Protokoll: Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1086/2020
GZ:
SI
Sitzungstermin: 15.02.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Dr. Sußmann
Berichterstattung:Frau Brüning (SozA)
Protokollführung: Frau Klemm de
Betreff: Wettbewerbliches Verfahren für den ganzjährigen Betrieb der Zentralen Notübernachtungen sowie den Betrieb der Winternotübernachtung und der Notunterbringung für Einzelpersonen

Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 25.01.2021, öffentlich, Nr. 4
Ergebnis: Vertagung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 03.02.2021, GRDrs 1086/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, den ganzjährigen Betrieb der Zentralen Notübernachtung (derzeit in der Hauptstätter Straße 150 und Villastraße 3) und den Betrieb der Winternotübernachtung, inklusive Erfrierungsschutz ab 0 Grad Celsius (jeweils von November bis März, derzeit unter Einbezug der Gebäude in der
Hohenheimer Straße 76 bzw. Gorch-Fock-Straße 32) für den maximalen Zeitraum vom 01.11.2021 bis 31.10.2025 neu auszuschreiben. Die Vertragslaufzeit beträgt 1 Jahr mit der 3-maligen Option der Verlängerung um ein weiteres Jahr.



2. Der voraussichtliche Aufwand von insgesamt bis zu 5,53 Mio. EUR für 4 Jahre wird im Teilergebnishaushalt THH 500 - Sozialamt, Amtsbereich 5003140 - Soziale Einrichtungen, Kontengruppe 420 - Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen, gedeckt.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Die Neuausschreibung der im Betreff genannten Hilfeangebote ergebe sich aus dem Ende des derzeitigen Vertrages zum 31.10.2021, so BMin Dr. Sußmann einführend. Sie seien ausgeweitet worden im Hinblick auf weiteren begleitenden Unterstützungsbedarf der Klienten.

StRin Rühle (90/GRÜNE) bedankt sich bei den Mitarbeiter*innen der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. und dem Caritasverband für Stuttgart e. V. für die bisher geleistete Arbeit. Sie freut sich, dass die Anregung ihrer Fraktion aufgenommen wurde, die Unterkunft in der Villastraße 3 ganzjährig zu betreiben. Des Weiteren bekräftigt sie die in der Ausschreibung und in der Vorlage erwähnte Notwendigkeit, weiterhin mit erfahrenen Auftragnehmer*innen zusammenzuarbeiten. Dem kann Frau Brüning zustimmen, jedoch sei man verpflichtet, eine EU-weite Ausschreibung vorzunehmen. Erschwerend komme hinzu, dass eine verlässliche Prognose der zu erwartenden Belegungszahlen kaum möglich sei. Nichtsdestotrotz müsse man für die Ausschreibung eine Vorausschau darstellen. Man versuche derzeit intern, ein Verfahren zur Umgehung zukünftiger Ausschreibungen dieser Art zu entwickeln. Der Wachdienst, so Frau Brüning gegenüber StRin Rühle weiter, sei aber grundsätzlich Teil des Angebotes des jeweiligen Trägers und verfüge über entsprechende Erfahrung im Bereich Notunterkünfte.

Kritisch sieht StRin Rühle die dezentrale Lage der Unterkunft in der Gorch-Fock-Straße 32 in Stuttgart-Sillenbuch und hinterfragt deren Auslastung. Diese sei eine Notreserve für Kälteperioden und in diesem Winter bisher ungenutzt geblieben, erläutert Frau Brüning. Man plane derzeit mit drei Gebäuden inklusive dem Haus Hohenheimer Straße 76. In Letzterem stünden – wie auch in der Hauptstätter Straße 150 – spezielle Frauenstockwerke zur Verfügung. Aus Kapazitätsgründen könne man aber im Moment keine reine Frauenunterkunft anbieten, so Frau Brüning gewandt an StRin Rühle weiter.

Das Stuttgarter Hilfesystem halte im Vergleich zu fast allen anderen Großstädten mehr Plätze für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten bereit. Mit der Ausschreibung habe man auf das Gesamtkonzept "Wohnungsnotfallhilfe" gesetzt. An diesem ändere sich durch den neu zu vereinbarenden Vertrag nichts, führt sie gegenüber StR Mörseburg (CDU) aus. Das Hilfesystem solle die Menschen früher erreichen, sodass nur wenige überhaupt in die Lage kämen, Notunterkünfte in Anspruch nehmen zu müssen. Hinzu fügt sie, die Klientel habe sich mit den Jahren von den obdachlosen Menschen hin zu solchen mit komplexen sozialen Problemen und teilweise Hausverbot in anderen Einrichtungen verändert. Hier sei eine Anpassung des bestehenden Hilfeangebots angezeigt gewesen.

Ausschlusskriterien in den Notunterkünften seien bspw. das Mitbringen von Getränken ab einem Alkoholgehalt von 15 %, Drogen jeglicher Art und Gewaltbereitschaft, fährt sie auf eine Frage von StR Schrade (FW) fort. In diesem Zusammenhang betont sie, gewandt an StRin Rühle, auch niedrigschwellige Angebote für Sucht- und psychisch Kranke seien gewissen Grenzen unterworfen – was nichts an der Tatsache ändere, dass individuelle Lösungen gesucht würden.

StRin Dr. Hackl (SPD) kann der Vorlage für ihre Fraktion zustimmen. Sie verstehe die Ausschreibung dahingehend, dass im Falle einer Überlastung des bestehenden Angebotes durchaus auch unterjährig nachgebessert werden könne. Dies bestätigt Frau Brüning.

Ihr sei die Botschaft an die Öffentlichkeit wichtig, so StRin Dr. Hackl weiter, dass für jeden Menschen bei Bedarf ein Schlafplatz in Stuttgart zur Verfügung stehe. Jedoch nicht alle potenziellen Klienten nähmen das Angebot an, erläutert sie mit Blick auf eine entsprechende Diskussion in den sozialen Medien (Facebook).

BMin Dr. Sußmann ergänzt, ihrer Meinung nach sei es notwendig, der verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, die Stadt tue zu wenig für obdachlose Menschen. Allein im Rahmen der Corona-Schutzverordnung habe man in dem Bereich kräftig investiert. Mit Erfolg, schließlich habe man nahezu keine Covid-19-Ausbrüche in der Wohnungsnotfallhilfe zu verzeichnen. Des Weiteren stelle die Versorgungsstruktur der Stadt sicher, dass in extremen Kältephasen die Notunterkünfte für alle offen stünden. Außerhalb dieser Perioden dürften Menschen ohne Leistungsanspruch die Notunterkünfte nicht aufsuchen. Eine verstärkte positive Kommunikation an die Öffentlichkeit zu diesem Themenbereich – z. B. in der Presse – werde sie anregen.

Persönlich habe sie sich bei ihrer Mitfahrt im Kältebus in der sehr kalten Nacht vom 12. auf den 13.2.21 vor Ort davon überzeugen können, dass die geschätzt ca. 80 ausschließlich auf der Straße lebenden Betroffenen keine Hilfe wünschten und dieser auch nicht bedürften.

StR Schrade erinnert an die vom Gemeinderat am 4.2.21 beschlossene Neuordnung der Wohnungsnotfallhilfe, die sich in dieser Vorlage widerspiegele.

Auch er habe die Facebook-Diskussion verfolgt und könne die Aussagen von StRin Dr. Hackl bestätigen. Kernfrage des Diskurses seien die Aufnahmekriterien gewesen, bspw. für Menschen mit einem Hund. Hier sei auf die Stadt Hamburg verwiesen worden, wo es Einzelzimmerangebote für Menschen mit Hund gebe.

Spezielle Angebote für Klienten mit Hunden existierten in der Landeshauptstadt derzeit nicht, so Frau Brüning dazu, es gebe jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, Hunde von Gästen anderweitig unterzubringen. Eine Mitnahme sei – auch aus Sicherheitsgründen – nicht möglich. Die früher angebotenen Möglichkeiten mit mehr oder weniger direkt angeschlossener Hundeunterbringung (Leobener Straße, Nordbahnhofstraße) seien gar nicht bis wenig genutzt worden.

Hunde seien in der Notübernachtung nicht erlaubt, bestätigt auch BMin Dr. Sußmann. Entgegen der landläufigen Meinung habe der "typische Obdachlose" auch keinen Hund, so habe man sie bei ihrem Einsatz im Kältebus informiert.


Sie betont gegenüber StR Mörseburg, die Angebote der Wohnungsnotfallhilfe seien zwar mit 70 bis 80 % gut ausgelastet, aber nicht an der absoluten Kapazitätsgrenze. Zudem habe man Ausweichmöglichkeiten für den Notfall.



BMin Dr. Sußmann stellt fest:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss beschließt einstimmig wie beantragt.

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