Protokoll:
Ausschuss für Umwelt und Technik
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
473
12
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
10.10.2017
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Dr. Schairer
Berichterstattung:
Frau Koller, Herr Dr. Stadler (beide AföO)
Protokollführung:
Frau Faßnacht
fr
Betreff:
Landesglücksspielgesetz konsequent umsetzen
Mindestabstandsgebot im Kampf gegen Spielhallenwildwuchs und Suchtgefahren durchsetzen
- Antrag Nr. 214/2017 (90/GRÜNE) vom 17.07.2017
- mündlicher Bericht -
Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 19.09.2017, öffentlich, Nr. 425
Ergebnis: Vertagung, Thema wird zuerst im SGA behandelt
Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 25.09.2017, öffentlich, Nr. 143
Ergebnis: Kenntnisnahme des Berichts
Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angeheftet.
StR
Winter
(90/GRÜNE) bedauert, dass nicht genügend Zeit zur Verfügung stand, um dieses Thema vertieft im Sozial- und Gesundheitsausschuss zu beraten. Er bittet um einen kurzen Bericht der Fachverwaltung, auch wenn das Thema letztendlich im Rahmen der Haushaltsberatungen wieder aufgerufen werde.
Als zentralen Punkt benennt der
Vorsitzende
die Konzentration von mehr als 50 Spielhallen innerhalb eines 500-m-Umkreises in der Stuttgarter Innenstadt. Insgesamt bearbeite die Verwaltung 120 Spielhallen. Schon jetzt lasse sich sagen, dass es äußerst komplizierte, langwierige, rechtlich schwierige Verfahren sein werden, die derzeit nur mit Interimserlaubnissen verlängert werden. Es werde einige Zeit in Anspruch nehmen, um die Situation - die sich in anderen Ballungsräumen nicht anders darstelle - zu bewältigen.
Frau
Koller
(AföO) erläutert anschließend die Problematik der Umsetzung des Landesglücksspielgesetzes im Sinne der angehängten Präsentation. Was die Frage nach der personellen Umsetzung betrifft, so stehen der Fachverwaltung zwei Stellen für diesen Bereich zur Verfügung, die bereits vor Inkrafttreten des LGlüG ausgelastet waren, u. a. mit der Prüfung von Spielhallen, der Prüfung von Sozialkonzepten und Kontrollen vor Ort. Die Umsetzung des LGlüG sei extrem aufwendig und setze voraussichtlich noch über einige Zeit voraus, Rechtsverfahren/Widerspruchsverfahren/Gerichtsverfahren führen zu müssen. Daher sei es nicht gelungen, Anträge, die pünktlich gestellt wurden, fristgerecht zu entscheiden. Somit wurden den Spielhallenbetreibern dort, wo keine große Konkurrenzsituation vorhanden ist, Interimserlaubnisse bis Ende 2017 erteilt, da diese sich anderenfalls ohne Erlaubnis ab dem 01.07. strafrechtlich schuldig machen würden. Beim größeren Teil, die in einer verflochteneren Situation sind, habe man die Erlaubnis bis 30.06.2018 gegeben. Man hoffe, bis dahin die Entscheidungen soweit treffen zu können, dass zumindest jeder Spielhallenbetreiber weiß, woran er ist. Auch für die Spielhallenbetreiber sei die Situation nicht einfach, da sie ihrerseits auf keine klar definierten Kriterien zurückgreifen können.
Als sehr positiv bewertet StR
Winter
(90/GRÜNE), dass keine neuen Spielhallen hinzugekommen sind und das LGlüG in dieser Hinsicht wirkt. Was die Umsetzung im Hinblick auf den Bestand und den Bestandsschutz angeht, erscheine die Sachlage dagegen sehr komplex und schwierig zu sein. Insbesondere die Härtefallregelung scheine keine hohe Hürde darzustellen. Er bittet um Überlassung der Präsentation und um einen Ausblick, in welcher Größenordnung Stellen benötigt werden.
Für StRin
Bulle-Schmid
(CDU) wurde deutlich, dass Theorie und Praxis häufig auseinanderklaffen. Das Gesetz sei einerseits so schwierig, dass es fast unmöglich erscheine, die bestehenden Spielhallen so einzudämmen, dass es für Stadt und Gesellschaft verträglich ist. Andererseits zeige es Wirkung, weil seit 2012 keine neuen dazu gekommen sind. Ihres Erachtens leiden die Stadtbezirke besonders unter den Spielhallen und dem damit einhergehenden trading down. "Wie sehen Sie die Chance, dass wir in den nächsten zwei bis fünf Jahren die bestehenden Spielhallen reduzieren können?"
StR
Pfeifer
(SPD) erinnert, schon bei der Diskussion um das Gesetz wurde auf diverse Schwierigkeiten hingewiesen. Der Gesetzgeber habe sich Mühe gegeben, doch im Vollzug mangele es an Klarstellung. In der Zielsetzung sieht er völlige Einigkeit dahingehend, als ein Kerngebiet eine Mindestzahl von Spielhallen akzeptieren muss. Jedoch seien die Kriterien, um deren Anzahl zu reduzieren, so wachsweich, dass ein enormer Verwaltungsaufwand und "juristischer Wirrwarr" zu befürchten sei. Er gibt der Verwaltung Rückendeckung, um einige Musterprozesse durchzufechten, da ohne solche wenig Möglichkeiten bestünden, um die Anzahl zu beschränken. Er signalisiert zudem die Bereitschaft seiner Fraktion, die dafür notwendigen personellen Kapazitäten zu schaffen und geht nicht davon aus, sehr schnell zu einer Veränderung des Status Quo zu kommen.
Aus Sicht von StR
Ozasek
(SÖS-LINKE-PluS) ist das LGlüG ein extrem wichtiges Gesetz. Die Komplexität sei vor allem bedingt durch die bestehende Rechtsunsicherheit für die Behörden in der Umsetzung. Daher müssen die Gerichte entscheiden, ob die Anwendung des Gesetzes rechtskonform ist. Er betrachtet die Spielhallen "als Krebsgeschwüre, die systematisch menschliches Elend und Suchtverhalten verursachen, Familien zerstören und Menschen in die Schuldenfalle treiben." Die Fraktionsgemeinschaft spreche sich daher dafür aus, das Gesetz hart auszulegen und hart zur Anwendung zu bringen. Bei der Auswahl der Konkurrenzsituationen sollten weitere Aspekte herangezogen werden, z. B. ob eine Spielhalle in einem ortsbildprägenden Gebäude mit besonderer Qualität untergebracht ist, wo die Fensterfronten zugeklebt sind, wie derzeit in der Gablenberger Hauptstraße, ob eine Spielhalle in exponierter Lage liegt oder eher in Randlage, z. B. zu einem Versorgungsbereich.
Zum Thema Härtefälle vertritt er die Ansicht, dass die im Gesetz bereits verankerte mehrjährige Übergangsfrist ausreichend ist, weil ein Großteil der Härten dadurch abgeräumt wird. In diesem Zusammenhang weist er auf die sehr gute Arbeitsmarktlage hin und darauf, dass eine Nachnutzung von Objekten insbesondere in der City selbstverständlich möglich sei.
Nach Meinung von StR
Conz
(FDP) geht es im Grunde darum, das legale Automatenspiel - welches bereits stark reglementiert sei - unmöglich zu machen. So werde bereits über die Bebauungspläne ständig daran gearbeitet, in den Außenbezirken das Automatenspiel zu verbieten, weshalb nur noch möglich sei, legales Automatenspiel neu in der Innenstadt anzubieten. Insofern sei die hohe Konzentration in der Stadtmitte nicht verblüffend. Verschärft werde die Situation nun durch das LGlüG und die 500 m-Regelung, durch welche das Automatenspiel in den Außenbezirken mittelfristig aussterben werde. Selbst in der Innenstadt könnten dadurch höchstens ein bis zwei Spielhallen übrigbleiben. Bezugnehmend auf S. 7 der Präsentation vermutet der Stadtrat, es wurde vergessen, das Spielcasino in Möhringen aufzuzeigen, welches der größte Automatenspielanbieter in Stuttgart sei. Ihn interessieren die Inhalte des Sozialplans des Spielcasinos im SI-Zentrum, dessen Betreiber das Land Baden-Württemberg ist. Er äußert auch die Sorge, man werde Probleme bekommen wird mit illegalem Glücksspiel, wo die Automaten nicht mehr kontrolliert werden und mit damit einhergehender Kriminalität, wenn in ganz Stuttgart nur noch etwa 10 Spielhallen bestehen.
StR
Brett
(AfD) hält 121 Spielhallen in Stuttgart mit Schwerpunkt in der Innenstadt für zu viel und zu dicht. Er regt an, seitens Verwaltung und Gemeinderat eine Zielgröße zu definieren. Eine Zahl zwischen 20 und 30 hält er für sozialverträglich. Angesichts der Arbeit, die in den nächsten zwei bis drei Jahren auf die Fachverwaltung zukommt, plädiert er dafür, bei den Haushaltsplanberatungen zwei bis drei Stellen zeitlich befristet zu schaffen, um die Bugwelle abzuarbeiten.
"Was ist eigentlich ein Sozialkonzept bei Spielhallen?" erkundigt sich StR
Dr. Schertlen
(STd). Weiter fragt er nach Erkenntnissen die Auslastung von Spielhallen betreffend und danach, wie ausgelastet die einzig übrigbleibende Spielhalle sein wird, würde man die 500 m-Abstandsregelung in der Innenstadt umsetzen. Außerdem interessiert ihn, welche alternativen Nutzungen der Bebauungsplan zulässt bzw. ob man in den einzelnen Spielhallen mit einer Quote für die Fläche arbeiten könnte, wo Glücksspielautomaten aufgestellt werden dürfen. Er fragt auch, was es für die Steuereinnahmen der Stadt bedeuten würde, wenn zahlreiche Spielhallen durch die Umsetzung des LGlüG entfallen.
Frau
Koller
unterstreicht, die personelle Unterstützung sei ein wichtiges Anliegen der Fachverwaltung. Man habe eine Stelle beantragt, die bisher nicht zugestanden wurde. Die Frage, wie lange es voraussichtlich dauern wird "bis man etwas sieht", lasse sich schwer beantworten, da man im Moment schlecht kalkulieren könne, wie die Gerichte mit dem Thema umgehen. Sollten die Gerichte einen geradlinigen Kurs fahren, so werde sich dies auswirken auf die Entscheidungen und man könne nachjustieren. Je mehr es dagegen unterschiedliche Sichtweisen gibt, desto unsicherer sei die Lage. Es gebe heute bereits unterschiedliche Sichtweisen in den Ländern, z. B. bei der Frage, wie treffe ich eine Auswahlentscheidung? Manche Bundesländer führen ein Losverfahren durch, wenn bei einem Auswahlverfahren mehrere Betreiber die gleichen guten Voraussetzungen erfüllen. Das Baden-Württembergische Wirtschaftsministerium dagegen habe das Losverfahren bisher ausdrücklich untersagt. Nichtsdestotrotz könnte man mit einer weiteren personellen Unterstützung einfacher auf die jeweilige Rechtsprechung reagieren und bei den Bescheiden weitere Begründungen nachschieben bzw. neue Begründungen absetzen.
Die Bitte nach einer strengen Auslegung nehme die Verwaltung gerne auf. Das Ziel des LGlüG sei eindeutig der Spielerschutz, dennoch stehe man vor erheblichen Schwierigkeiten. In Bezug auf Härtefälle mit der Begründung einer fehlenden anderen Nachnutzung berichtet sie, bisher gab es bei Flächen, wo Spielhallen zugelassen waren, immer die Möglichkeit, eine weitere gewerbliche Nutzung zuzulassen. Man habe jedoch den Eindruck, dass bei bestimmten Objekten die Spielhallennutzung bisher offensichtlich gewinnträchtig war. Über den Auslastungsgrad lägen keine Erkenntnisse vor.
Herr
Dr. Stadler
(AföO) ergänzt, im Sozialkonzept, das 30 bis 40 Seiten stark sei, müsse dargelegt werden, welche Maßnahmen zur Verhinderung problematischen pathologischen Glücksspiels ergriffen werden, wie betroffene Spieler in das Hilfesystem vermittelt werden und wie die Einhaltung überwacht und mit Verstößen umgegangen wird. Zudem sei ein jährlicher Bericht zu geben, wie erfolgreich die Umsetzung war. Das Sozialkonzept werde grundsätzlich vom Regierungspräsidium geprüft, eine Vorprüfung des jährlichen Berichts erfolge jedoch seitens der Fachverwaltung. Er informiert weiter, die Spielbank in Möhringen unterliege nicht dem Recht für die Spielhallen, obwohl es in der Spielbank auch eine Spielhalle gebe, welche wiederum den Regelungen des LGlüG unterliegt.
BM
Dr. Schairer
merkt an, hierzulande erfolgen derartige Verfahren streng nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, weshalb sie etwas länger dauern. Neue Spielhallen seien nach dem LGlüG nicht zu erwarten, sodass nun die Altbestände nach Recht und Gesetz und unter Berücksichtigung des Art. 12 GG zu beurteilen sind. Dies werde Schritt für Schritt erfolgen. Man werde von Zeit zu Zeit im Ausschuss darüber berichten.
Er stellt abschließend fest:
Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat
vom Bericht Kenntnis genommen
.
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12Präsentation Umsetzung LGlüG(2).pdf