Stellungnahme zum Antrag
387/2012

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 12/12/2012
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 3001 - 00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion, FDP-Gemeinderatsfraktion
Datum
    11/19/2012
Betreff
    Wo spielt die neue Freie Tanz- und Theaterszene?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Aufführungssituation

Durch den Auszug der Freien Tanz- und Theaterszene aus dem Robert-Bosch-Saal im Jahr 2011 entstand ein Vakuum an Aufführungsmöglichkeiten, das nicht durch das Theaterhaus, das Theater Rampe oder sonstige Spielstätten kompensiert werden konnte.

Dieser Umstand führte zu einer drastischen Reduzierung von Aufführungen und Premieren im Tanz- und Theaterbereich der Freien Szene. Das ursprüngliche Konzept im Treffpunkt Rotebühlplatz ermöglichte bis zu 80 Vorstellungen im Jahr, und dabei wurden auch nicht geförderte Produktionen berücksichtigt.

Darüber hinaus fanden auch noch Vorstellungen an anderen Spielorten wie Wagenhallen, Theater Rampe und Theaterhaus statt, so dass von 2005 bis 2010 jährlich weit über 120 Veranstaltungen in Stuttgart stattfanden. Obwohl es 2011 gelang, mit den Theatern ein bestimmtes Kontingent von Veranstaltungstagen für die Freien Tanz- und Theaterproduktionen mit den Theatern auszuhandeln, ging im Jahr 2011 die Zahl der Aufführungen und dabei speziell der geförderten Projekte stark zurück. So fanden im Jahr 2011 noch 46 Veranstaltungen an verschiedenen Orten statt und im Jahr 2012 58 Veranstaltungen, davon alleine 14 in der Werkhalle in Feuerbach.

Mit der GRDrs 801/2010 wurde der Kulturauftrag an den Verein Volkshochschule Stuttgart e. V. (vhs) eingestellt. Die hierdurch frei werdenden Mittel in Höhe von 180.000 Euro sollten weiterhin der Freien Tanz- und Theaterszene erhalten bleiben. Um die neu entstandene schwierige Situation der nicht mehr fest zu verortenden Szene abzumildern, wurden diese Gelder neu verteilt. Der Innovationsfonds wurde um 90.000 Euro für die Anmietung von Räumlichkeiten und Abendhonoraren erhöht. Weitere 90.000 Euro verwaltet das Produktionszentrum Tanz und Performance in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Technik. Falls es zu einer Lösung für eine neue Spielstätte kommt, sollten die 2010 frei gewordenen Mittel hierfür eingesetzt werden.

Gelände in Feuerbach

Seit dem Frühjahr 2012 wurde in vielen Gesprächsrunden mit den potentiellen Nutzern die Option einer Spielstätte für Freies Theater und Tanz in Stuttgart-Feuerbach diskutiert.
Einen Teil der Gebäude auf dem von Herrn Karle in Stuttgart-Feuerbach erworbenen Gelände möchte er einer kulturellen Nutzung zuführen. Dabei handelt es sich um ein Bürohaus und angrenzende ehemalige Lagerräume mit einer Gesamtfläche von über 2.500 m² und eine ehemalige Werkhalle. Herr Karle beabsichtigt, hier ähnlich wie in den Wagenhallen ein Zentrum für junge Künstler und kreativ Schaffende aufzubauen. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, einen weiteren Ort für innovative Kunst und Kultur, jenseits der etablierten Institutionen zu etablieren.

Die infrage kommende „Werkhalle“ in Stuttgart-Feuerbach hat eine Gesamtfläche von 800 m² und liegt in der Nähe des S-Bahnhofs Feuerbach. Zusätzlich zur Veranstaltungshalle mit einer Fläche von ca. 300 m², die multifunktional nutzbar ist, kommt eine größere Anzahl von Nebenräumen. Die Raumaufteilung des Gebäudes lässt die Einrichtung einer Gastronomie, eines Probenraums, mehrerer Büroräume und Garderoben nebst Lagerflächen zu. Der Gesamtzustand des Gebäudes kann als sehr gut bezeichnet werden, da die Bausubstanz weder durch die bisherigen Nutzer in Mitleidenschaft gezogen wurde noch statische oder sonstige bauliche Probleme aufweist. Der Umfang der Maßnahmen, die ergriffen werden müssen um die Halle für einen geregelten Spielbetrieb einzurichten, kann als gering erachtet werden, da das zuständige Amt für öffentliche Ordnung schon im September 2012 eine begrenzte Spielgenehmigung für zwei Produktionen der Freien Theater ohne erschwerte Auflagen genehmigt hatte. Auf einem Teil der Gebäude befindet sich ein Parkdeck, das eine ausreichende Zahl an Parkplätzen aufweist. Diese können in den Abendstunden genutzt werden.

Da das Kulturamt über eine vollständige Licht- und Tonanlage für den Betrieb eines Theaters verfügt – der Wert liegt bei über 320.000 Euro – ist es möglich, diese zeitnah mit wenigen Mitteln einzubauen. Es ist davon auszugehen, dass die vorhandenen sanitären Anlagen nicht ausreichen, deshalb müssen diese entsprechend ergänzt werden. Nach einer ersten Kostenschätzung von Herrn Karle werden hierfür Mittel in Höhe von rund 50.000 Euro benötigt. Diese können aus dem Budget „Investitionen Darstellende Kunst“ (derzeit 90.000 Euro) des Kulturamts bereitgestellt werden.

Eine Gesamtbewertung der baulichen Maßnahmen kann erst abschließend erfolgen, wenn ein entsprechendes Baugesuch vorliegt und genehmigt worden ist. Nach jetzigem Wissensstand ist der Umbauaufwand für eine Genehmigung sehr überschaubar.

Werkhalle Feuerbach

Die Bespielung der „Werkhalle“ Feuerbach durch die Freie Tanz- und Theaterszene Stuttgarts könnte im Jahr 2013 unter folgenden Voraussetzungen erfolgen:
Neben dem Einbau der nötigen Infrastruktur wäre die Gründung eines Trägervereins analog zu anderen geförderten Einrichtungen in Stuttgart sinnvoll. Dem Trägerverein zur Seite gestellt könnte ein Beirat die Aktivitäten begleiten. Um den Spielbetrieb im Jahr 2013 aufnehmen zu können, würde entsprechendes Personal angestellt werden. Unabdingbar wären eine Technikstelle und eine Stelle Kulturmanagement, die neben der Koordination und Organisation auch die Öffentlichkeitsarbeit betreut. Um Ausbau und Weiterentwicklung der Einrichtung zu gewährleisten, wäre es sinnvoll, zukünftig die Stelle einer künstlerischen Leitung zu schaffen.

Die Finanzierung der entstehenden Kosten wäre durch Umverteilung der Mittel für die Freie Szene zu erreichen.

Um der Szene auch zukünftig die Möglichkeit zu bieten, an anderen Spielorten ihre Produktionen zu präsentieren, werden von den ursprünglich 180.000 Euro weiterhin 40.000 Euro für Honorare und Mieten bereit gestellt.

Die vor Ort durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit würde auch weiterhin das ganze Spektrum der Aufführungen im Stuttgarter Raum abbilden. Dadurch wäre sichergestellt, dass die Szene auch über den neuen Standort hinaus präsent bliebe.


Kosten- und Finanzplan Spielstätte „Werkhalle“

Kosten
Euro
PERSONAL
Techniker (70% Stelle) incl. Nebenkosten
25.000
Leitung/PR (1/2 Stelle) incl. Nebenkosten
23.000
Aushilfen
10.000
SACHKOSTEN
Miete
72.000
Nebenkosten
15.000
Versicherungen
10.000
Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, Plakate, Anzeigen, Presse-gespräche)
22.000
Bürokosten
5.000
Homepage (Laufende Kosten - ohne evtl. Neugestaltung)
2.500
Sonstiges
3.300
Gesamt
187.800
Finanzierung
Freies Budget aus Probebühne Landhausstraße
17.800
Freies Budget aus Aufführungsförderung/
WAförderung
50.000
Freies Budget aus PR/Technikförderung an PZ
90.000
EINNAHMEN
Kartenverkauf
20.000
Vermietungen/Sonstiges
10.000
Gesamt
187.800

Zu Beginn des Spielbetriebs wäre es sinnvoll, sich am ehemaligen Konzept des Treffpunkts Rotebühlplatz zu orientieren. Damals wurden bei der Vergabe der Aufführungstermine zunächst die geförderten Projekte berücksichtigt und im Anschluss nach Bedarf und Möglichkeit die nicht geförderten Gruppen. Da der Vermieter sich auf eine flexible Mietdauer einlassen würde, wäre die Möglichkeit eines zunächst zeitlich befristeten Vertrags gegeben. Hiernach sollte eine Evaluierung und Bewertung der Spielstätte stattfinden, um über die Zukunft des Ortes zu entscheiden.

Die Erfahrungen der beiden im September 2012 in der „Werkhalle“ aufgeführten Produktionen haben gezeigt, dass es möglich ist, diesen Ort auch abseits des Stuttgarter Zentrums erfolgreich zu bespielen. Das Produktionsteam des Theaterstückes „Ich will! Ich will! Ich will!“ schrieb: „Unsere sieben Vorstellungen waren mit einer Ausnahme gut besucht. Wir hatten ebenso viele oder sogar mehr Besucher als bei anderen Produktionen im Theater Rampe.“

Die zweite Produktion aus dem Bereich Figurentheater hatte allerdings nicht diesen Erfolg, wurde aber auch von den Medien nicht so intensiv wahrgenommen. Dieser Umstand ist aber sicherlich der Tatsache geschuldet, dass Figurentheater außerhalb des „FITZ!“ in Stuttgart nicht erwartet wird und bisher auch nicht angeboten wurde.

Fünf der für 2013 geförderten Gruppen beabsichtigen, ihre Produktionen in der „Werkhalle“ Feuerbach zu zeigen.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Lösung „Werkhalle“ kontrovers diskutiert wurde – so vielfältig sich die Szene darstellt, so vielfältig sind die Meinungen. Viele der von der schwierigen Aufführungssituation in der Stadt betroffenen geförderten produzierenden Gruppen würden diese Möglichkeit begrüßen. Der Verein „Freie Theater Stuttgart“ hat sich mit überwältigender Mehrheit für die Möglichkeit, in Stuttgart-Feuerbach eine Spielstätte zu etablieren, ausgesprochen. Von den nicht organisierten Gruppen hat sich ebenfalls eine Mehrheit für den neuen Spielort ausgesprochen. Hingegen hat sich der Verein „Produktionszentrum Tanz und Performance“, in dem u. a. eine Vielzahl von Einzelkünstlern organisiert ist, dagegen ausgesprochen. Nach Ansicht des Produktionszentrums kann die angedachte Spielstätte in Feuerbach zum einen nicht mit vergleichbaren Spielstätten konkurrieren. Zum anderen – so die Aussage des Produktionszentrums – fehlt die räumliche Flexibilität, auf unterschiedliche Produktionsformate reagieren zu können.

Da sich die Freie Tanz- und Theaterszene mehrheitlich für den Standort Feuerbach ausgesprochen hat, schlägt die Verwaltung vor, die weitere Vorgehensweise und Umsetzung gemeinsam mit der Szene, wie von der SPD-Gemeinderatsfraktion mit Antrag Nr. 385/2012 vom 16.11.2012 vorgeschlagen, anzugehen.






Dr. Wolfgang Schuster

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