Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 462/2018
Stuttgart,
07/10/2018


Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm und Klärschlammasche



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und TechnikKenntnisnahmeöffentlich24.07.2018

Bericht:



Novellierung der Klärschlammverordnung

Die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung wurde am 2. Oktober 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 3. Oktober 2017 in Kraft. Ziel der neuen Klärschlammverordnung ist mittelfristig die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm und Klärschlammaschen. Die Umsetzung der Vorgaben erfolgt nach Größe der Anlage zeitlich versetzt. Kommunale Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100.000 Einwohnerwerten (EW) müssen die Vorgaben in 12 Jahren (bis 2029) umsetzen, mit Anlagen einer Ausbaugröße von mehr als 50.000 EW in 15 Jahren (bis 2032). Spätestens bis zum 23. Dezember 2023 müssen jedoch alle Klärschlammerzeuger, die eine Abwasserbehandlungsanlage betreiben, einen Bericht über die geplanten und eingeleiteten Maßnahmen zur Sicherstellung der durchzuführenden Phosphorrückgewinnung der zuständigen Behörde vorlegen. Damit soll sichergestellt werden, dass frühzeitig die Planungen für die Errichtung der zur Phosphorrückgewinnung erforderlichen Infrastruktur in Angriff genommen werden.


Situation der Stuttgarter Klärwerke

Die Stadtentwässerung Stuttgart verfügt im Hauptklärwerk Mühlhausen über eine thermische Klärschlammverwertung mittels Wirbelschichtofen. Derzeit stehen der Wirbelschichtofen 3 und als Reserveofen der Wirbelschichtofen 2 zur Verfügung. Die bei der Abwasserreinigung anfallenden Klärschlämme einschließlich Rechengut aus allen vier Stuttgarter Kläranlagen (Mühlhausen, Möhringen, Plieningen, Ditzingen) werden hier verbrannt. Zusätzlich wird noch Klärschlamm von externen Klärwerken angeliefert und mit verbrannt.

Folgende Klärschlamm- und Rechengutmengen werden derzeit im Mittel jährlich mit einem mittleren TS-Gehalt von ca. 24 % verbrannt:

Klärschlamm
Rechengut
HKW Mühlhausen
16.000 tTR/a
1.900 tTR/a
KW Möhringen
950 tTR/a
120 tTR/a
KW Plieningen
1.000 tTR/a
90 tTR/a
GKW Ditzingen
1.450 tTR/a
160 tTR/a
Externe Anlieferungen
4.800 tTR/a
60 tTR/a
gesamt
24.200 tTR/a
2.330 tTR/a


Der Ascheanfall beträgt im Mittel jährlich ca. 8.000 t/a Asche sowie ca. 200 t/a Sonderabfall aus der Rauchgasreinigungsanlage. Die Asche sowie die Rückstände aus der Rauchgasreinigung werden derzeit im Untertageversatz verwertet.


Interkommunales Pilotprojekt zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammaschen in Baden-Württemberg

Bereits 2012 verfolgten die Städte Stuttgart und Karlsruhe und der Abwasserverband
Neu-Ulm ein interkommunales Pilotprojekt mit dem übergeordneten Ziel der großtechnischen Umsetzung der Phosphorrückgewinnung. Nachdem in Offenburg bereits eine Pilotanlage zur Rückgewinnung von Phosphor aus flüssigem Faulschlamm in Betrieb genommen wurde, sollte parallel dazu die Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlammaschen untersucht werden (Entschließung der Betriebsleitung Stadtentwässerung vom 06. November 2012). Die Studie wurde vom Umweltministerium Baden-Württemberg gefördert (50 %). Die grundlegende Struktur der Vorgehensweise des Eigenbetriebs Stadtentwässerung bezüglich des Phosphorrückgewinnung sollte folgende Projektphasen umfassen:

Im November 2013 lag die Endfassung der Voruntersuchung von Frau Prof. Dr.-Ing. Heidrun Steinmetz vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart vor. Ergebnis war, dass die Rückgewinnung aus Klärschlammasche sinnvoller und zielführender ist als die Rückgewinnung aus Faulschlamm. Das Rückgewinnungspotential aus Klärschlammasche ist vergleichbar mit dem Potential in Rohphosphaten und ist damit viel größer als das Potential in Klärschlämmen. Auch werden durch den Verbrennungsprozess organische Schadstoffe wie Arzneimittelrückstände, Industriechemikalien und andere Spurenstoffe vernichtet und sind damit in der Asche nicht mehr vorhanden. Mit der zunehmenden Anzahl der Klärschlammmonoverbrennungsanlagen und der im Vergleich zu Klärschlamm guten Transporteigenschaften der Klärschlammasche sind auch gute Voraussetzungen für eine überregionale Phosphorrückgewinnung gegeben.

Die Studie zeigte, dass die in Baden-Württemberg derzeit vorhandenen Randbedingungen geeignet sind, um mit den mindestens im Technikumsmaßstab erprobten Verfahren eine unter technischen Aspekten sinnvolle Phosphorrückgewinnung aus Asche durchführen zu können. Jedoch ist momentan keines der bewerteten Rückgewinnungsverfahren wirtschaftlich zu betreiben. Die Differenz zu einer großtechnischen Umsetzung im Vollstrom ist daher noch zu groß. Mit der Umsetzung eines Rückgewinnungsverfahrens könnte ein „sauberes“ Phosphorprodukt entstehen. Jedoch können keine Aussagen zu Düngewirkung und zur Vermarktung gemacht werden.

Ein Szenario wäre es, eine Teilmenge der Klärschlammasche auf den jeweiligen Kläranlagenstandorten mit Klärschlammverbrennung zu behandeln. Hierbei ließen sich, mehrere Verfahren zur Phosphorrückgewinnung als Pilotanlagen für den Teilstrom zu testen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten als Erfahrungszuwachs dienen und dazu beitragen, zu einem späteren Zeitpunkt das passende Verfahren zur großtechnischen Vollstrombehandlung auszuwählen.

Auch eine Zwischenlagerung der Klärschlammaschen käme in Betracht. Hierdurch könnten die Phosphorresourcen gelagert werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt rückzuholen, sobald die Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlammaschen wirtschaftlich umsetzbar sind. Hierbei muss bedacht werden, dass die Kosten für Transport und Zwischenlagerung bereits im heutigen Bereich des marktüblichen Phosphatpreises liegen. Um eine wirtschaftliche Rückgewinnung des Phosphors aus zwischengelagerten Klärschlammaschen zu ermöglichen, müsste der Phosphatpreis deutlich steigen.

Mit dem Abschluss der Voruntersuchungen wurde die Zusammenarbeit mit dem Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart beendet. Auf Grund des Wechsels von Frau Professor Dr.-Ing. Steinmetz von der Universität Stuttgart nach TU Kaiserlautern kam es zu keiner Folgebeauftragung.


Machbarkeitsstudie zur großtechnischen Implementierung von Technologien zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammasche

Aufbauend auf dem Abschlussbericht der Voruntersuchung der Universität Stuttgart beauftragten die Städte Stuttgart und Karlsruhe das Büro Dr. Born - Dr. Ermel GmbH – Ingenieure aus Achim mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie zur großtechnischen Implementierung von Technologien zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammasche (Entschließung der Betriebsleitung Stadtentwässerung vom 25. Mai 2016). Die Studie wurde durch Prof. Dr. Ing. habil. Christian Schaum von der Universität der Bundeswehr in München wissenschaftlich begleitet. Auf der Grundlage der bisher erarbeiteten Ergebnisse, sowie den aktuellen Entwicklungsstufen verschiedener Rückgewinnungsverfahren wurden Technologien ausgewählt, die mindestens den Status einer Pilotanlage nachweisen konnten. Es handelte sich hierbei um die beiden nasschemischen Verfahren „EcoPhos“ und „TetraPhos“ sowie das thermochemische Verfahren „AshDec“.

Vor dem Hintergrund einer standortoffenen Untersuchung wurde die Verfahren zur Phosphorrückgewinnung analysiert und bewertet. Basis der Bewertung stellten die Aussagen bzw. Informationen der jeweiligen Verfahrensgeber dar. Diese wurden abgefragt oder innerhalb eines Workshops vorgestellt bzw. erarbeitet. Die zu bewertenden Themenbereiche erstreckten sich über allgemeine Rahmenbedingungen, die verwendete Technik, den zu erwartenden Betrieb sowie Aussagen hinsichtlich der Ökonomie, Ökologie und des produzierten Rezyklats (Produkt). Mittels unterschiedlicher Wichtungen einzelner Kriterien konnte eine Reihenfolge ermittelt werden, die für ein „grüne Wiese“-Konzept einer Neuanlage die nasschemischen Verfahren vor den thermochemischen Verfahren auswies.

Mit Blick auf einen Standort wirkten sich vor allem die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Produkt für das AshDec-Verfahren nachteilig aus. Als Produkt wird ein Dünger für die Landwirtschaft erzeugt, dessen Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist. Die anderen Verfahren generieren ein reines Phosphorprodukt für die chemische Industrie, welches universell einsetzbar ist. In den Punkten Rahmenbedingungen und Betrieb zeigten sich die Technologien gleichwertig. Die Kategorie Technik entschied das thermochemische Verfahren für sich. Die Bewertungsergebnisse der nasschemischen Verfahren lassen insbesondere bei dem Bereich Ökologie das EcoPhos-Verfahren nachteilig erscheinen, da das Verfahren nicht abwasserfrei betrieben werden kann. Wodurch letztlich das TetraPhos-Verfahren in den Vordergrund rückt.

Da alle Anbieter nach deren eigenen Aussagen über ausreichend Erfahrungen mit Pilot- oder Demonstrationsanlagen verfügen, ist fraglich, inwiefern eine weitere Pilotanlage weitere zusätzliche Erkenntnisse liefern könnte.


Diskussion der vorliegenden Ergebnisse

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorliegenden Machbarkeitsstudie ergeben sich für den Eigenbetrieb Stadtentwässerung Stuttgart weitere Anforderungen und Fragen an eine zukünftige Strategie zur Phosphorrückgewinnung:






Weiteres Vorgehen

Die umfangreichen Betrachtungen der beiden Studien haben deutlich gemacht, dass sich derzeit noch kein wirtschaftlich Verfahren zur Phosphorrückgewinnung auf dem Markt befindet. Auch sind noch viele Fragen hinsichtlich Standortwahl, Anlagengröße, Eigentumsübergang, Vermarktung, usw. offen.

Es ist festzustellen, dass verschiedene neue Verfahren (z.B. Parforce) auf den Markt drängen. Verschiedene Entsorgungsfirmen planen den Bau großtechnischer Anlagen (Remondis, ICL). Um die zukünftige Entwicklung konkret zu erfassen, soll ein Ingenieurbüro mit der Umfeld- oder Marktbeobachtung beauftragt werden. Im Rahmen der nächsten Ausschreibung zur Klärschlammentsorgung soll auch die Entsorgung mit einer Phosphorrückgewinnung ausgeschrieben werden.

Die Südwestdeutsche Salzwerke AG (SWS) mit ihrer Tochter UEV Umwelt, Entsorgung und Verwertung GmbH (UEV), Heilbronn erstellt derzeit eine Projektskizze „Regionales P-Recycling Südwestdeutschland“. Die Stadtentwässerung Stuttgart könnte als Partner des Projektes mitwirken. Als wissenschaftliche Begleitung wurde die Universität Stuttgart hinzugezogen. Die Gesamtzeit des Projekts wurde mit sechs Monaten abgeschätzt und gliedert sich in vier Abschnitte: Marktrecherche (Mengen und Kapazitäten), Marktrecherche (P-Recycling), Bestandsaufnahme (Standort) und Management- und Betreibermodelle. Es soll ein ganzheitliches Konzept für ein regionales P-Recycling erarbeitet werden. Die Projektskizze soll beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zur Förderung beantragt werden.

Auf der Grundlage der vorliegenden und der noch auszuwertenden Erfahrungen und Informationen wird der Eigenbetrieb Stadtentwässerung bis 2023 ein Konzept zur Phosphorrückgewinnung für die Stuttgarter Klärschlammascheentsorgung erstellen und mit der Genehmigungsbehörde abstimmen.




Beteiligte Stellen

keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Vorlage nimmt Bezug zum Antrag Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion zur Nr. 131/2018, "Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm und Klärschlammasche - wie ist der Sachstand der Studie?".




Dirk Thürnau Wolfgang Schanz
Bürgermeister Erster Betriebsleiter





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