Protokoll: Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 15.05.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Thürnau
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Thomas (AföO), die Herren
Hachenberger und Lindzus (beide Fa. Bosch)
Protokollführung: Frau Westhaus-Gloël fr
Betreff: Kooperationsprojekte Firma Bosch/Stadt Stuttgart
- Virtuelle Schilder
- Verkehrsflussoptimierung aufgrund emissions-
kritischer Fahrzustände
- mündlicher Bericht -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigten Präsentationen sind dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen werden sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei sind sie in Papierform angehängt.


BM Thürnau bemerkt einführend, die Stadt Stuttgart sei dabei, alle gegebenen Möglichkeiten und Chancen für zukunftsweisende Projekte, gerade auch im Bereich des Verkehrsmanagements und der Digitalisierung, zu fördern. Über die Plattform "Urbane Mobilität", bei der Automobilindustrie und Kommunen zusammengeführt würden und nach kooperativen Lösungen suchten, gebe es nun den Kontakt zur Firma Bosch, von der er die Herren Hachenberger, Lindzus und Papenfuß herzlich begrüße. Zwei Projekte sollten als Pilotprojekte in Stuttgart getestet werden. Es gehe um die Themen "Virtuelle Schilder" und "Verkehrsflussoptimierung aufgrund emissionskritischer Fahrzustände".

Herr Hachenberger, von einem Startup der Bosch-Gruppe, triffix genannt, berichtet zunächst anhand einer Präsentation zum Pilotprojekt "Virtuelle Schilder", das gemeinsam mit der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) der Stadt Stuttgart durchgeführt wird. Ziel sei eine personalisierte Kommunikation zwischen einer Stadt und den Verkehrsteilnehmern - im Fahrzeug, als Fußgänger oder als Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. Die IVLZ habe viele Informationen zum Thema Verkehr und Mobilität, die Bürgerinnen und Bürgern hätten aber relativ wenig Möglichkeiten, diese Information zu empfangen. Zwar seien in den letzten Jahren schon Vario-Tafeln angeschafft worden, um Informationen aktueller zu verbreiten, aber vor allem die jüngere Generation setze auf andere Informationswege. Die IVLZ solle die Möglichkeit erhalten, Information inklusive Handlungsempfehlungen direkt an die Verkehrsteilnehmer weiterzuleiten. Triffix werde diese Informationen entgegennehmen und analysieren, auch die Informationen, die von den Pilotteilnehmern kommen, und habe dadurch die Möglichkeit, eine personalisierte Zustellung der Informationen zu gewährleisten. Die richtige Person bekomme die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Pilotteilnehmer würden die Informationen im ersten Schritt über ihre Smartphones empfangen und auch ein Feedback über die Sinnhaftigkeit der Informationen zurückzugeben. Dabei könne es sich zum Beispiel um eine Umleitungsempfehlung handeln oder die Empfehlung, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, weil eine bestimmte Straße auf der Pendelroute gesperrt oder durch einen Vorfall stark beeinflusst sei.

Das Pilotprojekt mit bis zu 1.000 Probanden werde im Juli 2018 starten und bis etwa Ende August laufen. Die Zielgruppe betreffe Personen, die in Stuttgart wohnen oder durch Stuttgart oder nach Stuttgart zur Arbeit fahren. Der erste Teilnehmerkreis bestehe aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Bosch oder der Stadt Stuttgart. Der Vorteil für die Stadt liege in einer moderneren Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, eine Personalisierung und Digitalisierung, die flexibler und ortsunabhängig sei. Das Projekt könne auch als eine Vorbereitungsmaßnahme gesehen werden für die Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens.

Für die Zukunft sei vorstellbar, dass zusätzlich zu der App, mit der gestartet werde, eine Integration in die bestehenden Navigationssysteme, in die Fahrzeugsysteme selbst, aber auch zum Beispiel in eine VVS-App und andere Systeme mit aufgenommen werde, um Radfahrer, Fußgänger und öffentliche Verkehrsmittelnutzer zu erreichen. Die Vario-Tafeln sollten ebenfalls integriert werden, damit sie in einem Übergangsszenario weiter bespielt werden könnten.

Herr Lindzus berichtet ebenfalls anhand einer Präsentation zum Projekt Verkehrsfluss-optimierung aufgrund emissionskritischer Fahrzustände. Partner in diesem Projekt seien die IVLZ, das Amt für öffentliche Ordnung, das Tiefbauamt, die Stabsstelle Strategische Planung und nachhaltige Mobilität und das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart. Wissenschaftlich begleitet werde das Projekt vom Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) und vom Institut für Straßen- und Verkehrswesen (ISV) der Universität Stuttgart. Alle diese Partner würden ihr spezifisches Wissen in das Projekt einbringen, zur Verkehrslenkung, zum Emissions- oder Immissionsverhalten, oder - vonseiten der Firma Bosch - zur Fahrzeug- und Motorentechnik.

Für das Projekt sei in Stuttgart eine kleine Flotte von 50 Fahrzeugen mit Technik ausgestattet worden, die sekundengenau das Fahrverhalten und die Bewegung der Fahrer durch Stuttgart zeige. Die Daten seien nach starken und langen Beschleunigungen ausgewertet worden, weil dabei vermehrt Emissionen entstehen. Projektziel sei, diese Fahrzustände zu identifizieren und möglichst zu vermeiden. Es gehe also um das Aufzeigen von Stickoxid-Reduktionspotenzialen in Stuttgart mittels Verkehrsflussoptimierung und die Reduzierung von Beschleunigungen an ausgewählten "Hotspots". Die drei ausgewählten Bereiche seien das Neckartor und die Wolframstraße, in Stuttgart-Degerloch die Neue Weinsteige, und in Stuttgart-Feuerbach die B295. In einem wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch sollten nun zunächst am Neckartor Maßnahmen getestet werden. Aktuell beschleunigten Fahrzeuge, von Cannstatt kommend, direkt an der Messstation, bevor sie vor der S-Kurve wieder abbremsen. Geplant sei, die erlaubte Geschwindigkeit nach der Kreuzung dort auf 40 km/h zu reduzieren. Ziel der Maßnahme, die durch eine semi-stationäre Geschwindigkeitsüberwachung begleitet werde, sei es, die unnötigen Beschleunigungen zu vermeiden und somit Stickoxid zu reduzieren. Verkehrssimulationen hätten gezeigt, dass die Maßnahmen den Verkehr nicht wirklich beeinträchtigten. Eine Umsetzung der Maßnahme in unmittelbarer Nähe der Messstation sei sinnvoll, weil direkte Rückschlüsse auf die Immissionen gezogen werden könnten. Der Test solle zeitnah gestartet werden und dauere etwa drei Monate.

Herr Thomas (IVLZ) betont, die vorgestellten Projekte zeigten, dass die IVLZ dem Thema Digitalisierung einen breiten Raum lasse, um zukunftsfähig zu sein. Beim Projekt "Virtuelle Schilder" würden neue Möglichkeiten für eine bessere Kommunikation mit dem Verkehrsteilnehmer entstehen, mit dem Ziel, nicht nur die Autofahrer, sondern im Prinzip alle Verkehrsteilnehmer und Verkehrsarten zu erreichen. Die virtuellen Schilder seien ein wichtiger Baustein, weil sie die ortsunabhängige Herausgabe von Informationen möglich machten. Die Zusammenarbeit mit der Firma Bosch sehe er als große Chance, eine zielgerichtete, nutzerspezifische Information umzusetzen, denn nur ein gut informierter Verkehrsteilnehmer könne sein Verhalten ändern und sich auf die Situation einstellen. Beim Projekt zur Verkehrsflussoptimierung würden die Daten in Richtung Stadt fließen, und es könnten gezielter Optimierungsmöglichkeiten identifiziert werden. Ganz wichtig sei dabei die gleichzeitige enge Kooperation der einzelnen Ämter, von denen viel Input komme und denen er dafür herzlich danke. Die IVLZ hoffe, an den Projekten weiterarbeiten und die Testfelder durchführen zu können, um dann auch die Wirkungen aufzeigen zu können.

StR Kotz (CDU) dankt für den Einblick in die Vorhaben, die seine Fraktion unterstütze. Das Projekt "Virtuelle Schilder" weise den Weg in Richtung "Autonomes Fahren". Für die Stadt würden sich neue Möglichkeiten der Verkehrslenkung ergeben. Was das Projekt am Neckartor angehe, so hoffe er, wenn positive Wirkungen erzielt würden, dass die Erkenntnisse auch in den nächsten Entwurf zum Luftreinhalteplan einfließen. Alles was helfe, Fahrverbote in Stuttgart zu verhindern, müsse versucht werden. Er bitte die Projektleiter sich zu melden, falls der Gemeinderat unterstützend tätig sein könnte.

StR Peterhoff (90/GRÜNE) sieht in den Pilotprojekten ein großes Potenzial. Seiner Fraktion sei es wichtig, dass die Ziele der Verkehrsvermeidung und der Emissionssenkung immer im Blick behalten werden. Zur Einhaltung der Grenzwerte bei den Luftschadstoffen würden alle in Frage kommenden Maßnahmen benötigt, auch die angepasste Geschwindigkeit. Abschließend spricht StR Peterhoff das Thema Datenschutz an und erkundigt sich, ob eine Verbindung zum Fahrzeug hergestellt werden kann, oder ob Daten sofort anonymisiert werden.

Die Berichte hätten gezeigt, so StR Körner (SPD), welche Chancen die digitalen Möglichkeiten für die Zukunft des Verkehrs gerade in der Stadt bieten. Auch beim Parkleitsystem müsse baldmöglichst der Nutzen der digitalen Möglichkeiten realisiert werden. BM Thürnau weist darauf hin, dass die Umsetzung eines neuen Parkleitsystems im Ausschuss für Umwelt und Technik am 12.06.2018 behandelt werden soll.

StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) hält die Versuchsanordnungen und die Kooperationen für "absolut verzichtbar". Die Erkenntnisse, die man gewinnen wolle, lägen seit Langem generalisiert vor. Dass die Vermeidung von Beschleunigungsvorgängen Vorteile habe, und dass Geschwindigkeitsreduzierungen sich günstig auf Emissionen auswirken, sei in Studien des Umweltbundesamtes nachzulesen. Mit der novellierten Straßenverkehrsordnung gebe es die Möglichkeit, entsprechende Maßnahmen umzusetzen, was von der Stadt aber nicht genutzt werde. Grundsätzlich sei eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit an der S-Kurve am Neckartor zu begrüßen. Mit den Projekten ebne man aber letztlich den Konzernen den Weg in das autonome Fahren und ignoriere die Konflikte, die damit verbunden seien, zum Beispiel in der Frage des Ressourcen-Verbrauchs oder in der Frage, dass der Besetzungsgrad der Fahrzeuge durch das autonome Fahren weiter gesenkt werde. Die Stadt brauche eine ökologische Verkehrswende und keine digitalen Spielereien.

Während StR Zeeb (FW) beide Projekte begrüßt und für das Engagement dankt, hält StR Conz (FDP) nur das Projekt "Virtuelle Schilder" für sinnvoll und lehnt eine Geschwindigkeitsbegrenzung am Neckartor ab.

Für StR Dr. Schertlen (STd) ist Japan Vorreiter beim Thema "Autonomes Fahren". Er wundert sich, dass seitens der Stadt schon mehrmals ausgesagt worden ist, die Grüne Welle an der Cannstatter Straße sei so optimiert worden, dass der Verkehr konstant fließe, und verweist auf seine Anträge, in der S-Kurve am Neckartor eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h anzuordnen, vor allem wegen des Feinstaubs aufgrund von Reifenabrieb. Für StR Brett (AfD) erschließt sich nicht, dass mit einer ständigen Tempo-Verringerung weniger Schadstoffe entstehen sollen. Der wissenschaftliche Beweis müsse noch erbracht werden.

An StR Dr. Schertlen gewandt erläutert Herr Thomas, die Grüne Welle an der Cannstatter Straße sei tatsächlich optimiert worden, in stadteinwärtiger Richtung auf knapp über 40 km/h und in stadtauswärtiger Richtung auf 50 km/h. Eine Optimierung für die Grüne Welle funktioniere an dieser Stelle nicht für beide Richtungen mit Tempo 50. Die Autofahrer beschleunigten aber zu sehr und kämen dann bei der Grünen Welle nicht durch. Würden sich die Autofahrer an die "Grün bei …-Anzeige" auf der Cannstatter Straße halten, könnte die Grüne Welle funktionieren. Nachgewiesen sei, dass Geschwindigkeitsreduzierungen positive Auswirkungen hätten, aber es gebe auch den "Faktor Mensch". Die hohen Beschleunigungswerte, die am Neckartor gemessen und ausgewertet worden seien, zeigten, dass direkt beim Losfahren an der Signalanlage stark beschleunigt werde.

BM Thürnau weist darauf hin, dass nach Abschluss der Projekte die Ergebnisse im Ausschuss präsentiert werden sollen.


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