Protokoll:
Verwaltungsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
77
1
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
07.03.2018
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Kuhn
Berichterstattung:
Herr RA Dr. Porsch (Kanzlei Dolde Mayen & Partner)
Protokollführung:
Herr Häbe
fr
Betreff:
Klage der Deutschen Bahn wegen Mehrkosten bei Stuttgart 21
Zu diesem Tagesordnungspunkt wird das diesem Protokoll beigefügten Papier von L/OB-R vom Referat für Verwaltungskoordination, Kommunikation und Internationales "Klage der Bahn gegen die LHS u. a. wegen Mehrkosten des Projekts Stuttgart 21" vom 22.02.2018 ausgeteilt.
Ausgegangen werde davon, so OB
Kuhn
einführend, dass sich die Landeshauptstadt (LHS) nicht über die vereinbarten Projektkosten von 4,5 Mrd. € hinaus am Bahnprojekt Stuttgart 21 (S 21) zu beteiligen habe. Schließlich würden in Deutschland Bahnhöfe nicht von Städten, sondern von der Deutschen Bahn AG (DB) gebaut. Die LHS habe sich an diesem Projekt aus städtebaulichen Gründen beteiligt. Diese führten nicht zu den Kostensteigerungen. Vor diesem Hintergrund gehe die Stadt davon aus, dass man nichts Zusätzliches bezahlen müsse. Die ausführliche Klageerwiderung werde Herr Dr. Porsch erläutern. Ein wichtiges Argument sei, dass es zu dem sogenannten "Memorandum of Unterstanding" aus dem Jahr 2007 Vorstufen gegeben habe, in denen die Stadt im Zusammenhang mit dem Thema Sprechklausel zusammen mit dem Land noch erwähnt worden sei, im Weiteren sei die Erwähnung der LHS jedoch entfallen. Im Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 heiße es nur noch "Das Land führt Gespräche". Dieses sei ein Hinweis, dass die Stadt bei der Sprechklausel nicht aus Versehen entfallen sei, sondern dass es sich um einen expliziten Akt und damit um eine beabsichtige Entscheidung gehandelt habe.
Der Vortrag von Herrn Dr. Porsch ist nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.
Herr RA
Dr. Porsch
:
"Zunächst eine Zusammenfassung, wie die Bahn argumentiert. Die Bahn hat in ihrer Klagebegründung ja einen sehr vertragsrechtlich gesellschaftsrechtlichen Ansatz. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich ein klassisches Beispiel einer BGB zivilrechtlichen Gesellschaft heranziehen, das Repetitoren Studenten immer erklären, um ihnen das Wesen einer solchen Zweckgesellschaft nahezubringen.
Das klassische Beispiel beinhaltet drei Studenten, die sich am Ende eines Semesters überlegen, was machen wir in den Ferien. Sie vereinbaren, zu dritt einen alten VW-Bus für 2.000 € zu kaufen, um mit diesem in die Türkei zu fahren. Der Erste sagt: ich habe von meinem Großvater etwas Geld erhalten und gebe 1.000 €. Der Zweite und Dritte erklären, dass sie sich jeweils mit 500 € beteiligen können. Weiter besprechen sie, eine Rücklage für Benzin, Versicherung und Unvorhergesehenes, in Höhe von 1.000 € zu bilden. Hierfür stellen der Erste 500 € und die beiden anderen jeweils 250 €. Also im Grunde genommen - Hälfte, Viertel, Viertel.
Dann kaufen sie den VW-Bus. In Thessaloniki brennt ihnen der Motor aus. Durch die notwendige große Reparatur wird die Rücklage verbraucht. Deshalb müssen sie nochmals 1.000 € aufbringen. Sie fragen sich: Was machen wir jetzt? Dann sagen sie: Naja, wir könnten die Gesellschaft auflösen, wir könnten den Bus verkaufen, das Projekt sozusagen aufgeben, den Resterlös verteilen. Schnell kommen sie jedoch zum Ergebnis, dass dies keine gute Lösung ist. Sie hätten dann noch 500 € Schrottwert und keine weitere Reise in die Türkei. Also, Zweck nicht erreicht. Davon nehmen sie also Abstand.
Sie müssen also noch diese 1.000 € aufbringen. Dazu sagt der Jura-Student, Nachschusspflichten gibt es eigentlich nicht in einer BGB-Gesellschaft. Im weiteren Verlauf stellt sich für die Drei die Frage: Was ist der angemessene Verteilungsschlüssel? Diesbezüglich werden sie zum Ergebnis kommen, dass es im Zweifel nach den Gesellschaftsanteilen geht. Demnach zahlen der Erste 500 €, die anderen zwei jeweils 250 €. Anschließend wird der VW-Bus repariert und die Reise geht weiter.
Dieses Beispiel klingt jetzt sehr banal, aber dies ist letztlich der Ansatz der Bahn.
Die Bahn sagt: Wir haben eigentlich, das kommt sehr deutlich zum Ausdruck, 1993 ein ganz anderes Projekt verfolgt. Wir wollten den Kopfbahnhof ausbauen, wir wollten vielleicht den Bahnhof irgendwo außerhalb in Cannstatt bauen für die Schnellzüge. Dann machten uns das Land, die Stadt und der Flughafen das Projekt Stuttgart 21 schmackhaft. Das sind hauptsächlich deren Interessen, die maßgeblich waren, dass das Projekt so gebaut wurde. Das sind die verkehrspolitischen Interessen des Landes, der Anschluss des Flughafens, es war das städtebauliche Interesse der Stadt. Und aus diesem Grund hat man sich dann über viele Verträge eben zu so einer Art Zweckgemeinschaft, Zweckgesellschaft zusammengefunden. Jeder hat seinen Beitrag geleistet. Man hat eine Risikofinanzierung aufgestellt. Die Bahn hat immer gesagt, das Projekt muss aber für uns wirtschaftlich bleiben und sozusagen, dass dafür die anderen verantwortlich sind.
Nun stellt sich heraus, das Geld reicht nicht mehr und es muss über einen Nachschuss nachgedacht werden. Wir haben die Sprechklausel. Die Sprechklausel, die macht ja eigentlich nur Sinn, wenn sie dann auch ein gewisses Ergebnis zur Folge hat, sonst hätten wir diese ja gar nicht in den Vertrag reinschreiben müssen. Und welches Ergebnis kann schon angemessener sein als das, was im Vertrag angelegt ist. Also, gemeinsame Freude, gemeinsames Leid. § 8 Absatz 3 des Finanzierungsvertrages gibt ja schon für die ersten 1,4 Mrd. Risikoverteilung einen Maßstab vor, und den führen wir jetzt einfach weiter. Das ist die angemessene Vertragsergänzung, die aus der Sprechklausel und einer ergänzenden Vertragsauslegung folgt.
Das sind genau die Argumentationslinien, die dazu führen, dass die Bahn sagt: Das Land hat sich verpflichtet in der Sprechklausel, Gespräche zu führen. Es ist gleichzeitig Poolführer und Verantwortlicher für die Finanzierungsbeiträge seiner Partner, deswegen wird in erster Linie in den Klageanträgen das Land in Anspruch genommen auf Vertragsergänzung. Sie sollen einer Vertragsergänzung zustimmen, dass sozusagen die Risikoregelung des § 8 Abs. 3 Finanzierungsvertrag zunächst einmal für die bis jetzt eingeklagten 1,45 Mrd. € und auch für alle weiteren Kostensteigerungen fortgeschrieben wird, die sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz ergeben. Das ist in erster Linie der Hauptantrag.
Die Anträge, die sich gegen die Stadt richten, werden nicht hilfsweise gestellt, aber sozusagen schon ein Stück in zweiter Linie, ergänzend. Also auch die Stadt soll zustimmen - erstens, Verhandlungen aufzunehmen nach Maßgabe der Sprechklausel, in der wir gar nicht genannt sind, und zweitens natürlich auch einer Vertragsergänzung für die Verteilung weiterer Kosten nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Finanzierungsvertrag.
Zivilrechtlich gesehen ist die Argumentation der Bahn nicht so unschlüssig. Also wenn man von Privatautonomie ausgeht, von gleichberechtigten Partnern wie unsere drei Studenten, die auch zusammen ein Eigentumsobjekt erwerben, dann wäre das durchaus naheliegend, dass man den Gesellschaftsvertrag so fortschreibt. Nur, dieser Finanzierungsvertrag, der ist eben kein Gesellschaftsvertrag. Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart handeln, wenn sie Verträge schließen, nicht wie Privatrechtsobjekte in Ausübung von privatautonomen grundrechtlichen Freiheiten, sondern öffentlich-rechtliche Körperschaften schließen Verträge in Ausübung ihrer Kompetenzen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag ist auch der Finanzierungsvertrag.
So haben wir unsere Klageerwiderung im Grunde begonnen. Wir sagen: Wer hat denn eigentlich welche Kompetenzen? In der Verfassung steht zunächst einmal in Art. 87 e Abs. 3 Grundgesetz, der Oberbürgermeister hat dies angesprochen, dass der Bau von Bahninfrastruktur, wozu Bahnhöfe zählen, eine Aufgabe der Unternehmen der Eisenbahnen des Bundes ist. Also wir haben schon einmal eine klare verfassungsrechtliche Zuweisung. In Abs. 4 dieses Artikels haben wir eine weitere Zuweisung von Verantwortung, nämlich an den Bund. Die Gewährleistungsverantwortung für den Bau von Eisenbahninfrastruktur, die trägt der Bund. Dann haben wir auf der einfachgesetzlichen Ebene die nächste klare Aufgabenzuweisung, das ist der § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz. Eine Planfeststellung für den Bau und Betrieb von Eisenbahninfrastruktur, die kann nur ein zuständiges Unternehmen der Eisenbahninfrastruktur beantragen. Also die Landeshauptstadt Stuttgart könnte, selbst wenn sie wollte, keinen zulässigen Antrag auf eine solche Baugenehmigung, Planfeststellung, für einen Bahnhof stellen.
Aus dieser Kompetenzzuweisung haben wir geschlossen, natürlich ist es insofern ein gemeinsames Projekt mit gemeinsamer Finanzierungsverantwortung, wie das der VGH Baden-Württemberg ja auch mal so erwähnt hat, aber eben nicht ein privatautonomer, gesellschaftsrechtähnlicher Vertrag mit einem gemeinsamen Zweck, sondern jeder erfüllt seine klar zugewiesenen gesetzlichen Kompetenzen. Die Bahn - Bau und Betrieb von Eisenbahnanlagen, Eisenbahninfrastruktur. Die Stadt Stuttgart - hat ihre Kompetenzen aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die örtlichen Angelegenheiten. Dazu gehört der Städtebau. Aus diesen städtebaulichen Gründen finanzieren wir unseren Anteil. Und das Land - aus den Landesverkehrsinteressen, für die das Land zuständig ist. Verband Region Stuttgart - als Aufgabenträger für den regional bedeutsamen ÖPNV. Der Flughafen - als Aufgabenträger für die Flughafeninfrastruktur. Jeder hat da sein Interesse, aus dem er finanziert. Dementsprechend ist der Vertrag auch kein irgendwie gearteter Gesellschaftsvertrag, der Bauherrenrisiken vergemeinschaftet, sondern es ist eigentlich ein klassischer Subventionsvertrag. Also ein Zuschussvertrag, so wie wenn Sie sich hier entschließen, ein Theater oder einen Sportverein bei seinem Hallenbau zu unterstützen, dann geben Sie die Summe x, das Bauherrenrisiko für den Hallenbau bleibt aber beim Sportverein.
Die Grundlage ist also, dass wir sagen: Vorhabenträger, Bauherr, ist nur die Bahn. Wir haben insoweit keine Vergemeinschaftung von Risiken. Daher bleiben alle Risiken, die man klassischerweise als Bauherrenrisiken ansieht (Kalkulationsrisiken, Planungskosten, Bauverteuerungen bei Ausschreibungen) nach der gesetzlichen verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung bei der Bahn.
Nach Erarbeitung dieser Grundlage sind wir in die Details gegangen. Das erste war die Auslegung dieser Sprechklausel. Da haben wir es relativ einfach gehabt. Zunächst einmal beim Wortlaut angesetzt, der ist eindeutig und klar. Das Land nimmt die Gespräche auf. Die Stadt ist nicht Adressatin der Klausel. Dementsprechend können auch keine Rechtsfolgen aus dieser Klausel zulasten der Stadt abgeleitet werden. Die Entstehungsgeschichte, OB Kuhn hat es auch schon angesprochen, ist auch sehr eindeutig. Man konnte den Verhandlungen des Memorandum of Understanding entnehmen, dass diese Klausel, die ja dann vom Memorandum of Understanding im Jahr 2007 mehr oder weniger unverändert in den Finanzierungsvertrag von 2009 eingeflossen ist, eine sehr gut nachvollziehbare Geschichte hatte. Zunächst einmal war sie sehr weit. Die Stadt war verpflichtet. Es war auch eine Formulierung drin, die uns, wenn sie so heute drinstünde eigentlich zu einer weiteren Zahlung verpflichten würde. Da stand so ungefähr drin, also, wenn weitere Kosten auftreten, die nicht abgedeckt sind, wird man sich zusammensetzen und eine angemessene Regelung für die Kostenteilung finden. Also, solche Formulierungen waren da im Raume, aus denen man durchaus Maßstäbe und Ansprüche hätte ableiten können. Diese Klausel wurde dann aufgegeben. Der damalige Bahnvorstand wollte eine höhere Risikobeteiligung fix haben. Die hat er bekommen. Ich glaube, es waren nochmals rund 450 Millionen, die nachgelegt wurden. Und dafür wurde die Klausel entschärft. Die Stadt Stuttgart wurde rausgenommen. Es wurde eine reine Sprechklausel daraus. Also Entstehungsgeschichte, Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Klausel sprechen eigentlich alle für uns - keine Verpflichtungen der Stadt aus dieser Klausel. Wir würden, wenn die Argumentation der Bahn hier richtig wäre, auch einen krassen Verstoß gegen das Haushaltsrecht sehen. Alle Finanzierungsbeiträge des Memorandum of Understanding sind, wie es sich gehört nach § 88 der Gemeindeordnung, genehmigt worden vom Regierungspräsidium. Der Prüfungsmaßstab des Regierungspräsidiums ist ja, es dürfen durch solche Gewährverpflichtungen, die künftige Haushalte belasten können, keine unzumutbaren Risiken entstehen. Das Regierungspräsidium hat natürlich nur die Beträge angeschaut, die tatsächlich auch versprochen wurden, und kam natürlich zu der naheliegenden Auslegung, dass der Vertrag nichts Weiteres regelt. Und so wurde es auch genehmigt. Wenn man umgekehrt jetzt der Argumentation der Bahn folgen würde, hätte das nach meiner Auffassung die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Er würde ja gegen gesetzliches Verbot verstoßen, weil Sie Gewährverpflichtungen übernehmen wollen, für die sie keine Genehmigung haben. Der BGH sagt zwar, dass das Haushaltsrecht als internes Recht grundsätzlich kein Verbotsgesetz ist, anders ist es aber bei solchen krassen Verstößen. Und ich denke mal, Finanzierungsrisiken von, mittlerweile sind wir ja bei rund 540 Millionen €, die noch im Raume stehen, das ist wohl so ein krasser Verstoß, wenn man so etwas letztlich ohne Gemeinderatsbeschluss und ohne Zustimmung des Regierungspräsidiums vereinbaren würde.
Wir haben dann noch dargelegt, dass sozusagen hilfsweise die Aufteilungsregelung des § 8 Abs. 3 nicht die angemessene Fortschreibung des Vertrages ist, weil sie die Stadt ja überproportional in Anspruch nimmt. An der sogenannten Grundfinanzierung ist die Stadt mit rund 30 Mio. € dabei, an der Risikofinanzierung hat sie sich mit fast 260 Mio. € beteiligt. Das heißt, wenn ich bei diesen 1,4 Milliarden, die jetzt da als nächster Schritt im Raum stehen, und bei den nächsten Milliarden, immer wieder die Stadt mit dem Anteil aus der Risikofinanzierung beteilige, nehme ich sie ja überproportional in Anspruch. Also sie gelangen dann irgendwann in die Rolle des Bundes, weil sie ja dann eigentlich die Gewährleistungsverantwortung für die Finanzierung des Bahnhofs weitgehend mit dem Land übernehmen.
Wir haben zudem dargelegt, dass bei der von der Bahn gewünschten ergänzenden Vertragsauslegung, die Auslegungsgrenzen überschritten sind. Wir haben eben keinen klaren Maßstab in der Finanzierungsvereinbarung für die Fortschreibung solcher Risiken. Wir haben nur eine Sprechklausel. Und der Maßstab von 8 Abs. 3 ist ungeeignet. Der Bund ist bei diesem Ganzen nicht beteiligt, obwohl er nach der Verfassung eigentlich die Gewährleistungsverantwortung hat. Also das kann auch keine angemessene Fortschreibung sein, einfach den 8 Abs. 3 für alle Zeiten fortzuschreiben.
Damit sind letztlich auch die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten. Der Richter hätte so viele Möglichkeiten, den Vertrag irgendwie fortzuschreiben. Das geht nicht mehr. Also er braucht ja einen klaren Ansatz im Vertrag. Es gibt auch andere Sprechklauseln, wie z. B., kennen Sie alle aus Mietverträgen, wo man sich z. B. an einem Verbraucherpreisindex bindet und dann Mieterhöhungen so fortschreibt. Da habe ich aber was Klares im Vertrag. Dann kann ich aus solchen Sprechklauseln auch Anpassungsansprüche ableiten. Aus unserer undifferenzierten Klausel, die ja nicht einmal den Ansatz eines Maßstabes vorgibt, geht das nicht.
Schließlich haben wir uns noch ausführlich mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage auseinandergesetzt. Also Ansprüche aus Wegfall der Geschäftsgrundlage setzen immer mal voraus, dass für einen der Vertragspartner eine unzumutbare Situation entsteht. Unzumutbar heißt, er müsste so mehr oder weniger vor der Insolvenz stehen, wenn man den Vertrag nicht anpasst. Das hat die Bahn nach meiner Auffassung nicht mal ansatzweise dargelegt, dass sie diese 1, 2, 3 oder vielleicht auch 4 Milliarden mehr in unzumutbarer Weise belasten. Wir wissen, dass Bahnanlagen sehr lange abgeschrieben werden können. Die SSB-Tunnel auf 80 Jahre. Die Bahn wird nicht sehr viel kürzer abschreiben. Die Bahn ist leistungsfähig. Die Bahn erhält auf dem Kreditmarkt Kredite zu günstigen Konditionen. Sie wird uns nicht glaubhaft darlegen können, dass sie diese Mehrkosten nicht finanzieren kann. Das Weitere darf man nicht vergessen, selbst wenn es so ist, ist erst einmal wieder der Bund zuständig hier, unzumutbare Belastungen für die Bahn wieder zumutbar zu machen.
Schließlich, nachdem der Wegfall der Geschäftsgrundlage auch noch nicht greift, haben wir noch klargestellt, dass das Land hier nicht der Vertreter der Stadt ist für mögliche Anpassungen des Vertrages. Wenn das Land hier verhandelt auf Basis der Sprechklausel, dann zunächst mal nur für sich. Es gibt keine Vertretungsregelung im Finanzierungsvertrag für Vertragsergänzungen.
Abschließend haben wir noch die Einrede der Verjährung erhoben. Auch solche Vertragsanpassungsansprüche unterliegen der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist. Die Verjährung beginnt in dem Moment, wo der, der den Anspruch glaubt zu haben, theoretisch in der Lage ist, eine Feststellungsklage auf Feststellung dieses Anspruchs zu erheben. Es gab bereits im Jahr 2011 die Azer-Liste, in denen ja die Risiken, die heute alle, oder vielfach, eingetreten sind, schon sehr genau beschrieben worden sind. Es gab im Jahr 2012, Ende des Jahres, bereits einen Aufsichtsratsbeschluss, in dem über die Mehrkostenentwicklung berichtet wurde, und der Vorstand der Bahn den Auftrag erhalten hat vom Aufsichtsrat, diese Mehrkosten bei den Partnern geltend zu machen. Also spätestens in diesem Moment war der Vorstand in der Lage, zumindest eine Feststellungsklage zu erheben, denn der Anspruch war mit Sicherheit soweit beziffert, in der Aufsichtsratsvorlage auch so weit aufbereitet, dass man das hätte machen können. Also, Verjährungsbeginn wäre allerspätestens dann Ende 2012 gewesen. Und dann wäre Ende 2015 die dreijährige Frist abgelaufen. Die Bahn hat sich bei uns jedenfalls erst im November 2016 gemeldet und entsprechende Ansprüche angemeldet.
Kurz noch - das Land, der Verband Region Stuttgart und auch der Flughafen haben ebenfalls vorgetragen, jeder natürlich mit seinen Schwerpunkten. Wir haben natürlich eine etwas andere Geschichte, aber in den Grundlinien ist die Argumentation abgestimmt.
Das Verwaltungsgericht hat jetzt die Schriftsätze zugestellt und hat Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bis Ende August 2018. Somit kann man davon ausgehen kann, wenn die Bahn diese Frist ausschöpft, dass dann im September, Oktober, November wir wahrscheinlich nochmals eine Gegenstellungnahme machen, und dass sich dann vielleicht irgendwann im nächsten Jahr eine mündliche Verhandlung abzeichnet."
Die Einschätzung des Oberbürgermeisters, dass sich die Position der Stadt auf gute Argumente stützt, teilen StR
Kotz
(CDU), StR
Winter
(90/GRÜNE), StR
Pfeifer
(SPD), StRin
von Stein
(FW), StR
Dr. Oechsner
(FDP) und StR
Klingler
(AfD) mit Nachdruck.
Für StR
Kotz
steht außer Frage, dass die Mehrkostensituation bei S 21 für niemanden befriedigend sein kann. Ein Grund für diese Mehrkosten sei die verlängerte Bauzeit. Die damit zusammenhängenden längeren Baustellen sowie die verspätete Nutzung freiwerdender Flächen seien für die Stadt äußerst unangenehm. Aber auch aus Sicht der Steuerzahler seien die Mehrkosten in keinster Weise zufriedenstellend. Des Weiteren habe man sich seitens der Stadt keine Klage der Bahn gewünscht. Von ihm wird der Willen seiner Fraktion bekräftigt, S 21 zu Ende zu führen.
Die Kostensituation von S 21 bedauert StR
Winter
im Namen seiner Fraktion. Insbesondere die damit verbundenen Bauverzögerungen seien nicht gut für Stuttgart.
Für die SPD-Gemeinderatsfraktion macht StR
Pfeifer
deutlich, dass sich seine Fraktion in der Vergangenheit angesichts von Kommunikationsdefiziten, nicht eingehaltenen Zeitplänen und damit verbundenen Kostensteigerungen etc. über die DB geärgert hat. Wenn ein Großprojekt wie S 21 nicht entsprechend kalkuliert werden könne, schade dies nicht nur der LHS, sondern insgesamt dem Industriestandort Deutschland. Bei allem Ärger stehe man weiter zu diesem Projekt. Nach wie vor vertrete man die Meinung, dass es sich sowohl verkehrstechnisch als auch städtebaulich um ein Zukunftsprojekt handle. "Heute noch von Rückbau und Oben bleiben" zu reden, sei "ausgemachter Blödsinn".
Insbesondere begrüßen StR
Kotz
, StR
Winter
und StR
Pfeifer
die von Herrn Dr. Porsch aufgezeigte Entwicklung der Sprechklausel.
StR
Rockenbauch
(SÖS-LINKE-PluS) moniert zu Beginn seiner Stellungnahme, dass der von seiner Fraktionsgemeinschaft vor über einem Jahr geäußerten Bitte, die Klage der Bahn in Schriftform dem Rat und der Bürgerschaft vorzulegen, nicht Folge geleistet wurde. Schwierig sei des Weiteren, dass zu der Klageerwiderung seitens der Stadt in Schriftform nur das heute ausgeteilte Papier vorliege. Es habe somit für seine Fraktionsgemeinschaft nicht die Möglichkeit gegeben, sich im Vorfeld der heutigen Sitzung juristisch beraten lassen. Von daher könne er heute die städtischen Argumente nur einer Kurzprüfung unterziehen. Hierzu nennt er nachstehend vier von ihm als Kernargumente bezeichnete Punkte und trägt dazu insbesondere Folgendes vor:
- Die städtische Beteiligung ist im Rahmen eines Zuschussprojektes und nur im Rahmen der Kompetenz der Partner erfolgt.
Das Argument, die Stadt beteilige sich am Projekt im Rahmen eines städtebaulichen Vorteils, sollte, so StR Rockenbauch, ernsthaft geprüft werden. Die Bahn sei doch nicht verpflichtet, einen Bahnhof unterirdisch mit all den sich dadurch ergebenden Risiken zu bauen. Vielmehr sei der Tiefbahnhof gerade seitens der Stadt politisch gewollt worden. Im Jahr 1999, als der damalige Bahnchef aus diesem Projekt aussteigen wollte, sei das Projekt der Bahn seitens der Stadt durch Subventionen in Form von Grundstückskäufen, sowie seitens des Landes durch zu hohe Nahverkehrszahlungen schmackhaft gemacht worden. Schon heute habe die Stadt für den städtebaulichen Vorteil viel bezahlt (Grundstücke, Erlass von Strafzinsen, Projekt- und Risikobeteiligung). Der städtebauliche Vorteil sei nicht mit dem Projektrisiko gewachsen, dennoch habe die Stadt ihren Finanzierungsanteil im Memorandum of Understanding durch die Übernahme zusätzlicher Pflichten erhöht, ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten.
- Nicht die Stadt, sondern nur das Land ist Vertragspartner/Aus der Poolführerschaft des Landes ergeben sich für die Stadt keine Pflichten.
StR Rockenbauch betont, letztlich gehe es um Steuergelder. Es wäre interessant, die Argumente des Landes bei seiner Klage gegen die Stadt zu erfahren.
- Der Position der Bahn bezüglich der Geschäftsgrundlage wird nicht gefolgt.
Hierzu erklärt StR Rockenbauch, nach Auffassung der Projektgegner wären für die Bahn AG zusätzliche 2 Mrd. € für einen Projektausstieg verschmerzbar. Dagegen argumentiere die Bahn, dass ein wirtschaftlicher Ausstieg nicht möglich sei.
- Verjährung der Ansprüche der Deutschen Bahn AG.
Für StR Rockenbauch bestätigt das Argument der Verjährung die politischen Geschehnisse bei S 21. Herr Dr. Porsch habe ausgeführt, dass bereits 2011 die Mehrkostenentwicklung sichtbar gewesen sei. Angesichts der 2011 stattgefundenen Landtagswahl und der Volksabstimmung sowie späterer Wahlen, wie der 2012 stattgefundenen Oberbürgermeisterwahl seien die Risiken des Projekts aber nie öffentlich, auch nicht von der Stadt, diskutiert worden. Ab 2011 habe es also keine Transparenz gegeben. Mit dem Argument der Verjährung bestätige die Stadt, dass die Bahn AG auch während der Volksabstimmung, indem die Bahn Projektkosten geschönt habe, unlauter gehandelt habe.
Weiter führt er aus, die Bahn AG mache ihren Aktionären nicht klar, dass S 21 aufgrund fehlender Finanzmittel gescheitert sei. Vielmehr werde den Aktionären gesagt, die Finanzmittel hole man sich von den Projektpartnern. Damit werde eine politische Entscheidung, diese hätte eigentlich 2011 vor den genannten Wahlen erfolgen sollen, weiter vertragt. Die notwendigen Entscheidungen würden durch alle Projektträger auf Gerichte verschoben. Auch das Land und die Stadt vermieden mit ihrem Festhalten am Projekt politische Entscheidungen darüber, ob das Projekt, die dafür nötigen Steuergelder und der damit verbundene Leistungsrückbau noch im Interesse der Bürgerschaft seien. Wenn in einigen Jahren seitens der Gerichte Gespräche der Projektpartner eingefordert würden, sei der Schaden noch größer als heute. Letztlich, so seine Prognose, werde die Stadt verurteilt, vielleicht nicht 591 Mio. €, und vielleicht nicht 1 Mrd. €, sondern 200 Mio. € zu bezahlen. Der erklärte Wille, bei Mehrkosten z. B. einen Bürgerentscheid durchzuführen, werde Makulatur sein. Zu diesem Zeitpunkt dürfte dann auch kein Projektbefürworter "den Anstand und den Mumm haben", aus dem Projekt auszusteigen. Wenn die Bahn letztlich sage "dann lassen wir das Loch, wir müssen ja oben nicht entwidmen, wir müssen oben ja nicht abbauen", würden die Projektpartner bezahlen. Letzten Endes werde die Stadt politisch erpressbar. Argumente zu heute vorliegenden Umstiegskonzepten würden nicht zugelassen. Damit nimmt er Bezug auf die gestrige Sitzung des Ausschusses Stuttgart 21/Rosenstein. Dieser Ausschuss lehnte es bei Stimmengleichheit ab, dass dort das Konzept "Umstieg 21" vorgestellt wird.
Gegenüber StR Rockenbauch erklärt StRin
von Stein
, StR Rockenbauch erkläre stets, die Stadt dürfe keine Grundstücke verkaufen, sondern müsse Grundstücke erwerben. Im Zusammenhang mit S 21 habe dies die Stadt getan, und dadurch könne die Stadt ein neues Stadtviertel realisieren. Er vergesse bei seiner Argumentation, dass 2011 eine Volksabstimmung stattgefunden habe. Diese sei Grundlage für das weitere politische Handeln geworden.
Wert legt StR
Klingler
darauf, dass es heute um die Mehrkosten von S 21 und nicht um eine Grundsatzfrage geht. Hingewiesen wird von ihm darauf, dass der Bund alleiniger Aktionär der Bahn AG ist. Darüber hinaus merkt er an, die Bahn baue, und wer baue bezahle. Die Stadt habe sich erheblich am Projekt beteiligt. Kritisiert wird von ihm die schlechte Kommunikation der Bahn. Schon vor Jahren hätten Gemeinderatsmitglieder einen Info-Pavillon am Schloßplatz, also dort, wo sich die Menschen aufhielten, gefordert. Angesichts des nicht vorhersehbaren Ausmaßes der Belästigungen für die Bürgerschaft durch das Projekt, müsse die Projektfertigstellung so schnell wie irgend möglich erfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann er sich einen Projektausstieg nicht mehr vorstellen.
StR
Dr. Oechsner
zeigt sich ebenfalls über die Kostensteigerungen verärgert. Angesagt ist für ihn seitens der Bahn ein verbessertes Projektmanagement. Dies bedeute jedoch nicht, dass es sich insgesamt um ein schlechtes Projekt handle. Von ihm wird StR Rockenbauch gebeten zu akzeptieren, dass die Politik und die Bürger aktuell nicht anders entscheiden würden, nur, weil StR Rockenbauch persönlich gegen S 21 votiere. Er selbst und viele andere würden am Projekt S 21 festhalten, und Bürgerbeteiligungen könnten nicht so oft wiederholt werden, bis einem das Ergebnis passe. Tatsache sei, dass S 21 von allen politischen Ebenen legitimiert worden sei. Tatsache ist für ihn zudem, dass "kein Loch entsteht", dass S 21 fertiggebaut wird und dass es zu keiner Erpressbarkeit der Stadt kommt. Anknüpfend an das von Herrn Dr. Porsch gewählte Bild geht er davon aus, dass sich die LHS eben nicht in dem VW-Bus befindet, und einer der drei Zahlenden ist, sondern sich außerhalb des Busses aufhält. Die Stadt habe bereits beim Kauf des VW-Busses gewünscht, bessere Bremsen einzubauen, und dafür habe sich die Stadt bereiterklärt,
einmalig
einen Beitrag zu leisten.
Die Äußerungen von StR Rockenbauch empfindet OB
Kuhn
als seltsam. StR Rockenbauch hätte als veritabler S 21-Gegner erklären können, er freue sich über die guten Argumente, die gegen eine höhere finanzielle Beteiligung der Stadt sprechen. Der
Businessplan von StR Rockenbauch sei, das Projekt pausenlos zu skandalisieren. Daher sei er nicht in der Lage, Argumente, die sich gegen eine höhere städtische Beteiligung richten, zu begrüßen. Dies sei genauso wenig redlich, wie dem Gemeinderat zu unterstellen, er würde keine Verantwortung übernehmen. Seit der Volksabstimmung gebe es eine klare Mehrheit für das Projekt S 21. Zu sagen, all diejenigen, die seine Meinung nicht teilten, würden im Gegensatz zu StR Rockenbauch ihre politische Verantwortung nicht wahrnehmen, stelle keinen seriösen politischen Umgang dar.
Des Weiteren merkt der Vorsitzende an, natürlich gebe es in Rechtsfragen immer Restrisiken. Nachdem er sich sehr gründlich mit den Argumenten der Bahn und der städtischen Klageerwiderung auseinandergesetzt habe, komme er zum Schluss, dass die LHS für ihre Position über eine eindeutige Begründung verfüge.
Natürlich bezahle das Projekt letztlich der Steuerzahler. Allerdings mache es schon einen Unterschied, ob die Kosten aus dem Bundeshaushalt oder aus dem städtischen Haushalt abgedeckt würden; im städtischen Haushalt stecke "unser kommunaler Gestaltungsauftrag". Dieser würde sich in Bereichen wie Kultur, Sozialem etc. reduzieren, wenn der Stadthaushalt Mehrkosten tragen müsste.
Kritisch sieht er die Rolle der Aufsichtsratsmitglieder der Bahn AG. Diese hätten den Kostenrahmen von S 21 um 3,7 Mrd. € erweitert, verbunden mit dem Auftrag, die Projektpartner an diesen Mehrkosten zu beteiligen. Wie Herr Dr. Porsch ausgeführt habe, gründe sich dieses Vorgehen auf eine "juristisch windige Basis".
Danach erklärt Herr
Dr. Porsch
, die Schlussfolgerung von StR Rockenbauch, dass durch die Übernahme einer höheren Risikobeteiligung durch die Stadt sich auch erhöhte Verpflichtungen ableiten lassen, sehe er genau umgekehrt. Er habe dargelegt, wie es zu dieser höheren Risikofinanzierung gekommen sei. Auch dadurch, dass sich der städtische Gegenwert nicht durch die höheren Baukosten erhöhe, sei es unangemessen, die Stadt an weiteren Baukosten zu beteiligen. Bei diesen Geschäftsgrundlagen gehe es auch um die Frage der Zumutbarkeit. Die Projektmehrkosten resultierten nicht aus einer Projektveränderung zugunsten der Stadt.
Natürlich würde ein Urteil gegen die Stadt eine Bürgerbeteiligung verhindern. Zunächst müsse aber eine Verurteilung erfolgen. Gerechnet werden müsse damit, dass ein Richter die Parteien auffordere, sich zu einigen. Dies unterscheide sich von einer Verurteilung, da die Parteien, wenn sie sich im Rahmen eines Vergleichs zu bestimmten Leistungen verpflichteten, freiwillig handelten. Bevor ein Vergleich eingegangen würde, könnte eine Bürgerbeteiligung stattfinden.
In einer weiteren Wortmeldung geht StR
Rockenbauch
davon aus, dass bereits 2007 sich die Stadt mit der von Herrn Dr. Porsch genannten Argumentation gegen eine höhere Projektbeteiligung hätte aussprechen können. Damals sei es der Stadt aber offensichtlich um mehr gegangen, als um einen städtebaulichen Vorteil.
Im weiteren Verlauf wirft er dem Vorsitzenden unredliches Handeln bei folgenden Punkten vor:
- Den Wählerinnen und Wählern sei, bevor Gleise zurückgebaut werden, ein Testbetrieb von S 21 zugesagt worden.
- Zugesagt worden sei, dass bei einem Leistungsrückbau S 21 nicht gebaut werde.
- Der Oberbürgermeister verhindere, dass über S 21-Alternativen gesprochen werde.
Mit dem Verweis auf die Volksabstimmung würden die Projektgegner diskreditiert. Wenn sich wie bei S 21 herausstelle, dass ein Projektpartner systematisch die Kosten geschönt habe, müsse es doch im Sinne einer lernfähigen Demokratie möglich sein, vom Ergebnis der Volksabstimmung abzurücken. Den Projektbefürwortern gehe es aber nicht um die Demokratie, sondern unter anderem darum, S 21-Gegnern undemokratisches Handeln zu unterstellen. Ein Umstieg sei möglich. Ermöglicht gehöre, die entsprechenden Konzepte vorstellen zu können.
StR
Kotz
plädiert dafür, demokratisch gewählten Vertretern zuzugestehen, dass sie sich, auch wenn eventuell neue Erkenntnisse vorliegen, dafür aussprechen, Projekte so wie geplant oder mit Veränderungen umzusetzen. Beim Klinikum Stuttgart sei zumindest seine Fraktion zur Erkenntnis gelangt, dass es der derzeitige Projektstand erlaube, Veränderungen vorzunehmen. StR Rockenbauch handle unredlich, indem er den Projektbefürwortern vorwerfe, dass diese den Zeitpunkt, ab dem Veränderungen bei S 21 keinen Sinn mehr machen, anders einschätzten. Angemessen sei es, dass demokratische Vertreter untereinander unterschiedliche Einschätzungen akzeptieren. Er akzeptiere, dass StR Rockenbauch den Punkt, ab dem Veränderungen keinen Sinn mehr machen, als noch nicht erreicht ansehe, auf der anderen Seite bitte er jedoch StR Rockenbauch zu akzeptieren, dass für die CDU-Gemeinderatsfraktion dieser Punkt bereits überschritten sei.
Anschließend betont StR
Winter
, StR Rockenbauch mahne zu Recht Respekt an. Dies sollte jedoch keine Einbahnstraße sein. Die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion habe in punkto S 21 über viele Jahre eine gemeinsame Position mit SÖS-LINKE-PluS eingenommen. Die negativen Prognosen seiner Fraktion zu S 21 hätten sich auch bewahrheitet. Aber zwischenzeitlich sei vieles, wie z. B. die Volksabstimmung, geschehen. Zu einem respektvollen Umgang gehöre, dass man sich nicht vorwerfen lassen müsse, man handle verantwortungslos, wenn das Projekt kritisch begleitet werde. Trotz der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse pro S 21 im Landtag und im Gemeinderat, könnten immer wieder Mahnungen und unterschiedliche Bewertungen ausgesprochen werden, aber dann in gegenseitigem Respekt.
Für StR
Pfeifer
erweckt StR Rockenbauch immer wieder den Eindruck, dass er derjenige ist, der allein die Wahrheit vertritt. Dies sei arrogant. Er bittet StR Rockenbauch, auf eine sachliche Ebene zurückzukehren.
Natürlich, so StR
Rockenbauch
, sei es letztlich eine Bewertungsfrage, wie mit Fakten umgegangen werde. Er wiederholt, dass er es für unverantwortlich ansieht, über einen Ausstieg aus S 21 nicht nachzudenken. Seine Prognosen seien alle eingetreten, mit Ausnahme, dass er in der Vergangenheit lediglich von einem Gesamtkostenrahmen in Höhe von 6,5 Milliarden ausgegangen sei. Die tatsächliche Kostenentwicklung sei ja noch schlechter. In der gestrigen Sitzung des Ausschusses Stuttgart 21/Rosenstein habe seine Fraktion keinen Projektausstieg, sondern lediglich beantragt, dass im Gemeinderat die Argumente eines Umstiegs diskutiert werden können. Dieser Antrag sei aber abgelehnt worden, indem von Projektbefürwortern erklärt worden sei, es sei unnötig, Kenntnis von diesen Argumenten zu erhalten, da man sich bereits entschieden habe.
Im Verlauf der Aussprache hebt StR
Kotz
auf das anwesende Sicherheitspersonal (zwei Personen) ab. Er ist der Überzeugung, dass bei künftigen Sitzungen, in denen über das Bahnprojekt S 21 beraten wird, auf Sicherheitspersonal verzichtet werden kann. Zum einen könne man sich die damit zusammenhängenden Kosten sparen, und zum anderen seien die Zeiten ungeordneter Sitzungen bei S 21-Beratungen vorbei. Der Vorsitzende kündigt an, dieses Thema in der nächsten Ältestenratssitzung aufzurufen.
Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, und er sich bei Herrn Dr. Porsch für dessen Kommen bedankt, schließt OB
Kuhn
diesen Tagesordnungspunkt ab.
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