Stellungnahme zum Antrag
165/2010

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 10/29/2010
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 3871-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
    05/26/2010
Betreff
    Expansion von Scientology stoppen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:



Die Verwaltung nimmt wie folgt Stellung:


Zu 1. Gebäudenutzung:

Im Gebäude Reichenbachstraße 26 sind folgende Nutzungen baurechtlich genehmigt:

Erdgeschoss: Sport- und Fitnessstudio
1. Obergeschoss: Büroräume und Ausstellungsraum
2. Obergeschoss: Büro- und Seminarräume

Für das bestehende Gebäude gilt derzeit die planerische Festsetzung als Gewerbegebiet. Das Gebäude liegt im Bereich des Bebauungsplans NeckarPark (Ca 283), für den der Aufstellungsbeschluss am 20. Februar 2009 beschlossen wurde. Gleichzeitig wurde durch ein Parallelverfahren die Änderung des Flächennutzungsplans 2010 eingeleitet. Dieser sieht für den betreffenden Bereich künftig die planerische Festsetzung als Mischgebiet vor.

Solange die Räume entsprechend der erteilten Baugenehmigung von Scientology genutzt werden, ist dies zulässig. Nach Informationen des Landesamtes für Verfassungsschutz nutzt Scientology das Gebäude nur vorübergehend und ist weiterhin auf der Suche nach einem Kaufobjekt im Stadtgebiet.

Werbeverbot im öffentlichen Raum:

Die Werbeaktivitäten der Organisation im öffentlichen Straßenraum werden bereits seit einigen Jahren durch eine straßenrechtliche Auflage eingeschränkt, die auch bei Versammlungen Anwendung findet. Danach ist das Ansprechen von Passanten mit dem Ziel untersagt, diese für Veranstaltungen von Scientology Stuttgart, des Dianetik-Zentrums Stuttgart oder von anderen Organisationen von Scientology einzuladen oder zu werben. Außerdem ist die Verteilung von Druckerzeugnissen, in denen für den Kauf von Schriften, für Kurse, Seminare, Beratungen, Tests oder sonstige Angebote von Scientology geworben wird, untersagt. Ebenso ist es untersagt, Bücher
oder andere Schriften zum Verkauf anzubieten. Weitergehende Beschränkungen sind rechtlich nicht zulässig.


Zu 2.

Überlassung von öffentlichen Einrichtungen:

Bei öffentlichen Einrichtungen wie z.B. dem "Kursaal Bad Cannstatt" haben alle Personen und Personenvereinigungen mit Sitz oder Wohnsitz in Stuttgart den gleichen Anspruch auf Nutzung städtischer Einrichtungen. Solange die Scientology Organisation nicht insgesamt verboten ist bzw. kein Nachweis geführt werden kann, dass bei Veranstaltungen strafbare Handlungen begangen werden, muss die Stadt Scientology städtische Räumlichkeiten im Rahmen des jeweiligen Nutzungszwecks aus Gleichbehandlungsgründen überlassen. Daher musste der Kleine Kursaal der Scientology Organisation mehrfach für die Durchführung von Versammlungen vermietet werden.

Die liegenschaftsverwaltenden Ämter prüfen grundsätzlich, ob ein „Scientology-Hintergrund“ gegeben sein könnte. In Zweifelsfällen erfolgt eine Einbindung von Polizei und Amt für öffentliche Ordnung.

Das Haupt- und Personalamt hat die Anfrage zum Anlass genommen und wird allen Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern einen Hinweis zukommen lassen, dass vor Überlassung einer öffentlichen Einrichtung vorab so viele schriftliche Informationen wie möglich zu sammeln (Vereinssatzung, Programm der vorgesehenen Veranstaltung und weitere Materialien) sind und die Überlassung sorgfältig zu überwachen und zu beobachten ist, damit Anhaltspunkte für Straftaten frühzeitig erkannt werden können und die Staatsanwaltschaft ggf. beteiligt werden kann. Ziel ist es, bei der Vergabe von öffentlichen Einrichtungen weiterhin verstärkt auf diese Problematik zu achten.



Beteiligungsunternehmen:

Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wenden die städtischen Beteiligungsunternehmen die gleichen Einschränkungen bei den geschäftlichen Beziehungen an, wie sie für städtische Ämter und Eigenbetriebe gelten. Auftragsvergabe:

Der generelle Ausschluss von Unternehmen der Scientology Organisation von öffentlichen Aufträgen ist nach dem Recht der öffentlichen Auftragsvergabe ebenso unzulässig wie das Abverlangen einer Erklärung, in der dargelegt wird, dass der Bieter nicht nach den Methoden dieser Organisation arbeitet. Eine Vergabesperre ist jedoch grundsätzlich möglich, wenn die Tatsache der "Unterwanderung" zweifelsfrei feststeht.


Zu 3.

In den öffentlich zugänglichen Medien wird eingehend über die Gefahren berichtet, die von Scientology ausgehen. Die Scientology Organisation wird zudem seit dem Jahr 1997 vom Landesamt für Verfassungsschutz wegen politisch relevanter Bestrebungen gegen die Verfassung beobachtet. In dem jährlichen Verfassungsschutzbericht wird u.a. auch über die Aktivitäten dieser Organisation berichtet. Das Landesamt für Verfassungsschutz bietet darüber hinaus auch verschiedene Publikationen über die Scientology Organisation an und ergänzt die Berichterstattung durch aktuelle Beiträge auf der Homepage (www.verfassungsschutz-bw.de).

Bei der Stuttgarter Verbraucherzentrale für Bildungsfragen „Aktion Bildungsinformation“ können sich Bürgerinnen und Bürger qualifiziert beraten lassen.

Informationsmaterial ist auch bei der Geschäftsstelle der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Fragen sog. Sekten und Psychogruppen beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport erhältlich. Die Geschäftsstelle steht betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auch für Auskünfte zur Verfügung.

Bei der Stadt Stuttgart werden mehrfach ämterübergreifend im Jahr Fachgespräche mit dem Leiter der Interministeriellen Arbeitsgruppe und den Fachberatungsstellen der Stadt und der Region, die den Bürgerinnen und Bürgern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, geführt.

Für die Bürgerinnen und Bürger bestehen damit bereits vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren.



Zu 4.

Es müssten zunächst gesicherte Kenntnisse vorliegen, dass Vermieter oder Immobilieneigentümer mit der Scientology-Organisation oder angegliederten Organisationen in Vertragbeziehungen stehen oder in solche eintreten wollen, bevor von einer geschäftlichen Beziehung abgesehen werden könnte. In jedem Einzelfall ist rechtlich zu klären, ob ein potentieller Vertragspartner deswegen ausgeschlossen werden kann.








Dr. Wolfgang Schuster


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