Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
5600-00
GRDrs
853/2020
Stuttgart,
10/13/2020
Frühkindliche Bewegungsförderung in Stuttgart – Aktueller Stand und Vorschläge zur Weiterentwicklung
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Sportausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
15.03.2021
14.12.2020
03.11.2020
Bericht:
Einleitung
Bewegung, Spiel und Sport sind für die körperliche, motorische, emotionale, psychosoziale und kognitive Entwicklung von Kindern unerlässlich
Graf C, Klein D (2011): Bewegung bei Vorschulkindern: Empfehlungen und Wirklichkeit. Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel – Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2011; 4 (2), 16-20, S. 16
. Bewegung fördert nicht nur die gesunde Entwicklung der Kinder und ist ein wesentlicher Teil davon: Bewegung gehört neben Lebenskompetenz und Ernährung zum Nationalen Gesundheitsziel „Gesund aufwachsen“
Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.) (2010): Nationales Gesundheitsziel. Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung. Berlin, S. 20 ff
.
Der Orientierungsplan Baden-Württemberg sieht im Kita-Alter den Erwerb grundlegender Bewegungsformen und das Erweitern und Verfeinern grobmotorischer Fertigkeiten und Fähigkeiten vor
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2011): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen. Stuttgart: S,29
. Hierzu zählen komplexe Bewegungsabläufe wie Fahrradfahren sowie Bewegungsfertigkeiten wie etwa Balancieren, Hüpfen und Springen auf beiden und einem Bein, Klettern und Hangeln oder Rollen und Wälzen, die relevant für eine gesunde motorische Entwicklung sind.
Abgesehen vom allgemeinen gesundheitlichen Nutzen wirkt regelmäßige Bewegung auch vorbeugend für nicht übertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes.
Ebd.
Die Förderung der körperlichen Aktivität im Kindesalter legt die Grundlage für einen aktiven Lebensstil im Erwachsenenalter und beugt Adipositas vor
Mead E et al. (2017), Kwon S et al. (2015) und Rauner A et al. (2015) in: Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2018): Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring. 2018 3 (1), S. 24
, was wiederum ein Risikofaktor für die o.g. Erkrankungen ist.
Es gibt verschiedene Empfehlungen zur Bewegungszeit von Kindern. Auf Basis von mehreren internationalen Empfehlungen hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für 4- bis 6-Jährige folgende Bewegungsempfehlung herausgegeben:
·
180 Minuten am Tag und mehr
·
so wenig wie möglich Sitzzeiten, maximal 30 Minuten am Tag Bildschirmzeit
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2016): Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Sonderheft 03. Köln, S. 23
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder:
·
mindestens 60 Minuten am Tag moderate bis intensive körperliche Aktivität, verbunden mit dem Hinweis, dass eine längere Bewegungszeit zusätzlich gesundheitsfördernd wirkt.
https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/physical-activity
abgerufen am 08.01.2020
Auch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Adipositas (AGA) orientiert sich an der WHO-Empfehlung und spezifiziert für das Kleinkind- und Vorschulalter:
·
mindestens 60 Minuten am Tag strukturierte körperliche Aktivität
·
zusätzlich mindestens 60 Minuten am Tag unstrukturierte körperliche Aktivität
·
nicht länger als 60 Minuten am Stück inaktiv sein (Schlafenszeit ausgenommen)
Wabitsch M, Kunze D (federführend für die AGA). Konsensbasierte (S2) Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Version 15.10.2015;
www.a-g-a.de
In der Regel ist der Bewegungsdrang bei Kindern im Kindergartenalter sehr ausgeprägt, und die Kinder brauchen wenig bis keine Hilfsmittel um sich unstrukturiert, also frei zu bewegen. Für die strukturierte, also angeleitete Aktivität durch einen Erwachsenen gibt es je nach Setting zahlreiche Anregungen und Empfehlungen.
Die vier Settings, also Lebensräume, in denen sich 3- bis 6-jährige Kinder hauptsächlich bewegen sind:
1) Häusliches Umfeld
2) Kindertagesstätte (Kita)
3) Wohnumgebung
4) Sportvereine/Kindersportschule/Private Sportkurse
Die Landeshauptstadt Stuttgart unternimmt viel, um die Bewegungsfreude der Kinder in den entsprechenden Settings zu unterstützen:
Zu 1) Bewegungsförderung im häuslichen Umfeld
Tipps und Anregungen für einen bewegten Alltag zuhause und in der Familie gibt die Stadt Stuttgart im Elternratgeber des Gesundheitsamtes, den alle Kinder bei der Einschulungsuntersuchung bekommen.
Elternratgeber der Stadt Stuttgart: Titelblatt und thematische Seite zur Bewegungsförderung
Zu 2) Bewegungsförderung in der Kita
Das Jugendamt hat in seinen Kitas die Bewegungsförderung flächendeckend gestärkt, indem in die Ausstattung von Bewegungsräumen und in die Qualifikation der Fachkräfte investiert wurde. Seit 2017 ist Bewegungsförderung als Bestandteil der Trägerkonzeption fest verankert.
Amt für Sport und Bewegung und Jugendamt haben im Jahr 2010 das Programm
kitafit
(GRDrs 938/2011) gemeinsam entwickelt, das auch alle anderen Träger integriert. Neben regelmäßigen Qualifizierungsangeboten werden mit den Stuttgarter Sportvereinen auch externe Partner eingebunden, die in rund 140 Kitas Kooperationen anbieten. Den Familien soll so auch der Zugang zu den Angeboten der Sportvereine erleichtert werden.
Ziel aller Maßnahmen, ist es früh die Motorik aller Kinder zu stärken und sie in der Entwicklung eines aktiven Lebensstils zu unterstützen.
kitafit ist ein erfolgreiches Programm, in seiner Reichweite allerdings nicht flächendeckend (u.a. eingeschränkt durch die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen). Zwei Drittel (rund 380 von 570 Kitas) nehmen mittlerweile dauerhaft die einzelnen Maßnahmen in Anspruch.
Mit dem
Bewegungspass für Kinder
hat das Amt für Sport und Bewegung im Jahr 2016 ein neues Konzept entwickelt, das die Fachkräfte in den Kitas niederschwellig erreicht und zugleich die Ebene der Eltern mit einbindet. Zusätzlich sichert der Pass die Bewegungsfertigkeiten (z. B. Balancieren, Hüpfen, Fangen/Werfen), wie es im Orientierungsplan der Kitas für Baden-Württemberg empfohlen wird. In nur drei Jahren konnten durch den Bewegungspass allein 247 Kitas erreicht werden. Zusätzlich wird der Bewegungspass vom Gesundheitsamt im Rahmen der Einschulungsuntersuchung an alle Eltern eines Jahrgangs verteilt.
Somit erhalten alle Stuttgarter Eltern direkten Zugang zum Thema Bewegungsförderung sowie Ideen wie Bewegung gemeinsam im Familiensetting umgesetzt werden kann.
Bewegungspass der Stadt Stuttgart: Bewegungsformen lernen und Drachenaufkleber sammeln
Zu 3) Bewegungsförderung in der Wohnumgebung
Damit Bewegung in der Wohnumgebung der Kinder möglich ist, braucht es Spielplätze, Bolzplätze, Parks, Fußwege, Fahrradwege, temporäre Spielstraßen und verkehrsberuhigte Zonen, die sicher und sauber sind und bewegungsfreundlich gestaltet sind. Mit rund 500 Spiel-, Sport- und Bewegungsflächen ist die Stadt Stuttgart gut aufgestellt. Die Einführung von Fahrradstraßen mit Bevorrechtigung und Einrichtung von baulich getrennten Radwegeführungen haben noch Potential.
Mit dem
Masterplan für urbane Bewegungsräume
möchte die Landeshauptstadt Strategien entwickeln, um Bewegung im öffentlichen Raum zu fördern und langfristig zu sichern.
Zu 4) Bewegungsförderung im Sportverein
Die Stuttgarter Sportvereine und Kindersportschulen (KiSS) haben gemeinsam mit den privaten Anbietern (z.B. Tanz-, Ballett- oder Schwimmschulen) zahlreiche Angebote von den Klassikern wie Fußball, Turnen, Tanzen, Schwimmen und Leichtathletik bis zu eher außergewöhnlichen Sportarten wie Baseball oder Trampolin, die von der Stadt Stuttgart gefördert werden.
Mit dem
minisport Gutschein
im Wert von 50 Euro, den 4 und 5-jährige Kinder erhalten, wird der Zugang zum Vereinssport und zu Schwimmkursen erleichtert. Auf der Webseite
www.minisport-stuttgart.de
finden Eltern über 380 Angebote von mehr als 60 Vereinen.
Außerdem bieten das Amt für Sport und Bewegung gemeinsam mit dem Schwäbischen Turnerbund den jährlichen Übungsleitertag an. Der Qualifizierungstag gibt neue Impulse für die Vereinsarbeit und kann zur Lizenzverlängerung des Übungsleiterscheins genutzt werden.
Seit 2017 wird durch das Programm
schwimmfit
die Motorikförderung weiter ausgedehnt. Der Fokus beim Schwimmen (lernen) liegt bei den 6-10-jährigen Kindern.
Insgesamt geht es der Landeshauptstadt Stuttgart darum, mit verschiedenen Maßnahmen in verschiedenen Settings Kinder bei der Entwicklung eines bewegten Lebensstils zu unterstützen. Damit wird ihre gesundheitliche Entwicklung optimal gefördert: sie beugen nicht nur Übergewicht und Adipositas vor, sondern die Kinder haben auch die Möglichkeit, aktiv Stress abzubauen und ihre psychische Widerstandsfähigkeit und Resilienz zu stärken. Die Kita nimmt hier eine besondere Funktion ein, da fast alle Stuttgarter Kinder einen Großteil des Tages dort verbringen: Kitas sind
das
zentrale Setting für die Durchführung von Maßnahmen der Bewegungsförderung.
Hintergrund und Ziele
Die erlebte Kindheit ist eng verzahnt mit der gesellschaftlichen Entwicklung sowie die Sozialisation durch die Eltern sowie Kita und Schule. Im Bereich der Motorik lässt sich seit Mitte der 70er-Jahren eine Verschlechterung, von insgesamt 10%, der motorischen Leistungsfähigkeit der Kinder feststellen. Zuletzt haben sich die Werte (seit 2003) stabilisiert
Woll, A et al. (2019). Körperliche Aktivität, motorische Leistungsfähigkeit und Gesundheit in Deutschland. KIT Scientific Working Papers, S.2
Drei große gesellschaftliche Trends werden dafür verantwortlich gemacht:
1. Wege werden verstärkt passiv zurückgelegt
2. Verhäuslichung der Kindheit
3. Steigender Medienkonsum
Alle drei Trends sorgen dafür, dass die Interaktion der Kinder mit der außerhäusigen Umwelt abnimmt. Neben geringeren sensorischen Entwicklungsmöglichkeiten ist dies auch mit der Verringerung der bewegungsorientierten Umweltinteraktion verbunden – die Motorik der Kinder kann sich dadurch nicht mehr normal entwickeln.
Weiterentwicklung aufgrund aktueller Daten
Im Stuttgarter Sozialmonitoring (
www.stuttgart.de/sozialmonitoring
) werden jährlich aktuelle Daten zum grobmotorischen Entwicklungsstand der Stuttgarter Kinder veröffentlicht. Die Daten basieren auf der sogenannten Einschulungsuntersuchung (ESU), einer Untersuchung aller Kinder vor ihrem Eintritt in die Schule durch den öffentlichen Gesundheitsdienst (§ 91 Schulgesetz Baden-Württemberg, § 8 Gesundheitsdienstgesetz – ÖGDG).
In Stuttgart werden jährlich über 5.000 Kinder vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Gesundheitsamtes (Schritt 1) untersucht und deren Eltern beraten. Die Kinder sind im Alter von 4 bis 5 Jahren (GRDrs 14/2011 Die neue Einschulungsuntersuchung (ESU) – „Stuttgarter Weg“ – Umsetzung). Die Untersuchungsmodule sind vom Land Baden-Württemberg vorgegeben und decken eine breites Gesundheits- und Entwicklungsspektrum ab.
Zur Beurteilung des grobmotorischen Entwicklungsstandes wird in der ESU standardmäßig die Untersuchungstechnik Einbeinhüpfen durchgeführt. Dieses Screening dient der Feststellung von grobmotorischen Störungen. Es wird eine Ersteinschätzung in grobmotorischer Entwicklungsstand „auffällig“ oder „unauffällig“ vorgenommen. Dabei werden 30 % auffällige Ergebnisse erwartet.
Als alleiniger Parameter zur Beurteilung des grobmotorischen Entwicklungsstandes wird dieses Screening immer wieder kritisch hinterfragt. Zudem ist aus sportmedizinischen Untersuchungen bekannt, dass zur Beurteilung des grobmotorischen Entwicklungsstandes von Kindern u.a. die Testmodule „Einbeinstand“ und „Seitliches Hin- und Herhüpfen“ aussagekräftig sind.
Kriemler S et al. (Hrsg.) (2014): Körperliche Aktivität und Gesundheit im Kindes- und Jugendalter. Grundlagen – Empfehlungen – Praxis. Hans Marseille Verlag: München
Opper E et al. (2007): Motorik-Modul (MoMo) im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz, 50:879-888
Die Alltagsaktivität der Kinder wird in der Einschulungsuntersuchung standardmäßig nicht erfasst.
Deshalb entwickelten Gesundheitsamt und Amt für Sport und Bewegung gemeinsam ein Konzept für eine umfassende Einschätzung des grobmotorischen Entwicklungsstandes für einen Einschulungsjahrgang inklusive einer Befragung zur körperlich-sportlichen Aktivität von Stuttgarter Kindergartenkindern.
Die Ziele hierbei waren:
·
Umfassende Einschätzung des grobmotorischen Entwicklungsstandes für einen Jahrgang
·
Erstmalig repräsentative Aussagen zur körperlich-sportlichen Aktivität von Stuttgarter Kindergartenkindern
·
Verbesserung der Maßnahmen- und Angebotsplanung zur Bewegungsförderung von Kindergartenkindern (Sportentwicklung der Stadt Stuttgart)
Methodik
Beim Einschulungsjahrgangs 2018 (Untersuchungszeitraum 2016/2017) wurden zusätzlich zum verpflichtenden Screening Einbeinhüpfen auf freiwilliger Basis zwei weitere Testmodule durchgeführt sowie den Eltern vier Fragen zur körperlich sportlichen Aktivität ihrer Kinder gestellt.
Standardmäßig
wurde durchgeführt:
·
Einbeinhüpfen vorwärts als Screening zum grobmotorischen Entwicklungsstand
Zusätzlich
auf freiwilliger Basis wurde durchgeführt
·
Einbeinstand zur Testung der statischen Balance
·
Seitliches Hin- und Herhüpfen zur Testung der Ganzkörperkoordination und generellen Fitness
·
Befragung der Eltern zur körperlich-sportlichen Aktivität ihrer Kinder
o
Alltagsaktivität
o
Sportliche Aktivität
o
Fähigkeit des Fahrradfahrens
Die Fragen zur Alltags- und sportlichen Aktivität in der Freizeit sowie die zusätzlichen Testmodule Einbeinstand und Seitliches Hin- und Herhüpfen stammen aus dem Motorik-Modul MoMo, das beim bundesweit durchgeführten Kinder- und Jugendgesundheitssurvey KiGGS eingesetzt wurde.
Ergebnisse und Interpretation
Wer wurde untersucht?
Es wurden 5.059 Stuttgarter Kinder untersucht (ESU-Jahrgang 2018). Dabei gab es gleich viele Jungen wie Mädchen (je 50 %), und im Durchschnitt waren die Kinder 4 Jahre und 11 Monate, also knapp 5 Jahre alt.
Standard-Screening und zusätzliche Testungen
Standard-Screening:
Einbeinhüpfen:
Die Kinder hüpfen jeweils bis zu 10 Mal vorwärts, zuerst auf dem einen, dann auf dem anderen Bein, ohne Festhalten und ohne Absetzen des Beines. Es wird die Anzahl der Hüpfer rechts und links dokumentiert. Als „nicht altersentsprechend“ bzw. „auffällig“ wird definiert:
·
4- bis unter 4 1/2-Jährige: 2 oder weniger Hüpfer auf beiden Seiten
·
4 1/2- bis unter 5-Jährige: weniger als 4 Hüpfer ein- oder beidseits
·
5-Jährige: weniger als 7 Hüpfer ein- oder beidseits
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (2016): Arbeitsrichtlinien für die Einschulungsuntersuchung und deren Dokumentation in Baden-Württemberg, S. 24
Das Einbeinhüpfen konnte bei 98 % der Kinder durchgeführt werden. 25 % der Kinder wurden hier als auffällig eingeschätzt. Damit liegen die Stuttgarter Kinder deutlich unter dem bei einem Screening erwarteten Wert von 30 % auffälligen Ergebnissen.
Bei den Untergruppen gibt es Unterschiede, jedoch liegt auch bei den Untergruppen keine weit über dem erwarteten Wert.
Interessant sind die deutlichen Geschlechtsunterschiede zugunsten der Mädchen beim Einbeinhüpfen: 32 % der Jungen wurden als auffällig eingeordnet, aber nur 19 % der Mädchen.
Auch beim Migrationshintergrund gibt es Unterschiede: 27 % der Kinder MIT Migrationshintergrund sind auffällig, bei den Kindern OHNE Migrationshintergrund waren es 23 %. Auch die verschiedenen Wohngebietstypen unterscheiden sich hinsichtlich der Rate der als auffällig eingeschätzten Kinder mit dem Spitzenwert von 31 % im Gebietstyp 7. Alle hier dargestellten Unterschiede sind statistisch signifikant (Chi²-Test: p<0,05), bzw. beim Geschlecht hochsignifikant (p<0,001).
Vor allem der Geschlechtsunterschied, der sich über alle vergangenen Jahre hinwegzieht, hat für Unzufriedenheit mit diesem Testmodul zur alleinigen Beurteilung des grobmotorischen Entwicklungsstandes: die Vermutung liegt nahe, dass das Vorwärtshüpfen auf einem Bein Mädchen mehr entgegenkommt als Jungen.
Nichtsdestotrotz gibt es aber eine erfreuliche Entwicklung für Stuttgart:
Seit 2015 ist der Anteil der auffälligen Screenings insgesamt in Stuttgart tendenziell zurückgegangen auf aktuell 24 %.
Während die Landesdaten konstant auf 27 % blieben, haben sich die Stuttgarter Werte von leicht überdurchschnittlich auf leicht unterdurchschnittlich um circa fünf Prozentpunkte verbessert.
Zusätzliche Testmodule Einbeinstand und Seitliches Hin- und Herhüpfen
Beim
Einbeinstand
(testet die statische Balance) standen die Kinder für eine Minute auf einem Bein ihrer Wahl auf einer 3 cm breiten T-Schiene. Gezählt wurde die Anzahl der Bodenkontakte des freien Beines während dieser Minute. Dieser Test wurde auch beim bundesweit durchgeführten Kinder- und Jugendgesundheitssurvey KiGGS eingesetzt. Für das Setting ESU erwies sich der Einbeinstand allerdings als nicht geeignet: Bei knapp der Hälfte der Kinder (45 %) konnte der Test nicht durchgeführt werden, weil insbesondere die jungen Kinder entweder den Test abbrachen oder gar nicht beginnen wollten.
Beim
Seitlichen Hin- und Herhüpfen
(testet Ganzkörperkoordination und generelle Fitness) hüpften die Kinder zwischen zwei auf dem Boden markierten Rechtecken hin und her. Gezählt wurde die Anzahl der Hüpfer. Die Kinder hatten zwei Versuche à 15 Sekunden; dokumentiert wurde der Mittelwert beider Versuche.
Beim Seitlichen Hin- und Herhüpfen haben 84 % der Kinder mitgemacht. Der Eindruck bei der Durchführung war, dass es den Kindern Spaß gemacht hat. Im Durchschnitt schafften Stuttgarter Jungen und Mädchen in den entsprechenden Altersgruppen gleich viele Hüpfer. Die Anzahl der Hüpfer scheint in Stuttgart weder vom Geschlecht der Kinder, noch von ihrem Migrationshintergrund oder ihrem Wohnort (Wohngebietstyp) beeinflusst zu werden – wir sehen in den Stuttgarter Daten hier keine Unterschiede. Auch in der nationalen Erhebung waren die Ergebnisse unabhängig vom Migrationshintergrund und bei den 4- und 5-Jährigen auch vom Geschlecht
Starker A et al. (2007): Motorische Leistungsfähigkeit. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 5/6, 2007, S. 775-783
. Dies spricht dafür, das Seitliche Hin- und Herhüpfen in der Einschulungsuntersuchung fortan als (zweites) Screening einzusetzen.
Für die Weiterentwicklung der ESU im Rahmen des Stuttgarter Wegs wird diese Erkenntnis bereits genutzt: Bei einem auffälligen Standard-Screening Einbeinhüpfen wird zusätzlich das seitliche Hin- und Herhüpfen zur Überprüfung herangezogen. Dadurch kann die Elternberatung um die Aspekte Ganzkörperkoordination und generelle Fitness erweitert werden. Davon profitieren vor allem Jungen, die beim Standard-Screening Einbeinhüpfen seit Jahren schlechter abschneiden.
Einbeinstand auf einer T-Schiene
Beide Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Sport und Sportwissenschaft IfSS
Seitliches Hin- und Herhüpfen
Alltagsaktivität
Die Alltagsaktivität wurde beim ESU-Jahrgang 2018 mit folgender Frage erfasst:
An wie vielen Tagen in der Woche ist Ihr Kind für mindestens 60 Minuten am Tag körperlich aktiv?
Als Beispiele genannt wurden Sport, bewegtes Spielen mit Freunden, Fußweg zum Kindergarten, Rad fahren, schwimmen, Fußball spielen u.a. Ausdrücklich ausgenommen war die Bewegungszeit im Kindergarten.
41 % der Stuttgarter Kinder bewegen sich täglich zusätzlich zur Bewegungszeit in der Kita mindestens 60 Minuten. Zwischen Jungen (42 %) und Mädchen (40 %) und gibt es kaum Unterschiede.
Die körperliche Aktivität außerhalb der Kita unterscheidet sich jedoch in Abhängigkeit des Migrationshintergrunds und des Wohnorts: Kinder mit Migrationshintergrund geben seltener an, täglich eine Stunde oder mehr außerhalb der Kita aktiv zu sein (35 %) als Kinder ohne Migrationshintergrund (49 %). Kinder aus Wohngebietstyp 7
Wohngebietstypen nach Sozialdatenatlas des Jugendamtes (2011). Die Wohngebietstypen können als annähernde Bestimmung des Sozialen Status der Familie herangezogen werden
haben in Bezug auf die Alltagsbewegung die geringste Rate, gefolgt von Kindern aus Wohngebietstyp 3b. In diesen Wohngebietstypen ist das Armutsrisiko erhöht und sie werden von überdurchschnittlich vielen Menschen mit Migrationshintergrund bewohnt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder eine tägliche Bewegungszeit von mindestens 60 Minuten in mäßiger bis starker Intensität
World Health Organization (2010): Global recommendations on physical activity for health. Geneva: WHO.
. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Adipositas (AGA) gehen in ihren Empfehlungen deutlich darüber hinaus und propagieren mindestens doppelt so viel Bewegungszeit sowie die Reduzierung der Sitzzeiten für Kinder im Vorschulalter auf ein Minimum
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2016): Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Sonderheft 03. Köln, S. 23
,
Wabitsch M, Kunze D (federführend für die AGA). Konsensbasierte (S2) Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Version 15.10.2015;
www.a-g-a.de
.
Wir gehen davon aus, dass sich die Vorschulkinder, die eine Stuttgarter Kindertageseinrichtung besuchen, dort eine Stunde am Tag und mehr bewegen und somit die WHO-Bewegungsempfehlung erfüllen. Die Alltagsaktivität, die danach bzw. am Wochenende kommt, liegt in den Händen der Eltern und wird – wie die Befragung zeigt – unterschiedlich umgesetzt.
Rückmeldungen der Eltern bei der Befragung waren zum Beispiel, dass sie mit ihren Kindern nach einem ganzen Tag in der Kita keine Aktivitäten mehr machen, weil die Kinder „ausbewegt“ und müde seien. Die Unterschiede nach Wohngebietstyp sprechen eindeutig dafür, dass die institutionelle Bewegungsförderung mit kitafit-Kooperationen und Bewegungspass der richtige Weg ist, um jedem Stuttgarter Kind – egal in welchen Verhältnissen es aufwächst – die gleiche Chance auf gesundheitsförderliche Bewegungszeit zu geben.
Vereinsmitgliedschaft und organisierte sportliche Aktivität in der Freizeit
Im bewegten Aufwachsen der Kinder gibt es mit der körperlichen Aktivität im Alltag (z.B. mit dem Laufrad zur Kita, „Draußenspielen“) und den programmatischen Angeboten der
Sportanbieter zwei zentrale Aspekte.
„Draußenspielen“ hat insbesondere den Effekt eine körperliche Grundaktivität zu erzielen. Die programmatischen Angebote von Sportvereinen sorgen für erhöhte Bewegungsumfänge, die mit dem Erwerb von bestimmten Fertigkeiten einhergehen.
Da das freie Spiel draussen im Vergleich zur früher reduziert ist und in vielen Familien nicht unterstützt wird, erhalten die programmatischen Angebote große Bedeutung, dazu noch in dicht besiedelten Gebieten. Nicht alle Stadtteile Stuttgart sind ausreichend mit anregenden Bewegungsräumen ausgestattet. Der empfehlenswerte Wert von 0,5 qm/Einwohner (Stuttgarter Masterplan für urbane Bewegungsräume) wird in Stuttgart nur zu 50 % erreicht. Erst durch die gezielten Angebote der Sportanbieter erreichen Kinder die gesundheitswirksamen Bewegungsumfänge und erwerben sportliche Fertigkeiten, über die sie ein Leben lang verfügen.
Deshalb wurden die Eltern gefragt:
1) Ist Ihr Kind Mitglied in einem Sportverein?
2) Nimmt Ihr Kind an einem (oder mehreren) regelmäßigen Sportangeboten teil (Sportverein, Kindersportschule, Schwimmkurs, Tanzschule etc.)?
Die zweite Frage zielte allgemein auf die organisierte sportliche Aktivität in der Freizeit ab, nicht nur im Verein, sondern auch in anderen Institutionen wie privaten Sportschulen oder beispielsweise zeitlich begrenzten Schwimmkursen, für die eine Vereinsmitgliedschaft nicht erforderlich ist. Deshalb wurde hier ein höherer Anteil erwartet.
40 % der befragten Kinder der Einschulungsuntersuchung sind Mitglied in einem Sportverein, Jungen gleich häufig wie Mädchen, allerdings Kinder mit Migrationshintergrund deutlich seltener als Kinder ohne Migrationshintergrund. Auch Kinder aus den Wohngebietstypen 3b, 5, 6 und 7 sind unterdurchschnittlich oft Mitglieder in einem Sportverein. Die Unterschiede nach Migrationshintergrund könnten damit zu erklären sein, dass Vereinsstrukturen für Menschen, die ihre Sozialisation außerhalb Deutschlands erhielten, eher ungewohnt sind und deshalb auch seltener wahrgenommen werden. Die geringeren Mitgliedschaften von Kindern aus den Wohngebietstypen 3b, 5, 6 und 7 könnten in die gleiche Richtung deuten: in diesen Gebietstypen ist der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund besonders hoch. Aber auch die Armutswerte sind überdurchschnittlich, so dass ein Zusammenhang von Armut und erschwertem Zugang zu Sportvereinen nicht ausgeschlossen werden kann.
Im Vergleich zur nationalen Erhebung sind in Stuttgart mit 40 % weniger Kinder im Vereinssport aktiv als im Durchschnitt in Deutschland (52 %). Dies liegt vermutlich am Großstadt-Status von Stuttgart: „Kinder und Jugendliche aus ländlichen […] Wohngegenden zeigen eine […] höhere Chance auf Mitgliedschaft in einem Sportverein im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen aus Großstädten.“
Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2009): Motorik-Modul: Eine Studie zur motorischen Leistungsfähigkeit und körperlich-sportlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Nomos Verlag, Baden-Baden, S. 242
Stuttgart als Großstadt bietet zahlreiche Möglichkeiten, organisierten Sport zu treiben. Eine Mitgliedschaft in einem Sportverein ist dazu nicht zwingend erforderlich, da die Angebote an privaten Sportschulen und Kursangeboten von Ballett und Tanz über Kampfsport bis zu Wassersport sehr vielfältig sind (
www.stuttgart.de/sport
).
Bei der Frage nach der allgemeinen Teilnahme an organisierten sportlichen Aktivitäten (also im Verein
und
in anderen Institutionen wie privaten Sportschulen) geben erwartungsgemäß mehr Kinder an, regelmäßig sportlich aktiv zu sein: Insgesamt sind es 54 % der Kindergartenkinder, Mädchen häufiger als Jungen. Die oben beschriebenen Unterschiede zeigen sich hier jedoch noch deutlicher: Es sind dieselben Gruppen, die unterdurchschnittlich häufig an einem regelmäßigen Sportangebot teilnehmen (Kinder ohne Migrationshintergrund und Kinder aus den Wohngebietstypen 3b, 5, 6 und 7 mit erhöhtem Armutspotenzial).
Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass für bestimmte Gruppen die Zugänge zu organisierter sportlicher Aktivität erschwert sind. Nicht erfragt wurde, ob und wieviel Zeit die Kinder beispielsweise draußen spielen, „unorganisiert“, bzw. selbst organisiert auf den zahlreichen Sport-, Spiel- und Grünflächen in der Stadt. Aus den Stadtteilprojekten ist dem Gesundheitsamt und Amt für Sport und Bewegung jedoch bekannt, dass das freie Spiel draußen immer weniger praktiziert wird. Die Pädagogischen Fachkräfte berichten, dass Eltern trotz beengter Wohnverhältnisse ihre Kinder aus Sorge nicht (alleine) draußen spielen lassen. Zur subjektiv empfundenen Gefahr kommt oft auch die objektive Gefahr durch Verkehr und parkende Autos entlang der Gehwege. Dies ist vor allem in den dicht bebauten Wohngebieten mit unterdurchschnittlicher Wohnqualität der Fall, in denen überdurchschnittlich viele Kinder mit Migrationshintergrund wohnen (3b, 5, 6, 7).
Der Landeshauptstadt Stuttgart ist es ein Anliegen, allen Kindern den Zugang zu organisierter Bewegung zu ermöglichen. Ihre Herkunft, ihr Wohnort oder die finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern sollen kein Hindernis für die Wahrnehmung eines Bewegungsangebots sein. Deshalb ist die vom Gemeinderat beschlossene und vom Amt für Sport und Bewegung umgesetzte Maßnahme minisport-Gutschein (Andi: GRDrs 1011/2018) für alle Kinder ein weiterer wichtiger Schritt hin zum Abbau von finanziellen Barrieren beim Zugang zu Sportangeboten.
Sicheres Fahrradfahren
Die Frage an die Eltern des ESU-Jahrgangs 2018 lautete: „Kann Ihr Kind ohne Stützräder Fahrrad fahren?“
Laut Elternangaben können 57 % der Stuttgarter Kinder ohne Stützräder Fahrrad fahren; Jungen, Kinder ohne Migrationshintergrund und ältere Kinder häufiger.
Dass ältere Kinder häufiger das Fahrradfahren beherrschen als jüngere Kinder ergibt sich aus der natürlichen Weiterentwicklung der Fähigkeiten mit steigendem Alter.
Was die eindeutigen Geschlechtsunterschiede zugunsten der Jungen angeht, können hier nur Vermutungen angestellt werden in die Richtung, dass Jungen eventuell mehr Interesse am Fahrradfahren zeigen oder mutiger sind, bzw. eher ermutigt werden zum Erlernen des Fahrradfahrens.
Die Unterschiede hinsichtlich des Migrationshintergrundes deuten wieder auf einen Zusammenhang mit der Wohngegend hin, denn die Fähigkeit des Fahrradfahrens ist in genau den Wohngebieten unterdurchschnittlich ausgeprägt, in denen auch der Migrationsanteil überdurchschnittlich ist (Wohngebietstypen 3b, 6 und 7). In diesen Wohngegenden gibt es folgende Umgebungsfaktoren:
·
dichte Bebauung (z.B. Neckarvorstadt in Bad Cannstatt)
·
hohes Verkehrsaufkommen durch Durchfahrtsstraßen (z.B. Heilbronner Str. in Nord)
·
zentrale Lage und keine Nähe zu Grünflächen (z.B. Feuerbach-Bahnhof/Ost)
Diese Umgebungsfaktoren gepaart mit eingeschränkten finanziellen oder zeitlichen Möglichkeiten der Eltern könnten Gründe für dieses Ergebnis sein.
Aus Sicht des Gesundheitsamts und des Amts für Sport und Bewegung ist es wichtig, dass Fahrradfahren für Kinder attraktiv ist und unkompliziert auszuführen ist. Die Förderung des Radverkehrs hat in Stuttgart einen hohen Stellenwert. Die Stadt strebt das Ziel an, echte Fahrradstadt zu werden, und will den Fahrradanteil in den nächsten zehn Jahren von 8 % auf 25 % steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht die Stadt laut ihrer Fahrradbeauftragten eine sichere und kinderfreundliche Radinfrastruktur. Folgende Maßnahmen, die besonders dem Kinder- und Schülerradverkehr zugutekommen, wurden zur Förderung des sicheren Radverkehrs eingeführt:
·
Tempo 30 in den Schulbereichen
·
Fahrradstraßen mit Bevorrechtigung
·
Einrichtung von baulich getrennten Radwegeführungen
Weiterhin ist die Trennung der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer ein wichtiges Ziel, um Konfliktpotential zwischen Fuß-, Rad- und Autoverkehr zu reduzieren. Dabei ist die Kinderfreundlichkeit immer ein zentraler Aspekt im kontinuierlichen Planungs- und Ausbauprozess der Fahrradinfrastruktur.
Zusammenfassung
Verbesserung des grobmotorischen Entwicklungsstandes und Weiterentwicklung der Stuttgarter ESU
Der grobmotorische Entwicklungsstand der Stuttgarter Kindergartenkinder hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Erfreulicherweise ist die Rate der auffälligen Screenings bei der Einschulungsuntersuchung seit vier Jahren kontinuierlich rückläufig und liegt aktuell bei 24 %. Stuttgart liegt damit 3 Prozentpunkte unter dem Landesdurchschnitt von 27 %. Maßnahmen wie der Stuttgarter Bewegungspass und kitafit- Kooperationen scheinen zu greifen.
Bei der probeweisen Durchführung von zwei weiteren Motorik-Modulen bei der Einschulungsuntersuchung bewährte sich im Gegensatz zum Einbeinstand auf einer schmalen Schiene das Seitliche Hin- und Herhüpfen. Das Seitliche Hin- und Herhüpfen hat sich als geschlechtsunabhängiges Modul gezeigt und ergänzt deshalb das Standard-Screening Einbeinhüpfen, bei welchem Jungen seit Jahren schlechter abschneiden. Die Möglichkeit, durch dieses weitere Test-Modul einen umfassenderen Eindruck des grobmotorischen Entwicklungsstandes zu gewinnen und die Eltern dadurch qualifizierter beraten zu können, ist eine Weiterentwicklung der Einschulungsuntersuchung in Stuttgart.
Das Land Baden-Württemberg strebt eine Weiterentwicklung des Grobmotorik-Screenings bei der ESU an. Die Stuttgarter Ergebnisse sind wertvoll für diesen Prozess zur Qualitätssicherung der ESU.
Körperlich-sportliche Aktivität von Stuttgarter Kindergartenkindern und Herstellung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit
Einmalig wurden Eltern zur körperlichen Aktivität ihrer Kinder befragt. Das Ergebnis ist, dass ein Großteil der Stuttgarter Kindergartenkinder in der Freizeit körperlich aktiv ist; 40 % sind Mitglied in einem Sportverein, 54 % nehmen regelmäßig an einem Sportangebot teil und mehr als die Hälfte (57 %) der Kindergartenkinder kann bereits Fahrrad fahren. Die körperliche Aktivität in der Freizeit, die Wahrnehmung von organisierten Sportangeboten und die Fähigkeit des Fahrradfahrens unterscheidet sich jedoch in Abhängigkeit des Wohnorts (Wohngebietstyp nach Sozialdatenatlas).
Diesen Unterschieden wird durch das Amt für Sport und Bewegung, Jugendamt und Gesundheitsamt aktiv entgegengewirkt:
·
Attraktive und qualitativ hochwertige Bewegungseinheiten werden in den Alltag von Kindertageseinrichtungen insbesondere von Kinder- und Familienzentren verbindlich integriert (GRDrs 186/2019).
·
In bedarfsorientiert ausgewählten Stadtteilen (Stadtteilprojekte „Gesund aufwachsen“) werden unverbindliche und kostenfreie Bewegungsangebote installiert wie z.B. Sport im Park kids/Drachenspaß oder Winterspielplätze.
Mit diesen Maßnahmen ist Stuttgart auf einem guten Weg bei der Bewegungsförderung für Kita-Kinder und bei der Herstellung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit.
Fazit und Ausblick
Stuttgart ist bei der frühkindlichen Bewegungsförderung für Kita-Kinder auf einem sehr guten Weg. Insbesondere der Bewegungspass hat stark zu einer Flächendeckung der Angebote beigetragen. Minisport Gutschein und kitafit Kooperationen sind wichtige Bausteine der chancengerechten Bewegungsförderung im Kita-Alter und müssen weiter angeboten werden.
In einer stichprobenartigen Elternbefragung im Rahmen der Einschulungsuntersuchung im Sommer 2019 wurde deutlich, dass auch vielen Eltern die Bewegungsentwicklung ihrer Kinder wichtig ist und sie sich daher noch mehr Angebote wünschen, beispielsweise niederschwellige Sportangebote, Schwimmkurse oder Bewegungsangebote im Freien. Auch sichere Radwege für Kinder wurden als Wunsch der Eltern genannt.
Gesundheitsamt und Amt für Sport und Bewegung arbeiten weiter daran, das hohe Niveau der Bewegungsförderung für Kinder in Stuttgart zu halten und weiter auszubauen. Die Entwicklung des Bewegungspasses erfolgte durch Stiftungsmittel sowie durch Krankenkassen (Präventionsgesetz). Die nun im letzten Haushalt beschlossenen Maßnahmen sichern den benötigten Ausbau der frühkindlichen Motorikförderung in Stuttgart.
Viele Kitas bieten räumlich und durch die Inanspruchnahme von Qualifizierungen auch personell eine deutlich verbesserte Bewegungsförderung. Sie zeigen, welchen enormen Beitrag durch die Kita für das gesunde Aufwachsen geleistet werden kann. Aufgrund der umfassenden Erfahrungen, die es inzwischen in Stuttgart gibt, sollen in einem nächsten Schritt Qualitätskriterien für die Bewegungsförderung an Kitas entwickelt werden, die künftig als konkrete Orientierung für alle Kitas gelten soll.
Für die Weiterarbeit im Bereich Bewegungs- und Motorikförderung sehen Amt für Sport und Bewegung und Gesundheitsamt folgende Schwerpunkte:
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stetiger Ausbau der etablierten Angebote Bewegungspass, Fachkraft für Bewegungserziehung und kitafit-Kooperationen auf alle Stuttgarter Kitas
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fortlaufendes Monitoring der grobmotorischen Entwicklung (Sozialmonitoring der LHS Stuttgart) zur entsprechenden Maßnahmenentwicklung für auffällige Stadtteile
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Schaffung von niederschwelligen Angeboten in Stadtteilen mit erhöhtem Bedarf, z.B. in Kinder- und Familienzentren
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dauerhafte Mittel zur Weiterführung des minisport Gutscheins
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Stärkung des Fahrradfahrens insbesondere in den Sozialgebietstypen 3b, 6 und 7 und bei Mädchen
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Entwicklung von Angeboten speziell für Mädchen in den Sportvereinen
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Ausbau der Bewegungsförderung im schulischen Ganztag
Die Ausweitung der Maßnahmen zur Bewegungsförderung auf die Altersgruppe der Schulkinder wurde bereits begonnen. Das Gesundheitsamt entwirft derzeit in einem Pilotprojekt in Zuffenhausen-Rot ein maßgeschneidertes Konzept zur Weiterentwicklung der Rilke-Realschule zu einer „Gesunden Schule“. Dabei ist - in enger Abstimmung mit dem Amt für Sport Bewegung - einer der Schwerpunkte die bewegungsfreundliche Gestaltung des Schulalltags. Das Amt für Sport und Bewegung entwickelt derzeit ein Rahmenkonzept Jugendsport, in das auch die Maßnahmen der Fahrradbeauftragten wie beispielsweise Fahrradsicherheitstrainings für Kinder und Jugendliche einfließen werden. Als Datengrundlage werden die Ergebnisse einer Befragung des Gesundheitsamtes zur körperlichen Aktivität von Schulkindern dienen (Stuttgarter Sondererhebung der Studie Health Behaviour in School-aged Children 2017/2018).
Beteiligte Stellen
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Vorliegende Anträge/Anfragen
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Dr. Martin Schairer Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeister Bürgermeisterin
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