Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 05.10.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Maier
Berichterstattung:Frau Scherz (AföO), Herr Märker (ASW)
Protokollführung: Frau Klemm
Betreff: Walkable City - Berichterstattung zur Fußverkehrs-
agenda Antrag Nr. 68/2021 vom 25.02.2021
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei)
- mündlicher Bericht -

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Herr Märker bedankt sich für den Antrag. Danach berichtet er im Wechsel mit Frau Scherz im Sinne der Präsentation, die analog den Antragsziffern a bis j gegliedert sei. Ergänzende Anmerkungen sind nachfolgend in zusammengefasster Form mit Verweis auf die jeweilige Seitennummer wiedergegeben.

Seite 4
Die Flanierroute VII stehe beispielhaft für die Systematik der Vorgehensweise bei den anderen Routen, informiert Herr Märker.

Seite 5
Erste Maßnahmen für den Hauptfußweg 12 würden wahrscheinlich noch in diesem Jahr durchgeführt.
Seite 6
Im Rahmen des Fußverkehrskonzepts werde bei Vorkaufsrechtsprüfungen kontinuierlich die Sicherung von Flächen für den Fußverkehr geprüft. Ziel sei vor allem, das Fußverkehrsnetz langfristig in einer Gesamtsystematik auf das ganze Stadtgebiet zu übertragen.

Seite 8
Zu beachten sei, dass Poller oder Möblierungen auf den Gehwegen einengen und somit theoretisch der Breite von 2,50 Metern hinzuaddiert werden müssten.

Seite 9
Jeder Bürger solle 20 Minuten pro Tag zu Fuß gehen, so das Ziel des "Healthy Streets for London"-Konzepts, dessen 10 Indikatoren für jedes Projekt angewendet würden.

Seite 10
Die Landeshauptstadt habe sich bei der Konzeption dafür entschieden, die Ziele 11 und 13 der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele der UN unter Einbeziehung eigener Indikatoren anzuwenden und den Fußverkehr damit noch stärker in die stadteigenen Nachhaltigkeitsziele einzubinden.

Seite 11
Frau Scherz erläutert, im Rahmen der Mobilitätswoche habe es zu dem seit 2015 bestehenden "Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur" eine Abschlussveranstaltung gegeben, die unter anderem die Vorreiterrolle der Landeshauptstadt im Methodenwissen gezeigt habe. Das schlage sich in konkreten Kommunikationswegen, einem schlanken Verwaltungshandeln und flexibler Reaktion auf einzelne Situationen (Außengastronomie während der Corona-Pandemie auf Parkplätzen) nieder. Projekte funktionierten dann, wenn es ein gemeinsames Verständnis der Partner und einen Projektbeauftragten gebe.

Seite 12
Projekte des tactical urbanism zielten auf klare Motive wie Nachbarschaftsförderung und Aufenthaltsqualitätsverbesserung und bänden den stadtgestalterischen Mehrwert der von der Zivilgesellschaft eingebrachten Ideen ein. Auch private Gestaltungs- und Aufenthaltsorte kämen verstärkt in den Fokus. Dazu sei man mit Bezirksvorstehern aller Bezirke im Gespräch und werde dem Gemeinderat Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zur Realisierung privater Möblierungen als Diskussionsgrundlage vorstellen.

StR Ozasek (PULS) bedankt sich ausdrücklich bei Frau Scherz für ihr Engagement. Ebenso äußern StR Peterhoff (90/GRÜNE), StR Kotz (CDU), StR Körner (SPD), StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), StR Serwani (FDP), StR Goller (AfD) sowie Frau Kienzle (BVin Mitte) ihren Dank und ihr Lob für die Ausführungen. Letztere lobt explizit die Kommunikation der Beteiligten der Verwaltung mit den BürgerInnen vor Ort. Der Dank gelte in erster Linie ihren Mitarbeitern, so Frau Scherz.

Allgemein
StR Ozasek berichtet auf Vorschlag von StR Pantisano im Sinne der Fraktion Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung noch Mitglied dieser Fraktion gewesen sei.

"Erst formen wir Städte, dann formen sie uns", so beginnt StR Ozasek seine Ausführungen mit einem leicht abgewandelten Zitat von Jan Gehl. Das Außen der Häuser sei das Innen der Stadt. Die Entwicklung, Gestaltung und das Design des öffentlichen Raums in seiner sozialisierenden Wirkung sei entscheidend als Aufenthalts- und nicht als Verkehrsraum. Die Fußverkehrsmobilität habe in Stuttgart erhebliche Bedeutung, was sich nicht nur in einem umfangreichen Budget im kommenden Doppelhaushalt niederschlage, sondern auch in ämterübergreifender Zusammenarbeit. Trotzdem nehme er einen erheblichen "Schwergang" bei der Umsetzung der einzelnen Routen und Teilabschnitte wahr und wünsche sich eine handelnde Dynamik in der konkreten Umsetzung im Sinne des Verkehrsentwicklungskonzepts 2030 und ergebnisorientierte Entscheidungsstrukturen und Verantwortlichkeiten. Lucy Saunders habe in ihrem Vortrag anlässlich des 3. Fußverkehrskongresses eindrücklich die Wirkung des Konzepts eines einladenden Straßenkonzepts beschrieben, das er sich für Stuttgart als urbane, modellhafte, nicht auf Funktionalität ausgerichtete Anwendung - z. B. in Anliegerstraßen bei Neubauquartieren - vorstelle. Positiv hebt der Stadtrat die Rolle von Frau Scherz als "Ermöglicherin" hervor, durch deren Engagement im Rahmen des tactical urbanism die in der Präsentation gezeigten Ortsbelebungen ermöglicht würden. Für die flächendeckende Verwirklichung brauche es jedoch einen Vorschlag der Verwaltung für eine Art "Verfassung für den öffentlichen Raum" unter Berücksichtigung der Bedarfe und Teilhabe aller Menschen. Tactical urbanism - planvolle Stadtplanung - so StR Goller, beinhalte ursprünglich die Gestaltung lediglich temporärer, kostengünstiger Maßnahmen mit der Bevölkerung und für die Bevölkerung. Stuttgart als Stadt sei zudem nicht mit Metropolen wie London und Paris vergleichbar.

Die positive Entwicklung der letzten Jahre fasst StR Peterhoff zusammen. Ihn freuten besonders die - noch ausbaufähigen - Spielstraßenprojekte. Tempo gewinnen müsse man nunmehr bei der Umsetzung. Die vorhandenen Haushaltsmittel müssten seiner Mei-nung nach erhöht werden, um die einzelnen Routen schneller konkret umsetzen zu können. Eine in zweijährigem Rhythmus stattfindende Evaluation des Fortschritts im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik (STA) halte er für sinnvoll.

Unbestritten sei Zufußgehen ein wichtiges Element der Mobilität, beginnt StR Kotz seine Ausführungen. Eine unmittelbare Wirkung in Form einer Zunahme des Fußverkehrs könne er aber nicht bei allen Projekten erkennen. Um Erfolge zu erzielen, wünsche er sich bei jedem einzelnen Projekt und den entsprechenden Verantwortlichen eine hohe Sensibilität für die Belange der Fußgänger. Seiner Ansicht nach widerspricht es sich, an einer Stelle Pflanzkübel zu entfernen, um sie als Belebungselemente an anderer Stelle wieder einzusetzen. Zudem finde er die Zusammensetzung des Unterausschusses Mobilität insofern schwierig, als Fußgänger dort nicht vertreten seien. Der 8-wöchige Jour Fixe sei lediglich ein Baustein im Austausch zwischen den Verantwortlichen, betont Herr Märker ihm gegenüber.

StR Körner freut sich über eine verbesserte Lebensqualität der Menschen und mehr Lebendigkeit in der Stadt durch die Fußverkehrsmaßnahmen. Dafür habe man folgerichtig auch entsprechend hohe Mittel zur Verfügung gestellt. Die angestrebte Ausdehnung des Konzepts in Außenbezirke sei ihm wichtig. Generell finde er kontinuierliche Überlegungen über die Planungen und Rahmenbedingungen für eine Attraktivität des Fußverkehrs wichtig. Er denke dabei auch an die Auswirkungen auf den Wohnungsbau und die Nahversorgung. Herr Märker informiert den Stadtrat, die Planung für 2022 beinhalte alle auf den Seiten 4 und 5 der Präsentation gezeigten Maßnahmen. Lediglich die Realisierung des Hauptfußwegs 12 sei nicht zur Gänze gesichert.

Auf dem richtigen Weg sieht StR Pantisano die Entwicklung der sogenannten Walkable City. Auch er plädiert für eine fußgängerorientierte Sichtweise bei der Planung von Orten der Mobilität. Dabei spiele vor allem die für Kinder und Beeinträchtigte störende Gehwegmöblierung eine große Rolle. Von der Verwaltung wünsche er sich denselben Energieaufwand gegen das Parken auf Gehwegen wie für die Verhinderung des Aufstellens von Privatmöblierung. Für Lastenräder erlaube die StVO nunmehr ausgewiesene Parkplätze, fährt der Stadtrat fort, verbunden mit dem Wunsch an die Verwaltung, in einer der nächsten Ausschusssitzungen des STA ihre diesbezüglichen Planungen vorzustellen. Auch benötigte Mittel und personelle Bedarfe für die Fußverkehrsplanung insgesamt sollten von der Stadtverwaltung konkret beziffert werden. Herr Märker betont, zur Umsetzung konkreter Maßnahmen sei insgesamt mehr Personal in der Stadtverwaltung vonnöten.

Zu einer hohen Lebensqualität gehöre ohne Frage auch der Fußgängerbereich, führt StR Serwani (FDP) aus. Wichtig für ihn sei, den jeweiligen Bezirksbeirat und die Bevölkerung mit Befürwortern und Gegnern des Fußgängerverkehrsausbaus in die Planungen mit einzubeziehen.

Auch StR Goller äußert sich positiv zu den vorgestellten Fußverkehrsmaßnahmen und der damit verbundenen erhöhten Lebensqualität jedes Einzelnen. Fußgänger ständen im Gegensatz zu Rad- und Autofahrern in Konflikt mit mehreren Verkehrsmitteln: Vom e-Bike über e-Scooter bis hin zum Pkw. Diesem Aspekt räume er erste Priorität ein. Trotzdem dürfe die Ausweitung des Fußverkehrs nicht mit einer Reduzierung des Pkw-Verkehrs gleichgesetzt werden.

Den enormen Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum betont BVin Kienzle. Nachhaltig sei jedoch letztlich das, was die Menschen selbst initiierten. Diese dürften nicht davon abgehalten werden, den sie umgebenden Raum individuell zu gestalten, um sich mit ihrem Wohnumfeld zu identifizieren. Vielmehr müsse man Modelle der Übereinkunft zwischen der Verwaltung und der Bürgerschaft finden und eine angemessene Zeitspanne zwischen Beantragung und Realisierung von Ideen ermöglichen. Zufußgehen spiele in Stuttgart-Mitte eine erhebliche Rolle. Dazu gehöre jedoch auch die entsprechende Infrastruktur bis hin zu erträglichen Ampelschaltungen für Fußgänger.

Obwohl StR Ozasek das Pilotprojekt Barcelona Superblock Augustenstraße und die dadurch entstandene Verkehrsberuhigung lobt, kritisiert er den Eindruck einer "großen Baustelle", die dem Projekt die Magie geraubt habe. Frau Scherz stellt die hohe Akzeptanz der zugegebenermaßen sehr provisorisch wirkenden Fläche dagegen. Die gestalterische Qualität steige, wie man am Beispiel der Eberhardstraße sehe, wenn die Maßnahmen längerfristig eingerichtet würden. Das bestätigt Herr Märker. Eine Überlegung sei, einem solchen Versuch eine detaillierte Ausarbeitung mit Verkehrszeichenplan und Gestaltungselementen voranzustellen, fährt StR Ozasek fort. Dann könne sich seine Fraktion eine nachhaltige Veränderung von Quartieren vorstellen. Auch StR Kotz spricht sich eher für eine sorgfältig geplante als eine schnelle Lösung aus. StR Serwani merkt an, bei dieser Maßnahme habe man weder Bezirksbeirat noch Anwohnerschaft im Vorfeld informiert. Die Unterstützung seiner Fraktion für derartige temporäre Maßnahmen und provisorische Umgestaltungen signalisiert StR Peterhoff. Das Konzept des Barcelona Superblocks - zumal unter demselben Namen - könne nicht 1:1 nach Stuttgart übertragen werden, meint StR Goller. Im Original beziehe sich dieses auf Neubauviertel für gehobene Einkommensschichten und sei deswegen entstanden, weil Barcelona einen sehr geringen Grünflächenanteil pro Einwohner habe.
Stolz könne die Landeshauptstadt auf ihre Vorreiterrolle bei einigen Projekten wie den Stuttgarter Rechtecken sein, so StR Peterhoff, von denen man seiner Meinung nach mehr als 10 in einem Jahr realisieren könne. Mit dem vorhandenen Personal, so Herr Märker, ließe sich die geplante Anzahl darstellen. StR Pantisano sieht im Sinne der Klimaanpassung die Möglichkeit der Schaffung zusätzlicher Grünflächen oder Bäume auf den Stuttgarter Rechtecken. Keine große Bereitschaft bei Radfahrenden sieht StR Kotz, das Fahrrad womöglich in einiger Entfernung vom eigentlich Ziel auf einem der Rechtecke abzustellen. Des Weiteren mahnt er eine objektive Betrachtung und Darstellung der Notwendigkeit der Rechtecke an.

Die bestehenden und eventuell sogar neue Stuttgarter Stäffele spielten eine große Rolle, betont Herr Märker gegenüber StR Körner. Die Beschilderung, erläutert er, an StR Serwani gewandt, umfasse die jeweiligen Namen, Ziele und den Zeitaufwand, um zum nächsten Ziel zu gelangen. Die hohe Anzahl von 140 Schildern resultiere aus der Anzahl an Staffeln und deren oft über mehrere Querstraßen mit Unterbrechungen reichenden Verlauf.

Frau Scherz fasst abschließend zusammen, die gemeinsame Intention aller Beteiligten müsse eine Stadt mit einem qualitätsvollen öffentlichen Raum für die Menschen sein. Dies werde mit einem integrierten Planungsansatz unter Einbeziehung aller verantwortlichen Ämter angestrebt. Grundsätzlich müsse die jeweilige Situation vor Ort betrachtet und integriert werden.

BM Dr. Maier bedankt sich für die Berichte und stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik hat vom Bericht Kenntnis genommen.
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