Protokoll:
Ausschuss für Umwelt und Technik
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
470
4
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
10.10.2017
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Thürnau
Berichterstattung:
die Herren Haug (TiefbA), Prof. Dr. Rogowski und Dr. Ruch (beide Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau)
Protokollführung:
Frau Faßnacht
fr
Betreff:
Fertigstellung der digitalen Baugrundkarte Stuttgart
- mündlicher Bericht -
Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angeheftet.
BM
Thürnau
verweist zunächst auf die Historie, da der Technische Ausschuss der Landeshauptstadt Stuttgart bereits in den 1960er über das Thema diskutiert habe. Heute nun liege das gesamte Kartenwerk zum Baugrund in digitaler Form vor. Das Kartenwerk sei gegen Entgelt auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Herr
Dr. Ruch,
Leiter des Referats 95 - Landesingenieurgeologie beim LGRB, erinnert zunächst an den letzten Bericht im UTA zu diesem Thema vom 24.04.2012. Er stellt zunächst sich selbst und Herrn Prof. Dr. Rogowski vor, der sich über viele Jahre seiner beruflichen Laufbahn mit der ingenieurgeologischen Beratung wichtiger Tiefbau- und Tunnelprojekte in Stuttgart beschäftigt habe und profunder Kenner der geologischen Verhältnisse im Stadtgebiet Stuttgart sei. Dieser habe maßgeblich am Entwurf der Karte über viele Jahre hinweg mitgewirkt. Er dankt auch seinem Kollegen Herrn Dr. Eckhard Bauer für die EDV-mäßige Umsetzung der Baugrundkarte.
Weiter berichtet er im Sinne der diesem Protokoll angehängten Präsentation, Seiten 1 bis 9.
Herr
Prof. Dr. Rogowski
setzt die Ausführungen fort ebenfalls mithilfe der Präsentation, Seiten 11 ff. Zur Seite 11 - Geologischer Schnitt durch den Talkessel von Stuttgart - macht er darauf aufmerksam, dass eine grundlegende deutschlandweite Namensänderung der geologischen Begriffe erfolgt sei und somit bekannte Namen wie Gipskeuper oder Schilfsandstein nicht mehr darin auftauchen. Der Gipskeuper z. B. heiße heute "Grabfeldformation", der Knollenmergel "Trossingen-Formation", der Schilfsandstein "Stuttgart-Formation". Stuttgart wäre im 19. Jahrhundert fast einmal Bergbau-Stadt geworden, was jedoch an der damals bestehenden Wasserknappheit gescheitert sei. Man sei bei Tiefbohrungen nach Trinkwasser im Stuttgarter Westen jedoch auf eine Salzlagerstätte mit fast neun Meter Mächtigkeit gestoßen. Daraufhin wurde das Bergrecht auf den Abbau von Salz beantragt und dieses auch erlangt, sodass es Pläne gegeben habe, Stuttgart zur Bergbaustadt zu entwickeln.
Zweiter Schwerpunkt seines Vortrags, der auch im Erläuterungsbuch zur Digitalen Baugrundkarte behandelt wird, ist die Geologie und der Hohlraumbau in Stuttgart. So wurde der Christophstollen (S. 18) als wahrscheinlich erster Hohlraumbau in Stuttgart im 16. Jahrhundert begonnen zu bauen. Vom Stollenbau sei man später zum Tunnelbau gekommen, welcher heutzutage ganz andere Dimensionen habe als der Stollenbau einst. Stuttgart dürfe als Stadt des Tunnelbaus bezeichnet werden, weil "es jede Menge Tunnels und interessante Probleme diesbezüglich gibt."
Zum Thema Rutschungen und Erdfällen führt er aus mithilfe der Seiten 21 bis 23. Immer wieder begegne man dem Thema Erdfallgefahr in Stuttgart im Zusammenhang mit Gipsauslaugung, was besondere Vorkehrungen erfordere.
Die gezeigten Beispiele zeigen, "Stuttgart und die Geologie sind eng miteinander verknüpft. Stuttgart ist wahrscheinlich die einzige Stadt Deutschlands, die ein so vollkommendes Aufschluss-Datensystem hat, eine so vollkommene Baugrund-Dokumentation führt und mit diesem Erläuterungsbericht ein komplettes Werk zur Verfügung stellt. Insofern war es, glaube ich, die Arbeit wert, die wir uns gemacht haben, die Bedeutung Stuttgarts in dieser Beziehung herauszustellen. Dankeschön für Ihre Aufmerksamkeit!"
Der
Vorsitzende
dankt den Vortragenden sehr herzlich und ist sicher, dass es die Arbeit wert war. Anders als bei den Straßenpanoramabildern im Tagesordnungspunkt vorher waren die Informationen dazu gegenüber den Informationen hier wesentlich einfacher zu erarbeiten. Die digitale Baugrundkarte Stuttgart sei ein wichtiges und spannendes Werk.
Dem Dank schließen sich die nachfolgenden Rednerinnen und Redner ausdrücklich an.
StR
Dr. Vetter
(CDU) geht davon aus, dass von 21.000 Bohrungen in Stuttgart ein Großteil von privaten Eigentümern oder anlässlich des Rosensteintunnels und S 21 veranlasst waren, und diese Daten in das Werk eingepflegt werden konnten. Alle, die nachher ein Lob aussprechen für die tolle Arbeit, bittet er, diesen Sachverhalt zu berücksichtigen. Die digitale Karte - leicht ergänzbar und jederzeit abrufbar - sieht er heutzutage als einzig richtigen Weg, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Er fragt, was es kostet die Daten abzurufen und ob es möglich ist, auch einzelne Daten zu Teilflächen über das Internet abzufragen. Für ihn war der Vortrag ein Genuss, nicht zuletzt deswegen, weil er Vieles aus der Historie erfahren habe, das er noch nicht wusste. Auch dafür spricht er seinen besonderen Dank aus.
StRin
Schiener
(90/GRÜNE) schließt sich dem Lob an. Sie empfindet die Namensänderungen der geologischen Schichten als ärgerlich und fragt nach einem Vokabelheft, um die Bezeichnungen abgleichen zu können. Die digitale Baugrundkarte sei eine wichtige Grundlage für die Bauleitplanverfahren und für das Amt für Umweltschutz. Die Forderung betreffend, solche Geodaten der Öffentlichkeit gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen, schließt sie sich ihrem Vorredner an. Sie geht davon aus, dass das Grundlagenwerk durch die Presse bekannt gemacht wird.
StRin
Kletzin
(SPD) hebt die sehr lange Tradition des Stollen- bzw. Tunnelbaus in Stuttgart hervor. Sie erkundigt sich, wo der Christophstollen liegt. Mit Blick auf die Maßnahmen, die an der Burghalde in Feuerbach getroffen wurden um der Gefahr von Rutschungen zu begegnen, hält sie für begrüßenswert, wenn man ein so engmaschiges Netz hat, um den Hang zu beobachten.
Auch für StR
Ozasek
(SÖS-LINKE-PluS) war der Vortrag mit einem Erkenntniszugewinn verbunden. Er hofft, "dass vielleicht das Bewusstsein für geologische Risiken damit wächst im Rat". Im Hinblick auf die Potenziale für die Energiegewinnung mit erneuerbaren Energien, insbesondere das Erdwärmepotenzial - welches mit mehr als 200 Gigawattstunden pro Jahr beziffert wurde - fragt er, ob mit der digitalen Baugrundkarte systematischer an dieses Potenzial herangegangen werden kann, um auch die damit verbundenen geologischen Risiken zu identifzieren.
StR
Zeeb
(FW) ist besonders dankbar für den Hinweis von Prof. Dr. Rogowski, wonach schon wenige Meter neben einer Bohrung der Untergrund in Stuttgart ganz anders aussehen kann. Nach wie vor bleibe daher trotz der digitalen Baugrundkarte das Einschalten von Bodengutachtern sinnvoll. Ihm ist wichtig, auch in Presseinformationen darauf hinzuweisen, dass diese Karte keine Gewähr bietet. Den Fragen zum Erwerb des Werks schließt er sich an.
StR
Brett
(AfD) sieht in der digitalen Baugrundkarte eine Investition in die Zukunft, da sie eine gute Abschätzung den Untergrund betreffend liefert. StR
Conz
(FDP) ist überzeugt, die geleistete Arbeit bringe der Landeshauptstadt Stuttgart "und allen, die hier irgendwie bauen, in Zukunft sicher sehr viel nutzen wird". Zudem sei ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht worden. Er möchte wissen, wie man auf die neue Namensgebung mit Regionalbezug gekommen ist. Außerdem erkundigt er sich danach, wo die Bopserhöhle verortet ist.
StR
Dr. Schertlen
(STd) fragt, wie tief die Bohrungen üblicherweise erfolgen und ob man davon ausgehen könne, dass zwischen mehreren Bohrlöchern üblicherweise mit ähnlichen Verhältnissen zu rechnen ist. Ferner interessiert ihn, ob es neben dem Bohren auch möglich ist, mittels Infra- oder Ultraschall oder mit anderen Methoden auf die Schichtstruktur zu schließen. Zu beantworten bittet er darüber hinaus, ob der Erwerb des Handbuchs mit DVD die einzige Möglichkeit ist, an Daten aus der digitalen Baugrundkarte zu kommen.
BM
Thürnau
betont, die digitale Baugrundkarte Stuttgart sei eine Situationsbeschreibung für den Baugrund in ganz Stuttgart. Daher müsse man immer konkret vor Ort schauen, welche geologische Formation der Fläche zugrunde liegt, auf der gebaut werden soll.
Zur Verfügbarkeit des Werks informiert Herr
Haug,
ähnlich wie bei den Straßenpanoramabildern sind die Bohrdaten innerhalb der Stadtverwaltung verfügbar für die Ämter, die sich mit dem Thema Baugrund auseinandersetzen müssen. Primär sei dies das Tiefbauamt, aber auch das Hochbauamt. Selbstverständlich gebe es eine Verknüpfung zum Amt für Umweltschutz, das ebenfalls Zugriff auf die Bohrdaten hat bzw. sogar parallel Bohrdaten ausgetauscht werden.
Bei der Vermarktung nach außen habe man sich entschieden, den Erläuterungsband mit allen Karten und CD zum Preis von 150 € veräußern. Als Ergebnis einer Abfrage des Bedarfs wisse man, dass es insbesondere Fachleute, z. B. Baugrundgutachter, sind, die auf diese Karten zurückgreifen. Mit dem Stadtmessungsamt sei abgestimmt worden, für Privatpersonen bei Bedarf auch Ausschnitte zu einem reduzierten Preis von 30 € anzubieten. Angesichts der geringen Auflagenhöhe komme man nicht umhin, einen gewissen Preis verlangen zu müssen, um den Aufwand zu decken.
Die Karten dienen in erster Linie dazu, einen Überblick zu erhalten, in welchen geologischen Bereichen bewegen wir uns. Selbstverständlich müsse dennoch, wenn ein größeres Bauvorhaben in Gang kommt, ein Baugrundgutachter aktiv werden. Dieser könne seine Erkundung für das Bauvorhaben anhand des Werks konzentrierter planen und vorbereiten.
Abschließend merkt er an, Herr Prof. Rogowski habe über 40 Jahre hinweg die Bauvorhaben in der Landeshauptstadt Stuttgart mit begleitet und sei
der
Fachmann des Stuttgarter Baugrunds. Die Fachverwaltung greife auch heute noch sehr gerne auf dessen Erfahrungen zurück.
Herr
Dr. Ruch
geht zunächst auf die Nomenklatur der geologischen Einheiten ein. Diese beruhe auf der Konvention der staatlich geologischen Dienste der Bundesrepublik Deutschland, welcher man sich anschließen musste. Zum Verständnis habe man in den Erläuterungstext die alten Synonyme jeweils in Klammern gesetzt.
Er betont weiter, das Kartenwerk soll keine Baugrunderkundung ersetzen, sondern es soll eine Information geben, wo es angezeigt ist, frühzeitig eine dezidierte Untersuchung anzustellen, in welchen Arealen mit welchen ggfs. geologischen Erschwernissen zu rechnen ist.
Das LGRB halte ein Informationssystem (ISONG) zum Thema Geothermie vor, die über die Homepage abrufbar ist. Dort können grundstücksbezogene Abfragen über Wärmeentzugsleistungen etc. gemacht werden. Das System basiere auf einem geologischen 3-D-Modell für Baden-Württemberg. Selbstverständlich werden die Daten aus der Baugrundkarte Stuttgart darin noch eingepflegt werden, sodass es eine größere Genauigkeit in der Aussage gibt.
Herr
Prof. Rogowski
beantwortet die Frage nach der Lage des Christophstollens. Der Christophstollen sei das erste untertägige Bauwerk in Stuttgart, welches das Wasser vom Pfaffensee in die Heidenklinge geleitet hat bzw. dies auch heute noch leiten könnte, um das Wasser von der Heidenklinge weiterzuführen ins Nesenbachtal. Zur Frage der seismischen Erkundungen im Hinblick auf geophysikalische Methoden führt er aus, diesbezüglich habe man in Stuttgart im Zusammenhang mit den Gipsauslaugungsproblemen schon Verschiedenerlei versucht. Dies habe leider zu keinem Erfolg geführt. "Es gibt immer wieder Verdachtsdinge, die daraus abgeleitet werden könnten. Ohne Bohrungen kann man die Dinge sowieso nicht, man braucht irgendwelche Eichungen über Bohrungen, damit man sich daran aufhängen kann. Aber die Genauigkeit all dieser Methoden ist für unsere kleinräumigen Fragestellungen in aller Regel nicht zielführend."
Um das Werk in der Öffentlichkeit noch weiter zu verbreiten, sei beabsichtigt, an die Presse heranzutreten, damit die Zeitung darüber berichtet.
Was das Thema Tiefe der Erkundungsbohrungen sowie Bohrabstände anbelangt, so gebe es DIN-genormte Vorgaben, die für Bauvorhaben einzuhalten sind. In Stuttgart sei dies oft von geologischer Seite speziell zu beantworten, wenn man weiß, es könnten Hohlräume oder Gipsschichten etc. darunterliegen, welche dann größere Bohrtiefen erfordern. Mit gewisser Vorkenntnis sei man in der Lage, Dinge zu interpretieren, ohne die Geologie in jedem Fall neu zu erfinden.
Die Bopserhöhle, zu der ein Zugang für Außenstehende nicht möglich sei, liege am oberen Ende der Bopserwaldstraße. Diese Höhle stehe heute weitgehend unter Wasser bzw. sei zu einem erheblichen Teil mit Wasser gefüllt.
BM
Thürnau
schließt den Tagesordnungspunkt mit erneutem Dank an die Berichterstatter und der Anmerkung, man wolle schauen, das Thema pressemäßig gemeinsam auf den Weg zu bringen. Er stellt fest:
Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat vom Bericht
Kenntnis genommen
.
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Digitale Baugrundkarte Stuttgart_Power Point_neu_1_verkleinert.pdf