Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs 697/2023
Stuttgart,
06/28/2023


Verstetigung der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes bei der Landeshauptstadt Stuttgart



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2024/2025


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich03.07.2023

Bericht:


Ausgangslage

Mit dem Teilhabechancengesetz im Rahmen des Programmes „MitArbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat die Bundesregierung zum 1. Januar 2019 neue Fördermöglichkeiten für Langzeitarbeitslose geschaffen, da nach wie vor eine zahlenmäßig bedeutsame Gruppe von Langzeitarbeitslosen und Langzeitleistungsbeziehenden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne besondere Unterstützung absehbar keine realistische Chance auf Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung haben.

In den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 wurde beschlossen, dass die Landeshauptstadt Stuttgart (vgl. 779/2019 Teilhabechancengesetz) 30 Ermächtigungen für Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II für Menschen mit geringer Chance auf reguläre Arbeitsverhältnisse schafft und so als kommunale Arbeitgeberin aktiv an der Gestaltung der regionalen Arbeitsmarktpolitik mitwirkt und damit einen vorbildlichen Beitrag zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit leistet.

Für die Umsetzung des Teilhabechancengesetzes wurde das Haupt- und Personalamt ermächtigt, vorerst bis zum 31.12.2024, einen Stellenpool mit 30 Stellen in Entgeltgruppe 3 TVöD zu bilden, der bei der Abteilung 10-5 (Personalservice) geführt wird und den Ämtern für Personalanforderungen zur Verfügung steht. Für die Bewirtschaftung des Stellenpools wurde außerhalb des Stellenplans Personal im Umfang von 0,3 Vollzeitkraft für die Bezügeabrechnung beim Haupt- und Personalamt in EG 9a TvÖD und für den Personalservice 0,3 Vollzeitkraft in A 12 beim Haupt- und Personalamt für die Personalwirtschaft eingestellt.


Förderung nach § 16i SGB II

Nach § 16i SGB II kann ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit

· erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Alter über 25 Jahren, wenn sie mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre Leistungen nach dem SGB II erhalten haben und nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt waren,
· erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die mit mindestens einem minderjährigen Kind in einer Bedarfsgemeinschaft leben oder schwerbehindert sind, sofern sie in den letzten fünf Jahren Leistungen nach dem SGB II erhalten haben,

gefördert werden. Die Förderung sieht in den ersten zwei Beschäftigungsjahren einen Zuschuss von 100 Prozent und in den folgenden drei Jahren jeweils einen jährlich um 10 Prozent gekürzten Zuschuss vor. Außerdem werden in gewissem Umfang Weiterbildungsmaßnahmen gefördert. Während der Beschäftigungsdauer unterstützen Coaches die (ehemaligen) Leistungsberechtigten dabei, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen.

Mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) wurde die Förderung nach § 16i SGB II, die bisher bis zum 31.12.2024 befristet war, entfristet, sodass auch die bisher befristete Bereitstellung der Ermächtigungen für Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II unbefristet zur Verfügung gestellt werden und die Ermächtigungen in Stellen umgewandelt werden könnten.

Bisherige Erfahrungen

Ende 2019 hat das Haupt- und Personalamt sowie das Jobcenter alle städtischen Ämter angeschrieben und auf die Möglichkeit hingewiesen, zusätzliches Personal, das sich im Leistungsbezug des SGB II befindet, für Tätigkeiten z. B. in der Aktei, der Kantine, in der Hauswirtschaft, in der Alltagsbegleitung etc. einzustellen. Die Rückmeldungen der Ämter ergaben mit 58 Vollzeitstellenäquivalenten einen fast doppelt so hohen Bedarf. In den Gesprächen mit den jeweiligen Ämtern hat sich allerdings gezeigt, dass entweder der Bedarf zu hoch eingeschätzt worden war oder aber die Anforderungen an die zukünftigen Stelleninhaber*innen nicht mit den Fähigkeiten und Kompetenzen des in Frage kommenden Personenkreises übereingestimmt haben.

Im Jahr 2020 konnten, trotz der Erschwernisse bei den Stellenbesetzungen durch den ersten Lockdown während der Corona-Pandemie insgesamt 19 Stellen beim Amt für öffentliche Ordnung, beim Baurechtsamt, in den Bezirksämtern Bad Cannstatt, Wangen und Feuerbach, beim Eigenbetrieb Leben und Wohnen, im Garten-, Friedhofs- und Forstamt, im Jobcenter, im Jugendamt, im Kulturamt, im Liegenschaftsamt und im Sozialamt besetzt werden. In fünf Fällen kam es in den darauffolgenden Monaten zu einer Kündigung. Im Jahr 2021 kam es zu acht Stellenbesetzungen, wovon zwei Arbeitsverhältnisse wieder gekündigt wurden. Im Jahr 2022 konnten fünf Stellen und im Jahr 2023 zwei Stellen besetzt werden, ein Arbeitsverhältnis nach § 16i SGB II wurde aufgrund der Übernahme in eine ungeförderte und unbefristete Beschäftigung bei der Stadtverwaltung beendet. Die Kündigungen wurden sowohl von den Beschäftigten wie auch durch die Ämter aufgrund unentschuldigter Fehlzeiten, gesundheitlicher Veränderungen oder schwerwiegender privater Probleme ausgesprochen.




Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über die genaue Stellenbesetzung:

Amt
Stellenumfang in %
Amt für öffentliche Ordnung
100
Baurechtsamt
50
Bezirksamt Bad Cannstatt
100
Bezirksamt Feuerbach
100
Bezirksamt Wangen
100
Eigenbetrieb Leben und Wohnen
190
Garten-, Friedhofs- und Forstamt
182,05
Jobcenter
637,69
Jugendamt
150
Kulturamt
100
Liegenschaftsamt
100
Sozialamt
176,92

Elf der 24 über § 16i SGB II Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, sodass derzeit 19,87 der insgesamt 30 Ermächtigungen ausgeschöpft sind. Von den Ermächtigungen sind fünf Personen in EG 2 TVöD, neun in EG 3 TVöD, sieben in EG 4 TVöD und drei in EG 5 TVöD eingruppiert. Insgesamt wurden Lohnkostenzuschüsse bis einschließlich 31.03.2023 in Höhe von insgesamt 1.060.904,05 Euro aus dem Eingliederungsbudget des Jobcenters gezahlt. Ein Großteil der Stellen war bis 31.12.2024, dem ursprünglich festgelegten Ende der Förderung nach § 16i SGB II, befristet, ein Teil wurde inzwischen allerdings auf das tatsächliche Ende des fünfjährigen Förderzeitraums verlängert.

Insbesondere im Jobcenter selbst sind viele Personen über § 16i SGB II beschäftigt, da hier der Kontakt zu, der Umgang mit und das Wissen über z. T. langfristige Entwicklungsmöglichkeiten von sehr arbeitsmarktfernen Langzeitleistungsbeziehenden zum beruflichen Alltag gehört.

Der überwiegende Teil (16 Personen) der Beschäftigten ist älter als 50 Jahre, elf der 24 Beschäftigten sind Frauen. Sechs Personen haben keinen Schulabschluss, acht einen Förder- oder Hauptschulabschluss, die übrigen verfügen über die Mittlere oder Fachhochschulreife bzw. das Abitur. 15 Personen haben keine Ausbildung. Hier sind die Coaches mit den Beschäftigten im Austausch, inwieweit eine berufliche Weiterbildung bzw. zumindest eine Teilqualifizierung möglich ist und in Frage kommt.

Vor einer Arbeitsaufnahme haben die potenziellen Beschäftigten in der Regel ein ein- bis zweiwöchiges Praktikum in dem entsprechenden Amt absolviert, um zu klären, ob eine Arbeitsaufnahme in Frage kommt. Mit ausschlaggebend für eine (zügige) Besetzung der Ermächtigungen war die Bereitschaft der Ämter, sich zum einen von den regulären Besetzungskriterien, der Bestenauswahl, zu lösen und zum anderen eine gewisse Sensibilität für den sehr arbeitsmarktfernen Personenkreis zu entwickeln. Diese Sensibilität, die in aller Regel gegeben ist, spielt auch bei der Integration der über § 16i SGB II Beschäftigten in die bestehenden Teams und bei der Zufriedenheit der Vorgesetzten eine Rolle.

Ein über § 16i SGB II Beschäftigter konnte inzwischen in ein unbefristetes und ungefördertes Arbeitsverhältnis bei der Landeshauptstadt Stuttgart übernommen werden. Alle anderen haben größtenteils inzwischen ihre Stärken und Schwächen kennen gelernt, sich soweit stabilisiert, dass sie den Arbeitsanforderungen gerecht werden können und Teamfähigkeit entwickelt, sodass auch sie hoffentlich über kurz oder lang eine ungeförderte Beschäftigung – im besten Fall bei der Landeshauptstadt Stuttgart – aufnehmen können.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist als Arbeitgeberin bei den Leistungsberechtigten, für die eine Förderung nach § 16i SGB II in Frage kommt, sehr beliebt, weil sie als sichere Arbeitgeberin mit sozialem Engagement gilt, sodass es viele Interessentinnen für eine Beschäftigung bei der Landeshauptstadt Stuttgart gibt.

Vorschlag für das weitere Vorgehen:

Für die Beratungen zum Doppelhaushalt 2024/2025 wird vorgeschlagen, die 30 Ermächtigungen in Stellen umzuwandeln und als Pool weiterhin beim Haupt- und Personalamt zu führen. Ein entsprechender Stellenplanantrag wurde gestellt.

Mit der dauerhaften Zurverfügungstellung von 30 Stellen, die je nach Bedarf von den Ämtern abgerufen werden können und mit über § 16i SGB II Beschäftigten max. für die Zeit der fünfjährigen Förderung besetzt werden können, könnte die Landeshauptstadt Stuttgart dazu beitragen, Armut zu bekämpfen in dem sie Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht. Mit der Beschäftigung von Langzeitleistungsbeziehenden würde sie ihre Vorbildfunktion als sozial engagierte Arbeitgeberin weiter ausbauen und insbesondere einen wertvollen Beitrag zu den Sustainable Development Goals (SDGs) 1 „Keine Armut“ und 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ leisten.

Die fortgesetzte kommunale Beteiligung an der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes könnte bei der Aufgabenerledigung entlasten und dazu beitragen Transferleistungen einzusparen. Außerdem könnte mit einer entsprechenden Unterstützung und Qualifizierung der über § 16i SGB II Beschäftigten in bestimmte Bereichen der Personalmangel bei der Landeshauptstadt Stuttgart langfristig gemindert werden.

Das Jobcenter würde sich verpflichten, die entsprechenden Lohnkostenzuschüsse für die 30 Stellen aus dem Eingliederungsbudget zur Verfügung zu stellen.


Finanzielle Auswirkungen

Die Gesamtkosten für eine erste erneute fünfjährige Laufzeit (analog der Förderdauer des § 16i SGB II) des Programms bis 31.12.2029 würden auf bis zu 1.460.205 EUR für die Landeshauptstadt Stuttgart beziffert. Einsparungen durch die kommunalen Kosten der Unterkunft und Heizung sind dabei bereits berücksichtigt.

Die Personalaufwendungen für die § 16i SGB II-Fälle würden sich wie in der Tabelle auf Seite 5 dargestellt – bezogen auf die Fortführung des Programms für die Jahre 2025 bis 2029 – auf bis zu 7.305.000 EUR belaufen.

Da die Lohkostenzuschüsse nach § 16i SGB II degressiv ausgestaltet sind, hätte die LHS Stuttgart ab dem dritten Förderjahr 10 Prozent, dem vierten 20 Prozent und dem fünften 30 Prozent der Personalkosten zu tragen.

Die Lohnkostenzuschüsse des Jobcenters für die Zeit vom 01.01.2025 bis 31.12.2029 würden insgesamt 5.934.060 EUR betragen. Für den Fall, dass bei 10 der 30 Beschäftigten Vorbeschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind, wären es 5.799.195 EUR Lohnkostenzuschüsse. Daraus ergibt sich ein Nettoaufwand von 1.636.740 EUR bzw. 1.771.605 EUR. Zur Deckung der Mehraufwendungen könnte weiterhin ein zentrales Budget beim Haupt- und Personalamt gebildet werden.

Sofern weiterhin zur Bewirtschaftung des Stellenpools des Haupt- und Personalamtes, Abteilung Personalservice, 0,3 Stelle Bes.Gr. A 12 und 0,3 Stelle EG 9a TVöD bereitgestellt würden, wären, ausgehend von dem bisherigen Stellenumfang und der Eingruppierung, Mittel in Höhe von insgesamt 265.800 EUR notwendig.

Die Lohnkosten für die Mitarbeiter*innen würden im Wesentlichen durch das Jobcenter finanziert. Für einen Teil der zusätzlichen Kosten, die der Landeshauptstadt Stuttgart für die Umsetzung entstehen (jährliche Sonderzahlung, die beim Lohnkostenzuschuss nicht berücksichtigt wird und Teilfinanzierung der Stellen ab dem 3. Förderjahr durch den degressiv gestalteten Lohnkostenzuschuss) könnten die eingesparten kommunalen Kosten der Unterkunft und Heizung verwendet werden. Dadurch würden sich die Gesamtaufwendungen der LHS Stuttgart rechnerisch zusätzlich um 311.400 EUR reduzieren.

Die Gesamtkosten für eine fünfjährige Laufzeit des Programms belaufen sich auf bis zu 1.460.205 EUR für die Landeshauptstadt Stuttgart. Einsparungen durch die kommunalen Kosten der Unterkunft und Heizung sind dabei bereits berücksichtigt. Wegen der degressiven Ausgestaltung des Lohnkostenzuschusses verteilen sich die Kosten für die Landeshauptstadt Stuttgart voraussichtlich wie folgt:

2025:
max. 148.185 EUR
2026:
max. 193.140 EUR
2027:
max. 328.005 EUR
2028:
max. 328.005 EUR
2029:
max. 462.870 EUR

Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2024
TEUR
2025
TEUR
2026
TEUR
2027
TEUR
2028
TEUR
2029 ff.
TEUR
95
140
275
275
Finanzbedarf
95
140
275
275
(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)
Für diesen Zweck im Haushalt/Finanzplan bisher bereitgestellte Mittel:
Maßnahme/Kontengr.
2024
TEUR
2025
TEUR
2026
TEUR
2027
TEUR
2028
TEUR
2029 ff.
TEUR
0
0
0
0
Stellenbedarf (Mehrungen und Minderungen):
Beschreibung, Zweck, Aufgabenbereich
Anzahl Stellen zum Stellenplan
2024
2025
später
Umwandlung der 30 Ermächtigungen in Stellen
30
30
Wegfall KW-Vermerke der beiden 0,3 Stellen des Haupt- und Personalamtes
0,6
0,6
Folgekosten (aus oben dargestellten Maßnahmen und evtl. Stellenschaffungen):
Kostengruppe
2024
TEUR
2025
TEUR
2026
TEUR
2027
TEUR
2028
TEUR
2029 ff.
TEUR
Laufende Erlöse
Personalkosten
53.160
53.160
53.160
53.160
Sachkosten
Abschreibungen
Kalkulatorische Verzinsung
Summe Folgekosten
(ersetzt nicht die für Investitionsprojekte erforderliche Folgelastenberechnung!)


Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Die Referate AKR und WFB haben Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.

Das Jobcenter hat im Stellenplanverfahren 2024/2025 die Ablösung von 30 Ermäch-tigungen durch Stellen für einen stadtweiten Pool für Arbeitsverhältnisse nach § 16i SGB II zur Bewirtschaftung durch das Haupt-und Personalamt beantragt. Die für die Pool-Stellen entstehenden Personalkosten werden weitgehend durch Fördermittel finanziert, sodass das Stellenschaffungskriterium der Haushaltsneutralität zum großen Teil erfüllt ist.

Das Haupt- und Personalamt hat im Zusammenhang mit der Weiterführung des o. g. Stellenpools den Wegfall der jeweiligen KW-Vermerke an den dafür mit KW-Vermerken vorhandenen Stellen(anteilen) in der Abteilung Personalservice beantragt:

Antrag Nr. 40: 0,3 Stelle Bes.Gr. A 12 (KW 01/2025). Unter Berücksichtigung der Weiterführung des Stellenpools ist die Aufnahme in den Verwaltungsvorschlag vorgesehen.

Antrag Nr. 55: Sammelantrag aufgrund steigender Mitarbeiterzahlen für mehrere be-fristete Stellen in der Bezügeabrechnung. Darunter auch insgesamt 0,3 Stellenanteile EG 9a TVöD.


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin



Anlagen:

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