Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.06.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:Frau Aufrecht (OB/82)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Bericht der Wirtschaftsförderung
"Aktivitäten der Wirtschaftsförderung in Zeiten von Corona"
- mündlicher Bericht -

Zunächst berichtet Frau Aufrecht im Sinne der Präsentation, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt. Die Präsentation wird den Mitgliedern des Ausschusses nach der Sitzung per E-Mail übersandt.

BM Fuhrmann merkt an, als Noch-Mitglied im Handels- und Gewerbeverein Mühlhausen erhalte er ebenfalls regelmäßig die von Frau Aufrecht erwähnten Rundmails der Abt. Wirtschaftsförderung, die sehr viele Betriebe sehr gut informierten. Er ergänzt, die Stadt habe die zunächst auf drei Monate befristete Mietstundung ihrer Liegenschaften um weitere drei Monate auf insgesamt sechs Monate verlängert.

Die Vertreter der Fraktionen danken für den Bericht.

Für StR Winter (90/GRÜNE) ist es wichtig, dass bei Hilfen die Nachhaltigkeit oberste Priorität haben müsse. Die Stadt müsse sich durch die Maßnahmen ihre Handlungsfähigkeit erhalten. Er betont, seine Fraktion stehe nach wie vor zu den Haushaltsbeschlüssen. Stuttgart sei sehr breit aufgestellt mit Handel und Gastronomie. Das treffe die Stadt momentan sehr stark, werde aber mittelfristig eher nicht so problematisch wie in anderen Industriezweigen, bei denen es Korrekturen geben werde, die durch Corona stark beschleunigt würden. Er wünsche sich, dass die Industrie bzw. die Wirtschaft mit großem Engagement in die Zukunftsmärkte mitziehe. Mit Blick auf die mittlerweile wieder belebte Königstraße gibt er zu bedenken, dass die Frequenz dort nicht dem Umsatz entspreche. Gleiches gelte für die Biergärten. Der Veranstaltungsbereich - first in last out - sei sehr stark betroffen, u. a. deshalb habe der Gemeinderat hier nochmals Anträge formuliert, in der Hoffnung, dass viele Firmen sich am Markt halten könnten. Eine große Chance liege in der Digitalisierung. Stuttgart müsse den Universitäts- und Forschungsstandort weiter stärken. Die Website stuttgartsindwir.de habe positive Effekte auf den Umsatz lokaler Firmen. Er weist auf einen Antrag seiner Fraktion hin, auch wenn die Anlässe für Veranstaltungen in den Stadtbezirken coronabedingt wegfielen, dort dennoch verkaufsoffene Sonntage zu veranstalten. Die Bereitschaft im Handel sei sehr groß. Zusätzlich könnte man an diesen Tagen eventuell Vergünstigungen für VVS-Abonnenten anbieten. Die Lotsenfunktion der Abt. Wirtschaftsförderung für die Stadt sei enorm wichtig. Er bittet um eine laufend aktualisierte Zusammenstellung der Anlaufstellen und Antragsmöglichkeiten. Hierzu merkt Frau Aufrecht an, eine Auflistung in Bezug auf die Landesförderung liege vor. Jedoch gebe es auch sehr viele zusätzliche Einzelmaßnahmen im Marshallplan Neustadtkultur, Unterstützung des Gastronomiegewerbes etc. Sie werde einen sinnvollen Auszug daraus zusammenstellen und den Mitgliedern des Ausschusses zukommen lassen.

Der Bericht im Ausschuss sei nach vier Monaten Corona-Pandemie lange überfällig, erklärt StRin Porsch (CDU). Sie befürchtet eine große Insolvenzwelle im Herbst, wenn die Soforthilfeprogramme und Stundungen ausliefen. Der Handelsverband rechne branchenabhängig mit 20 % Schließungen bis zum Jahresende. Hier vermisse sie bislang eine Handlungsempfehlung der Abt. Wirtschaftsförderung. Man müsse auch überlegen, ob man im Nachtragshaushalt nicht mehr Geld für die Wirtschaft, die ja über die Jahre für die Steuereinnahmen gesorgt habe, einstellen sollte. Die bisherigen Maßnahmen der Stadt seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Stadt lebe vom Mix aus klassischer Wirtschaft, Handel, Gewerbe, Kultur etc., und dieser müsse erhalten bleiben, damit die Stadt attraktiv bleibe. 200.000 Menschen seien in Kurzarbeit und verfügten demzufolge über weniger Kaufkraft. Zudem seien die Menschen vorsichtig und blieben deshalb Veranstaltungen fern. Dies werde sich im Herbst noch verstärken, wenn sich alles wieder nach drinnen verlagere. Sie erwarte von der Verwaltung, dass sie sich Maßnahmen überlege, mit denen das Sicherheitsgefühl der Menschen gestärkt werde, z. B. durch Desinfektionsstationen in der Stadt. Auch könnte z. B. die Erreichbarkeit der Innenstadt durch einen kostenlosen Nahverkehr am Wochenende verbessert werden. Weitere Maßnahmen könnten auch Einkaufsgutscheine für den stationären Handel oder kleine kulturelle Hotspots wie z. B. Konzerte in der Stadt sein. Sie bittet um eine Bewertung, inwieweit die Pop-up-Fahrradspur in der Theodor-Heuss-Straße den Handel belebt habe und wie sich die Demonstrationen auswirkten. Nachhaltig sei in ihren Augen, nun den Standort zu stärken. Der Austausch der Verwaltung mit den führenden Unternehmen, dem Handelsverband und der IHK müsste z. B. in Form eines Runden Tisches intensiviert und die Wirtschaft zur Chefsache erklärt werden.

An dieser Stelle berichtet BM Fuhrmann, für den WA am 17.07.2020 sei ein Gespräch geplant. Zugesagt habe bereits die Leiterin der Agentur für Arbeit, angefragt sei auch die IHK.

StR Ozasek (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) erinnert an die Finanzmarktkrise 2007, auf die in den folgenden zehn Jahren ein massiver Zuwachs an Arbeitsplätzen, Wirtschaftskraft und Forschungskapazität gefolgt sei. Die Coronakrise stelle sich nun als Stresstest für die Stadt und die Region dar, der Schwächen offenbart habe. Es gebe viel zu viel Handelsfläche infolge der neuen Shopping-Malls. Die Automobilindustrie sei zwar für Stuttgart wichtig, global gesehen aber nicht systemrelevant. Auch die Hotelkapazitäten seien in den letzten Jahren zu sehr erhöht worden. Die ökonomische Widerstandsfähigkeit der Stadt müsse gestärkt werden, und hier dürfe man nicht in den Vorkrisenmodus zurückkehren, der Treiber vor allem für die Klimakatastrophe gewesen sei. Man brauche nun einen Wiederaufbau mit gleichzeitigem sozialökologischen Umbau. Richtig sei, dass die großen Investitionen beim Flughafen zurückgestellt und regionalisierte Wirtschaftskreisläufe gestärkt worden seien. Die Wirtschaftsregion Stuttgart habe hier eine sehr gute Plattform für die Kooperation von Unternehmen in der Region geschaffen. Die Wirtschaft müsse in Richtung einer klimaneutralen Produktion entwickelt werden. Die Ressourcen müssten in den Industrien des 21. Jahrhunderts konzentriert werden. Insofern müsse - antizyklisch - auch der städtische Doppelhaushalt umgesetzt werden. Maßnahmen könnten z. B. die Stärkung des regionalen Tourismus in Form eines Plus-Tickets für alle VVS-Ticket-Inhaber sein. Auf Antrag seiner Fraktion sei als schnelle Hilfe die erleichterte Genehmigung für gastronomische Außenflächen beschlossen worden. Ebenso müsse auch die kulturelle Bespielbarkeit des öffentlichen Raums erleichtert werden. Die Stadt als Vermieterin sollte verstärkt umsatzabhängige Pachten einführen. Die Krise sollte zur Qualifizierung für eine neue Arbeitswelt genutzt werden. Und schließlich sollte die Stadt einen strukturpolitischen Strategieprozess zur Diversifizierung ihrer Wirtschaft - im Hinblick auf die digitale Wissensökonomie, zukunftsfähige Cluster wie die Biotechnologie, Medizinproduktion oder Künstliche Intelligenz - anstoßen.

Auch StRin Schanbacher (SPD) unterstreicht die Notwendigkeit von Gesprächen in großer Runde. In einem Fachgespräch mit Einzelhändlern und Gastronomen habe ihre Fraktion erfahren, dass kein Austausch stattfinde. An ihren Vorredner gewandt erklärt sie, es gebe keinen aufgeblähten Markt, der nun eingebrochen sei. Mit Blick auf die Beschlüsse des Doppelhaushalts spricht sie sich für ein antizyklisches Verhalten aus. Die Rahmenbedingungen für das Nachtleben, die Kreativbranche und die Hotellerie seien äußerst schlecht. Zwar seien die Menschen wieder unterwegs, aber dennoch sehr vorsichtig, und sie konsumierten weniger, nicht zuletzt, weil sich viele in Kurzarbeit befänden. Problematisch sei es vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, gerade letztere könnten oft keine Kredite beantragen. Dies wirke sich negativ auf die so geschätzte Vielfalt aus. Sie bittet um eine Einschätzung zu den von CIS genannten Zahlen sowie der Aussage des City-Managers, er würde als leichtsinnig bezeichnet, weil er von nur 20 % Insolvenzen ausgehe. Die Abt. Wirtschaftsförderung habe sie in der Anfangsphase als sehr schnell, informativ und tatkräftig erlebt, sie sei eine Anlaufstelle mit guter Datenbank gewesen. Im Fachgespräch hätten indessen viele geklagt, sie fühlten sich mittlerweile von Verwaltung und Politik im Stich gelassen. Sie hätten sich nicht nur Informationen, sondern auch mehr Programme, Förderung und Ideen gewünscht - eine Unterstützung durch die Stadt unter den geänderten Rahmenbedingungen. Teilweise gebe es Parallelsysteme, z. B. bezüglich der Gutscheine. Diese sollten vernetzt werden. Analysieren und Fokussieren sei zu Beginn richtig gewesen, doch nun müsse man aktivieren und ankurbeln. So habe z. B. die Wirtschaftsförderung in Tübingen ein Programm gestartet, bei dem diese für jeden erlassenen Euro pro m² Pacht nochmals 75 Cent dazugebe. Auf diese Weise seien einige Einzelhändler*innen in der Tübinger Altstadt entlastet worden. Mieten sollten nicht nur gestundet, sondern teilweise auch erlassen werden. Hier hätten sich der Handelsverband und die Immobilienwirtschaft in einem Verhaltenskodex darauf geeinigt, dass in den Monaten der Schließung 50 % der Mieten erlassen und in weiteren drei Monaten reduziert werden sollten. Wien habe ein großzügiges Gutscheinprogramm aufgelegt. Jede Person erhalte 100 €, jeder Haushalt 200 €, damit solle der Konsum angekurbelt werden, was auch funktioniere. Von den Selbstständigen sei vielfach kritisiert worden, dass es vor allem an Veranstaltungen und Aktionen in der Stadt fehle, die Leute in die Stadt locken könnten. Sie regt an, die im Haushalt bereits finanzierten Aktionen wie z. B. verkaufsoffene Sonntage oder "Stuttgart autofrei" durchzuführen. Neben Themen wie Digitalisierung und Gründerkultur müsse auch das infolge von Corona veränderte Reise- und Kaufverhalten diskutiert werden.

Noch einigen Handlungsbedarf sieht StR Neumann (FDP). Er schildert, wie er den Lockdown in seinem Betreuungsstadtbezirk wahrgenommen hat. Nach zwei Wochen Schließung habe sich herausgestellt, dass der GHV keine Notwendigkeit für eine Vernetzung der Einzelhändler untereinander gesehen bzw. bei diesen wenig Interesse vermutet habe. Bei einer von ihm initiierten Videokonferenz habe sich das Gegenteil gezeigt: Spontan hätten 30 Personen teilgenommen, darunter der Bezirksvorsteher, der GHV und Bezirksbeiräte. Hier hätte seiner Ansicht nach der GHV initiativ werden müssen. Ein weiterer Schwachpunkt sei, dass nicht alle GHVs über die Aktiven Stuttgarter vernetzt seien. So seien wichtige Informationen verloren gegangen wie diejenige, dass über die Aktiven Stuttgarter Einkaufsgemeinschaften z. B. für Mundschutzmasken organisiert werden könnten. In seinem Bezirk habe niemand gewusst, dass es dafür eine KMU-Zentrale für Sammelbestellungen gebe. So habe man selbst eine Sammelbestellung organisiert und diese in Balingen bei "einem sehr dubiosen Großhändler" abgeholt. An dieser Stelle weist er darauf hin, dass die GHVs die Informationen in den Rundmails der Abt. Wirtschaftsförderung auch von den Handelsvereinen erhielten. Kritisch beurteilt er den "Portal-Dschungel" - gutscheine-fuer-stuttgart.de, stuttgartsindwir.de, einzelheld.de, kaufnebenan.de, #StayOpen u. v. m -, der einer konzertierten Aktion für Stuttgart entgegenstehe. Hier erwarte er von der Abt. Wirtschaftsförderung, dass sie die Kräfte bündele. Man brauche spätestens bei einem zweiten Lockdown dringend einen alternativen Online-Vertriebskanal. Mit Blick auf die Gastronomen merkt er an, bei der Betriebsausfallversicherung hätten die Versicherer, auch heimische, den Gastronomen 20 % der Versicherungssumme angeboten, wenn sie unterschrieben, dass damit alle Ansprüche erfüllt seien. Alternativ könnten sie gegen die Versicherung klagen, wobei ein Urteil vielleicht nach fünf Jahren gesprochen werde, der Gastronom das Geld aber sofort brauche. Hier erwarte er ein Machtwort der Stadt, zumindest gegenüber den hier ansässigen Versicherern. Er begrüßt die Idee, gemeinsam mit den Kulturschaffenden die Innenstadt und auch die Bezirke zu beleben.

StR Zaiß (FW) konstatiert, dass in guten Zeiten nicht an Vernetzung gedacht bzw. diese nicht für nötig gehalten worden sei. Die GHVs hätten keine Mitglieder mehr bekommen. Die Krise habe den Onlinehandel gestärkt. Die Rentner hätten durch die Krise zwar keine finanziellen Einbußen, jedoch Angst vor Ansteckung, weshalb sie zuhause blieben. Das Problem der Gastronomie sei, dass man die Einnahmenausfälle nicht nachholen könne. Ähnlich sei es in der Textilbranche. Grundsätzlich werde man im Stadthaushalt bis auf Weiteres berücksichtigen müssen, dass die noch vorhandenen Einnahmen deutlich abnehmen werden. Das viele Millionen schwere Hilfsprogramm der Bundesregierung müsse irgendwann von jemandem, sprich der arbeitenden Bevölkerung, bezahlt werden. Er lobt die Anlaufstelle der Abt. Wirtschaftsförderung, da hier schnell erkannt worden sei, wo Hilfe nötig sei. Allerdings könne diese nicht mit der Gießkanne Geld verteilen, sondern die Wirtschaft müsse dies selbst erwirtschaften und könne hierbei lediglich Hilfen in Anspruch nehmen. Angesichts der unsicheren Lage seien auch Kredite problematisch.

StR Köhler (AfD) hofft, dass die Menschen ihr Verhalten nicht dauerhaft änderten, denn immerhin habe sich ein Drittel entsprechend geäußert. Er bezweifelt, dass man die Krise auf Dauer mit "einer Art Gutschein-Politik", was er nicht abwertend meine, bewältigen werde. In diesem Zusammenhang der Wirtschaft die Technologie des 21. Jahr-hunderts vorzuschreiben, ohne diese überhaupt genau zu kennen, da sie vom Markt bestimmt werde, halte er für den falschen Weg. In der aktuellen Situation müsse man die Bevölkerung, die in den letzten Jahren bereits durch die Energiewende belastet gewesen und nun möglicherweise von Kurzarbeit betroffen sei, bei ihren sonstigen Kosten entlasten, statt auf Dauer eine "Überflusspolitik", z. B. in Richtung Mobilitätswende, zu betreiben. Im Übrigen seien die Vorschläge der Abt. Wirtschaftsförderung sinnvoll, um die Situation kurzfristig zu verbessern.

Einen guten Zusammenhalt in der Stadt sieht StR Puttenat (PULS) in dieser Krise. Auch er halte die Vernetzung für sehr wichtig. Es werde sich zeigen müssen, was man in dieser Hinsicht aus der Krise lerne, gerade auch im Hinblick auf Digitalisierung und Online-aktivitäten. Hier könnten im Idealfall sehr gute Synergien entstehen. Ein sehr wichtiger Lerneffekt könne darin bestehen, dass man auf einem Portal alles bündle. Als Soloselbstständiger seit 25 Jahren im Kulturbereich spüre er die volle Bandbreite der Krise am eigenen Leib. Er weist auf einen Antrag seiner Fraktion hin, demzufolge den Gastronomen in SWSG-Gebäuden für diese Zeit - auch rückwirkend - 50 % der Miete erlassen werden sollten, da eine Stundung im Gastrobereich nicht sinnvoll sei. Hervorragend sei es, die Kultur in der Innenstadt zu beleben. Dabei dürfe man auch die alternative kulturelle Szene nicht vergessen. Auch hier sei eine stärkere Vernetzung wichtig.

StR Winter betont, der Lockdown im März sei in der damaligen Situation richtig gewesen. Dass man die Klinikbetten nicht gebraucht habe, sollte Anlass zur Erleichterung und nicht zur Kritik geben. Seine Fraktion habe viele Anträge initiiert, die von sieben Fraktionen unterschrieben worden seien. Die Stadtverwaltung habe ein gutes Krisenmanagement bewiesen, die Fraktionsvorsitzenden seien über Telefonkonferenzen ständig auf dem Laufenden gehalten worden. Er zolle all denjenigen Respekt, die täglich in den vielen Runden und Lagebesprechungen involviert gewesen seien. Im Hinblick auf die Soforthilfen des Bundes lobt er das Vorgehen in Baden-Württemberg. Die damalige Kritik der CDU, dass wegen einer Erweiterung der Außengastronomie beispielsweise zwei Parkplätze wegfielen, könne er nicht nachvollziehen. Ebenso weist er die AfD darauf hin, dass man sich bereits im 21. Jahrhundert befinde. Nun gehe es darum, in den Aufschwung hinein zu investieren. Er kündigt weitere Vorschläge seiner Fraktion an.

Hierzu merkt StRin Porsch an, sie habe weder den Lockdown abgelehnt, noch sich dazu geäußert. Sie habe die Sofortmaßnahmen des Bundes sogar ausdrücklich gelobt. Aber nun sei man vier Monate weiter und müsse sich mögliche Szenarien überlegen. Sie würde sich sehr freuen, wenn Frau Aufrecht nun konkrete Konzepte mit Nennung der benötigten Mitarbeitenden und Kosten präsentiere. So verstehe sie Wirtschaftsförderung. Sie wolle nicht den Haushalt beschneiden, doch müsse man jetzt überlegen, wie man die Mittel einsetzen wolle. Die Welt werde sich mit und nach Corona für alle Beteiligten massiv verändern. Man müsse drei bis vier Jahre vorausdenken und das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Das vermisse sie. Die Stadtspitze führe keinerlei Gespräche mit Top-Unternehmern oder -Händlern. Das habe ihr OB Kuhn bestätigt.

Zum Thema Vernetzung und einheitliche Plattformen stellt StR Neumann klar, dies sei ein ganz moderner Plattformgedanke, der nichts mit Globalismus zu tun habe. Der Einzelhandel sei in Deutschland auch gesellschaftspolitisch wichtig, denn er präge das Stadtbild. Wenn die Einzelhändler es nicht schafften, sich über Plattformen zu vernetzen, müsse man ihnen unter die Arme greifen. Er habe während des Lockdowns viele konstruktive Punkte wahrgenommen, die in die Lessons Learned aufgenommen werden sollten.

BM Fuhrmann erklärt zum Doppelhaushalt, die Aussagen der Verwaltung hätten sich auf das Jahr 2020 bezogen, nicht auf 2021. Gegenüber StR Ozasek merkt er an, umsatzabhängige Pachten halte er bei der Aufstellung des Haushalts für problematisch. In der aktuellen Situation sei eine umsatzabhängige Pacht zwar insofern positiv, dass ein Unternehmer keine Pacht zahlen müsse. Gleichzeitig könne er aber auch nicht das Bundesprogramm in Anspruch nehmen. An StRin Schanbacher und StR Puttenat wendet er sich mit dem Hinweis, die Verwaltung habe sich bewusst dazu entschieden, die Mieten zunächst zu stunden. Wie in der GRDrs 250/2020 dargestellt, seien die Anforderungen der Abgabenordnung an eine Stundung sehr hoch. Der Erlass der Miete sei ein noch bedeutenderer Schritt. Die Verwaltung wolle nach der Stundung mit jedem einzelnen Mieter/Pächter sprechen und jeden Einzelfall genau prüfen. Je nach Leistungsfähigkeit könne z. B. eine Ratenzahlung vereinbart werden, in Einzelfällen könne auch ein Erlass gewährt werden. Gegenüber StR Neumann macht er deutlich, dass die Vernetzung in den Handels- und Gewerbevereinen immer schon sehr problematisch gewesen sei. Die Bereitschaft, dort aktiv mitzuwirken, habe stark nachgelassen, die Austrittszahlen seien gestiegen und ein Meinungsaustausch sehr schwierig. Von dieser schwierigen Klientel könnten auch die Stadtteilmanager berichten. Jetzt riefen diejenigen nach Vernetzung, die sich davor nicht beteiligt hätten. Zu dem erwähnten Versicherungsfall merkt er an, den Streit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer habe es immer schon gegeben. Gleichwohl handle es sich um einen untragbaren Zustand, doch habe die Stadt hier keine Möglichkeit einzugreifen.

Frau Aufrecht führt an StR Winter gewandt aus, es habe auch Branchen gegeben, die stabilisierend gewirkt hätten, u. a. das Gesundheits- und Bauwesen, die IT und Finanzen. Spreche man über einen Strategieprozess, müsse man sehr genau abwägen, welche Branchen z. B. im Strukturwandel begriffen seien, wo man im Hinblick auf Krisenzeiten am Standort gut aufgestellt sei und wo man nachjustieren müsse. Die verkaufsoffenen Sonntage stellten ein rechtliches Problem dar. Vor zwei Monaten habe ein Runder Tisch u. a. mit OB Kuhn, den Einzelhändlern vor Ort und der CIS stattgefunden, bei dem es u. a. um verkaufsoffene Sonntage gegangen sei. Hier könne sich die Stadt im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten engagieren.

An StRin Porsch wendet sie sich mit dem Hinweis, manches sei momentan schlichtweg nicht absehbar, z. B. die Zahl der Insolvenzen im Herbst. Die milliardenschweren Hilfsprogramme vor allem des Bundes brauchten Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Sie habe die Rückmeldung vom Handelsverband, dass die Hilfen für den Einzelhandel nur für die Monate März und April gälten, da die Läden im Mai ja wieder geöffnet hätten. Die Gastronomen beklagten die mangelnde Kooperation ihrer Hausbanken, sodass ihnen die Hilfsprogramme nicht nützten. Doch es gebe auch viele Fälle, in denen die Unterstützung funktioniere. Insofern sei es aktuell sehr schwierig, echte Szenarien zu zeichnen.

Gegenüber StRin Schanbacher erklärt sie, ein mittleres Szenario könne nicht pauschal angenommen werden. Natürlich gebe es stabilisierende Branchen, Hilfspakete etc. Doch hätten andere Unternehmen teilweise nur noch 10 % ihres üblichen Umsatzes im Quartal, was sie an den Rand ihrer Existenz bringen könne.

Den vor ca. 10 Jahren breit aufgelegten Strukturprozess halte sie für richtig und wichtig. Sie sieht den Weg darin, die Zukunftsbranchen zu stärken. Der Strukturprozess müsse nun neu aufgegleist werden. Die Abt. Wirtschaftsförderung habe hierfür Konzepte, wie man das Thema u. a. mit dem Fraunhofer-Institut und Verbandsvertretern angehe. Ferner brauche man eine Analyse der Wirtschaft mit Zukunftsbranchen. Hier müsse sich auch die Politik einklinken.

An StR Ozasek gewandt betont sie, eine Großstadt ohne eine gewisse Handelsfläche sei unattraktiv. Im großstädtischen Vergleich verfüge Stuttgart im Verhältnis zur Kaufkraft nicht über überproportional viel Handelsfläche, sondern liege im guten Mittelfeld.

Zum Tourismus führt sie aus, Erhebungen von Stuttgart Marketing in der Vergangenheit hätten ergeben, dass man aufgrund der Übernachtungszahlen jährlich ein zusätzliches Hotel bräuchte. Perspektivisch brauche Stuttgart ein gutes Hotelkonzept, damit große Kongresse nach Stuttgart kämen.

Der Automobilbau habe der Region den aktuellen Standort beschert. Sie bestätigt, dass das Thema Umwelttechnologie im Fokus sein müsse. Hier bemühten sich die Automobilkonzerne, den Anschluss nicht zu verpassen. Nun gelte es, die starken Branchen beim Strukturwandel zu begleiten und ihre neuen Geschäftsfelder fit zu machen.

Statt auf umsatzabhängige Pachten setze sie auf die Regulierung des Marktes. Über einen - einzelfallbezogenen oder sogar standardisierten - Erlass der Miete müsse man auf jeden Fall nachdenken. Die von StRin Schanbacher angesprochene Abmachung zwischen dem Handelsverband und dem ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) sei an die Branchen weitergegeben worden, allerdings unverbindlich. In Tübingen werde - beschränkt auf die Altstadt - neben dem teilweisen Erlass der Miete ein Mietzuschuss gewährt. Sie plädiert dafür, über einen Mietnachlass zu diskutieren.

Gegenüber StR Neumann betont sie, dass das Stuttgarter Stadtteilmanagement sehr aktiv und bei allen HGVs präsent sei. Es habe auch die Gründung der Aktiven Stuttgarter, ein Zusammenschluss vieler HGVs, initiiert. Wenn Einzelhandel und Gastronomie nun die fehlende Vernetzung beklagten, stehe dies im Widerspruch zu ihrem Austritt aus den HGVs. Aktuell überlegten vier HGVs, sich zusammenzuschließen, was sie befürworte. Hier sollte man darüber nachdenken, ob solche Zusammenschlüsse eventuell analog der Sportförderung gefördert werden könnten. Grundsätzlich sollte der Handel nicht klagen, sondern sich einbringen. Die Stadtteilmanager hätten permanent Videokonferenzen mit den HGVs geführt. Für Gespräche mit Einzelpersonen fehle schlicht die Zeit. In 23 Stadtbezirken gebe es 30 HGVs und Einzelhandelszusammenschlüsse.

Die Abt. Wirtschaftsförderung sei angesichts des "Portal-Dschungels" nur auf einer überschaubaren Zahl von Portalen aktiv geworden. Ein übergreifendes Portal halte sie nicht für möglich, da viele Portale auch wirtschaftlich agierten und an einem Zusammenschluss kein Interesse hätten.

Zum Thema Gutscheine sei ihre Abteilung seit Monaten im Austausch mit der CIS. Eine gemeinsame Aktion gestalte sich bislang schwierig. Bei stuttgartsindwir.de habe man darauf geachtet, keine Doppelstrukturen zu schaffen.

Was den Online-Vertriebskanal anbelange, so sollten die Stadträtinnen und Stadträte den Unternehmen vor Ort nahelegen, sich von den freiberuflichen Beratern der Stadt beraten zu lassen.

BM Fuhrmann dankt für die Ausführungen, die er als Auftakt zu den für den 17.07.2020 im WA geplanten Gesprächen, u. a. mit der Agentur für Arbeit und Vertretern der Verbände, sehe.

Damit stellt er Kenntnisnahme fest.
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