Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
74
1
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 21.07.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Frau Fuchs (CIS)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: City-Initiative Stuttgart
- mündlicher Bericht -

Zunächst stellt Frau Fuchs die aktuellen Projekte der CIS anhand einer Präsentation vor, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


EBM Föll dankt ihr für den kurz gefassten Bericht. Die CIS sei ein exzellenter Partner für die Stadt, mit dem sie in der Regel gut und eng zusammenarbeite. Die Arbeit der CIS werde in Zukunft im Zuge der Digitalisierung und des Online-Shopping im Einzelhandel noch an Bedeutung gewinnen. Er informiert den Ausschuss, dass sich StR Pfeifer (SPD), der vor Frau Fuchs die Geschäftsführung der CIS innegehabt hatte, für die Sitzung entschuldigt habe, weil er seit 08:00 Uhr im Preisgericht für das Allianz-Neubauvorhaben in Stuttgart-Vaihingen gebunden sei.

Die Vertreter der Fraktionen danken für die Ausführungen.

StRin Porsch (CDU) erwähnt eine Umfrage des Handelsverbands. Auf die Frage, warum Menschen in die Stadt kämen, würden an vorderer Stelle Handel und Gastronomie genannt. Der Handel stehe aktuell vor einer der größten Herausforderungen. Auf den Online-Handel entfielen bereits 20 %, und es gebe immer weniger inhabergeführte Geschäfte, dafür viele Filialen, teilweise auch Leerstände und Frequenzrückgänge. Hier leiste die CIS vieles, um Frequenz in die Stadt zu bringen und die Kunden weiterhin zu begeistern. Events gehörten mittlerweile zum Handel. Hier fragt sie nach neuen Ideen. Das Dorotheenquartier belebe die Stadt ihrem Eindruck nach ungemein, sie würde gerne wissen, wie die umliegenden Geschäfte dies beurteilten. In einem Artikel in der StZ sei der Handel befragt worden, was er sich von der Stadt wünsche. Hier seien an erster Stelle Sauberkeit, Sicherheit und Parkleitsysteme für Autos genannt worden. Sie bittet Frau Fuchs um eine Einschätzung, wie der Kunde die Stadt als lebenswert empfinde und welche Rolle das Auto dabei spiele.

Als gemeinsames Ziel erkennt StR Winter (90/GRÜNE) eine Belebung der Stuttgarter Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität, einen Ort, an dem man gerne einkaufe. Wichtige Partner seien hier der Handel, die Gastronomie, Kultur und andere Angebote. Nach Ansicht seiner Fraktion habe sich Stuttgart in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Das zeigten auch die Besucherzahlen. Beruhigte Zonen kämen dem Handel zugute. Mit der P-Linie, die im 5-Minuten-Takt die City umkreisen werde, sei man auf einem richtigen Weg. Gemeinsam müsse die City weiterentwickelt werden, z. B. mit Logistikkonzepten für Kunden und besser organisierten Lieferverkehren. Als positives Beispiel erwähnt er das Feinstaubticket. Grundsätzlich sollte der ÖPNV zugunsten des Modal Split öfter als Partner mit einbezogen werden. Er geht davon aus, dass die vom Dorotheenquartier ausgehenden Impulse zur Attraktivität beitragen. Er schätze den konstruktiven Austausch mit der CIS. Die Innenstadt profitiere von einem florierenden und vielseitigen Handel.

StR Lutz (SPD) dankt auch den Mitgliedern der CIS, ohne deren finanzielle Leistungen die Events nicht stattfinden könnten. Er wolle nur ein paar Punkte herausgreifen. Die variablen Gutscheine kämen sehr gut an. Er fragt Frau Fuchs, was sie als wichtige Stärkungspunkte der Innenstadt verstehe. Die Stadt verändere sich, Traditions- und Markengeschäfte gingen zurück. Eventuell könne es ja sinnvoll sein, wenn die CIS eine Online-Verkaufsplattform etabliere, da dies für kleinere Geschäfte manchmal problematisch sei. Im Zusammenhang mit den Events wünsche er sich, dass sich die Automesse zu einer Mobilitätsmesse weiterentwickle. Er sieht in Stuttgart das qualitativ wichtigste Automobilcluster der Welt, zu dem man seiner Ansicht nach ein "Nichtverhältnis" habe, und dies in einer Zeit des extremen Wandels in den Antriebssystemen. Er hielte eine jährliche Mobilitätsveranstaltung, in der sich sowohl das Auto als auch alternative Verkehrsmittel fänden, für wichtig.

Im Gegensatz zu seinem Vorredner würde StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) das Verhältnis der Verwaltungsspitze und der Mehrheit des Gemeinderats zum Automobil eher als symbiotisch bezeichnen. Es produziere eine Reihe der Probleme, die der CIS und den Händlern das Leben schwer machten. Frau Fuchs habe u. a. das Resultat einer über viele Jahre völlig verfehlten Stadtplanung beschrieben. Die Frequenz sei für sich genommen kein Kriterium, es gehe vielmehr um die Umsätze in Relation zur Frequenz oder Events. Mit der Attraktivität der Innenstadt könne man dem Online-Handel etwas entgegensetzen. Problematisch sei für die Händler auch die Entwicklung der Bodenpreise und der daraus folgenden Mietpreissteigerungen, die insbesondere den inhabergeführten Geschäften das Überleben erschwerten. Dieses Problem könne nicht mit Parkplätzen gelöst werden. Er sehe eine Möglichkeit in einem stärkeren Mix mit Wohnen in der Innenstadt, wodurch die Händler dort auch eine Nahversorgungsfunktion erhielten. Die Innenstadt müsse Angebote für einen erfreulichen und genussvollen Aufenthalt machen, ohne dass man etwas konsumieren müsse. Dieser Nutzungsmix müsse nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft verstärkt werden.

Für StR Zaiß (FW) dagegen muss eine Innenstadt vom Verkauf leben können, eine andere Möglichkeit habe sie nicht. Natürlich mache der Online-Handel den Geschäften in der Stadt das Leben schwerer, von daher wäre es vorteilhaft, wenn die kleinen Geschäfte sich bezüglich des Online-Handels zusammenschließen würden. Ohne Parkplätze könne der Handel nicht funktionieren, zumindest was den Kauf größerer Mengen oder Gegenstände anbelange, müsse man dies mit dem Auto erledigen können. Dafür müsse der Gemeinderat sorgen. Für kleinere Einkäufe nutzten viele Menschen ohnehin den ÖPNV.

Mit der CIS verbinde die Stadt eine gute Partnerschaft, so StR Klingler (AfD). Seiner Ansicht nach habe eine City-Initiative mit ihren Mitgliedern durchaus Interesse an einem guten Umsatz. Die Fehlentwicklungen in der Verkehrspolitik datiert er auf die letzten fünf Jahre, in denen permanent Parkplätze reduziert worden seien. Die Menschen führen gerne mit dem Auto in die City, um dort hochwertige oder sperrige Dinge zu kaufen und mit dem Auto nach Hause zu transportieren. Durch ein breites Angebot - neben Einzelhandel auch kirchliche Einrichtungen, Kinos, Events etc. - verbrächten die Menschen viel Zeit in der City. Verbesserungspotenzial sieht er beim Marktplatz.

StRin Yüksel (FDP) ist überzeugt, dass sich die Digitalisierung nicht aufhalten lasse. Umso wichtiger sei die Arbeit der CIS. Sehr beeindruckt hätten sie die Zahlen zum digitalen Gutschein. Sie erkundigt sich, ob man diesen noch bekannter machen wolle und wie die Bürger von diesem Gutschein erfahren könnten, z. B. um ihn zu verschenken. Zur Zusammenarbeit mit Stuttgart Marketing hätte sie gerne noch nähere Informationen.

Frau Fuchs dankt zunächst für das Lob, das sie gerne an ihr Team weitergebe. Neue Events könne die CIS nur in Abstimmung mit ihren Mitgliedern veranstalten. Diese hingen sehr an den langen Einkaufsnächten. Das zweite Topthema sei im vergangenen Jahr der verkaufsoffene Sonntag gewesen, der aber leider nicht zustande gekommen sei, da sich verdi und die Kirchen dagegen zusammengeschlossen hätten. Das Thema werde für 2018 aber weiter geprüft.

Im Hinblick auf das Dorotheenquartier habe sie mit sehr vielen unterschiedlichen, großen und kleinen Händlern gesprochen. Niemand habe sich negativ dazu geäußert, alle empfänden es als Bereicherung, sowohl städtebaulich als auch in Bezug auf die Frequenz. Es habe sich bereits zu einem Hotspot im Herzen der Stadt entwickelt. Durch seine mediale Präsenz ziehe es auch viele Menschen an, die Stuttgart davor nicht besonders beachtet hätten. Dabei betont sie, dass der Stuttgarter Einzelhandel sich nicht von der Kaufkraft derjenigen tragen könne, die mitten in der Stadt wohnten. Man sei massiv darauf angewiesen, Kaufkraft von außen zu generieren. Man müsse es also den Menschen, die z. T. aus dem weiteren Umkreis der Region kämen, ermöglichen, unkompliziert nach Stuttgart zu kommen. Hier blicke sie mit Sorge auf Meldungen, dass die letzten Parkplätze im City-Ring wegfallen sollten, oder dass man prüfe, wie man mit den Pachtverträgen anderer Parkhäuser mittel- und langfristig umgehen wolle. Die Menschen von außerhalb kämen mit dem Auto, und es sei sehr schwierig, sie zum Umsteigen auf den ÖPNV zu bewegen. Wer z. B. in Albstadt-Balingen wohne, werde mit Sicherheit mit dem Auto kommen - vielleicht zwei- bis dreimal im Jahr, und dann sehr viel einkaufen. Dies sei für den Handel sehr wichtig. Dennoch seien auch die Händler der Auffassung, dass der ÖPNV verbessert werden müsse, z. B. brauche man gerade für die Menschen aus der Region dringend gut erreichbare und preisgünstige P+R-Plätze. Hier sende die Stadtverwaltung mit der Gebührenerhöhung auch für P+R-Plätze ein falsches Signal. Sie richtet die Bitte an die Stadt, mit dem VRS abzustimmen, wo und wie Flächen für P+R-Plätze genutzt werden könnten. All dies müsse erledigt sein, bevor in der Innenstadt Parkplätze wegfielen oder sich die Infrastruktur bzw. die Verkehrsführung ändere. Aktuell sei die Situation durch extrem viele Baustellen in der Innenstadt erschwert.

Aus Sicht der CIS sei der Branchenmix essenziell. In der Königstraße lasse sich eine hohe Filialisierung beobachten, dafür habe man in den Nebenquartieren die Möglichkeit, dass sich dort kleinere Betriebe ansiedelten und neue Cluster entstünden. Ein herausragendes Beispiel hierfür sei Fluxus in der Calwer Passage, aber auch das Gerber-Viertel oder die Calwer Straße. Hier dürfe man sich aber nicht ausruhen.

Der Online-Handel sei nicht aufzuhalten, deshalb müsse man alles dafür tun, dass die Menschen, wenn sie schon einmal in der Innenstadt seien, sich dort wohlfühlten. Sie müssten auch nicht immer nur kaufen, sondern sie sollten sehen, was Stuttgart alles zu bieten habe. Natürlich müsse am Ende der langen Einkaufsnacht der Umsatz stimmen. Dies sei bisher, außer bei sehr schlechtem Wetter, der Fall gewesen.

Sie habe bislang noch keinen Online-Marktplatz gefunden, der richtig funktioniere. Hier sollten eher die kleineren Fachhändler versuchen, über Einkaufsgenossenschaften und Verbünde innerhalb der Branche online an den Markt zu kommen. Als Beispiel nennt sie Lederwaren Acker, in dessen Einkaufsverbund für Lederwaren gemeinsam ein Online-Shop entwickelt worden sei.

Auf Nachfrage von StRin Porsch bestätigt sie den Rückgang der Mitgliederzahlen. Es gehöre nicht mehr unbedingt zum guten Ton, Mitglied in der CIS zu sein, sondern die Mitgliedschaft werde nach dem wirtschaftlichen Nutzen beurteilt.

Gegenüber StRin Yüksel legt sie dar, man müsse es den Kunden so leicht wie möglich machen - bei der Anreise, beim Parken und auch in der Stadt, z. B. durch kostenfreie Sitzgelegenheiten. Dies sowie Sauberkeit und Sicherheit unterstütze die CIS ohnehin. Mit Herrn Dellnitz von Stuttgart Marketing treffe sie sich in unregelmäßigen Abständen zum konstruktiven Gedankenaustausch.

StR Rudolf (CDU) weist darauf hin, dass in der folgenden Woche auf Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und SÖS-LINKE-PluS ein Zielbeschluss gefasst werden müsse. Mit diesem erschwere man dem Handel in der Innenstadt das Dasein. An StR Winter wendet er sich mit dem Hinweis, der von diesem angeregte Lieferservice führe zu zusätzlichem Verkehr, da derjenige, der ihn in Anspruch nehme, ja auch wieder nach Hause kommen müsse. Deshalb sei der Antrag nicht durchdacht. Die Reduzierung der Parkplätze sei ein Problem für den Handel in der Stadt. Das Ladensterben habe damit zu tun, dass die Menschen nicht dorthin kämen.

Diese Argumentation erscheine ihm, so StR Winter, wie ein Relikt aus lange vergangenen Zeiten. Man sehe die Fußgängerzonen - nicht nur in Stuttgart - aufblühen. Wenn jeder bis vor die Ladentür fahren wolle, entspreche dies Gedanken der 50er-Jahre, als man die ganze Stadt autogerecht geplant habe. Allmählich sei aber die Abkehr hiervon hin zu einem Raum festzustellen, in dem man sich gerne aufhalte, in dem man zu Fuß unterwegs sei. Natürlich müsse man weiterhin für ausreichend Parkplätze sorgen. Er habe nicht das Gefühl, dass in Stuttgart bei über 10.000 Plätzen in Parkhäusern und Tiefgaragen ein Mangel an Parkplätzen herrsche. Im Antrag gehe es um oberirdische Parkplätze, die die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum beeinträchtigten. Querungen wie z. B. die Bolzstraße, in denen gecruist werde, empfänden die Besucher der Stadt als nicht schön. Die Citylogistik müsse weiterentwickelt werden. Man könne den Online-Handel mit dem Einkaufserlebnis verbinden. Der Handel müsse dem Kunden vermitteln, dass er sich in der Stadt wohlfühle.

StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) weist auf die rasante Entwicklung europäischer Metropolen hin, wonach die Städte belebt, reaktiviert und revitalisiert werden sollten. Man müsse gar nicht nach Kopenhagen schauen, es reiche auch, nach Nürnberg mit seinen vollflächig ausgerollten Fußgängerbereichen zu blicken. In London habe man z. B. klar nachgewiesen, dass Fußgänger und Radfahrer eine deutlich höhere Kaufkraft in die Städte brächten als die Autofahrer. Damit sei die immer wieder vorgebrachte Kofferraumthese widerlegt. Die größte Gefahr für den Standort Stuttgart sei aus Sicht seiner Fraktionsgemeinschaft die Luftschadstoffbelastung. Das Auto sei die Ursache dafür, dass die Stadt an Attraktivität verliere. Mit dem interfraktionellen Antrag gebe man den stärksten Impuls für die City seit den 70er-Jahren, als die Königstraße in eine Fußgängerzone umgewandelt worden sei.

Wichtig ist für StR Klingler in erster Linie, dass die Menschen möglichst schnell in die City gelangten, dort einen Parkplatz fänden, sodass die Luft nicht durch den Parksuchverkehr belastet werde. Mit Blick auf die Fußgängerzonen widerspricht er StR Winter. Im Schaubild habe man doch sehen können, dass die Frequenzen in den Fußgängerzonen immer mehr abnähmen. Natürlich störe die Menschen die Bolzstraße und das Cruisen, und die Maßnahmen an der Theodor-Heuss-Straße seien richtig, dennoch müssten die Menschen in die Stadt kommen und ihre Einkäufe tätigen können.

Frau Fuchs betont, dass Stuttgart aufgrund seiner speziellen Topografie nicht mit anderen Städten zu vergleichen sei. Auf sehr begrenztem Raum fänden sehr viele konkurrierende Nutzungen statt. Sie wolle auch zu bedenken geben, dass Fußgänger z. B. auch Lastenräder als störend empfänden und umgekehrt. Das lasse sich gut auf der Mischfläche im Gerberviertel beobachten. Damit seien auch die Händler nicht besonders glücklich. Natürlich müsse man sich umschauen, was andere Städte machten, doch dürfe man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Der Gemeinderat habe es in der Hand, Flächen anzukaufen, um sie als - schön gestaltete - Logistikflächen zu nutzen. Sie bittet die Mitglieder des Ausschusses, mit Händlern zu sprechen, und dankt abschließend für die konstruktive Zusammenarbeit.

Auch EBM Föll dankt ihr für ihre Ausführungen und stellt Kenntnisnahme fest.
zum Seitenanfang