Protokoll: Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 17.10.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:die Vorsitzende, Frau Dr. Heynen, Herr Mattheis
(beide JugA)
Protokollführung: Frau Kappallo fr
Betreff: "Systemumstellung z. Erfassung v. Öffnungs- u. Schließzeiten u. tagesgenauen Gebührenabrechnungen i. städt. Kitas"
- Antrag Nr. 259/2022 vom 22.07.2022 (PULS, SPD)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Zu den allgemeinen Vorbemerkungen führt Herr Mattheis (JugA) aus, in der Vergangenheit habe die Verwaltung bei längeren streik- oder pandemie-bedingten Einrichtungsschließungen unbürokratische und kulante Regelungen zur Beitragsrückerstattung vorgeschlagen. Wie im Zusammenhang mit den Beschlussfassungen des Gemeinderates zum pandemie-bedingten Gebührenverzicht in den Jahren 2020 und 2021 durch die Verwaltung mehrfach erläutert, handle es sich bei den Kostenbeiträgen der Eltern um eine pauschalierte Kostenbeteiligung, die bei Weitem nicht kostendeckend sei. Bei der letzten Aktualisierung der Kita-Satzung (GRDrs 202/2020) sei dargelegt worden, dass der Kostendeckungsgrad durch Elternbeiträge beim städtischen Träger durchschnittlich bei 7,8 % des gesamten Kita-Aufwands liegt. Viele Eltern glaubten jedoch, sie würden alleine die Kita-Betreuung finanzieren. Mit Anlage 6 zur GRDrs 202/2020 sei dargestellt, wie sich die Kostendeckung bei einzelnen Angebotskonstellationen gestalte.

Zur pauschalierten Kostenbeteiligung berichtet Herr Mattheis, der § 90 SGB VIII sehe die Festlegung eines pauschalierten Kostenbeitrags vor. In der Satzung sei aus Gründen der Verwaltungsökonomie der Kostenbeitrag bewusst als monatlicher pauschalierter Betrag und nicht als tage- oder gar stundenweise Berechnung ausgestaltet worden. Durch die pauschale Bemessung des monatlichen Kostenbeitrags auf der Grundlage von 20 Betreuungstagen werden die Eltern in der Regel nicht benachteiligt, wie folgende Beispielrechnung zeige: Kostenbeiträge seien für 11 Monate zu 20 Tagen entrichtet, im Ergebnis für 220 Tage im Jahr. Im Jahr 2022 werden dabei insgesamt 249 Werktage (ohne Sonn- und Feiertage) gezählt. Beim städtischen Träger verbleiben abzüglich der 23 Schließtage sowie 1,5 Tage für Personalversammlung und Gemeinschaftsveranstaltung 224,5 Betreuungstage, die als Angebot erbracht werden. In der Vergangenheit habe die Verwaltung bei längeren streik- oder pandemie-bedingten Einrichtungsschließungen unbürokratische und kulante Regelungen zur Beitragsrückerstattung vorgeschlagen. Eine tageweise Abrechnung erhöhe den Verwaltungsaufwand in den Einrichtungen, der dann durch zusätzliche Assistenzleistungen kompensiert werden müsste. Diese Vorgehensweise sei kontraproduktiv, so Herr Mattheis. Im Übrigen sei es im Interesse der Verwaltung, die Prozesse möglichst schlank zu halten, um die Aufgaben auch in Zeiten eines sich verschärfenden Personalmangels erledigen zu können. Bezogen auf den Antrag Nr. 255/2022 der CDU-Gemeinderatsfraktion "Pilotprojekt KITa-Manager" erläutert Herr Mattheis, die KITa-Manager müssten die tageweise Abrechnung übernehmen. Aus Sicht der Verwaltung wäre eine solche Vorgehensweise kritisch zu betrachten.

Bezogen auf den vorliegenden Antrag geht Herr Mattheis auf den Punkt Kosten und Nutzen bei einer Umstellung des Abrechnungssystems auf eine tageweise Abrechnung ein.

Nutzen:
- Für den Kita-Träger ergibt sich aus der Systemumstellung kein Nutzen.
- Für kostenbeitragspflichtige Eltern könnte je Schließtag ein Zwanzigstel des monatlichen Kostenbeitrags als finanzielle Entlastung erzielt werden (z. B. bei Kleinkindbetreuung Ganztag: 10,75 € für Vollzahler, 6,40 € für FamilienCard-Inhaber).
- Immaterieller Nutzen für kostenbeitragspflichtige Eltern (Gerechtigkeitsempfinden, Absicherung gegen das Risiko höherer Gewalt).

Kosten:
Die Systemumstellung würde einen dauerhaften Verwaltungsmehraufwand bei den Kita-Leitungen, die die Schließtage im Kita-Verwaltungssystem je Kind erfassen müssten, erfahren. Bei der Abrechnungsstelle entstehe ein Mehraufwand durch manuelle Nachveranlagung, Erteilung von Änderungsbescheiden, Kommunikation mit Einrichtungsleitungen und Nachfragen/Reklamationen von Kostenbeitragspflichtigen.

Entfallene Kostenbeiträge (Schätzung):
Die entfallenen Kostenbeiträge könnten nur grob geschätzt werden, informiert Herr Mattheis, da die Gruppenzusammensetzung (Vollzahler, FamilienCard- und Bonuscard-Inhaber) im Einzelfall stark differiere. Die Kostenbeiträge 2019 betrugen einschließlich Essensgeld bei 625 Gruppen 84,04 € pro Gruppe und Tag (52,41 € pro Gruppe und Tag). Wenn ein tageweiser Verzicht auf Elternbeiträge bei städtischen Kitas ermöglicht würde, müsste diese Regelung aus Gleichbehandlungsgründen auch auf freie Träger übertragen werden, erläutert Herr Mattheis. Freie Kita-Träger dürften bis zu 150 % der städtischen Kostenbeiträge erheben, die bei Einrichtungsschließung an die betreffenden Träger und von dort dann an die Eltern erstattet werden müssten. Dies stelle sowohl für die Träger als auch für die Dienststelle Förderung freier Träger einen erheblichen Verwaltungsaufwand dar und führe zu einer Komplizierung des Förderverfahrens, die vor allem kleinere Träger überfordern dürfte.

Praxis bei anderen Städten:
Die Handhabung bei anderen Städten sei zunächst durch eine Internet-Recherche bei den Städten München, Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn und Ulm ermittelt worden. Außer bei der Landeshauptstadt München gebe es bei keiner der oben genannten Städte eine grundsätzliche Regelung zur tageweisen Erstattung bei Einrichtungsschließungen. Für München sei anzumerken, so Herr Mattheis, dass die Kita-Gebühr monatlich für 12 Monate zu entrichten ist. Herr Mattheis zitiert: "Ferienbedingte und sonstige vorübergehende Schließungen sowie sonstige Ausfallzeiten (z. B. Urlaubsabwesenheit des Kindes, Krankheit) berühren, soweit nicht ausdrücklich in § 11 eine abweichende Regelung vorgesehen ist, nicht die Pflicht zur Zahlung der vollen Besuchsgebühr" (§ 2 Abs. 5 der Münchner Satzung). Es sei daher fraglich, ob die Münchner Regelung für Eltern vorteilhafter ist, da pauschal alle regulären Schließtage gebührenpflichtig seien, ergänzt Herr Mattheis.

Zum zweiten Punkt des Antrags führt Herr Mattheis aus, aus technischer Sicht sei die Umsetzung einer taggenauen Beitrags- und Essensgeldabrechnung grundsätzlich möglich. Die Umsetzung setze allerdings eine genaue und ausdifferenzierte neue Elternbeitragssatzung voraus. Eventuell müssten noch Detailanpassungen über eine Programmierung beim Hersteller in Auftrag gegeben werden.

Anschließend äußert Herr Mattheis ein Fazit: Die Verwaltung halte eine generelle Regelung für eine tageweise Rückerstattung im Rahmen der aktuellen Beitragssystematik in Abwägung der Kosten und Nutzen für unverhältnismäßig und rate von einer diesbezüglichen Änderung der Kostenbeitragssatzung entschieden ab. Insbesondere sollte eine zusätzliche administrative Belastung des Kita-Personals in Phasen personeller Unterbesetzung vermieden werden. Dem genannten Fazit schließt sich die Vorsitzende ausdrücklich an.

Frau Dr. Heynen (JugA) ergänzt, es sei ihre feste Überzeugung, dass in der aktuellen Situation eine tageweise Abrechnung kontraproduktiv sei. Zudem sollten in Zeiten des Fachkräftemangels, auch im Verwaltungsbereich der Stadt und der Träger, alle Anstrengungen auf die Vereinfachung von Verfahren gerichtet werden. Denn derzeit werde händeringend überlegt, wie das bestehende Personal in den Kitas gehalten und neues dazugewonnen werden könne.

StRin Hübsch (PULS) als Antragstellerin geht auf den Punkt 2 des Antrags ein und fragt, wenn die Kita geschlossen sei, wie dieser Zustand erfasst und bekannt werde. Wenn die tageweise Erstattung außen vorgelassen werde, wäre eine System-Umstellung im Sinne der Digitalisierung und der Erfassung sinnvoll, so die Stadträtin. Im Folgenden schließt sie sich den Argumenten der Verwaltung an.

Auch StRin Meergans (SPD) als Antragstellerin räumt ein, unter den genannten Bedingungen wäre eine tageweise Abrechnung nicht besonders sinnvoll. Allerdings nehme sie auch mit, dass eine Ermöglichung einer tageweisen Abrechnung nicht unbedingt gewünscht werde. Im weiteren Fortgang der Digitalisierung ergäben sich gegebenenfalls Möglichkeiten, die genutzt werden sollten. Eine digitale Erfassung, ob eine Kita zu oder offen habe, so die Vorsitzende, sehe sie ebenfalls als sinnvoll an. Allerdings sei die digitale Erfassung nur ein Teilaspekt.

StR Lazaridis (90/GRÜNE) äußert, er könne die Kosten-Nutzen-Darstellung nachvollziehen, dass eine tageweise Abrechnung aktuell nicht sinnvoll sei. Beizeiten sollte die Thematik erneut im Rahmen der Digitalisierung betrachtet werden.

Frau Reinholdt kann die Argumentation aus Sicht der Verwaltung nachvollziehen. Allerdings müsste ebenso die Situation in der aktuellen wirtschaftlichen Lage mit steigenden Kosten für die betroffenen Familien betrachtet werden. Für viele Familien stellten 10,75 € oder für Inhaber der FamilienCard 6,40 € viel Geld dar. Die frühkindliche Bildung sollte kostenlos erteilt werden, und das Signal der Verwaltung, dass eine tageweise Abrechnung zu aufwändig sei, sei schwierig in der Elternschaft zu vermitteln. Herr Wiese ergänzt, wenn eine Kita fünf Tage geschlossen sei, würden die betroffenen Eltern nicht verstehen, weshalb sie trotzdem zahlen sollen.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) schließt sich inhaltlich den Äußerungen von Frau Reinholdt an und bemerkt, der Abrechnungsaufwand würde bei einem kostenfreien Kita-Besuch entfallen. Trotzdem könne er aktuell die Argumente der Verwaltung nachvollziehen. Allerdings müsse technisch eine tagesgenaue Abrechnung implementiert werden. Die technische Umsetzung sollte mit Haushaltsmitteln realisiert werden, so der Stadtrat.

StR Sailer (FW) und StRin Höh (FDP) sehen als Hauptproblem nicht die Kostenerstattung, sondern die Kita-Schließungen und die fehlende Kontinuität und Verlässlichkeit in der Betreuung der Kinder.

Bezogen auf den Kostendeckungsbeitrag von rund 8 % des gesamten Kita-Aufwands durch Elternbeiträge beim städtischen Träger, den die Eltern leisteten, stellt Herr Pollak eine Frage nach dem finanziellen Betrag, den dieser ausmache. Wenn kostenlose Kitas in Stuttgart eingeführt würden, so Herr Mattheis, wären rund 8 % zur Disposition.

Frau Weegmann äußert sich im Namen der freien Träger und hebt den finanziellen Aufwand hervor, den eine tageweise Abrechnung mit sich bringen würde. Wenn Elternbeiträge fehlten, müssten die Zuschüsse an die freien Träger erhöht werden, um die fehlenden Elternbeiträge abzudecken.

Die Frage nach der Digitalisierung, wie sie von den Stadträt*innen Hübsch, Meergans und Pantisano vorgebracht worden ist, sei absolut legitim, so Frau Dr. Heynen. Wenn die technische Umsetzung mit minimalem Aufwand möglich sei, hätte die Fachverwaltung ein anderes Fazit aufgezeigt. Mit dem Amt für Digitalisierung sei die Fachverwaltung im Gespräch, informiert die Jugendamtsleiterin. Wenn der Rat entscheide, dass der Verwaltungsaufwand betrieben werden solle, werde entsprechend verfahren. Letztendlich, so Frau Dr. Heynen, sei dies eine Frage der Priorisierung. Wenn über Priorisierung beraten werde, so die Vorsitzende, müsse darüber gesprochen werden, wieviel Zeit den Kindern zur Verfügung gestellt werden könne. Wer möchte, dass mehr Aufwand in die Abrechnung ohne digitale Möglichkeiten gesteckt werde, bringe die Fachkräfte in große Not.


Die Vorsitzende schließt den Tagesordnungspunkt mit der Erledigung des Antrags und der Zusage ab, wenn aufgrund der Digitalisierung Möglichkeiten gesehen und die Voraussetzungen geschaffen werden können, mit vertretbarem Mehraufwand Lösungen hinsichtlich einer präzisen Abrechnung zu implementieren, werde so verfahren. Wobei stets im Bereich der Kita-Versorgung die Situation der freien Träger im Blick gehalten werden müsse.

Sie stellt fest:

Der Jugendhilfeausschuss hat von dem mündlichen Bericht Kenntnis genommen.

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