Protokoll: Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
621/2016
GZ:
SI
Sitzungstermin: 05.12.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Kappallo
Betreff: 36. Stuttgarter Flüchtlingsbericht

Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 26.09.2016, öffentlich, Nr. 100
Ergebnis: Vertagung

Jugendhilfeausschuss vom 10.10.2016, öffentlich, Nr. 69
Ergebnis: Vertagung

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 17.10.2016, öffentlich, Nr. 128
Ergebnis: Kenntnisnahme


Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 20.09.2016, GRDrs 621/2016.


BMin Fezer möchte auf eine Einführung in das Thema verzichten, da dieses bereits ausführlich im Sozial- und Gesundheitsausschuss behandelt worden sei. StRin Ripsam (CDU) bemerkt, im Jugendhilfeausschuss sind die Kinderbetreuung, die Schulkindbetreuung und die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) von Interesse. Sie erkundigt sich, ob es seit dem Erscheinungsdatum des Berichts wesentliche Änderungen innerhalb der drei genannten Themenblöcke gegeben habe.

Auf eine Frage von StR Klingler (AfD), warum die größte Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) aus Nordafrika stamme, erklärt Frau Dr. Heynen
(JugA), die Fluchtwege seien häufig der Grund für die Anzahl der UMA aus bestimmten Ländern. Auf eine weitere Frage dieses Stadtrats antwortet Frau Dr. Heynen, da es sich um Minderjährige handle, werden diese in der Jugendhilfe auch als solche gesehen. Hierbei sei es unbedeutend, welchen Asylantenstatus - anerkannt oder geduldet - diese Minderjährigen aufweisen würden. Sie verdienten als Minderjähre in erster Linie Schutz und Versorgung. Ergänzend erwähnt Herr
Hennig (JugA), vom afrikanischen Kontinent, insbesondere von Nordafrika, kämen die meisten Jugendlichen. Die Anzahl der Jugendlichen aus Afghanistan sei eher rückläufig.

StR Walter (SÖS-LINKE-PluS) interessieren neue Zahlen im Bereich der Kindertagesbetreuung für Flüchtlinge. Frau Kiefl (JugA) informiert zu den Fallzahlen, dass stichtagsbezogen am 30.06.2016 die vorläufige Inobhutnahme von 130 Jugendlichen festgestellt werden konnte. Zum 30.11.2016 gebe es noch 40 Inobhutnahmen. Die Zahl der Anschlussinobhutnahmen beim städtischen Träger sei dagegen konstant geblieben. Es handle sich um 191 Fälle. Im Bereich der stationären Hilfen zur Erziehung habe es einen leichten Anstieg von 140 auf 183 Fälle gegeben. Die Hilfen für junge Volljährige seien auch leicht von 113 auf 129 Fälle gestiegen. Frau Dr. Heynen bestätigt, dass die Zahlen des Flüchtlingsberichts sich bei den UMA verändert hätten. Daran schließe sich das Problem der planbaren Versorgung an.

Auf eine Frage von StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE), die Unterbringung der Jugendlichen in Pflegefamilien zu realisieren, antwortet Frau Dr. Heynen, die Jüngeren werden soweit möglich in Pflegefamilien untergebracht. Im September konnte auf 20 Gastfamilien, so Herr Hennig, zurückgegriffen werden. Darüber hinaus habe es eine weitere Besonderheit der Untermietverhältnisse gegeben. Viele WGs hätten einen Platz für UMA zur Verfügung gestellt, wobei sich die Überprüfung als eher schwierig gestalte. Allerdings bringe dieses Setting eine sehr gute Integration mit sich.

StR Lazaridis (90/GRÜNE) schließt sich seiner Vorrednerin an und verweist auf die Seite 40 des Berichts mit der Fragestellung, ob die Zugangszahlen von UMF steigen würden. Darüber hinaus bittet er die Verwaltung um eine Berichterstattung zu den UMA. Aus Sicht von Frau Dr. Heynen sei dieser Bericht ebenso erforderlich, damit erkennbar werde, wie gesteuert werden könnte.

Auf Seite 10 des Berichts sei der Anteil der minderjährigen Flüchtlinge dargestellt, die einen Betreuungsbedarf hätten, bemerkt StRin Vowinkel (SPD). Dies widerspreche der Berichterstattung auf Seite 44, die eine Betreuung von 53 Kindern der 3- bis 6-jährigen aus Flüchtlingsunterkünften in Stuttgarter Kitas festgestellt habe. Hierbei gebe es eine Diskrepanz, die sie nicht nachvollziehen könne. Die Betreuung der unter 3-Jährigen sei in ihren Augen sehr wichtig, um den Müttern die Möglichkeit eines Sprachkursbesuchs einzuräumen. Bezüglich der Betreuung von UMF erkundigt sich StRin Vowinkel nach einer Veränderung im Leitz-Areal. Aktuell gebe es vier Standorte der Inobhutnahmen, berichtet Herr Hennig. Das Leitz-Areal sei aufgegeben worden, wobei es allerdings genügend Betten für jeden Neuankömmling gebe. Der Bericht sollte nach geschlechtsspezifischen Merkmalen gegliedert sein, bemerkt StRin Vowinkel, um mit individuellen Maßnahmen unterstützen zu können. Herr Hennig stellt fest, es seien etliche junge Frauen nach Stuttgart gekommen. Für die unterstützenden Tätigkeiten der Flüchtlingsfreundeskreise fordert StRin Vowinkel eine Koordinationsstelle für die unterschiedlichen Ebenen der Verbünde.

Herr Luz (SozA) unterrichtet über die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements, das für das Sozialamt ein wichtiges Anliegen darstellt. Im Zuge der Schließung von mehreren Flüchtlingsunterkünften werde die gesamte Konzeption des Freundeskreises gemeinsam mit den Sprecherinnen und Sprechern der Ehrenamtlichen neu aufgesetzt.

Die Inhalte der Task Force im Hinblick auf den Kinderschutz und der häuslichen Gewalt in Flüchtlingsunterkünften sollten eingehend diskutiert werden, meint StRin Vowinkel. Herr Luz äußert, er sehe das ähnlich, wobei gemeinsam mit dem Jugendamt nach Lösungen geschaut werde. Der Kinderschutz betreffe grundsätzlich alle Kinder und Familien, so Frau Dr. Heynen. In den Einrichtungen seien die Beratungszentren gefordert, Angebote zu unterbreiten, um den Kinderschutz sicherzustellen. Zu den Beratungszentren, informiert Frau Kiefl, gehöre auch der Sozialdienst für UMF. Immer mehr Fälle seien an die Beratungszentren abgegeben worden, da sich sehr viele Themen im Bereich des Kinderschutzes bewegten. Gleichzeitig werde an einer Vereinbarung zwischen dem Betreuungsträger, den Beratungszentren und dem Sozialamt gearbeitet. Die Zusammenarbeit sei sehr konstruktiv, betont Frau Kiefl.

Auf die besonders schutzbedürftigen Gruppen, wie z. B. viele LSBTTIQ-Geflüchtete (Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle oder queren) sollte ein besonderer Fokus gelegt werden, betont Herr Stein. In direkter Abstimmung mit den Fachverbänden sei dies ein wichtiges Anliegen, erklärt Herr Luz. Im Rahmen der Inobhutnahme, so Herr Hennig, werde bereits bei Gruppenabenden erläutert, dass es in Deutschland normal sei, dass die Menschen in unterschiedlichen Orientierungen partnerschaftlich zusammenlebten. Das Thema werde aktiv aufgegriffen.

Zu der Flüchtlingsunterkunft in der Tunzhofer Straße bemängelt Herr Wohlfahrt, dass die meisten Kinder weder in Kitas betreut noch in umliegenden Kitas vorgemerkt seien. Die Vergabekriterien des Jugendamts sollten dahingehend überprüft werden. Herr Wohlfahrt fragt die Verwaltung, wie sichergestellt werde, dass Kinder aus Gemeinschaftsunterkünften auf die sogenannte Rechtsanspruchsliste über Anmeldeverfahren gelangen würden.

Herr Korn (JugA) berichtet von einem in den Unterkünften bekannten Verfahren, einer Stelle beim Jugendamt, wo die Kinder angemeldet werden müssten. Diese Stelle trage für die Vermittlung in die Einrichtungen Sorge, sodass die Betreuer und Unterstützer nicht von Kindergarten zu Kindergarten laufen müssten. Dieses Verfahren sei schriftlich und mündlich bekannt gemacht worden.

Zu den Ganztagesschulen interessieren Herrn Biermann konkrete Zahlen zu den Kindern aus Vorbereitungsklassen. Darüber hinaus fragt er nach exponierten Schülerhäusern, die Wege der Integration von Flüchtlingskindern gefunden hätten. Zu den Ganztagesschulen und Schülerhäusern bemerkt die Vorsitzende, es gebe Vorbereitungsklassen für die schulpflichtigen Kinder. Diese Klassen seien seitens des Landes nicht dafür vorgesehen, eine Teilnahme am Ganztagesangebot zu realisieren. Die Lehrerstunden an den Ganztagesschulen reichen für diese Kinder nicht aus, um sie ins Ganztagesangebot mit einbeziehen zu können. Bei den Schülerhäusern könnten diese Kinder noch weitestgehend berücksichtigt werden. Dies sei eine missliche Situation. Sie hofft auf eine baldige Lösung, nachdem das Land von ihrer Vorgängerin angeschrieben worden sei. Die Einbeziehung dieser Kinder sei wichtig, da es in diesem Bereich um die Integration gehe. Die Kinder würden allerdings nicht alleine gelassen, flankierende Lösungen im Rahmen der Jugendhilfe würden geboten.


Frau Halm berichtet von einer Grundschule in Bad Cannstatt, die viele Flüchtlingskinder aufgenommen habe. Die Vorbereitungsklassen seien dort bereits voll gewesen. Die Frage, was mit den Flüchtlingskindern geschehen solle, sei so gelöst worden, dass diese in die teilgebundenen Klassen aufgenommen worden seien. Dies habe sich als mangelhaft erwiesen, da eine gelingende Hausaufgabenbetreuung nicht mehr möglich gewesen sei. Aus dieser Situation heraus sei das Projekt "Come together" aufgesetzt worden.

Herr Herweg (JugA) unterrichtet über eine gute Zusammenarbeit mit den freien Trägern. Aufgrund der Komplexität des Themas gebe es eine eigene Vorlage, GRDrs 136/2016 "Betreuung von Kindern mit Fluchterfahrung in Stuttgart - Herausforderungen und Maßnahmen". Insgesamt sei es so, äußert Frau Dr. Heynen, zusammen mit den freien Trägern gelänge es, die Kinder in den Regeleinrichtungen unterzubringen. Aktuell würden sich 250 Kinder in den städtischen Einrichtungen und ca. 100 Kinder bei den freien Trägern befinden. Das sei allerdings nicht ausreichend. Dramatisch sei es bei den Kindern über 3 Jahren. Diese müssten möglichst schnell ein pädagogisches Angebot erhalten, damit der Übergang in die Schule gut gestaltet werden könne.
Herr
Herweg fügt hinzu, zum 30.06.2016 sei von 160 Kindern aus Gemeinschaftsunterkünften ausgegangen worden, aktuell befinde man sich bei 350 Kindern. Zum Stichtag 30.11.2016 hätten 133 Kinder keinen Betreuungsplatz laut Rechtsanspruchsliste für 3- bis 6-Jährige erhalten.

Herr Hennig äußert sich zu allgemeinen Trends und erwähnt, dass der Anteil der minderjährig eingeschätzten Flüchtlinge immer mehr ansteige. Weit über die Hälfte bis 80 % der Aufgenommenen seien minderjährig. Bei den Jugendhilfeangeboten setze das Jugendamt inzwischen auf betreutes Jugendwohnen, da sich der Kern der UMF zwischen 15 und 18 Jahren bewege. Ein weiterer Trend liege in einem höheren Alphabetisierungsbedarf. Insgesamt würden mit sämtlichen Trägern Anstrengungen unternommen, Jugendhilfeplätze zur Verfügung zu stellen. Allerdings könne nicht sofort jedem UMF ein passender Platz zugewiesen werden.


Herr Arpad erkundigt sich nach psychosomatischen Störungen bei den Flüchtlingskindern. Im Bericht hätte er keine Informationen dazu gefunden. Untersuchungen hätten ergeben, dass ca. 30 % oder mehr von diesen Erkrankungen betroffen seien, bemerkt Herr Luz. Allerdings gebe es eine gute Vernetzung mit dem Ehrenamt und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unterkünften, dem Sozialamt - auch in Verbindung mit dem Gesundheitsamt - und der schnellen Vermittlung der Fachhilfsdienste, um diesem Problem zu begegnen. Herr Hennig fügt hinzu, dass derartige Beeinträchtigungen häufig erst viele Monate später erkannt würden. In der Inobhutnahme könne sich nicht auf die Besonderheiten von psychischen Beeinträchtigungen speziell eingestellt werden. Es werde für Sicherheit und für einen akzeptablen Rahmen gesorgt. Von der Psychiatrischen Institutsambulanz finde eine Kooperation zwischen dem Jugendamt und den Kliniken - auch für UMF - statt. Dabei könne auf die Schnelle eine Sprechstunde realisiert werden.

Auf eine Frage von StR Klingler, ob bei rückläufiger Anzahl von UMF auch das Personal reduziert würde, erläutert Frau Dr. Heynen, das Personal werde nicht abgebaut, sondern umstrukturiert.


BMin Fezer stellt fest:

Der Jugendhilfeausschuss hat von der GRDrs 621/2016 Kenntnis genommen.
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