Protokoll: Betriebsausschuss Stadtentwässerung des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
860/2019
GZ:
T
Sitzungstermin: 22.10.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Thürnau
Berichterstattung:Herr Buch (TiefbA)
Protokollführung: Frau Schmidt fr
Betreff: B 10 Rosensteintunnel mit B 10/B 14 Verbindung am Leuze, - Stand der Baumaßnahme, - Neufestsetzung der Gesamtkosten, offene Vergaben, - Vergabe Betriebs- und sicherheitstechnische Ausstattung Leuze, - Honorar- und Budgeterhöhungen, - Finanzierung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Technischen Referats vom 10.10.2019, GRDrs 860/2019, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Bericht zum Stand der Baumaßnahme

2. Neufestsetzung der Gesamtkosten

3. Vergabe B 10/B 14 Verbindung am Leuze, Betriebs- und sicherheitstechnische Ausstattung
4. Honorar- und Budgeterhöhungen

4.1 Honorarerhöhung für Ingenieurleistungen, 4.2 Honorarerhöhung für Ingenieurleistungen, 4.3 Honorarerhöhung für Ingenieurleistungen, 4.4 Budgeterhöhung für die Anpassung von Lichtsignalanlagen
5. Finanzierung

5.1 Die Fortschreibung der mit GRDrs 553/2019 festgesetzten Gesamtkosten von 345.010.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 15.905.000 EUR) um 47.700.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 2.700.000 EUR) auf 392.710.000 EUR (inkl. Eigenleistungen von 18.605.000 EUR) wird beschlossen.

5.2 Die Gesamtkosten von 392.710.000 EUR werden im Teilfinanzhaushalt 660 - Tiefbauamt - beim Projekt 7.665003 - Rosensteintunnel - wie folgt gedeckt:

JahrAuszahlungenEigenleistungenGesamtkosten
EUREUREUR
2019 und früher297.205.00014.037.000311.242.000
202015.000.000840.00015.840.000
202129.930.0001.028.00030.958.000
202213.000.0001.000.00014.000.000
202313.000.0001.000.00014.000.000
20245.000.000600.0005.600.000
2025970.000100.0001.070.000
Gesamt374.105.00018.605.000392.710.000


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Herr Buch (TiefbA) berichtet zunächst über die positiven Nachrichten zum Rosensteintunnel. Mit dem neuen Auftragnehmer funktioniere die Baustelle sehr gut. Zur Darstellung der aktuellen Situation zeigt er einige Fotoaufnahmen (Folien 3 und 4). Im nächsten Schritt folge am 09./10.11.2019 die Rückverlegung der Gleise (Folie 5). Dadurch werde Platz geschaffen für die Herstellung der Trogbauwerke in der Pragstraße. Im Frühjahr 2021 werde der Steg Neckartalstraße in Betrieb gehen. Für die Bürgerschaft sei wichtig zu wissen, dass der direkte Weg in den Rosensteinpark vorübergehend nur über eine Treppenanlage möglich sein werde, da die Baustraße der Bahn noch am Fuße des Steges verlaufe (Folie 7). Bezüglich des zeitlichen Ablaufs betont er, dass die Inbetriebnahme des B 10-Rosensteintunnels vor der Verbindung am Leuze erfolge und somit der B 14-Wender in leicht veränderter Lage bis zur Fertigstellung des Leuzeknotens in Betrieb bleibe (Folie 8). Mit der Firma Züblin sei erreicht worden, dass der Rosensteinsteg 2 vorgezogen hergestellt werde. So könne zum Jahreswechsel die Wegeverbindung wieder in Betrieb genommen werden. Am bereits genannten Sperrwochenende werde der Steg aufgehängt (Folie 10). Die Aushubarbeiten für die dritte Leuzeröhre schritten sehr gut voran (Folien 11 und 12). Sobald die Lärmschutzwand zwischen Wasserwerk und B 10 errichtet sei, werde die ehemalige Lärmschutzwand zurückgebaut und mache den Weg frei für die Anlegung der zusätzlichen Fahrspur zur Neuordnung am Knotenpunkt. Die Inbetriebnahme des Kurztunnels (Wegeverbindung von Wilhelma Richtung Innenstadt) sei für Sommer 2020 geplant; im Herbst 2019 sei bereits der Rosensteinsteg 2 geplant. Die Gesamtfertigstellung des Leuzeknotens erfolge 2024 (Folie 14). Bei Vergaben, Budget- und Honorarerhöhungen verweist er v.a. auf die betriebstechnische Ausstattung für den Baubereich Leuze; hier sei der Schwanenplatztunnel inkludiert. Des Weiteren gebe es diverse Honorarerhöhungen aufgrund Anpassungen an aktuelle Regelwerke (Folie 15). Die Gesamtbaukostenentwicklung habe eine Steigerung von 274,62 Mio. Euro in 2015 auf 374,105 Mio. Euro erfahren. Durch die negative Entwicklung im Baubereich Leuze (Kündigung des Bauvertrages mit der Firma Wolff & Müller) habe sich eine Steigerung um insgesamt rund 65 Mio. Euro ergeben. Davon habe die Stadt Stuttgart bereits 60 Mio. Euro als Schadenersatz einklagen können. Der Rechtsstreit sei in vollem Gange; die mündliche Verhandlung sei für den 20.01.2020 angesetzt, die Beweisaufnahme über Sachverständige habe bereits begonnen. Man befinde sich nun in der Situation, dass die Risikovorsorge, die im Zusammenhang mit der Kündigung des Bauvertrages mit Wolff & Müller eingerichtet worden war (43 Mio. Euro), durch extrem hohe Baupreissteigerungen bei den Neuvergaben bereits ausgeschöpft sei. Dadurch müssten für die letzten Vergaben (betriebstechnische Ausstattungen, Honorarerhöhungen und Puffer für Unvorhergesehenes) die Kosten nochmals auf 374 Mio. Euro angepasst werden (Folie 16). Man hoffe, damit eine gute Prognose zum Bauende erstellt zu haben.

Sehr kritisch zum Projekt und der Kostensteigerung äußert sich StRin Munk (90/GRÜNE). Dies sei ein "Fingerzeig", dass derartige Projekte, wie beispielsweise die Filderauffahrt, zukünftig kein Thema mehr sein könnten. Sie verweist auf den Antrag Nr. 186/2019 "Rosensteintunnel - politische Kostenschätzung" (90/GRÜNE). Leider sei die Stellungnahme dazu nicht zufriedenstellend ausgefallen. BM Thürnau habe damals von einem "politischen Beschluss" gesprochen. Die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes sei "jenseits von Gut und Böse". Unter heutigen Gesichtspunkten sei das Projekt nicht mehr GVFG-förderfähig (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz), da Kosten und Nutzen in keiner Relation stünden. Die Wirksamkeit des Tunnels funktioniere nur, wenn auch die Begleitmaßnahmen durchgeführt würden, die bisher nicht beschlossen worden seien. Als Beispiele nennt sie den Rückbau der Schönestraße und der Brückenstraße sowie die Schließung der Wilhelmsbrücke. Ihre Fraktion lehne die Vorlage ab, da man nicht die Verantwortung für die Kostensteigerung übernehmen wolle. Dies müsse von den Befürwortern gestemmt werden.

Für StR Kotz (CDU) überwiegen die Vorteile des Projektes, wie Entlastungen in Wohngebieten oder Rückbau an der Pragstraße. Die ursprünglichen begleitenden Maßnahmen unterstütze er nach wie vor. Es müssten beide Aspekte - Tunnelbau und begleitende Maßnahmen - umgesetzt werden. Die Sperrung der Wilhelmsbrücke gehöre nicht dazu. Wenn Kostensteigerungen kritisiert würden, müsse diese Kritik für alle Bauprojekte gelten und nicht nur für die unerwünschten. Er nehme für seine Fraktion in Anspruch, keine Trennung vorzunehmen. Selbstverständlich seien die Kostensteigerungen für den Rosensteintunnel schwierig, trotzdem lehne er das Projekt nicht ab, da es keine Alternative dazu gebe. Es gehöre zur politischen Verantwortung, "Dinge gemeinsam durchzustehen". Abschließend möchte er wissen, ob es eine Tendenz in der Streitfrage mit der Firma Wolff & Müller gebe.

Das Projekt ist für StR Ozasek (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) ein Relikt der autogerechten Stadt. Konsequenz sei der massive Aufwuchs an Kraftfahrzeugen an Cityring und Neckartor. 60 % aller Wege in der Region würden mit steigender Tendenz per Motorisiertem Individualverkehr (MIV) zurückgelegt. Projekte wie der Rosensteintunnel seien Ursache dafür, dass alle Klimaschutzbemühungen im Sektor der Mobilität aktuell scheiterten. Die Vervielfachung der Projektkosten zeige, dass von Anfang an nicht mit der nötigen Kostenehrlichkeit gearbeitet worden sei. Es sei nicht absehbar, wie sich die Kosten bis zur Fertigstellung 2021 weiterentwickelten. Er frage sich, warum diese immensen Summen nicht für den Unterhalt und Ausbau des ÖPNV bereitgestellt würden. Er rechne mit einem massiven Schuldenaufbau bei der SSB, um die nötigen Investitionen dort zu leisten. Der Stadtrat erinnert daran, dass seine Fraktionsgemeinschaft um eine Verschlankung des Projektes geworben habe, was leider abgelehnt worden sei. Der heutigen Vorlage könne nicht zugestimmt werden.

StR Körner (SPD) greift das Projekt "Erlebnisraum Neckar - Stadt am Fluss" auf. Ohne den Rosensteintunnel seien viele Aspekte dieses Gesamtprojektes, wie beispielsweise der Ideenwettbewerb zum Neckarknie, nicht möglich. Der Nutzen für die Stadtentwicklung insgesamt sei größer als die Kosten. Die Steigerungen bewerte er als "außerordentlich negativ". In der aktuellen konjunkturellen Entwicklung teilten viele Bauprojekte ein ähnliches Schicksal. Stuttgart sei nicht die einzige Stadt, die über Straßenbaumaßnahmen sinnvolle Verkehrspolitik betreibe. So habe die Stadt Zürich die Autobahn im Außenbereich ausgebaut, um den Verkehr aus dem Zentrum herauszuhalten. Jede Maßnahme müsse dezidiert betrachtet werden. An StRin Munk gerichtet fordert er die Tieferlegung der B 10 Richtung Gaisburger Brücke. Dies sei wiederum für das Wohnen in der Stadt am Fluss wichtig. Die Ablehnung der Vorlage könne er nicht nachvollziehen, denn dies bedeute die Einstellung der Baustelle. Dieses Ansinnen könne nicht ernstgemeint sein.

Den Äußerungen von StR Kotz schließt sich StR Schrade (FW) im Wesentlichen an. Zur "Lebenswirklichkeit" gehörten auch Kostensteigerungen. Ebenso müsste der Autoverkehr akzeptiert werden. Durch Tunnelbauten könnten gute Verbesserungen erreicht werden. Das Bauprojekt müsse nun zu Ende gebracht werden. Daher stimme seine Fraktion der Vorlage zu.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) möchte wissen, welche Folgen die Ablehnung der Vorlage mit sich bringe. Es seien verschiedene Varianten denkbar.

Die Baustelle, so StRin Köngeter (PULS), könne nicht abgebrochen werden. Da in ihrer Fraktionsgemeinschaft noch keine Diskussion zu diesem Sachverhalt stattgefunden habe, werde sie sich der Stimme enthalten.

Die verkehrliche Wirkung des Projektes sieht StRin Munk kritisch. Es werde mehr Verkehr angezogen. Die Diskussion um den Klimaschutz könne nicht ignoriert werden. Ihre Fraktion lehne das Projekt weiterhin ab, werde sich aber bei der Vorlage der Stimme enthalten. Sie sei gespannt, wie sich die Ausschussmitglieder bei den Beschlüssen zu den Begleitmaßnahmen verhalten werden.

StR Kotz betont, dass die Mittel für die besprochenen Begleitmaßnahmen bereits eingestellt seien und diese somit auch umgesetzt würden.

Die Grundsatzfrage von StR Pantisano greift BM Thürnau auf. Er erläutert, dass in den Ausschüssen vorberaten und im Gemeinderat final abgestimmt werde. Wenn dort keine Mehrheit für die Vorlage entstehe, werde er OB Kuhn empfehlen, Widerspruch einzulegen. Es gebe nicht die Möglichkeit, das Projekt abzuändern, um die Kostensteigerungen aufzufangen. Des Weiteren hinterfragt er die Kritik von StRin Munk an Großbauprojekten. Es müsse weiterhin möglich sein, beispielsweise auch Krankenhäuser zu bauen. StRin Munk betont, dass sich ihre Kritik lediglich auf den Bau von Autotunneln bezogen habe. Der Vorsitzende erläutert den bisherigen Verlauf des Projektes, das mit 193,5 Mio. Euro gestartet sei. In dieser Summe sei eine Preissteigerung von 1 % auf die Jahre 2007 - 2009 enthalten gewesen. Dies sei der damalige politische Beschluss gewesen. Es könne nicht vorausgesagt werden, wie sich die Preissteigerung entwickeln werde. Wer Angst vor Preissteigerungsraten habe, könne keinerlei Projekte wie beispielsweise die Oper umsetzen. Beim Klinikum sei jährlich über die Kosten berichtet worden, und der Gemeinderat habe die entsprechenden Tranchen beschlossen. Langfristige Projekte seien stets ein "schwieriges Geschäft", da das Endergebnis nicht feststehe. Es könnten nicht alle Facetten abgedeckt werden. Die zu Beginn genannten 193,5 Mio. Euro stünden im Verhältnis zu den aktuellen 374 Mio. Euro. Wenn die Stadt 60 Mio. Euro von Wolff & Müller zurückerhalte, spreche man von einer Steigerung von rund 120 Mio. Euro. Dies sei in der heutigen Zeit "keine erschreckende Veränderung in den Baupreisen" und passiere so auch bei kleineren Bauprojekten. Die Konjunktur sei derzeit extrem aufgeheizt. Bezüglich des Rechtsstreites gibt er eine "ganz vorsichtige" Einschätzung. Indizien für einen positiven Ausgang des Rechtsstreites zugunsten der Stadt, d. h., dass die Kündigung aus wichtigem Grund zu Recht ausgesprochen worden sei, seien gegeben. Abschließend verweist er darauf, dass bei einer Nichtfertigstellung des Projektes auch die genannten Anschlussprojekte gefährdet seien.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen mehr ergeben, stellt BM Thürnau fest:

Der Betriebsausschuss Stadtentwässerung stimmt dem Beschlussantrag bei
7 Ja-, 2 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen mehrheitlich
zu.

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