Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs 901/2022
Stuttgart,
01/12/2023


Zwischenbericht zum Modellprojekt 'Schulgesundheitsfachkräfte' an zwei Schulstandorten in Stuttgart



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Schulbeirat
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
23.01.2023
28.02.2023

Bericht:


1. Einführung

Das Modellprojekt „Schulgesundheitsfachkräfte“ (im Folgenden SGFK abgekürzt) in Stuttgart ist während der Corona-Pandemie zum 01.07.2021 an zwei Schulstandorten (Zuffenhausen-Rot und Neugereut) gestartet. Es wurde in der GRDrs 582/2020 dem Gemeinderat vorgestellt und bis zum 31.07.2024 bewilligt. Als Ziele wurden darin genannt die Verbesserung der medizinischen Versorgung akut verletzter oder erkrankter Schüler*innen, eine bessere Versorgung und wo nötig Unterstützung von Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen in der Schule, eine Verbesserung der Lernvoraussetzungen für gesundheitlich und/oder sozial belastete Schüler*innen, eine Stärkung der Gesundheitskompetenz aller an der Schule Anwesenden sowie die Etablierung eines gesundheitsbewussten Schulklimas mit einer Ausweitung der Gesundheitsförderung und Prävention. Die SGFK sollen dazu beitragen, die Schulen insgesamt auf ihrem Weg zu einer gesundheitsfördernden Einrichtung zu begleiten, damit auch gesundheitlich und/oder sozial belastete Schülerinnen und Schülern die bestmöglichen Lernvoraussetzungen haben.

Das Projekt ist überwiegend durch Drittmittel finanziert. Nach Ablauf von eineinhalb Schuljahren erfolgt mit der hier vorgelegten GRDrs ein erster Zwischenbericht.

Gesetzliche Grundlagen
§8 (1) ÖGDG: Die Gesundheitsämter beraten Kinder sowie Schülerinnen oder Schüler, die sorgeberechtigten Personen sowie die Kindertageseinrichtungen und die Schulen zu erforderlichen Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention sowie zu gesundheitlichen Fragen, die den Schulbesuch betreffen.

Ziele für nachhaltige Entwicklung – SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen
Die Schulgesundheitsfachkräfte tragen mit ihrer Arbeit zur Einhaltung der folgenden SDG-Ziele bei:
SDG-Ziel 3.8 Die allgemeine Gesundheitsversorgung, (…) den Zugang zu hochwertigen grundlegenden Gesundheitsdiensten (…) sichern.SDG-Ziel 3.4 (…) die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund von nichtübertragbaren Krankheiten durch Prävention (…) senken und die psychische Gesundheit und das Wohlergehen fördern

2. Situation an den Schulstandorten im ersten Schuljahr 2.1 Personelle Situation
Für den Standort Rot (Ferdinand-Porsche-Gymnasium, Rilke-Realschule und Uhlandschule) wurden zu Projektbeginn zwei SGFK mit insgesamt 150% Stellenanteilen eingestellt. Im ersten Schuljahr war dort nach Weggang einer SGFK Ende des Jahres 2021 aus persönlichen Gründen eine Stelle eine Zeitlang unbesetzt. In Neugereut wurden die Pelikanschule und die Jörg-Ratgeb-Schule zunächst von einer Fachkraft mit 90 % Stellenanteil betreut. Seit dem Schuljahresbeginn 2022/23 sind an jedem Standort zwei SGFK eingesetzt. Die SGFK sind ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*innen. Der Einsatz als SGFK ist ein neues Berufsfeld für diese Berufsgruppe, das neue Chancen bietet und neue Herausforderungen mit sich bringt.

An beiden Standorten sind Schulärztinnen des Gesundheitsamts beratend und begleitend tätig.

Im Gesundheitsamt wurde eine Stelle für die Koordination und Evaluation des Projekts eingerichtet (30% Stellenanteil). Außerdem betreut die Abteilung Gesundheitsförderung und Planung sowie das Sachgebiet 53-3.1 das Projekt mit jeweils 10% Stellenanteilen.

2.2 Ausstattung und räumliche Gegebenheiten
Mit großer Unterstützung des Schulverwaltungsamts sowie der jeweiligen Schulleitung wurden an beiden Standorten Räume für den Einsatz der SGFK vorbereitet und ausgestattet. In Rot konnten zwei Räume in unterschiedlichen Schulgebäuden (Rilke-Realschule und Uhlandschule) bereitgestellt werden, in Neugereut bisher ein Raum in der Jörg-Ratgeb-Schule. Ein weiterer in der Pelikanschule geplanter Raum ist derzeit in Umsetzung.

Für die medizinische Versorgung erhielten die Räume die notwendige Ausstattung an Mobiliar und Material zusätzlich durch die Projektförderung des Gesundheitsamtes. Die Kosten für einen entsprechend ausgestatteten Raum mit Liege und Beratungstisch belaufen sich auf ca. 500 € pro Schuljahr.

In den Raumprogrammen und bei der Raumplanung Stuttgarter Schulen sind derzeit für Schulgesundheitsfachkräfte grundsätzlich keine Flächen vorgesehen, so dass lediglich eine Umnutzung bisher anders deklarierter Räume möglich ist. Um bei einer möglichen Ausweitung und Verstetigung des Projekts der SGFK eine adäquate räumliche Situation an Schulen zu gewährleisten, werden bei der von der Schulverwaltung geplanten Fortschreibung der Raumprogramme für allgemeinbildenden Schulen, in enger Zusammenarbeit mit der Projektgruppe der SGFK, Standards für die von Schulgesundheitsfachkräften benötigten Räume aufgestellt werden.

2.3 Umfang und Inhalte der Einsätze der SGFK
In Rot arbeitete eine SGFK an vier Tagen in der Woche während der Schulzeit, die zweite bis zu ihrem Weggang an fünf Tagen in der Woche. Sie hatten im Schuljahr 2021/22 insgesamt 1166 Einsätze zur Versorgung von Schüler*innen und zu einem geringen Teil bei Lehrer*innen. Diese Einsätze fielen auf insgesamt 655 unterschiedliche Schüler*innen. Der Standort Rot hatte im vergangenen Schuljahr 1704 Schüler*innen. Die Zahlen beziehen sich auf die Auswertung der Dokumentationsbögen, die die SGFK bei jedem Arbeitseinsatz im Schuljahr 2021/22 ausgefüllt haben. Somit waren die SGFK mit mehr als einem Drittel aller Schüler*innen in Kontakt im Rahmen einer individuellen medizinischen Versorgung.

In Neugereut arbeitete die SGFK an fünf Tagen in der Woche und hatte dabei 1394 Einsätze. Diese fielen auf insgesamt 612 unterschiedliche Schüler*innen. Der Standort Neugereut umfasste im vergangenen Schuljahr 1271 Schüler*innen, wobei an der Pelikanschule (262 Schüler*innen) nur eine sehr geringe Zahl an Einsätzen zu verzeichnen war, da die SGFK dort keinen eigenen Raum hat.1 Somit waren die SGFK dort mit mehr als ca. der Hälfte aller Schüler*innen in Kontakt im Rahmen einer individuellen medizinischen Versorgung.

Ca. 60% der Gründe für eine Kontaktaufnahme mit den SGFK waren körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit etc., ca. 20 % waren Verletzungen nach Unfällen oder tätlichen Auseinandersetzungen. Eine Beratung aufgrund psychischer Probleme, die sich zunächst in körperlichen Symptomen geäußert hatten, wurde in ca. 8% der Fälle berichtet. Die übrigen Kontakte entfielen auf Beratungen oder die Weiterversorgung von bestehenden Symptomen.

Die SGFK trafen dementsprechend hauptsächlich Maßnahmen zur medizinischen Beurteilung, Beratung und Versorgung in Abhängigkeit von den jeweiligen Beschwerden. Die Kontaktzeit betrug durchschnittlich 17 Minuten.

Darüber hinaus waren die SGFK in der Versorgung von Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen eingesetzt, wenn sie dazu von Lehrer*innen oder den Schüler*innen oder Eltern selbst angefragt wurden. Am Standort in Neugereut wurden fünf Kinder mit chronischen Erkrankungen betreut, am Standort Rot zwei. Diese Einsätze umfassten 7% der eingesetzten Arbeitszeit.

Im Laufe des zweiten Halbjahres wurde es möglich, die Themen Prävention und Gesundheitsförderung stärker in den Fokus zu rücken, als dies in der anfänglichen Einarbeitungszeit und unter Pandemiebedingungen möglich war.

Die Arbeit verteilte sich dementsprechend im zweiten Halbjahr auf folgende Schwerpunkte:


Schaubild 1: Verteilung der Aufgabenbereiche der SGFK an beiden Standorten im Schuljahr 2021/22

Unter „Versorgung“ wird dabei die medizinische Erstversorgung bei Verletzungen oder akut auftretenden Erkrankungen verstanden, bei der die SGFK aus medizinischer Sicht einschätzen, ob das Kind eine weitere Behandlung oder einen Rettungsdienst benötigt, oder ob es wieder am Unterricht teilnehmen kann. Dazu zählt auch die Beratung bei Fragen oder Problemen.

Die als „Prävention“ bezeichnete Arbeit bezieht sich in diesem Fall ausschließlich auf Gruppenangebote zur Prävention und Gesundheitsförderung. Nicht erfasst ist dabei die individuelle Prävention und Gesundheitsförderung, die in der Einzelberatung auch vielfach durch die SGFK geleistet wird.

2.4 Einbindung in die Schulgemeinschaft und in externe Netzwerke
Das Angebot der SGFK wird an beiden Standorten inzwischen sehr gut angenommen. Die Fachkräfte stehen mit Schulleitung, Schulsozialarbeit, Präventionslehrkräften und weiteren pädagogischen Fachkräften im engen Austausch, um Synergien herzustellen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Das Angebot der SGFK wird in der Schulgemeinschaft als wichtiger Baustein wahrgenommen, der bisher fehlte.

Ein wichtiger Inhalt der Aufgaben der SGFK ist die Zusammenarbeit mit den Schulsanitäter*innen. Diese erhalten fachliche Anleitung und teilweise auch Schulung durch die SGFK. Der Schulsanitätsdienst bildet zusätzlich zur Anwesenheit der SGFK weiterhin einen wichtigen Baustein in der Versorgung der Schüler*innen und soll durch die SGFK keinesfalls ersetzt werden.

Bei Präventionsangeboten sowie bei der Weitervermittlung in Hilfesysteme binden die SGFK auch externe Kooperationspartner*innen mit ein. Die SGFK können qualifiziert beurteilen, ob eine (Weiter-) Vermittlung durch andere Stellen (Ärzt*innen, Beratungsstellen, Psycholog*innen etc.) notwendig ist und besitzen somit eine „Lots*innenfunktion“. Ihre Netzwerke werden kontinuierlich weiterentwickelt.




3. Evaluationsmaßnahmen Um das Projekt zu begleiten, die Erreichung der Projektziele zu überprüfen, die Maßnahmen abzustimmen mit den Bedarfen und um ein Instrument zur kontinuierlichen Qualitätssicherung zu haben, werden seit Projektbeginn verschiedene Evaluationsinstrumente eingesetzt. Im Vorfeld erfolgte dazu ein Erfahrungsaustausch mit anderen Projekten im Bundesgebiet und eine wissenschaftliche Beratung durch Frau Dr. Antje Miksch, Professorin für Gesundheitsförderung an der PH Heidelberg.

Die Evaluationsinstrumente wurden nach den o.g. Kriterien ausgewählt und umfassten:
· Leitfadengestützte Interviews mit den betroffenen Schulleitungen
· Leitfadengestützte Interviews mit dem Sekretariatspersonal der betroffenen Schulen
· Online-Befragungen der Lehrer*innen, der Eltern sowie der Schüler*innen ab Klasse 5 aller Projektschulen in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Amt der Landeshauptstadt
· Befragung der Schulsozialarbeiter*innen
· Eine Dokumentation aller Tätigkeiten der SGFK

Die Evaluationsmaßnahmen werden bis zum Projektende weitergeführt. Einige beispielhafte Ergebnisse der Evaluation befinden sich im Anhang.

4. Was wurde bisher erreicht? 4.1 Bessere Versorgung von akut erkrankten oder verletzten Schüler*innen
Die Vielzahl der Einsätze (s.o.) und das häufige Aufsuchen der Fachkräfte belegen den großen Bedarf einer Betreuung durch medizinisches Fachpersonal. Die Interviews mit Schulleitungen und Sekretariatsmitarbeiterinnen ergaben, dass in der Vergangenheit keine adäquate medizinische Versorgung stattfinden konnte. Die Schulleitungen aller fünf Projektschulen wurden im Oktober 2021 von der Koordinationsbeauftragten des Gesundheitsamts befragt, die Sekretärinnen aller Projektschulen im Januar 2022.

Vor Projektbeginn wurden bei Verletzungen oder Beschwerden erfahrungsgemäß direkt die Eltern verständigt bzw. geschulte Sanitätshelfer*innen aus dem Kreis der Schüler*innen hinzugerufen. In den meisten Fällen wurden die Kinder dann nach Hause entlassen, Betreuung durch Eltern und Arztbesuche waren oftmals in der Folge nötig. Durch den Erstkontakt mit einer SGFK erhält diese auch hier eine "Lots*innenfunktion", da sie feststellt, ob eine weitergehende Behandlung durch Kinder- und Jugendärzt*innen oder eine Betreuung durch Eltern notwendig wird. Sie vermeiden dadurch weitere, auch Kosten erzeugende Maßnahmen und unnötige Arztbesuche. Dadurch, dass die Kinder meist wieder in den Unterricht gehen können (s. Anhang Abb. 2), brauchen Eltern nicht von der Arbeit kommen und weitere Schritte vornehmen, sie entlasten dadurch auch die derzeit sehr knappe Kinderarztversorgung. Folgekosten durch Krankenwageneinsätze können vermieden werden.

Die zunehmende Zeit, die die Schüler*innen heute an den Schulen verbringen, erhöht den Versorgungsbedarf weiterhin, da auch eine wegen plötzlicher Erkrankung notwendig gewordene Betreuung durch die Eltern nicht immer ad hoc gewährleistet werden kann (vgl. 4.3).

4.2 Verbesserte Versorgung und Teilhabe von Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen, Beeinträchtigungen und / oder Behinderungen
Chronische Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Allergien, aber auch psychische Erkrankungen, nehmen in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen zu Deutsches Ärzteblatt vom 23.06.2017: In Deutschland haben ca. 16 % der Jugendlichen eine chronische Erkrankung Chronische Erkrankungen und impfpräventable Infektionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1), Robert-Koch Institut Berlin 2014
3 Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, S. 46 Robert-Koch-Institut Berlin 2004, schätzungsweise 5 % haben eine (drohende) Behinderung.
Damit nimmt auch die Anzahl der Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen, Beeinträchtigungen und / oder Behinderungen an Regelschulen zu.

Die SGFK leisten bei der Unterstützung hier einen sehr wichtigen Beitrag. Zusammen kommen sie im Schuljahr 2021/22 auf 178 Einsätze bei Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen, dies entspricht einem Aufwand von gut 7% ihrer Arbeitszeit (s. Anhang Abb. 1). Sind die SGFK nicht vor Ort, können manche Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf die Schule nicht oder nur eingeschränkt besuchen. Damit ermöglicht der Einsatz der SGFK eine Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit und der Teilhabemöglichkeiten für diese Betroffenen. 4.3 Verbesserung der Lernvoraussetzungen für gesundheitlich und/oder sozial belastete Schüler*innen
Die Schulstandorte Neugereut und Zuffenhausen-Rot wurden aufgrund der Tatsache ausgewählt, dass dort der Anteil an sozial belasteten Familien überdurchschnittlich hoch ist. Ebenfalls sind die gesundheitlichen Risiken und Beeinträchtigungen der Kinder und Jugendlichen dort vermehrt. Beides ergibt sich aus dem Sozialdatenatlas und der Gesundheitsberichterstattung.

Für eine erfolgreiche Schullaufbahn als Grundlage für berufliche und persönliche Ziele ist die Gesundheit eine Kernvoraussetzung. Durch den Einsatz der SGFK konnten bereits im zweiten Schulhalbjahr mehr als 80% der Schüler*innen mit gesundheitlichen Beschwerden nach der Versorgung durch die SGFK wieder am Unterricht teilnehmen (s. Anhang Abb. 2). Somit ist der Einsatz der SGFK ein sehr wichtiger Schritt zu Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit aller Kinder und Jugendlichen.

4.4 Verbessertes Gesundheitsverhalten und Gesundheitskompetenzen bei Schüler*innen und beim Schulpersonal
Um ein verbessertes Gesundheitsverhalten erfassen zu können, wurde das bisherige Verhalten abgefragt. Die Ausführungen beziehen sich auf die Ergebnisse der Online-Befragungen der Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen, die von Februar-März 2022 durchgeführt wurden. Es haben daran 46,9% der 260 Lehrer*innen, 14,4% der Eltern aller 2966 Schüler*innen sowie 16,1% der 2510 Schüler*innen ab Klasse 5, die befragt wurden, teilgenommen.
7 Vgl. Tannen, A.; Adam, Y.; Ebert, J; Ewers, M.: Schulgesundheitspflege an allgemeinbildenden Schulen - SPLASH Teil 1: Analyse der Ausgangslage, S. 80 und 85. Eine Veränderung wird sich ggf. in der Enderhebung zeigen. Auch wenn die Ergebnisse der Ausgangsbefragung aufgrund einer zu geringen Rücklaufquote leider nicht repräsentativ sind, weisen sie doch in die gleiche Richtung wie die Ergebnisse anderer Studien mit einer größeren Teilnahmequote. 7

So deuten die Rückmeldungen darauf hin, dass den befragten Schüler*innen vielfach das Wissen um ein gesundheitsbewusstes Verhalten fehlt (s. Anhang Abb. 3). Außerdem gaben nur 14 % der Schüler*innen in ihren Antworten an, die WHO-Bewegungsempfehlung zu erreichen (je nach Altersgruppe mind. eine Stunde Bewegung am Tag zusätzlich zum Schulsport). Fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen bewege sich nach Einschätzung ihrer Eltern weniger als zweimal pro Woche für eine Stunde (außerhalb des Schulsports). Dies ist damit ein wichtiger Anknüpfungspunkt für Gespräche in den Schulen und gesundheitsfördernde Maßnahmen durch die SGFK in Kooperation mit den Vertreter*innen der Schulen und außerschulischen Kooperationspartnern.

4.5 Etablierung eines gesundheitsbewussten Schulklimas, Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention
Nachdem im ersten Schulhalbjahr die Schwerpunkte auf dem Ankommen an den Schulen, Kennenlernen aller Beteiligten und auf der Versorgung der akuten Probleme der Schüler*innen lagen, gab es im zweiten Halbjahr mehr Möglichkeiten, ein weiteres zentrales Thema des Einsatzes der SGFK voranzubringen, die Gesundheitsförderung und Prävention an den Projektschulen.

Die vorrangigen Bedarfe der Schüler*innen ergaben sich aus Interviews, Befragungen und regelmäßigen Besprechungen mit Vertreter*innen des Gesundheitsamts sowie Vertreter*innen des Lehrerkollegiums (wenn vorhanden den Präventionsbeauftragten), der Schulsozialarbeit, den pädagogischen Fachkräften und z.T. der Schulleitungen. Eine Schule machte in diesem Zusammenhang auch eine Befragung der Schüler*innen im Unterricht.

Daraus ergaben sich unterschiedliche Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung, die z.T. auch schon umgesetzt werden konnten. So fand beispielsweise an der Rilke-Realschule eine Präventionswoche statt, an der die SGFK aktiv beteiligt war.

An der Pelikanschule fand in allen dritten Klassen in Zusammenarbeit mit der Ernährungswissenschaftlerin des Gesundheitsamts eine Information zum gesunden Essen statt, in allen 8. Klassen der Jörg-Ratgeb-Schule informierte die SGFK über das Thema Stressbewältigung.

An der Rilke-Realschule konnte inzwischen ein Container für Bewegungsmaterialien zur Pausengestaltung aufgestellt werden.

Wichtige Maßnahmen werden zudem im Themenfeld „psychische Gesundheit“ gesehen.

Organisiert wurde daraufhin eine Multiplikator*innenschulung zur Resilienzförderung für Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen der Projektschulen in Kooperation mit der ev. Hochschule Freiburg, die im Oktober 2022 und Februar 2023 an jeweils zwei Tagen stattfindet.

Bei Präventionsmaßnahmen sollen die SGFK auch verstärkt auf externe Kooperationspartner zurückgreifen. Sie erweitern ihr Netzwerk in diesem Bereich kontinuierlich und schaffen die Voraussetzungen für eine sinnvolle Zusammenarbeit, u.a. mit den Trägern der Suchtprävention und von Sport- und Bewegungsangeboten.





5. Netzwerke 5.1 Kernteam Schulgesundheit
Die SGFK treffen sich wöchentlich mit den zuständigen Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamts, um organisatorische Dinge zu besprechen und sich gegenseitig auszutauschen. Dabei besteht die Möglichkeit, Unterstützung und Beratung durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendpsychiatrie zu bekommen. In anonymen Fallbesprechungen können wichtige Hintergründe und weitergehende Hilfsmaßnahmen besprochen werden.

5.2 Steuerungsgruppe
Unter Federführung des Gesundheitsamts wurde eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen. Beteiligt daran sind die Schulleitungen der Projektschulen, die Schulgesundheitsfachkräfte, die Schulärztinnen sowie die Koordinationsbeauftragte, Vertreter*innen der Schulsozialarbeit, Vertreter*innen des Jugendamtes, des Schulverwaltungsamtes, der Bildungspartnerschaft (BIP), des Amts für Sport und Bewegung, des Sozialamtes, des Staatlichen Schulamtes Stuttgart und der Unfallkasse Baden-Württemberg. Die Aufgabe dieses Gremiums ist die kontinuierliche Steuerung des Projektes und die Begleitung der praktischen Arbeit.

5.3 Beirat
Unter der Leitung der Bürgermeisterin für Soziales und gesellschaftliche Integration, Frau Dr. Sußmann, und der Bürgermeisterin für Jugend und Bildung, Frau Fezer, wurde ein Beirat gegründet. Dieser umfasst die Leitungsebenen von Gesundheitsamt, Jugendamt, Schulverwaltungsamt, Amt für Sport und Bewegung, Sozialamt, die Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart, die Behindertenbeauftragte der Stadt Stuttgart, die Leitung der Stuttgarter Bildungspartnerschaft (BIP) und die Leitung des Staatlichen Schulamts sowie einen Vertreter der Schulleitungen der Projektschulen, die Träger der Schulsozialarbeit, Vertreter*innen der Krankenkassen, des Sozialministeriums, des Kultusministeriums, des Gesamtelternbeirats und der Stuttgarter Kinderärzte.
Die Aufgaben des Beirats sind die Strategie und Finanzplanung, die Vernetzung mit wichtigen Institutionen und deren Beteiligung an grundlegenden Entscheidungen sowie Berichterstattung und Problemlösung.



6. Aktuelle Herausforderungen Für das neue Schuljahr 2022/23 sind an jedem Standort jeweils eine neue Schulgesundheitsfachkraft angestellt worden, die sich beide einarbeiten und in die Schulgemeinschaften integriert werden müssen. Weitere Herausforderungen bestehen in folgenden Bereichen:

· Am Projektbeginn stand die medizinische Versorgung der Schüler*innen im Mittelpunkt, da sie die Kernkompetenz der SGFK ist. Nach und nach soll der Fokus der Arbeit vor Ort mehr und mehr in Richtung Prävention und Gesundheitsförderung verschoben werden, ohne die medizinische Versorgung der Schüler*innen zu vernachlässigen. Dazu müssen Arbeitsinhalte auf den Prüfstand gestellt und evtl. innerhalb der Schule verteilt werden, wie z. B. durch eine Stärkung des Schulsanitätsdienstes.

· Eine weitere und umfassendere Beteiligung der Schüler*innen am laufenden Prozess und den weiteren Maßnahmen ist wichtig. Hierfür wird eine Konzeption erstellt.

· Je nach Möglichkeiten vor Ort soll an den Standorten eine Anlaufstelle für Fragen von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern, z. B. in einer wöchentlichen Sprechstunde oder bei einem eher zwanglosen Treffpunkt, entstehen. Weitere Maßnahmen zur Schulung, Information und Beratung von allen Eltern haben sich in der Arbeit der SGFK und beim Austausch mit dem Gesamtelternbeirat als wichtig und notwendig gezeigt und sollen zukünftig angeboten werden.

· Die Weitervermittlung der Schüler*innen ins Hilfesystem und das Andocken an die passenden Beratungsstellen soll erweitert werden. Hier stellen oftmals weite Wege zu den passenden Beratungsstellen für die Schüler*innen und Eltern ein Hindernis dar.

· Für Kinder mit gesundheitlichen Risiken, chronischen Krankheiten und Behinderungen soll die Finanzierung der Versorgung im Detail geklärt werden. Es findet derzeit ein Austausch mit den Kostenträgern wie z. B. Krankenkassen und Unfallkasse dazu statt, um bei der Finanzierung von Versorgungsleistungen Synergien zu benennen und evtl. Möglichkeiten der Kostenübernahme zu klären. Da es sich um komplexe Fragestellungen mit zum Teil weitreichenden Konsequenzen handelt, kann nicht sicher gesagt werden, bis wann diese Fragen abschließend geklärt sind.

· Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind deutlich in den Schulen spürbar. Hier wird weiterhin viel Unterstützungsbedarf, vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit, notwendig sein.

· In Zusammenarbeit mit den Schulärztinnen sollen Aktionen zur Gesundheitserziehung in Klassen und bei Elternabenden durchgeführt werden. Auch die Umsetzung der im Konzept enthaltenen Möglichkeit zu Untersuchungen, wie z. B. Seh- und Hörtest, Gewichts-, Blutdruck- und Impfpasskontrolle und ggf. Impfungen wird geprüft. Die Kooperation mit der Adipositasberatungsstelle im Gesundheitsamt soll ausgebaut werden.

· Durch die Anwesenheit und die Tätigkeiten der Schulgesundheitsfachkräfte werden nicht nur die Sekretariate und die Lehrer*innen entlastet, auch das gesundheitliche Versorgungssystem profitiert von den SGFKs. So können unnötige Arztbesuche vermieden und bei bestimmten Problemlagen können zielgerichtet z. B. Beratungseinrichtungen vermittelt werden. Dadurch werden Fehlleitungen, unnötige Termine wegen falscher Zuständigkeit usw. vermieden. Auch die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen sowie die medizinische Unterstützung von inklusiv beschulten Schüler*innen erweist sich als viel einfacher für alle Beteiligten vor Ort durch die Unterstützung der SGFKs. In einigen wenigen Fällen wird durch die Anwesenheit der SGFKs die Beschulung von inklusiv beschulten Kindern überhaupt erst möglich. Indirekt profitieren auch Arbeitgeber von den SGFKs, wenn Eltern ihre Kinder nicht unnötig aus der Schule holen müssen und dann der Arbeit fernbleiben. Dies betrifft insbesondere die sensiblen Bereiche in der medizinischen Versorgung und der Kinderbetreuung in den Kitas, wenn Eltern in diesen Bereichen arbeiten.
Ein großer Kostenfaktor bei Unfällen an der Schule ist der Einsatz von Rettungsfahrzeugen. Die Kosteneinsparungen durch die Vermeidung dieser Einsätze durch die SGFK sollen zukünftig noch besser erfasst werden.
7. Fazit und Ausblick

Das Projekt wird von den Schulleitungen und den Beteiligten schon jetzt als äußerst gewinnbringend und positiv bewertet:

Die Mitarbeiter*innen der Sekretariate werden deutlich entlastet.

Lehrer*innen können sich ihren Kernaufgaben widmen und sehen die professionelle Betreuung bei gesundheitlichen Problemen als großen Vorteil an.

Auch von Elternseite sind die Reaktionen bisher durchweg positiv: Sie können auf eine gute medizinische Versorgung und eine professionelle Präventionsarbeit in der Schule vertrauen, wo ihre Kinder einen großen Teil ihrer Zeit verbringen. Außerdem müssen Kinder bei Krankheitssymptomen deutlich seltener außerplanmäßig von der Schule abgeholt werden. Dies ist oft auch mit weiteren Fehltagen der Schüler*innen verbunden, die nun ebenfalls reduziert werden können. Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen können besser versorgt und in ihrer Teilhabe gefördert werden.

Kinder- und Jugendärzte werden entlastet, da Besuche bei ihnen vermieden werden können, wenn die SGFK bereits kleinere medizinische Versorgungen leisten bzw. im Vorfeld einschätzen, ob ein Kinderarztbesuch notwendig ist.

Das Schul- und Gesundheitssystem profitieren insgesamt sehr von der zusätzlichen medizinischen Expertise der SGFK sowie des kinder- und jugendärztlichen Dienstes des Gesundheitsamts. Die Anwesenheit der Fachkräfte führt zu einer Professionalisierung der Schulgesundheit und wirkt sich positiv auf den Umgang mit Gesundheitsfragen und auf gesundheitsförderliches Verhalten im Schulalltag aus.

Aktuell gibt es bereits Anfragen von anderen Kommunen aus Baden-Württemberg zur Übertragung des Projektes.

Nicht zuletzt die Coronapandemie und ihre Folgen sowie die zunehmende Bedeutung nicht-übertragbarer Erkrankungen zeigen, dass das Thema Gesundheit in der Schule auch mittel- und langfristig von erheblicher Bedeutung ist. Die SGFK können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.




8. Anhang

Abb. 1: Einsätze bei chronischen Erkrankungen:
NeugereutRotzusammenprozentual
Gesamtzahl Einsätze
1454
984
2438
Davon Einsätze bei Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen
60
118
178
7,3%
Gesamtzeit der Einsätze (min.)
27641
14064
41705
Davon Zeit für Schüler*innen mit chronischen Erkrankungen (min.)
1400
2210
3610
8,7%

Abb. 2: Rückkehr in den Unterricht nach Versorgung/Betreuung



Abb. 3: Themenauswahl Prävention

Auf die Frage, welche Themen in den Schulen bereits umgesetzt werden, fielen die meisten Nennungen der Lehrer*innen (mehrere Nennungen möglich) auf:


Beteiligte Stellen

Das Referat JB hat die Vorlage mitgezeichnet.






Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





---

<Anlagen>


zum Seitenanfang