Protokoll: Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1/2018
GZ:
SI
Sitzungstermin: 22.01.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Wölfle
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Spatz (SozA)
Protokollführung: Herr Krasovskij fr
Betreff: Erfahrungsbericht sowie Änderungvorschläge der
Sozialverwaltung zur Satzung über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Flüchtlinge

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 10.01.2018, GRDrs 1/2018, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Von dem Erfahrungsbericht sowie den Änderungsvorschlägen der Sozialverwaltung (siehe Anlage 1) wird zunächst Kenntnis genommen.

2. In einem zweiten Schritt wird die Sozialverwaltung aufgefordert, eine Beschlussvorlage mit konkreten Änderungen vorzulegen.

3. Interimsmäßig wird eine nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 der Satzung über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Flüchtlinge gewährte befristete Gebührenermäßigung bis zunächst 31. Mai 2018 über 6 Monate hinaus gewährt, auch wenn die in der Satzungsnorm genannte Dauer von 6 Monaten überschritten wird.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der gemeinsame Antrag Nr. 7/2018 vom 19.01.2018 (SPD, SÖS-LINKE-PluS, CDU, 90/GRÜNE und FDP) ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Einleitend erinnert BM Wölfle an die langwierigen und kontroversen Debatten im Vorfeld der Verabschiedung der Satzung über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Flüchtlinge im vergangenen Jahr. Damals habe man sich verständigt, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelung, sich mit dem Thema noch einmal
auseinanderzusetzen, um die Erfahrungen und Auswirkungen zu analysieren, sowie um ggf. nachzubessern. Heute wolle die Sozialverwaltung den Ratsmitgliedern einen Erfahrungsbericht sowie Änderungsvorschläge zur Satzung über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Flüchtlinge präsentieren, erklärt der Bürgermeister weiter und verweist auf die GRDrs 1/2018. Zu dem Thema sei ebenfalls ein interfraktioneller Antrag (Nr. 7/2018) der Gemeinderatsfraktionen von CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD, der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS sowie der FDP-Gruppierung eingegangen.


Der Vorsitzende geht dann auf einige Erfahrungen mit der eingeführten Satzung ein. Er führt aus, dass durch die Gebührenerhöhung zum 01.09.2017 26 Haushalte (Stand: 15.12.2017), die bisher Selbstzahler gewesen seien, wieder in den Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) bzw. dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gekommen seien. Dies entspreche bei rund 4.000 erlassenen Gebührenbescheiden 0,7 % der Haushalte. Im SGB XII sei es zu keinem neuen Leistungsbezug gekommen. Die in der Satzung vorgesehene soziale Komponente für Alleinerziehende und Familien sei von 769 Haushalten (19,2 % der Haushalte) in Anspruch genommen worden. Bis zum 15.12.2017 seien ferner 220 Anträge auf die ermäßigte Gebühr für Selbstzahler gestellt worden, davon habe die Verwaltung bislang 165 Anträge bewilligt. Weiterhin stellt der Bürgermeister fest, dass sich infolge der erhöhten Gebühren für den überwiegenden Anteil der in den Stuttgarter Unterkünften wohnenden Flüchtlinge keine ausländerrechtlichen Nachteile ergeben hätten.

Im Folgenden informiert BM Wölfle über die Änderungsvorschläge der Sozialverwaltung zur Satzung über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Flüchtlinge. Vor allem für die Selbstzahler und die Auszubildenden seien Verbesserungen vorgesehen. Bisher sei zum Nachweis der Voraussetzungen für die Selbstzahlergebühr die Vorlage eines Ablehnungsbescheids vom Jobcenter oder Sozialamt erforderlich gewesen. Bei der vorgeschlagenen Neuregelung könne auf Antrag des Gebührenschuldners auf den Ablehnungsbescheid verzichtet werden, indem die gebührenfestsetzende Stelle in der Verwaltungsabteilung des Sozialamts eine entsprechende Plausibilitätsprüfung vornehme. Eine Vorsprache der betroffenen Personen bei der leistungsgewährenden Stelle beim Jobcenter oder Sozialamt wäre somit nicht mehr erforderlich. Es sei jedoch auch weiterhin möglich, mit einem Ablehnungsbescheid der leistungsgewährenden Stelle die Unabhängigkeit von Leistungen nachzuweisen (siehe Anlage zur Vorlage, S. 9). Für die Auszubildenden solle laut den Vorschlägen der Verwaltung eine neue soziale Komponente eingeführt werden, um die Chancen dieses Personenkreises auf Abschluss einer Ausbildung zu unterstützen und die Ausbildung nicht durch eine zu hohe Gebühr und/oder einen zu kurzen Ermäßigungszeitraum zu gefährden (siehe Anlage zur Vorlage, S. 8).

Anschließend weist der Bürgermeister auf die Ziffer 3 des Beschlussantrages hin. Die Zustimmung der Ratsmitglieder hierzu in der heutigen Sitzung sei notwendig, um Härtefälle bei den Selbstzahlern zu vermeiden.

Auch StR Fuhrmann (CDU) erinnert an die vielen Diskussionen im Vorfeld der Beschlussfassung der aktuell geltenden Satzung im vergangenen Jahr, und die zum Teil heftigen Reaktionen der Flüchtlingsfreundeskreise und der Betroffenen. Damals habe der Gemeinderat eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer möglichen Kostendeckung und den Interessen der betroffenen Gebührenschuldner treffen müssen.

Es sei gut und richtig, dass bei diesem sensiblen Thema 6 Monate nach Inkrafttreten der Satzung evaluiert werde, und daraus folgend einige Verbesserungen vorgenommen werden sollen. Seine Fraktion stimme den Änderungsvorschlägen der Sozialverwaltung, vor allem den vorgeschlagenen Verbesserungen für die Selbstzahler und Auszubildenden sowie der Verlängerung der befristeten Gebührenermäßigung für Selbstzahler (Beschlussantragsziffer 3), dabei ausdrücklich zu.

Im Folgenden spricht sich StR Fuhrmann im Sinne des interfraktionellen Antrags Nr. 7/2018 für die beantragte Reduzierung der Gebührenhöhe für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auf 100 € bei 7 m² Wohnfläche und die Entlastung selbstzahlender Familien mit zwei oder mehreren Kindern (beantragter Höchstbetrag von 700 € bei 7 m² Wohnfläche pro Person), bzw. die Entlastung Alleinerziehender (beantragter Höchstbetrag von 450 € bei 7 m² Wohnfläche pro Person) aus. Dafür werben auch StR Stopper (90/GRÜNE), StRin Dr. Hackl (SPD) und StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) in ihren Wortbeiträgen. StRin Dr. Hackl betont, dass durch die beantragte "Familienkomponente" die Wahrscheinlichkeit, dass Geflüchtete unterstützende Leistungen aus dem SGB II beziehen müssten, und somit auch die Gefahr von ausländerrechtlichen Maßnahmen gesenkt werden könnten. Sie erklärt weiter, es freue sie außerordentlich, dass es so schnell gelungen sei, sich bei diesem Thema fraktionsübergreifend zu einigen und den gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen. Dem schließt sich auch StR Pantisano an. Der Höchstbetrag von 700 € für 28 m² Wohnfläche für eine vierköpfige Familie wären zwar immer noch hoch, aber im Verhältnis zur früheren Gebühr eine deutliche Verbesserung, und im Hinblick auf den städtischen Finanzausgleich vertretbar, meint er.

Im selben Zusammenhang erklärt Herr Spatz (SozA,) die Möglichkeit der beantragten "Familienkomponente" werde gerade rechtlich geprüft.

Auf Fragen von StR Fuhrmann und StRin Dr. Hackl eingehend, erklärt BM Wölfle, die Verwaltung werde bis zur Erstellung der Vorlage für die neue Satzung klären, ob es aufgrund der Gebührenerhöhung zu Gebührenrückständen bzw. einer Verschuldung der Betroffenen gekommen sei. Falls dies der Fall wäre, würde man einen Vorschlag zum Umgang mit solchen Härtefällen machen.

Der Beschluss der nun geltenden Satzung sei zweifellos kein unumstrittener gewesen, und es hätten sich für manche Flüchtlinge Nachteile ergeben, erklärt StR Stopper. Dennoch sei die Entscheidung des Gemeinderates im Hinblick auf die Finanzen der Stadt nachvollziehbar gewesen. Schließlich sei der Netto-Ressourcen-Bedarf der Stadt in diesem Bereich in den letzten zwei Jahren um 10 Mio. € angestiegen. Dies seien Gelder, die aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden müssten und nicht durch Erstattungen des Bundes oder des Landes refinanziert würden. Trotz der angestrebten Kostendeckung sei es auf der anderen Seite richtig gewesen, bei der Satzung von Anfang an eine soziale Komponente für Alleinerziehende und Familien zu beschließen, sowie eine Evaluation nach einem halben Jahr zu vereinbaren, so der Stadtrat. Im Folgenden erklärt auch er, dass seine Fraktion die Änderungsvorschläge der Verwaltung, sowie die notwendige Verlängerung der befristeten Gebührenermäßigung für Selbstzahler bis zum 31.05.2018 ausnahmslos befürworte und als richtig ansehe.

Die Änderungsvorschläge und die Unterstützung der Ratsmitglieder durch den interfraktionellen Antrag seien auch ein Signal an die Geflüchteten und die Freundeskreise, dass mit diesem Thema in der Stadt sehr umsichtig umgegangen werde, so der Stadtrat. Anschließend macht er darauf aufmerksam, dass es nach dem Beschluss der aktuell geltenden Satzung vor allem auch aufgrund des mangelnden Informationsflusses vielfach zu Unruhen und Kritik gekommen sei. Viele Flüchtlingshelfer, Einrichtungsleitungen, soziale Betreuer, und nicht zuletzt die Betroffenen selbst, seien über die neuen Regelungen nur unzureichend informiert worden. Dies habe zu Missmut, Missverständnissen und Überforderung nach Eingang der Gebührenbescheide geführt. Vielen sei zum Beispiel die Möglichkeit der sozialen Komponente nicht bekannt gewesen. Bei der neuen Satzung müsse man deshalb auf jeden Fall für einen besseren Informationsfluss und eine frühzeitige Beteiligung der Betroffenen und Helfer sorgen, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Ähnlich äußert sich auch StR Pantisano.

Das Sozialamt strebe künftig auf jeden Fall einen besseren Informationsfluss an, antwortet Herr Spatz. Dazu solle unter anderem auch eine sogenannte Praktikerrunde eingerichtet werden, um Geflüchtete, Helfer, Sozialarbeiter und Hausleitungen frühzeitig und ausführlich über die neuen Regelungen zu informieren. Zudem sei die Herausgabe eines Informationsblattes geplant. Herr Spatz begrüßt es ebenfalls ausdrücklich, dass ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der aktuellen Satzung die Erfahrungen nun evaluiert, und daraus die gemachten Änderungsvorschläge gemacht würden.

Im weiteren Verlauf der Aussprache bittet StR Stopper um nähere Erläuterungen zur finanziellen Unterstützung/Förderung von Auszubildenden, die bislang Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehen (siehe Anlage zur Vorlage, S. 4 unten). Der Frage schließt sich auch StR Pantisano an.

Zum Thema Unterstützung von Auszubildenden unter den Geflüchteten werde es in nächster Zeit eine separate Vorlage geben, erklärt Herr Spatz.

Anschließend dankt StR Stopper der Sozialverwaltung, die bis April 2018 bereits rund 3600 Geflüchteten 7 m² Wohnfläche pro Person gewähren möchte, und äußert die Hoffnung, dass die Zahl derer, die in Privatwohnraum umziehen können, in Zukunft noch deutlich steigen werde.

In diesem Zusammenhang erklärt BM Wölfle, dass im Dezember 2017 aus den städtischen Flüchtlingsunterkünften 158 Personen erfreulicherweise in Privatwohnraum übersiedelten.

Im Namen ihrer Fraktion bedankt sich StRin Dr. Hackl für die Vorlage und die Änderungsvorschläge der Verwaltung, denen man gerne zustimmen werde. Es sei gut, dass nun Änderungen an der geltenden Satzung vorgenommen werden sollen, da die Kritik an den geltenden Regelungen auch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten nicht wirklich abnahm.

Lobende Worte findet die Stadträtin insbesondere für die vorgeschlagenen Verbesserungen für die Selbstzahler und die Auszubildenden. Sie begrüßt es, dass die Zeitdauer der Regelung für Selbstzahler von einmalig maximal 6 Monaten auf einmalig 12 Monate verlängert werden solle. Allerdings habe sie durchaus Zweifel, so StRin Dr. Hackl weiter, ob diese Zeitspanne aufgrund des sehr angespannten Wohnungsmarktes in der Stadt ausreichen werde, damit die Betroffenen eigenen Wohnraum finden können. Aus ihrer Sicht könnte man auch darüber nachdenken, den Zeitraum auf 18 Monate auszuweiten wobei ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Satzung erneut eine Evaluation erfolgen sollte. Zu diesem Thema werde sich die SPD noch fraktionsintern verständigen.

Ferner erkundigt sich die Stadträtin, weshalb die neue Satzung erst zum 01.06.2018 inkraft treten soll. Sie sei aufgrund des Sitzungskalenders der Meinung, dass auch ein früherer Termin möglich sei, da die geänderte Satzung bereits in der Gemeinderatssitzung am 22.02.2018 beschlossen werden könnte.

Dazu antwortet der Vorsitzende, falls sich die Gemeinderatsfraktionen beim Thema Zeitdauer der Regelung für Selbstzahler bis Ende dieser Woche (KW 4) einigen könnten, wäre auch ein früherer Termin für das Inkrafttreten der neuen Satzung denkbar, beispielsweise der 01.04.2018.

Im selben Kontext erklärt StR Fuhrmann, seine Fraktion könne der Ausweitung der Regelung für Selbstzahler auf 18 Monate grundsätzlich zustimmen, sei aber auch mit 12 Monaten einverstanden. Auch er betont die Wichtigkeit einer eigenen Wohnung für die Integration Geflüchteter und spricht sich für eine Evaluation der geänderten Regelungen nach einem Jahr aus. Für eine längere Laufzeit der Regelung für Selbstzahler plädiert auch StR Pantisano. Er unterstützt die von StRin Dr. Hackl angeregte Verlängerung auf 18 Monate und macht zugleich darauf aufmerksam, dass gerade Migrantinnen und Migranten häufig große Schwierigkeiten hätten, eine eigene Wohnung zu finden. StR Stopper meint, seine Fraktion müsse sich bei dem Thema Zeitdauer für Selbstzahler noch besprechen.

StR Pantisano bedankt sich im Weiteren bei all denjenigen, die in den vergangenen Monaten auf die Probleme bei der aktuell geltenden Satzung hingewiesen hätten und sich dafür einsetzten, die Regelungen im Sinne der Betroffenen zu verbessern. Dies seien Ehrenamtliche in den Flüchtlingsfreundeskreisen, Betreuer, aber auch die Geflüchteten selbst. Er dankt der Sozialverwaltung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des städtischen Sozialamtes für die gemachten Änderungsvorschläge und meint, die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS begrüße die vorgeschlagenen Maßnahmen.

Die FDP-Gruppierung werde der Vorlage zustimmen, erklärt StRin Yüksel (FDP).

Abschließend bedankt sich BM Wölfle für die zustimmenden Äußerungen der Ratsmitglieder und erklärt, die Sozialverwaltung werde die Vorlage zur neuen Satzung nach Abschluss der Vorberatungen und der rechtlichen Prüfung zum Thema "Familienkomponente" zügig vorlegen, damit die neue Satzung zum 01.04.2018 inkraft treten könnte.




Danach stellt der Vorsitzende fest:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.

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