrund ihres Verhaltens im Förder- und Betreuungsbereich waren. Die Wirkungen der im Projekt erprobten Maßnahmen veranschaulichen 3 Beispiele (Anlagen 2a, 2b, 2c), die exemplarisch für diese 3 Gruppen von den beteiligten WfbM beschrieben wurden.

Ausblick

Die im Projekt erprobten Maßnahmen haben sich als geeignet erwiesen, Menschen mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf Zugang zur Teilhabe an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in der WfbM zu ermöglichen. Das personenzentrierte Unterstützungsangebot soll deshalb über das Projektende am 30.04.2017 hinaus fortgeführt werden. Bei der Vertragskommission des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), der für die landesweite Weiterentwicklung zuständig ist, wurde der Unterstützungsbedarf zur Teilhabe an Arbeit ebenfalls erkannt und eine entsprechende Differenzierung der Leistungstypen wird vorbereitet. Die Erfahrungen dieses Projektes werden in die landesweite Regelung einbezogen. Bis zum Vorliegen dieser differenzierten Leistungstypen bzw. bis 30.04.2019 wird für bis zu 46 Personen im betreuungsintensiven Arbeitsbereich der WfbM ein erhöhtes Entgelt gezahlt werden. Der Zugang zu diesen WfbM-Plätzen erfolgt wie im Projekt über das Fallmanagement des Sozialamtes.

Eine Forderung aus dem Beteiligungsprozess zum Fokus-Aktionsplan (GRDrs 415/2015 „Stuttgarter Fokus-Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“, AG Arbeit und Bildung, Anlage 2) war, die Fördersystematik bei der Teilhabe an Arbeit auszudifferenzieren und weiterzuentwickeln. Mit der Weiterführung des betreuungsintensiven WfbM-Angebots als Regelangebot trägt das Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart dieser Forderung Rechnung.

Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Werner Wölfle
Bürgermeister





1. Ausführlicher Bericht
2a) Projektbeispiel des bhz Stuttgart e. V.
2b) Projektbeispiel des Caritasverbandes für Stuttgart e. V.
2c) Projektbeispiel der Lebenshilfe Stuttgart e. V.
3. Stellungnahme des Beirats Inklusion - Miteinander Füreinander
Die Anlagen 2a) bis 3 werden ausschließlich elektronisch zur Verfügung gestellt.


Ausführlicher Bericht

Projekt „Teilhabe am Arbeitsleben – Angebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung am Übergang von Förder- und Betreuungsgruppen und den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“ – Abschlussbericht

Ausgangslage

Zum Stichtag 31.12.2015 haben in der Landeshauptstadt Stuttgart insgesamt 389 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung im erwerbsfähigen Alter ein Förder- und Betreuungsangebot besucht. 861 Personen waren im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt (GRDrs 635/2016 „Entwicklung der Angebote für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung in den Bereichen Wohnen und Tagesstruktur in der Landeshauptstadt Stuttgart (Erhebung 31.12.2015)“. Im Vergleich zum Erhebungsjahr 2013 ergibt sich im Arbeitsbereich der WfbM eine Steigerung der Teilnahme um 4 %, während die Zahl der Personen im Förder- und Betreuungsbereich um 11 % gestiegen ist. Ziel des Projektes ist es, möglichst vielen Menschen mit Behinderung Zugang zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich der WfbM zu ermöglichen oder zu erhalten.

Menschen, deren Leistungsfähigkeit bedingt durch Alter, Erkrankung oder fortschreitender Behinderung kontinuierlich abnimmt, wurden nicht in das Projekt einbezogen.

Projektergebnisse

Am 31.01.2017 als Stichtag der Auswertung wurden 17 Personen aus dem Arbeitsbereich (von insgesamt 20 Personen im Verlauf des Projektes) und 6 Personen aus dem Förder- und Betreuungsbereich im Projekt begleitet und in die Auswertung einbezogen. Seit Beginn am 01.05.2014 sind 2 Personen verstorben und 4 Personen haben das Projekt aus Krankheitsgründen oder wegen anderer Maßnahmen verlassen. Die Erfahrungen der WfbM-Leistungserbringer mit 7 Teilnehmenden aus den Nachbarlandkreisen wurden mit in die Auswertung einbezogen (Kostenträger waren die Nachbarlandkreise).

Menschen mit Behinderung, deren körperlichen Einschränkungen oder deren Verhalten die Teilhabe an der Arbeit in der WfbM beeinträchtigte, standen zunächst im Mittelpunkt des Projektes.

Durch die Erweiterung des Projektes (GRDrs 505/2015 „Projekt „Teilhabe am Arbeitsleben – Angebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung am Übergang von Förder- und Betreuungsgruppen und den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“ – Zwischenbericht“) konnten Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf aus dem Berufsbildungsbereich in den betreuungsintensiven Arbeitsbereich des Projektes wechseln.

Maßnahmen

Wie im Zwischenbericht beschrieben, wurden in allen beteiligten WfbM die Projektmittel von rund 6.000 EUR je Person und Jahr für zusätzliche Fachkräfte verwendet und entsprechend der Erweiterung des Projektes und der Leistungen für die Personen aus den Nachbarlandkreisen Neueinstellungen vorgenommen. Die Fachkräfte wurden mit der Durchführung der personenbezogenen Maßnahmen entsprechend der Ziele im Hilfeplan beauftragt, die gemeinsam mit dem Fallmanagement des Sozialamtes, den Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen sowie mit den Trägern der WfbM vereinbart worden waren.

Beispiele für personenbezogene Maßnahmen sind: individuelle Betreuung am Arbeitsplatz, persönliche Zuwendung, um Weglauftendenzen entgegen zu wirken, Einzelbegleitung in bestehende Arbeitsgruppen, Sprachtraining, Eingehen auf den hohen körperlichen hilfebedarf, individuell benötigter Wechsel von Arbeits- und Ruhephasen gestalten, zusätzliche Angebote zur Stabilisierung sowie zur Verbesserung von Konzentration und Ausdauer initiieren. Drei Beispiele (Anlage 2) veranschaulichen die über das Projekt möglich gewordenen Maßnahmen und machen deutlich, in welcher Weise die Teilhabe an Arbeit für die einzelnen Menschen mit Behinderung verbessert werden konnte. Jedes Beispiel steht für eine Gruppe von Personen – mit schwerer körperlicher Behinderung, mit Förderbedarf im Anschluss an den Berufsbildungsbereich, mit Unterstützungsbedarf wegen Besonderheiten im Verhalten, die ein auf ihre individuellen Möglichkeiten zugeschnittenes Unterstützungsangebot erhalten haben.

Ergänzend wurden strukturelle Veränderungen in der WfbM vorgenommen. So wurden beispielsweise „Arbeitsinseln“ für die stundenweise Beschäftigung mit individueller Betreuung eingerichtet oder lärm- und reizarme Bereiche als Rückzugsmöglichkeit geschaffen. Spezifische Hilfsmittel wurden eingesetzt und Vorrichtungen entwickelt, das Spektrum an Arbeitsaufträgen ohne Produktionsdruck wurde erweitert, Aufträge an die vorhandenen Fähigkeiten angepasst und über Eigenprodukte neue erschlossen.

Wirkungen

Alle Personen, die im Projekt unterstützt wurden, konnten von den Maßnahmen profitieren und ihre Arbeitsleistungen nachweisbar verbessern. Mit Weiterführung der personenzentrierten Unterstützungsangebote können alle Teilnehmenden im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich der WfbM bleiben. Zum Projektende können mindestens 4 Personen vom Förder- und Betreuungsbereich wechseln. Bei einzelnen Personen erscheint ein Wechsel in den regulären Arbeitsbereich ohne zusätzliche Betreuung oder eine Aufnahme in den Berufsbildungsbereich zum Jahresende 2017 realistisch.

Für die Mitarbeitenden bot das Projekt die Chance, den eigenen Kompetenzbereich zu erweitern, kreative Lösungen zur Überwindung von Teilhabehemmnissen zu finden und das erworbene Wissen über Konsultationen und kollegiale Beratung weiterzugeben.

Der Stellenwert von Arbeit und das Bewusstsein, an einzelnen Arbeitsschritten mitzuwirken, sind nach Aussage der Fachkräfte und Leitungskräfte der WfbM nicht nur im Arbeits- sondern auch im Förder- und Betreuungsbereich gestiegen. Im Projekt wurde die Erkenntnis gewonnen, dass die Dauer (2 Jahre) und die für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen nicht hinreichenden Unterstützungsmöglichkeiten im Berufsbildungsbereich bereits im Vorfeld ein Teilhabehemmnis darstellen.

Bewertung der Ergebnisse

Das Projekt hat gezeigt, dass der personenzentrierte Ansatz und die passgenauen Unterstützungsangebote geeignet sind, die Teilhabe von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in der WfbM nachhaltig zu verbessern. Voraussetzung dafür ist eine Hilfeplanung mit dem Menschen mit Behinderung, bei der individuelle Teilhabeziele gemeinsam mit dem Fallmanagement und den Fachkräften der WfbM erarbeitet und in Maßnahmen umgesetzt werden. Wie die Beispiele in Anlage 2 zeigen, hat die Suche nach passgenauen Aufgaben in der WfbM eine Entwicklung in Gang gesetzt, bei der die Sensibilisierung für geeignete Zugänge zu Arbeit im Mittelpunkt steht. Die WfbM-Beschäftigten, die von dieser Entwicklung profitieren, bestätigen, wie wichtig das Einbezogensein in Arbeit für sie ist und wie diese Teilhabe ihr Selbstvertrauen auch in anderen Lebensbereichen stärkt. Angehörige berichten, dass die durch Über- oder Unterforderung ausgelösten Verhaltensauffälligkeiten seltener vorkommen und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zur Ausgeglichenheit im häuslichen Bereich beiträgt. Bei der Auswertung des Projektes wurde deutlich, dass die positiven Entwicklungen und der Verbleib im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich für einen Teil der WfbM-Beschäftigten nur dann nachhaltig zu sichern sind, wenn das individuelle Unterstützungsangebot erhalten bleibt.

Stellungnahme des Beirats Inklusion - Miteinander Füreinander

Die Mitglieder des Beirats Inklusion - Miteinander Füreinander weisen darauf hin, dass das Ziel der Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für WfbM-Beschäftigte nicht aus dem Blick geraten darf (Anlage 3). Sie betonen, dass die Teilhabe an Arbeit innerhalb der WfbM und die Erfahrung, dabei gut unterstützt zu werden, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit stärkt. Sie plädieren für die Weiterführung des personenzentrierten Ansatzes und wünschen, dass die personellen Ressourcen auch über das Projekt hinaus in der WfbM zur Verfügung stehen.

Finanzielle Auswirkungen

Im Gesamtzeitraum des Projektes vom 01.05.2014 bis 30.04.2017 haben bei den 3 Trägern der WfbM 20 Personen für den betreuungsintensiven Arbeitsbereich ein erhöhtes Werkstattentgelt erhalten. Der Gesamtaufwand für das Projekt ergibt sich aus der Differenz zum Regelentgelt für die Eingliederungshilfeleistung im Arbeitsbereich einer WfbM und beträgt 216.351 EUR. Für die 17 Personen, die zum Projektende im betreuungsintensiven Arbeitsbereich bleiben und nicht in den Förder- und Betreuungsbereich wechselten, ergibt sich die Chance, im sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereich der WfbM Rentenanwartschaften zu erwerben. Das Entgelt für Leistungen im Förder- und Betreuungsbereich wurde im Projekt unverändert gezahlt. Wechsel vom Förder- und Betreuungsbereich in den betreuungsintensiven Arbeitsbereich mindern trotz des erhöhten Entgelts den Gesamtaufwand an Leistungen der Eingliederungshilfe für die Tagesstruktur um 8.651 EUR je Person und Jahr.

Ausblick

Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, dass über die Einführung eines personenzentrierten Unterstützungsangebots die Schnittstelle zwischen dem Förder- und Betreuungsbereich und dem Arbeitsbereich für Menschen mit besonderen Beeinträchtigungen deutlich in Richtung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsbereichs der WfbM verschoben werden kann. Umfang und Höhe der Eingliederungshilfeleistung (unter Berücksichtigung der Tarifsteigerungen ca. 7.000 EUR je Person und Jahr), die im Projekt für dieses Unterstützungsangebot hinterlegt war, entsprechen dem, was der KVJS im Rahmen seiner Überlegungen für die Einführung eines zusätzlichen Leistungstyps als Regelangebot im Arbeitsbereich der WfbM vorsieht. Ohne diese Zwischenstufe im Arbeitsbereich der WfbM würden bei einem Wechsel in den Förder- und Betreuungsbereich im Vergleich zum regulären Arbeitsbereich ca. 14.000 EUR Mehrkosten je Person und Jahr anfallen. Die Erfahrungen des Stuttgarter Modellprojektes fließen in die landesweiten Regelungen ein. Das Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart möchte die durch das Projekt angestoßenen Entwicklungen weiter fördern und mehr Menschen mit Behinderung und entsprechendem Bedarf Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ermöglichen. Bis zur Einführung eines neuen Leistungstyps bzw. bis 30.04.2019 wird diese Eingliederungshilfeleistung zur Teilhabe an Arbeit für bis zu 46 Menschen mit Behinderung bezahlt. Mit der Ausdifferenzierung in der Fördersystematik der WfbM, die sich dadurch ergibt, wird einer Forderung aus dem Beteiligungsprozess zum Fokus-Aktionsplan (GRDrs 415/2015 „Stuttgarter Fokus-Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“, AG Arbeit und Bildung, Anlage 2) Rechnung getragen. Darüber hinaus lässt sich das im Projekt Erarbeitete zukünftig unter dem Stichwort „Budget für Arbeit“ (§ 61 SGB IX) mit den Entwicklungen verknüpfen, die aus dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) resultieren werden.

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