Protokoll:
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
124
1
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
27.10.2017
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
EBM Föll
Berichterstattung:
Herr Heger (MSG)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
fr
Betreff:
Die Stuttgarter Markthalle braucht Parkplätze
- Antrag Nr. 276/2017 (CDU) vom 29.09.2017
Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Zunächst begründet StRin
Porsch
(CDU) den Antrag ihrer Fraktion. Sie ergänzt, der Antrag sei auch im Bezirksbeirat gestellt und dort mit dem Verweis auf den Zielbeschluss abgelehnt worden. Als weiteres Argument fügt sie hinzu, dass viele kleinere Händler einen Stellplatz für die täglich mehrmalige Anlieferung bräuchten. Sie betont, dass ihre Fraktion den Wegfall der Parkplätze in der Stadt generell ablehne.
Herr
Heger
bestätigt die Bedeutung der Parkplätze für die Händler und Kunden sowohl in Bezug auf die Markthalle als auch auf die Wochenmärkte. Die Kunden wollten schwere Lebensmittel oder Kartonagen mit Pflanzen nicht weit tragen. Zur Parkplatzsituation führt er aus, in der Dorotheenstraße befänden sich vor den Arkaden 16 öffentliche Parkplätze. Auf der gegenüberliegenden Seite zum Alten Schloss hin gebe es 16 vor ca. 30 Jahren entwidmete Parkplätze. Diese stünden den Händlern der Markthalle für ihre Lieferfahrzeuge zur Verfügung. 12 davon seien heute noch an Händler der Markthalle vermietet. Diese Lieferfahrzeuge könnten aufgrund ihrer Höhe nicht in die umliegenden Parkhäuser fahren. Mit Blick auf die Ziffern 2 und 3 des Antrags Nr. 205/2017 ("Eine lebenswerte Stadt für alle!") könnten zumindest die 12 entwidmeten Plätze weiterhin für Lieferfahrzeuge erhalten bleiben. Im Übrigen unterstütze er die von StRin Porsch vorgebrachten Argumente.
StR
Winter
(90/GRÜNE) weist darauf hin, dass viele andere Beschicker und Händler in Stuttgart ohne solche Parkplätze zurechtkommen müssten. Im Antrag Nr. 205/2017 gehe es nur um die rund 150 oberirdischen Parkplätze, die einem Parkplatzangebot von 10.000 bis 12.000 Plätzen in Parkhäusern gegenüberstünden. Und allein 150 Plätze seien in einer sehr komfortablen und großen Tiefgarage im Dorotheen-Quartier (DOQU) geschaffen worden. Dieses sei komplett autofrei, was sich auf die Aufenthaltsqualität sehr positiv auswirke. Nun sollten direkt vor dem Alten Schloss langfristig 12 Kastenwagen parken dürfen. Die Markthalle sei aufgrund der Baustelle lange Zeit gar nicht anfahrbar gewesen und trotzdem noch besucht worden. Der Platz zwischen Markthalle und Altem Schloss sei eigentlich sehr schön und könnte ansprechender gestaltet werden, als als Abstellplatz von Lieferwagen. Auch seine Fraktion habe mit dem AK Handel, in dem auch Beschicker der Markthalle vertreten seien, gesprochen. Dort gebe es sehr unterschiedliche Meinungen zur Gestaltung des Umfelds. Grundsätzlich werde eine hohe Aufenthaltsqualität gewünscht. Die Markthalle stelle ein Kleinod mit einer Ansammlung von Einzelhändlern dar. Es bereite auch ihm Sorge, dass zwar viele Touristen durch die Markthalle schlenderten, jedoch nichts kauften. Eventuell könne man hier Ideen entwickeln. Er bittet Herrn Heger, dies bei den regelmäßigen Treffen anzusprechen. Wichtig sei zunächst eine Diskussion zu starten. Seine Fraktion werde Ziffer 2 des Antrags Nr. 276/2017 ablehnen.
Der Beschreibung der Stuttgarter Markthalle durch StRin Porsch könne er uneingeschränkt zustimmen, so StR
Pfeifer
(SPD). Das bedeute aber nicht, dass man zum gleichen Schluss kommen müsse wie die CDU in ihrem Antrag. Auch er habe mit Händlern der Markthalle gesprochen, die unterschiedliche Meinungen verträten. Neben Befürwortern von Parkplätzen gebe es auch solche, die den Wechsel bei den Kunden begrüßten. Grundsätzlich weise auch er darauf hin, dass es beim Antrag Nr. 205/2017 lediglich um rund 150 oberirdische Parkplätze gehe. Im Detail sei noch nicht geplant, wo z. B. Behindertenparkplätze vorgesehen seien und wie die notwendige Lieferung organisiert werden solle. Insofern betrachte er den Antrag Nr. 276/2017 als politischen Show-Antrag. In der Markthalle würden keine Großeinkäufe getätigt. Und um die Markthalle herum gebe es über 500 öffentliche Stellplätze. Er erinnert daran, dass auch in Bezug auf den Neubau der Rathausgarage ein Katastrophenszenario beschworen worden sei, das sich bisher so nicht ergeben hätte. Die gegenwärtige Situation vor der Markthalle mit Autos in zweiter Reihe, die mit laufendem Motor warteten, entspreche nicht seiner Vorstellung von Innenstadtqualität. Er regt an, mit den Beschickern der Markthalle zu diskutieren, was notwendig sei und was verändert werden sollte. Seine Fraktion lehne den Antrag Nr. 276/2017 ab.
StR
Ozasek
(SÖS-LINKE-PluS) betont, dass seine Fraktionsgemeinschaft ein großer Fan der Markthalle und auch von Markthallen allgemein sei. Sie schätze neue Ideen in Stadtbezirken, z. B. in Untertürkheim, und wünsche ihnen, dass sie realisiert werden. Die Markthalle müsse in ihren Funktionen - Versorgung, Attraktion, Magnet für Menschen - gestärkt werden. Seine Fraktionsgemeinschaft plädiere dafür, dass die Parkplätze wegfielen, um auf diesen Flächen neue Funktionen zu installieren. Zum Beispiel könnten Marktstände in Richtung Karlsplatz entwickelt werden, ähnlich dem Sporerplatz. Damit schaffe man einen einladenden Charakter für die Markthalle. Man müsse diesen Prozess als Chance begreifen, die Markthalle zu stärken und die Dorotheenstraße attraktiver zu gestalten. Die Parkplätze seien in den letzten Jahren durch die Gewerke am DOQU belegt gewesen. Und dennoch habe man keinen Niedergang der Markthalle erleben können. Er fasst nochmals kurz die Zielsetzung des Antrags Nr. 205/2017 zusammen, der am 26.07.2017 im Gemeinderat beschlossen worden sei (siehe GR-NNr. 149), und er fügt hinzu, ein Blick auf andere europäische Großstädte, die ihre Fußgängerzonen ausgeweitet und den Radverkehr gestärkt hätten, zeige, wie viel Geld diese Menschen in die Stadt brächten, was wiederum zur Revitalisierung der Einkaufslagen beitrage.
Die Unterstützung des Antrags sagt StR
Klingler
(AfD) im Namen seiner Fraktion zu. Verkehrsmittel und -wege müssten in einem sinnvollen Mix entwickelt werden. Nicht akzeptieren könne er jedoch, dass der Bevölkerung aus ideologischen Gründen etwas aufgezwungen werden solle. Die Menschen wollten selbst über die Wahl des Verkehrsmittels entscheiden. Analog der Baumschutzsatzung müsse auch für jeden wegfallenden Parkplatz ein Ersatzparkplatz geschaffen werden. Die Markthalle könne mit dem DOQU nicht verglichen werden, denn dieses sei quasi eine kleine Stadt für sich und habe keine Verbindung zum übrigen Einzelhandel in der Stadt. Wenn man eine lebenswerte Stadt für alle wolle, müsse dies auch für Menschen gelten, die z. B. aufgrund einer Behinderung in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt seien.
StR
Dr. Oechsner
(FDP) kann der Auffassung von StR Pfeifer, beim Antrag Nr. 276/2017 handle es sich um einen politischen Show-Antrag, nicht zustimmen. Denn in der Politik gehe es darum, Dinge einzuschätzen, und hier komme die CDU - wie auch er selbst - offensichtlich zu einer anderen Einschätzung als die Gruppierung. Wenn man nun die oberirdischen Parkplätze reduziere, mache man den zweiten Schritt vor dem ersten. Zuerst müsse man ein ausreichendes Angebot an Mobilität ohne Auto schaffen. Im vorliegenden Fall müsse man sich konkret fragen, warum die Bürger die Parkplätze in der benachbarten Tiefgarage nicht annähmen. Wenn aus dem angekündigten Plan hervorgehe, dass es notwendig sei, die oberirdischen Parkplätze zumindest über eine gewisse Zeit zu erhalten, sollte dies von allen akzeptiert und nicht ideologisch entschieden werden. Er werde dem Antrag 276/2017 zustimmen.
Auch StR
Kotz
(CDU) bezieht sich auf den Antrag Nr. 205/2017 (siehe GR-NNr. 149) und hätte sich hier gewünscht, dass dieser ein Gesprächsangebot mit allen Betroffenen enthalte und man dann das Ergebnis umgesetzt hätte.
Dem gefassten Zielbeschluss, so StR
Winter
, würden einzelne Umsetzungsbeschlüsse folgen. So habe man nun über die Maßnahme Markthalle diskutiert, ohne direkte Umsetzungspläne zu haben. Selbstverständlich müsse man mit den Beschickern der Markthalle sprechen, und es habe sich in vielen Gesprächen herausgestellt, dass etliche die Umgestaltung als Chance sehen. Er betont nochmals, dass es um die Markthalle herum durch die Tiefgarage im DOQU mehr Parkplätze als vorher gebe.
StR
Pfeifer
erinnert daran, dass der Zielbeschluss im Gemeinderat mehrheitlich gefasst worden sei. Nun versuchten die Gegner dieses Beschlusses, im WA eine andere Mehrheit zu erhalten. Zu einer Diskussion über einen vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung vorgelegten Plan sei er jederzeit bereit.
Für StR
Rockenbauch
(SÖS-LINKE-PluS) ist es unstrittig, dass die Menschen in der Innenstadt, egal ob als Kunden, Anwohner oder Händler, unter der Ideologie der autogerechten Stadt litten. Den Antrag Nr. 276/2017 stufe er als Show-Antrag ein, denn man müsse zunächst die kausale Konstruktion hinter den Ängsten der Menschen prüfen. Die These, dass die Existenz der Markthalle an 16 Parkplätzen hänge, sei schlicht falsch. Das Gegenteil sei durch empirische Studien in vielen anderen europäischen Innenstädten nachgewiesen. Wenn nun hinter der Angst kein kausaler Zusammenhang stehe, ein solcher aber propagiert werde, handle es sich um einen Show-Antrag. Von der Rückabwicklung der autogerechten Stadt würden am Ende die Menschen und die Händler profitieren, wie alle Studien bewiesen.
Deutliche Kritik übt StRin
Porsch
daran, dass hier Personen, die von Handel keine Ahnung hätten, den Händlern erklärten, wie sie ihr Geschäft auszuüben hätten. Auch sie weist den Vergleich zwischen Markthalle, wo eben schwerere Güter gekauft würden, und DOQU als unzutreffend zurück. Man sollte die Wünsche der Händler zur Kenntnis nehmen.
An StR Rockenbauch wendet sich StR
Klingler
mit dem Hinweis, wenn man die Ängste der Menschen ernst nehme, dürfe man hier nicht selektieren, sondern müsse alle einbeziehen. Viele Menschen wollten nun einmal Parkplätze haben. Und diese seien für die Grundversorgung auch wichtig. Er vermisst konkrete Beispiele, in welchen anderen europäischen Innenstädten das Konzept reduzierter oberirdischer Parkplätze funktioniere.
EBM
Föll
stellt abschließend fest, dass die Antragsteller zu Ziffer 2 des Antrags Nr. 276/2017 zunächst keine Abstimmung wünschten und den Antrag mit der Diskussion vorläufig als erledigt betrachteten. Wenn die Planung konkreter werde, wollten sie die Thematik weiterverfolgen.
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