Stellungnahme zum Antrag
218/2016
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
11/03/2016
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 6543 -00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion, CDU-Gemeinderatsfraktion, FDP
Datum
06/29/2016
Betreff
Gerechtigkeit bei der Vermietung von Sozialwohnungen
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Fehlbelegungsabgabe bis 2007
In der Landeshauptstadt wurde die Fehlbelegungsabgabe von 1990 bis einschließlich 2007 erhoben. Zahlungspflichtig waren Mieter öffentlich geförderter Sozialmietwohnungen und Personalfürsorgewohnungen, wenn ihr Haushaltseinkommen die jeweils gültigen Einkommensgrenzen überschritten hat. Bei der Einführung der Fehlbelegungsabgabe gab es in Stuttgart noch 28.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Am 31.12.2015 hatten wir in Stuttgart nur noch 12.500 „öffentlich geförderte“ Sozialmietwohnungen und 1.000 „vereinbart“ neu geförderte Wohnungen.
Die Haushalte von öffentlich geförderten Wohnungen und Personalfürsorgewohnungen mussten alle drei Jahre ihr aktuelles Einkommen nachweisen. Im Laufe der Jahre wurden die Höhe der Ausgleichszahlungen pro m² Wohnfläche und die prozentuale Überschreitung, ab wann eine Ausgleichszahlung zu leisten ist, mehrfach geändert.
Bei der Einführung der Fehlbelegungsabgabe musste nach dem Bundesgesetz eine Ausgleichszahlung von 0,26 Euro/m² Wohnfläche bezahlt werden, wenn die Einkommensgrenze, die zum Bezug der Wohnung eingehalten werden musste, um mehr als 20 Prozent überschritten wurde. Der Höchstbetrag lag bei 1,02 Euro/m² Wohnfläche bei einer Einkommensüberschreitung von mehr als 50 Prozent. Danach wurden die Länder ermächtigt, vom Bundesrecht abweichende eigene Regelungen zu treffen. Das Land Baden-Württemberg hat hiervon Gebrauch gemacht und den Höchstbetrag von 3,07 Euro/m² Wohnfläche bei einer Einkommensüberschreitung von mehr als 120 Prozent heraufgesetzt. Zuletzt wurde ein Haushalt zu einer Ausgleichszahlung veranlagt, wenn das maßgebende Haushaltseinkommen um mehr als 40 Prozent überschritten war. Der Höchstbetrag lag bei 2,25 Euro/m² bei einer Einkommensüberschreitung von mehr als 100 Prozent.
In den 18 Jahren hat die Stadt 139.000 Einkommensüberprüfungen bei den Haushalten vorgenommen. Die Fehlbelegungsquote hat sich durch viele Gesetzesänderungen mit der Erhöhung der für die Ausgleichzahlung maßgeblichen Einkommensgrenzen von 29 Prozent im Jahr 1992 auf 17 Prozent im Jahr 2006 reduziert.
Im Jahr 1991 war das Aufkommen aus der Fehlbelegungsabgabe mit 7,9 Mio. Euro am höchsten, nachdem der Gesetzgeber den Höchstbetrag erhöht hatte. Danach sank das jährliche Aufkommen aus der Fehlbelegungsabgabe kontinuierlich auf zuletzt 2,4 Mio. Euro, nachdem inzwischen die Hälfte der Wohnungen aus der Bindung heraus gefallen war.
Insgesamt hat die Stadt 73,5 Mio. Euro Fehlbelegungsabgabe eingenommen.
Die Personal- und Verwaltungskosten summierten sich auf 8,3 Mio. Euro. Außerdem waren von der Stadt 4 Mio. Euro an die Fürsorgestellen von Post, Bahn, Land und Bund abzuführen, weil diese höhere Fördermittel gewährt hatten als Land und Stadt.
Somit verblieben bei der Stadt Nettoeinnahmen von 61,2 Mio. Euro, die wieder in die Förderung neuer Wohnungen investiert wurden.
Die Landeshauptstadt hat sich beim Land seit 2001 für die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe eingesetzt, da sie mit dazu beigetragen hat, die Sozialstrukturen in den Beständen des Sozialen Wohnungsbaus zu verschlechtern.
Mit der Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für die Förderung des Wohnungsbaus vom Bund auf die Länder übergegangen. Baden-Württemberg hat am 11. Dezember 2007 das Landeswohnraumförderungsgesetz beschlossen und darin die Fehlbelegungsabgabe zum 1. Januar 2008 abgeschafft.
Voraussetzung für die Wiedereinführung der
Fehlbelegungsabgabe
Für die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe in Stuttgart bräuchte es ein Gesetz des Landes. Nach der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung ist dies nicht vorgesehen.
Bewertung aus Sicht der LHS
Die Fehlbelegungsabgabe wurde damals aus Gründen des Erhalts und der Stabilisierung der vorhandenen Bevölkerungsstruktur abgeschafft. Dieses Argument gilt heute genauso wie damals.
Die aktuelle Fehlbelegungsquote ist nicht bekannt, da ohne Fehlbelegungsabgabe die Einkommen nur bei Bezug einzuhalten und im Folgenden nicht mehr offengelegt werden müssen. Abhängig von der im Gesetz zu bestimmenden Einkommensüberschreitung (Eingriffsschwelle) wird die aktuelle Fehlbelegungsquote auf 10 bis 15 % geschätzt.
Bei 13.500 geförderten Wohnungen entspräche dies 1.350 bis 2.025 Wohnungen. Mögliche Nettojahreseinahmen für die Stadt werden abhängig von der Eingriffsschwelle und der Höhe der Abgabe auf 1 bis 1,5 Mio. Euro geschätzt. Diesen stünden nicht unerhebliche Verwaltungskosten gegenüber. Zuletzt waren beim damaligen Wohnungsamt 7 Mitarbeiter/innen mit den Einkommensüberprüfungen und der Festsetzung der Fehlbelegungsabgabe beschäftigt. Außerdem müsste ein nicht unerheblicher Teil dieser Einnahmen wieder in die Gebiete investiert werden (Soziale Stadt), um der sonst drohenden Destabilisierung der sich seit dem Wegfall der Fehlbelegungsabgabe verbesserten Bevölkerungsstruktur in den größeren Gebieten des Sozialen Wohnungsbaus entgegen zu wirken.
Eine Fehlbelegungsabgabe einzuführen um diese Gelder zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau einzusetzen ist in der LHS ebenfalls nicht geboten: Eine deutliche Expansion von sozialem Wohnraum scheitert in Stuttgart nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, sondern in erster Linie am geringen Bestand an verfügbarem Bauland. Trotz dieser ungünstigen Rahmenbedingungen hat die LHS in Zusammenarbeit mit den Akteuren des Stuttgarter Wohnungsmarktes im „Bündnis für Wohnen“ ein umfassendes Konzept beschlossen, um den Bestand an Sozialwohnungen zu stabilisieren und mittelfristig auszubauen.
Aus den genannten Gründen befürwortet die Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart eine Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe in Baden-Württemberg nicht.
Fritz Kuhn
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