Protokoll:
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
120
1
Verhandlung
Drucksache:
783/2018
GZ:
StU
Sitzungstermin:
30.11.2018
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
EBM Föll
Berichterstattung:
Herr Bertram (ASS)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
de
Betreff:
Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM)
Fortschreibung der Konditionen
Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 27.11.2018, öffentlich, Nr. 536
Ergebnis: Einbringung
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 13.11.2018, GRDrs 783/2018, mit folgendem
Beschlussantrag:
1. Der Anteil geförderter Wohnungen wird von 20 auf 30 % der im SIM-Gebiet für das Wohnen neu geschaffenen Geschossfläche erhöht. Bei Ersatzmaßnahmen im Radius von 1.000 m um das SIM-Gebiet erhöht sich der Anteil von 30 auf 45 %. Die Erhöhung erfolgt ausschließlich zugunsten des Anteils der Sozialmietwohnungen (SMW).
2. Die Regelung gemäß Beschlussantrag 1 gilt in allen Baugebieten der Bau-nutzungsverordnung, die der Ausweisung von Wohnbauflächen oder gemischten Bauflächen mit Wohnanteilen dienen. Die bisherigen Sonderregelungen für Kerngebiete (MK) und Mischgebiete (MI) entfallen damit.
3. Der Verlängerung der Bindungsfristen von 15 auf 25 Jahre bei den Sozialmietwohnungen (SMW) und von 15 auf 20 Jahre bei den Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher (MME) innerhalb des SIM wird zugestimmt.
4. Der Heraufsetzung der Verkaufspreise im Programm Preiswertes Wohneigentum (PWE) innerhalb des SIM gemäß Anlage 2 wird zugestimmt.
5. Der Erhöhung der Infrastrukturkostenpauschale für Kindertagesstätten von 360.000 auf 410.000 € gemäß Anlage 3 wird zugestimmt.
6. Die Anträge 1 bis 5 gelten ab Beschlussfassung des Gemeinderates für alle neu aufzustellenden Bebauungspläne (Aufstellungsbeschluss nach dem 06.12.2018).
EBM
Föll
weist auf Antrag 387/2018 der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS vom 29.11.2018 hin, der in der Sitzung als Tischvorlage ausliegt. Er ist dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Zunächst nimmt Herr
Bertram
Stellung zum Antrag. Er knüpft an die Diskussion im UTA am 27.11.2018 an. Dort sei angeregt worden, einen Vergleich mit anderen Städten - z. B. Zürich-Kalkbreite - anzustellen. Seine Recherchen hätten ergeben, dass man in Zürich 220.000 Wohneinheiten (WE) habe. Davon befänden sich 25 % im Eigentum von Genossenschaften, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, Stiftungen und Vereinen. Auf diesen Prozentwert komme man auch in Stuttgart, wenn man die Wohneinheiten der SWSG, der Baugenossenschaften und des Siedlungswerks zusammenrechne. Enttäuschend sei, dass von diesen 25 % lediglich 6.699 WE subventioniert seien. Das entspreche 3 %. Das Gebiet Kalkbreite umfasse 55 WE, davon 11 subventionierte, was der aktuellen SIM-Quote von 20 % in Stuttgart entspreche. Für nicht subventionierte Wohnungen müsse eine Einlage von 25.000 Schweizer Franken geleistet werden. Die Kaltmiete für 95 m
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betrage 1.850 Schweizer Franken. Nach dem aktuellen Kurs wäre dies eine Kaltmiete von mehr als 16 Euro pro m
2
.
Einer Broschüre des Heimatschutzministeriums zusammen mit dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, in der die Stadt Stuttgart als gutes Beispiel gewürdigt werde, entnehme er, dass sich die geförderten Prozentanteile durchweg bei 20 - 30 % bewegten, es ökologische Anteile gebe, wie z. B. Energieeinsparung, außerdem Bauqualitäten etc. Höhere Werte als diese 30 % fänden sich nur bei städtischen Grundstücken. In SIM, so betont er, lege man Regelungen für Dritte fest. Bezogen auf städtische Grundstücke sei Stuttgart mit 60 % Sozialmietwohnungen, wenn auch 30 % indirekt, plus 20 % MME und zusätzlich möglichst Baugemeinschaften Vorreiterin in Deutschland.
Zum Antrag merkt er an, Ziffer 1 sei missverständlich und sollte besser lauten: "Der beim Planungsbegünstigten verbleibende Planungsgewinn reduziert sich von einem Drittel auf 10 %." Er halte diesen Wert für sehr gering.
Ziffer 2 sei nach seinem Dafürhalten nicht beschließbar, da der Wohnanteil im Vergleich zum Gewerbe gebietsabhängig sei. Im Kerngebiet sei ein Wohnanteil von 50 % nicht zulässig, lediglich 20 - 30 %. Im Mischgebiet hänge es ebenfalls vom Bereich ab.
Ziffer 3 erscheine ihm auch nicht beschließbar, da die Möglichkeiten, ein Vorkaufsrecht auszuüben bzw. es sich einräumen zu lassen, in den §§ 24 und 25 BauGB abschließend geregelt seien und der hier genannte Fall dort nicht erwähnt sei. Auf freiwilliger Basis werde dies jedoch bereits praktiziert, z. B. beim Hansa-Areal in Stuttgart-Möhringen.
Die Ziffern 4 - 7 könnten formaljuristisch beschlossen werden.
Anschließend erläutert er den Beschlussantrag der Vorlage.
EBM
Föll
ergänzt, die Erhöhung des Anteils für den geförderten Wohnungsbau resultiere insbesondere aus der Flächenknappheit. Die Verwaltung halte 30 % für eine angemessene Quote. Limitiere man aber zugleich, wie von SÖS-LINKE-PluS beantragt, den durch neues Baurecht geschaffenen Planungsgewinn auf 10 %, führe dies zu weniger Entwicklung im Bestand. Denn dann gebe es für Eigentümer bzw. Investoren keinen wirklichen Anreiz mehr zur Nachverdichtung und Innenentwicklung. Darüber werde politisch entschieden. Teile des Antrags, z. B. Ziffer 3, seien rechtswidrig.
Seine Fraktion teile die Einschätzung der Verwaltung und, so StR
Hill
(CDU), könne die Erhöhung speziell im Sozialmietwohnungsbau mittragen. Doch müsse man vermeiden, dass wieder Soziale-Stadt-Programme notwendig würden. In den nächsten Jahren sollte die Entwicklung beobachtet werden. Problematisch sei Ziffer 1 des Beschlussantrags insbesondere im Hinblick auf die Erhöhung auf 45 %. Grundsätzlich sollte dies wie auch einzelne Anträge im UTA diskutiert werden, weshalb er nun auch nicht näher auf Antrag 387/2018 eingehe.
Auch ihre Fraktion könne dem Beschlussantrag zustimmen, erklärt StRin
Fischer
(90/GRÜNE). Bei Ziffer 3 würde sie allerdings eine Erhöhung der Bindungsfristen auf 30 Jahre vorziehen. Zu überlegen sei auch, ob der erste SIM-Fall ab einer Geschossfläche von 1.350 m
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oder weniger greifen solle. Mit dem geänderten Beratungsverlauf sei ihre Fraktion einverstanden, wobei die komplette Entscheidung nicht vom UTA getroffen werden solle.
StR
Pfeifer
(SPD) erinnert an die Entstehung des SIM. Die damaligen Schreckensszenarien hätten sich nicht eingestellt. Nun gelte es, das Modell anzupassen. Der Beschlussantrag gehe eindeutig in die richtige Richtung. Es sei lobenswert, dass die Verwaltung den Antrag 387/2018 vom 29.11.2018 bereits behandle, doch warte er immer noch auf eine Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag 333/2018 seiner Fraktion vom 25.10.2018. Einmal mehr mahnt er eine fristgerechte Beantwortung von Anträgen an.
Den Blick zurück und der damit verknüpften Einschätzung seines Vorredners schließt sich StR
Adler
(SÖS-LINKE-PluS) im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft an. Ergänzend betont er, eine Enteignung sei ein mögliches Instrument des bestehenden Gesetzes, wenn Eigentümer z. B. bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen den Zielvorstellungen nicht folgen wollten. OB Kuhn habe Mitte Juni des Vorjahres, als das Thema Wohnen und die Mietenentwicklung in Stuttgart - unter anderem nach einer Hausbesetzung im Mai - in einer Grundsatzdebatte sehr intensiv diskutiert worden sei, angekündigt, dass Korrekturen am bislang angewandten Instrumentarium der Stadt kommen würden und müssten. Dabei habe er auch SIM angesprochen. Er gehe nun davon aus, dass die vorliegende Gemeinderatsdrucksache diese Korrekturen beinhalte. Doch sehe er angesichts der Dringlichkeit des Problems darin keine angemessene Antwort auf dieses Problem.
Der Antrag seiner Fraktionsgemeinschaft sei als Impuls für die Debatte zu sehen, zur Abstimmung stelle er ihn nicht. Er begründet nochmals diesen Antrag und bietet an, die Formulierung dort, wo es aufgrund der rechtlichen Situation nötig sei, zu ändern. Dies betreffe die Ziffern 2 und 3. Im Einzelnen führt er aus, bei Ziffer 1 würden Investoren vor die Frage gestellt, ob sie bereit seien, der grundgesetzlichen Verpflichtung, dass die Nutzung ihres Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen habe, nachzukommen oder nicht.
StR
Zaiß
(FW) merkt an, seine Fraktion wolle die in den Ziffern 4 - 7 dargelegten Maßnahmen nicht umsetzen. Sie halte die in der Beschlussantragsziffer 1 von der Verwaltung genannte Erhöhung von 20 auf 30 % - was einer Erhöhung um 50 % entspreche - für mehr als ausreichend und werde dieser zustimmen.
Das Wohnungsproblem sei nicht wegzudiskutieren, unterstreicht StR
Dr. Oechsner
(FDP). Solange man keine besseren Instrumente - z. B. eine stärkere Subjektförderung, Fehlbelegungsabgabe - habe, spiele hier das Erstellen von Sozialwohnungen eine wichtige Rolle. Die Frage sei aber, ob sich bei einer Erhöhung der Quote im SIM bei gleichbleibenden Baukosten dann nicht die Mietpreise für alle anderen Wohnungen in diesem Bereich erhöhten. Grundsätzlich plädiere seine Gruppierung dafür, verstärkt geförderten Wohnungsbau zu betreiben. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, ob seit 2010 tatsächlich mehr sozialer Wohnraum gebaut worden sei.
Mit Blick auf den Vergleich weist StR
Klingler
(BZS23) auf die völlig anderen Rahmenbedingungen in Zürich hin. Weder der Unterausschuss Wohnungsbau noch das Bündnis für Wohnen hätten bislang zur Lösung des Wohnungsproblems beigetragen. Bis 2009 seien erheblich mehr Sozialwohnungen gebaut worden, doch seit es im Gemeinderat eine ökosoziale Mehrheit gebe, würden weniger gebaut. Die Vorschläge in der Vorlage seien nicht zielführend. Man brauche Flächen, Überbauung von Straßen und Dächerprogramme. Er werde alles ablehnen, da man mit den vorgeschlagenen Maßnahmen das Problem nicht löse.
StR
Hill
merkt gegenüber StR Pfeifer an, das funktionierende SIM-System sei das Ergebnis eines 2010 ausgehandelten Kompromisses. Dies weist StRin
Fischer
zurück, SIM sei seinerzeit mit nur 1 Stimme Mehrheit beschlossen worden.
EBM
Föll
betont, dass man Wohnungspolitik nur erfolgreich gestalten könne, wenn man auch die Belange der privaten Eigentümer berücksichtige, denen immerhin 70 % der Wohnungen in Stuttgart gehörten - in Form eines Mehrfamilienhauses oder selbst genutzten Eigentums.
OB Kuhn habe in der Generaldebatte angekündigt, dass die SIM-Quote erhöht werde. Mit der Vorlage habe er dies zeitnah geliefert. Die Verwaltung halte das Bündnis für Wohnen für einen Erfolg, und sie wolle sich diesen durch einzelne Akteure, die Partikularinteressen verfolgten, nicht schlecht reden lassen. 2017 und 2018 werde man erstmals die Zielquoten auch im geförderten Wohnungsbau - 300 WE im sozialen Wohnungsbau und 100 WE bei MME - erreichen. An diesem Erfolg habe SIM einen maßgeblichen Anteil. Auch die Zielzahlen von mehr als 1.800 Fertigstellungen jährlich werde man in diesen beiden Jahren erreichen.
Zu Antrag 333/2018 der SPD-Fraktion merkt er an, dieser beziehe sich nicht nur auf SIM, sondern auch auf den Unterausschuss Wohnungsbau. Dort habe man vereinbart, die Auflistung der Projekte an die Mitglieder zu übermitteln. Was das Projekt Wiederholdstraße 15 anbelange, so bedaure die Verwaltung es sehr, dass die geförderten Wohnungen und die Kita als letztes und mit erheblicher Zeitverzögerung umgesetzt würden. Ein Gespräch mit der Epple Projekt GmbH habe ergeben, dass das Projekt zwischenzeitlich weiterverkauft sei und der Erwerber die Kita und die Sozialmietwohnungen zeitnah realisieren wolle. Die Stadt werde in den städtebaulichen Verträgen künftig genau darauf achten, dass ein solcher Zeitverzug vermieden wird.
Herr
Bertram
führt an StRin Fischer gewandt aus, die Laufzeiten bei MME entsprächen denen, die auch außerhalb des SIM gültig seien. Bei den Sozialmietwohnungen versuche die Verwaltung zu vermitteln, weshalb sie nicht sofort auf die maximal zulässigen Werte gehe. Wenn sich der Gemeinderat mehrheitlich für 30 Jahre ausspreche, sei dies sofort machbar. Ab 450 m
2
müsse die erste geförderte Wohnung - im MME oder PWE - erstellt werden. Die erste Sozialmietwohnung werde ab 1.350 m
2
fällig. Das entspreche in etwa der 15. oder 16. Wohneinheit. Auch hier wäre es möglich, wenn der Gemeinderat dies wünsche, bereits ab der 10. Wohneinheit bzw. ab 900 m
2
eine Sozialmietwohnung zu fordern. Unterhalb dieser Grenze könne es Probleme mit der Akzeptanz der Bewohner untereinander geben. Gegenüber StR Dr. Oechsner merkt er an, sozialer Mietwohnungsbau wirke sich nicht auf die Lasten aus, die angerechnet würden, da es sich um ein Landesförderprogramm handle. Bei den städtischen Programmen MME und PWE würden Lasten angerechnet.
Damit hält EBM
Föll
fest:
Die Vorlage wird
ohne Votum
in die nachfolgenden Gremien verwiesen.
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