Protokoll:
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
123
4
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
04.10.2019
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Fuhrmann
Berichterstattung:
Herr Hahn (CIS)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
pö
Betreff:
City Initiative Stuttgart e. V.
- mündlicher Bericht des Geschäftsführers Sven Hahn -
Zunächst stellt Herr
Hahn
den Zweck und die Arbeit der CIS anhand einer Präsentation vor, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.
BM
Fuhrmann
merkt an, die Stadt schätze das Engagement der CIS sehr. Deshalb werde in der grünen Liste zum Haushalt eine Erhöhung des Zuschusses vorgeschlagen.
Die Vertreter der Fraktionen danken für den Bericht.
StR
Winter
(90/GRÜNE) betont die Bedeutung der CIS, auch als Partner der Stadt, z. B. wenn es um die Mobilitätsentwicklung oder auch um Klimaschutz und Luftreinhaltung gehe. Gemeinsam mit den Mobilitätsanbietern müsse man über die Gestaltung der Citylogistik nachdenken, z. B. wie Einkäufe an die Zielhaltestelle geliefert werden könnten. Überlegenswert wäre auch eine Nahverkehrsabgabe, wie es sie im Kulturbereich, wo die Eintrittskarte die Fahrt mit dem ÖPNV beinhalte, ja schon gebe. In der Königstraße 1 - 3 müssten "intelligente Mixturen" aus Veranstaltungsbetrieb, öffentlichen Räumen und Handel entstehen. Mittlerweile wisse man, dass die autofreie Königstraße sich großer Beliebtheit erfreue und die Geschäfte an der Theodor-Heuss-Straße sich so schnell nicht entwickelten, solange dort der Verkehr brause. Aufenthaltsqualität tue auch dem Handel gut. Hier sieht er die Stadt zusammen mit der CIS auf einem guten Weg. In den Haushaltsplanberatungen müsse man u. a. konkret über die Nutzung in den Erdgeschossbereichen der Parkhäuser nachdenken. Und mit Blick auf den Klimawandel könnten in den oberen Stockwerken Projekte wie Urban Gardening, Begrünung oder Solarenergiewände realisiert werden.
Als Einzelhändlerin bestätigt StRin
Porsch
(CDU), dass man eine attraktive Innenstadt und auch eine andere Erreichbarkeit brauche. Doch werde man dem Handel nicht gerecht, wenn man überall Poller aufstelle, um das Auto zu verbannen. Wichtig seien für den Handel Kaufkraft und Frequenz. Da die Kaufkraft zu großen Teilen vom Umland komme, müsse der Handel erreichbar bleiben. Doch nehme die Frequenz in der gesamten Stadt ab. Dies müsse man wieder rückgängig machen. In Kundenumfragen werde vor allem kritisiert, dass es zu wenige und zu teure Parkplätze gebe und dass Demonstrationen zur besten Verkaufszeit den Verkehr behinderten. Der Handel stehe aufgrund des Onlinehandels ohnehin schon extrem unter Druck. Dankbar sei sie der CIS dafür, dass sie immer wieder neue Formate entwickle. Das Einkaufsverhalten habe sich komplett geändert, der Einzelhandel gehe weg von breiten Sortimenten und hin zu Events. Die Stadt müsse insbesondere den inhabergeführten Handel mit guten Rahmenbedingungen unterstützen. Die Kunden kämen, wenn das Gesamtpaket aus Handel, Gastronomie und Kultur stimme. Mit Blick auf die Zukunft sollte jeder Einzelne seine Einkaufsgewohnheiten prüfen. Sie wünscht der CIS und dem Stuttgarter Handel viel Erfolg.
Seine Fraktion schätze Herrn Hahn und die CIS als Verhandlungspartner, erklärt StR
Rockenbauch
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), und sie begrüße die Überlegungen zur Modernisierung der Veranstaltungen. Bezug nehmend auf die
Äußerungen seiner Vorredner und seiner Vorrednerin warnt er davor, das dramatische Dilemma im Handel und die sozialökologische Transformation der Städte gegeneinander auszuspielen. Als wesentliche Aufgabe der CIS sehe er, den Verlust der Zentralität, der notwendig sei, so zu gestalten, dass dies zu mehr Lebensqualität führe. Im Übrigen rühre die Zentralität daher, dass die Außenbezirke so schwach seien. Diese müssten wieder gestärkt werden. Eine autofreie Innenstadt mit zurück- oder umgebauten Parkhäusern böte die Chance, die Königstraße zu beleben und dort nicht nur Konsum, sondern auch Wohnen zu ermöglichen. Die Kulturbetriebe dürften bei alledem nicht leiden. Darauf zu hoffen, dass man gegen Zalando und Amazon ankämpfen könne, und sinnvolle Maßnahmen wie den Umstieg auf ÖPNV und Fahrrad zu behindern, halte er für den falschen Weg.
StRin
Schanbacher
(SPD) begrüßt die Ideen der CIS für Stuttgart. Sie fragt nach einer konkreten Strategie, um den Handel in der Zukunft zu stärken. Ihre Fraktion wolle statt einer Zentralisierung die Fünf-Minuten-Stadt und sehe darin eine Daseinsvorsorge. Supermärkte dürften nicht aus den äußeren Stadtbezirken verdrängt werden. Nichtsdesto-trotz müssten Rahmenbedingungen für das Zentrum geschaffen werden, um eine tote Innenstadt zu vermeiden, z. B. mit Kunst und Kultur und Events. Auch neue kleine Unternehmen müssten im Zentrum eine Chance haben. Dies sei aktuell bei einer Miete von rund 300 €/m² nicht möglich. Gute Arbeitsbedingungen müssten gefördert werden. Angesichts der Klimawende plädiere auch ihre Fraktion für Umschlagplätze für große LKWs. Die Menschen müssten zum Verzicht aufs Auto motiviert werden.
StR
Neumann
(FDP) weist darauf hin, dass es in der Innenstadt durchaus auch sehr erfolgreiche Händler mit positiver Tendenz gebe. Deren Konzepte sollten einmal genauer betrachtet und analysiert werden. Ein Ansatz sei etwa die Kombination von stationärem und Onlinehandel. Als Beispiele nennt er Breuninger oder auch Storekonzepte. Sehr erfolgreich sei aktuell ein Fashionlabel mit nachhaltiger Mode in der Innenstadt. Denn im Kapitalismus fresse nicht der Große den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen. Parkplätze seien gerade auch in Außenbezirken ein Problem für die Menschen aus dem Umland. Vermisst habe er im Vortrag eine langfristige Strategie, z. B. Hinweise auf die digitale Einkaufsstadt mit entsprechender Plattform. In Bayern gebe es Pilotprojekte zur logistischen Unterstützung, z. B. durch Abholboxen.
Wandel werde es immer geben, und man werde ihn auch brauchen, merkt StR
Zaiß
(FW) an. Gut finde er, dass über Feuerwerk und Lichtshow nachgedacht werde. Er halte es für schwierig, inhabergeführte Geschäfte in der Innenstadt anzusiedeln, bedeute dies doch, dass der Inhaber über die gesamte Öffnungszeit präsent sein müsse. Das sei in Anbetracht der langen Öffnungszeiten aber fast nicht zu leisten, wie ein Blick auf die Außenbezirke bestätige. Er sei froh, dass dort noch einige der Cap-Läden funktionierten. Wichtig sei, dass man miteinander spreche. Die im nächsten Doppelhaushalt geplante Erhöhung des Zuschusses an die CIS unterstütze seine Fraktion.
Wenn man die Stadt nicht nur als Wohnidylle, sondern auch als lebendigen Ort haben wolle, so StR
Köhler
(AfD), müsse man sie für Parkplätze für den Individualverkehr offenhalten. Dies gelte für die gesamte Stadt. Er sei sich relativ sicher, dass der Publikumsverkehr sehr stark zurückgehen werde, wenn die Menschen aus den peripheren Gebieten nicht mehr problemlos in die Stadt kämen. Andere Mobilitätskonzepte müssten immer unter der Prämisse umgesetzt werden, dass die Stadt für den Individualverkehr offen bleibe.
StRin
Schumann
(PULS) macht darauf aufmerksam, dass Personen mit geringem Einkommen sich den Einkauf in der Stadt in der Regel nicht leisten könnten und deshalb auf Onlineshopping angewiesen seien. Problematisch sei in ihren Augen, dass in der Innenstadt und insbesondere in der Königstraße vorwiegend große Unternehmen bzw. Ketten Fuß fassten, zum einen, weil der typische Tourist das erwarte, und zum anderen wegen der hohen Mieten. Gleichzeitig fragten viele nach Dingen, die es nicht überall sonst ebenfalls gebe. Diesen Einzelhandel würde ihre Fraktion gerne fördern. Man müsse entscheiden, wo man die Priorität setze: bei den Menschen von außerhalb - dann müsse man z. B. Milaneo und Gerber stärker fördern - oder den Stuttgarterinnen und Stuttgartern - dann müsse die Stadt schöner gestaltet werden, damit die, die in Stuttgart wohnten, mehr vor Ort einkauften und weniger bestellten.
BM
Fuhrmann
merkt an, dass letztendlich der Kunde mit den Füßen entscheide. Die Stadt könne hier nur unterstützend tätig werden. Dem widerspricht StR
Rockenbauch
vehement. Es sei doch gerade die Aufgabe der Politik zu überlegen, welche Strukturen dazu führten, dass sinnvolle Nahversorgungskonzepte nicht mehr funktionierten. Am Beispiel des Cap-Marktes in Obertürkheim und Untertürkheim macht er deutlich, dass die Planung eines Aldi-Marktes in der Nachbarschaft diese gewachsenen Strukturen zerstöre. Dies sei eine politische Bankrotterklärung, denn das Planungs- bzw. Baurecht verantworte die Stadt bzw. der Gemeinderat. Demgegenüber weist BM
Fuhrmann
darauf hin, dass die Stadt nicht alles regeln könne und man auch die Realität nicht ausblenden dürfe.
Zu den Fragen und Anmerkungen führt Herr
Hahn
aus, wichtig sei, dem stationären Handel die Bedeutung der Logistik klarzumachen und ihn von der Notwendigkeit entsprechender Investitionen zu überzeugen.
Logistik sei ein Flächenthema, und darauf habe er keinen Einfluss. Im Zeppelin-Carré entstehe in Zusammenarbeit von APCOA, Stadt Stuttgart und Fraunhofer IAO ein Projekt, bei dem ein großes Auto die Ware im Parkhaus abstelle und Velocarrier sie dann mit dem Lastenrad verteile. Da die Reichweite aber nur 600 bis 800 m betrage, reiche ein kleines Projekt in der Stadt bei Weitem nicht aus. Für weitere Standorte müssten aber noch Flächen gefunden werden. Grundsätzlich zeige sich auch hier, dass der stationäre Handel immer noch sinnvoller und nachhaltiger sei als die Bestellung. Bei den Lieferzeitfenstern werde sich vieles ändern, die einmalige Belieferung eines Ladens pro Tag sei nicht zukunftsfähig. Er sehe eine Entwicklung hin zu Plattformlösungen, was bedeute, dass sich die kleinen Läden bei Zalando oder Amazon andocken und dann mit kleineren Transportmitteln liefern und beliefert werden.
Baustellen beurteilt er grundsätzlich positiv, da das Ergebnis immer besser sei als der ursprüngliche Zustand. Ihm fehle hier aber ein Gesamtkonzept und das Bewusstsein, dass jede Baustelle dazu führe, dass im Anschluss daran mehr Leute in die Stadt kämen als davor.
Was Multichannel-Marketing anbelange, so sei z. B. Breuninger hier aufgrund enormer Investitionen sehr erfolgreich. Er pflichtet StR Rockenbauch bei, dass man nicht das eine gegen das andere ausspielen dürfe. Angebote wie z. B. Oper oder Wilhelma funktionierten nur, weil der Rest in der Stadt auch funktioniere. Kleinere Läden bräuchten die großen.
Problematisch sei die Regionalplanung. In der Zeit, als in Stuttgart neue Einkaufszentren eröffnet hätten, seien auch in den umliegenden Städten Einkaufszentren hinzugekommen. Dies führe zu einer Kannibalisierung.
Wichtig sei auch die Zusammenarbeit mit den Immobilieneigentümern. In der Calwer Straße könne man dies sehen: Trotz Baustelle eröffneten dort kleine und regionale Läden, was daran liege, dass der Eigentümer sich überlege, wie das Quartier als Ganzes funktioniere.
Auf Nachfrage von StR
Adler
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) informiert Herr
Hahn,
die zusätzlichen Einnahmen bei Events wie der Einkaufsnacht kämen in erster Linie bei denen an, die sich hier aktiv und kreativ beteiligten. Die vielen Veranstaltungen wirkten sich insgesamt sehr positiv auf die Stadt als Ganzes aus. Angesichts des bevorstehenden Stadtumbaus - Oper, Königstraße 1 - 3, Marktplatz etc. - sollten die Beteiligten gemeinsam mit Stadt und Land nach Ausweichflächen schauen.
Gegenüber StRin
Schanbacher
sagt BM
Fuhrmann
einen mündlichen Bericht zur Entwicklung der Märkte in den Stadtbezirken im ersten Quartal 2020 im Ausschuss zu.
Damit stellt er
Kenntnisnahme
fest.
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