Protokoll: Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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1b
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 16.05.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Frau Rickes (BaurA)
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Vollzug der Zweckentfremdungssatzung
- Bericht 2016

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 09.05.2017, öffentlich, Nr. 175

Ergebnis: Vertagung


Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 04.04.2017, GRDrs 51/2017. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

Frau Rickes (BaurA) erläutert den Bericht zum Vollzug der Zweckentfremdungssatzung im Jahr 2016, den sie ergänzt um Informationen zum Jahr 2017, im Sinne der Vorlage und mithilfe einer Präsentation. Wichtig ist ihr der Hinweis zu Folie 4, wonach das Thema Beratung einen hohen Stellenwert einnehme, weil man nicht repressiv tätig sein will. Die Fachverwaltung verstehe die Aufgabe so, dass man Wohnraum sichern und die Eigentümer darin unterstützen will, Wohnraum weiter bzw. wieder zur Verfügung zu stellen. Entsprechend versuche man diese entweder persönlich oder telefonisch zu konkreten Objekten zu beraten.

Zur Folie 7 führt sie aus, um ein Bußgeldverfahren einleiten zu können, muss der Leerstand mindestens ein halbes Jahr nachgewiesen werden können. Es sei jedoch nicht das Ziel, Bußgelder zu verhängen, sondern das Ziel sei es, die Eigentümer so zu beraten, dass sie die Wohnungen der Wohnnutzung wieder zuführen. Inzwischen sei ein erstes Bußgeld über 400 € an einen kooperativen Eigentümer verhängt worden. Es sei davon auszugehen, dass in den Fällen, wo zwangsweise vorgegangen werden muss, die Bußgelder im vierstelligen Bereich liegen werden.

Zu den Folien 8 und 9 (Genehmigungen und satzungsgemäßer Ausgleich) trägt Frau Rickes nach, für 2017 gebe es bereits einen Fall, wo Wohnraum gegen eine Ausgleichszahlung von 200.000 € aufgehoben wurde. Anschließend erklärt sie, weshalb die Anzahl von nachweislich nach Zweckentfremdungsverfahren wieder der Wohnnutzung zugeführten Wohnungen so gering ist. In den meisten derartigen Fällen könne man den Nachweis nicht führen, weil die Beratung in vielen Fällen anonym geführt wird und man davon ausgehen könne, dass die Mehrheit der beratenen Personen sich rechtstreu verhält und die Wohnungen wieder der Vermietung zuführen. Beispielhaft verweist sie auf angekündigte Verkehrskontrollen, an deren Ende man in der Regel nicht erfährt, wie viele Fahrer sich an die Geschwindigkeitsgrenzen halten, weil sie wissen, dass kontrolliert wird. Zudem erfolgen bereits beim Kontakt mit der Bauberatung des Baurechtsamts entsprechende Informationen zur Zweckentfremdung. Somit werden viele Fälle erst gar nicht aktenkundig und tauchen in der Statistik nie auf.

StR Hill (CDU) dankt - wie auch die auf ihn folgenden Rednerinnen und Redner - für die zusätzlichen Informationen. Seine Fraktion sehe die Mitteilungsvorlage „eher im Sinne einer Unverhältnismäßigkeit dahingehend, wie hoch die Leerstandsquote ist und wie viele Wohnungen können in einem solchen Verfahren einer Wohnnutzung wieder zugeführt werden“. Zum Bereich Ferienwohnung/Airbnb treffe die Vorlage nur eine magere Aussage, obwohl laut Protokoll zur damaligen Beschlussvorlage von rund 500 Wohnungen ausgegangen wurde, von denen ca. die Hälfte zweckentfremdet sind.

Damals seien OB Kuhn und EBM Föll von einem maximalen Potenzial von 500 bis 600 Wohnungen ausgegangen bei einer Leerstandsrate zwischen 1.000 und 3.000 Wohnungen. Insbesondere angesichts der kontrovers verlaufenen Debatte bittet er darum, dass die Verwaltung in ihrer Vorlage das tatsächliche Potenzial klar benennt, um es in Relation zum betriebenen Aufwand setzen zu können. Bei künftigen Vorlagen möge außerdem klar und strukturell aufbereitet dargelegt werden, wie die Informationsprozesse sind: "Was sind tatsächliche Meldungen von Personen, die ein Anliegen haben? Was sind Meldungen von Personen, die einen Vorgang jemand anders betreffend gemeldet haben? Was sind Vorgänge, die Sie selber aufgreifen? Und was ist aus den einzelnen Fällen geworden?" Den Begriff der Leerstandsmeldungen, von denen laut Vorlage 127 Fälle im Jahr 2016 offengeblieben sind, bittet er zu erläutern.

Der Stadtrat thematisiert außerdem eine Pressemeldung, wonach 45.000 m² Wohnraum bewahrt worden sind. Es werde damit suggeriert, dass die Absicht bestand, 45.000 m² Wohnraum zu vernichten, was durch die Zweckentfremdungsabgabe verhindert werden konnte. Völlig unklar sei für ihn, wie die Zahl von 45.000 m² - die er für völlig irreführend hält - entstanden ist. Die Quintessenz aus seiner Sicht lautet, dass die Verwaltung sich in ihren Ausführungen sehr spekulativ bewegt. So gebe es bei zwei Personalstellen nur 13 nachgewiesene Fälle, wo Wohneinheiten bewahrt oder wieder dem Wohnen zugeführt werden konnten, obwohl OB Kuhn von 500 Wohneinheiten ausgehe. Seine Fraktion vertrete die Ansicht, es werde mit Kanonenkugeln auf Spatzen geschossen. Man gehe davon aus, dass jemand, der in Stuttgart eine Wohnung besitzt, diese tendenziell vermietet und falls dem nicht so ist, es mit Sicherheit einen guten Grund gibt, weshalb dies nicht geschieht. Die Anzahl solcher Fälle sei jedoch verschwindend gering. Daher sei man der Meinung, dass die Maßnahme unnötig ist und zu stark in die Eigentumsrechte eingreift.

StRin Schiener (90/GRÜNE) unterstreicht, ihre Fraktion stehe weiterhin zur Zweckentfremdungssatzung, denn diese sei ein Baustein zur Wohnraumgewinnung und war längst überfällig. Sie habe dem Bericht entnommen, dass einiges bewegt wurde und die Sache mit den zwei nun besetzten Planstellen Fahrt aufnimmt. Sie erinnert an die Diskussion über das Thema Leerstand im Städtebauausschuss, wo es hieß: "Warum macht die Stadt hier nichts? Hier und da verfallen die Häuser, wir brauchen doch Wohnraum!" Ihre Fraktion wolle die Berichterstattung im nächsten Jahr abwarten und sei zuversichtlich angesichts der vorgestellten Zahlen für die ersten vier Monate im Jahr 2017.

Für seine Fraktion erklärt StR Körner (SPD), man freue sich sehr über die Arbeit, welche die Mitarbeiterinnen dort leisten und zolle ihnen Respekt und Dank. Er erinnert daran, dass die SPD bereits 2012 erste Anträge gestellt habe, um eine kommunale Zweckentfremdungssatzung auf den Weg zu bringen. Anders als StR Hill sieht er die Verhältnismäßigkeit mehr als gewahrt: Man sehe ein Potenzial an leerstehenden Wohnungen im vierstelligen Bereich, was durchaus eine relevante Größenordnung sei. Viel wichtiger ist für ihn das politische Signal, was hinter der Maßnahme steht, dass nämlich angesichts der Situation auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt unbegründete Leerstände nicht in Ordnung sind. Im Hinblick auf das angesprochene Eigentumsrecht erinnert er an die Gemeinwohlpflicht des Eigentums, welcher man nicht gerecht werde, wenn Wohnungen unbegründet leer stehen. Er begrüßt es, wenn die Verwaltung die Eigentümer dazu motiviert, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Diesbezüglich verspreche sich seine Fraktion viel von Garantieverträgen, wie sie derzeit ausgearbeitet werden. So mache die Stadt Frankfurt/M. gute Erfahrungen damit, offensiv auf Vermieterinnen und Vermieter zuzugehen. Er regt an, auch das Instrument der Förderung von Wohnungen z. B. bei Renovierungen in die Beratung aufzunehmen.

Hinsichtlich des Themas Ferienwohnungen/Airbnb macht der Stadtrat auf rechtliche Fragen aufmerksam. Es scheine sich um eine Grauzone zu handeln, weshalb er zu erläutern bittet, wie die Verwaltung momentan damit umgeht. Ihm wäre daran gelegen, dass sie restriktiv damit umgeht.

StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) geht auf den Wortbeitrag von StR Hill ein und erinnert daran, "mit wieviel Schaum vor dem Mund gerade von Ihrer Fraktion auf diese Satzung geschossen wurde, als sie im Gemeinderat aufgerufen wurde". Heute habe man vor Augen geführt bekommen, wie umsichtig das Baurechtsamt mit dieser Satzung umgeht. Wie StR Körner ist auch er davon überzeugt, wie wichtig das politische Signal dieser Satzung ist. Angesichts der Wohnungsnot in Stuttgart sei es nicht akzeptabel, bewusst und gezielt Wohnungen leer stehen zu lassen. In Anbetracht von 4.100 Haushalten und damit mehr als 8.000 Menschen, die in der Not- und Dringlichkeitskartei stehen und mit Wohnraum versorgt werden müssen, müsse man um jede Wohnung kämpfen und diese für den Mietwohnungsmarkt aktivieren. Er bedauert die Verzögerung bei der Stellenbesetzung und erinnert daran, die Fraktionsgemeinschaft habe bei den Stellenplanberatungen vier Stellen beantragt, um schneller zu Ergebnissen zu kommen. Es sei folglich nicht verwunderlich, heute noch nicht die Ergebnisse erkennen zu können, die man erwartet hat.


Die niederschwellige Beratung hält er für ein sehr gutes Modell, was er anhand eines Beispiels erläutert und wofür er den Mitarbeiterinnen ausdrücklich dankt. Die Fraktionsgemeinschaft sehe die Fluktuationsreserve der Verwaltung als zu hoch angesetzt und vertrete die Meinung, es gebe dort mehr Spielraum. Außerdem gehe man von einer mittleren vierstelligen Zahl von leerstehenden Wohnungen aus, die aktiviert werden können. Sehr gut bewertet er die aufgezeigten Modelle (Garantieverträge und Zwischenunterbringungen bei größeren Gebäuden, die später anderweitig entwickelt werden sollen), um mit der spezifischen Situation umzugehen. Mit Blick auf die Belegungsrechte macht er darauf aufmerksam, dass viele städtische Beschäftigte dringend Wohnungen suchen. Möglicherweise könnte das Baurechtsamt auch in diese Richtung beratend und empfehlend tätig werden. Abschließend äußert er die Hoffnung, dass im Rahmen der Stellenplanberatungen noch mehr Stellen in dieser Richtung geschaffen werden können.

StR Zeeb (FW) unterstützt den Wortbeitrag von StR Hill. Er unterstreicht, für ihn sei die Stimmung in der Bevölkerung entscheidend, die durch diese Satzung erzeugt wird. Es gebe in Stuttgart viele tausend Vermieter, die ordentlich vermieten und ihre Häuser dem Mietraum zur Verfügung stellen. "Leerstandserhebung" klinge zwar besser als "Wohnraumschnüffelei", in der Sache sei es aber dasselbe. Nach der schwäbischen Mentalität werde nichts unnötig leer gelassen, sondern man vermietet sein Eigentum möglichst so, dass man einen Ertrag erzielt.

Das oberste Ziel, Beratung von Vermietern und Sicherung des Wohnraums, ist aus seiner Sicht zu begrüßen. Daher solle publik gemacht werden, dass die Landeshauptstadt Stuttgart Garantieverträge abschließt. Auch könnte er sich vorstellen, dass es hilfreich sein könnte, den bürokratischen Aufwand zurückzuschrauben, damit mehr Mietverträge zustande kommen. "Genial" halte er auch die Idee, einen Renovierungszuschuss zu geben, wie dies von StR Körner angeregt wurde. Insgesamt sei dies jedoch kein Thema, für das es seitens der Freien Wähler Zustimmung gibt.

StR Conz (FDP) schließt sich seinem Vorredner an, was er im Folgenden begründet. Im Zusammenhang mit dem Thema Airbnb ruft er das Gentrifizierungsgutachten in Erinnerung, bei welchem festgestellt worden sei, dass es keinerlei Datengrundlage dafür gibt. Die genannten Zahlen hierzu seien also rein spekulativ. Der FDP sei es am liebsten, "man würde eher heute als morgen diese ganze Sache wieder abschaffen".

BM Pätzold entgegnet, für die Verwaltung sei die Zweckentfremdungssatzung weiterhin ein wichtiges Werkzeug im Bereich Erhalt von Wohnungen.

Zum Themenkomplex Airbnb verweist Frau Rickes auf S. 2 der Vorlageund darauf, dass es sich um einen Bericht über das Jahr 2016 handelt. Weil die Personalstellen erst Ende 2016 besetzt werden konnten, habe man letztes Jahr keine eigene aktive Recherche betreiben können und somit dazu auch nicht mehr sagen können. 2017 sei die Situation eine andere. Dennoch sei die Recherche in diesem Bereich schwierig, da keine Adressen dabeistehen. Man werde jedoch versuchen, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um solche Wohnungen - die es in Stuttgart unzweifelhaft gibt - feststellen zu können. Das Gleiche gelte für das Thema Leerstand.

Zur Pressemeldung und der darin genannten Zahl von 45.000 m² Wohnraum informiert Frau Rickes, diese Zahl sei falsch. Diese sei daher nachträglich von Herrn Mattis noch korrigiert worden. Tatsächlich handle es sich um 40.000 m² Wohnraum, die sich ergeben aus der Addition der nebeneinander stehenden Zahlen 25.000 m² im Jahr 2016 plus 15.000 m² in diesem Jahr. StR Hill wiederholt seine Kritik an der Pressemeldung, in welcher die Tatsachen "völlig verdreht worden sind". Frau Rickes antwortet, "das ist die Fläche an Wohnraum, deren Schaffung wir gesichert haben". An StR Hill gewandt unterstreicht sie, ob diese Wohnungen gebaut werden oder nicht, könne man ansonsten nicht sicherstellen. Ende 2015 hatte man einen Bauüberhang von 5.000 Wohnungen. "Wir haben genug Wohngebäude-Genehmigungen, die nicht umgesetzt werden oder die verlängert werden müssen."

StR Kotz wendet ein, bei den 5.000 Überhängen verhalte es sich jedoch nicht so, dass Gebäude abgerissen werden und die Besitzer dann ein brachliegendes Grundstück hätten, auf welchem sie nicht mehr bauen. Für ihn ist es logisch, "dass jeder, der eine Zweckentfremdung im Sinne von Abriss beantragt, zu 99,999 % einen Neubau auf seiner Fläche beabsichtigt". Selbstverständlich habe man somit die Fläche gesichert, aber diese Zahl im Zusammenhang mit dem Thema Zweckentfremdungsverbot aufzurufen, sei völlig abwegig.



Der Vorsitzende sagt zu, beim nächsten Bericht die Zahlen detaillierter aufzuschlüsseln und stellt fest:
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