Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
365
2b
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.10.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Herr Hemmerich (ASW)
Protokollführung: Frau Klemm
Betreff: Weiteres Vorgehen Sperrung der Wilhelmsbrücke für den Kfz-Verkehr - mündlicher Bericht -

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 19.10.2021, öffentl., Nr. 342
Ergebnis: Zurückstellung

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform angehängt.

Herr Hemmerich berichtet im Sinne seiner Präsentation. Ergänzende Anmerkungen sind nachfolgend in zusammengefasster Form mit Verweis auf die jeweilige Foliennummer wiedergegeben.

Im Ideenwettbewerb für das Neckarknie (Folie 3) seien der Umgriff Seilerwasen und die beiden Bahnbrücken sowie das Rilling-Ufer enthalten gewesen. Das Thema Wilhelmsbrücke habe man seinerzeit offen formuliert. Alle Wettbewerbsbeiträge hätten letztlich die Brücke lediglich dem Fuß- und Radverkehr gewidmet. Folie 4 zeige eine Übersicht aller Brücken. "Gemeinsame Brücken" (violett) meinten eine Nutzung sowohl durch den Kfz-Verkehr und den ÖPNV als auch Rad- und Fußverkehr. Einer Untersuchung im Jahr 2017 (Folien 6 und 7, ohne Nummerierung) zufolge werde die Brücke in ihrer Verbindungsfunktion zwischen Neckarvorstadt und Altstadt Bad Cannstatt zu Hauptverkehrszeiten vornehmlich vom Fußverkehr genutzt. Dabei spiele auch der Bereich der Haltestelle Rosensteinbrücke eine Rolle. Die auf Folie 8 dargestellte umfangreiche Entlastung der Wilhelmsbrücke nach Fertigstellung des Rosensteintunnels werfe die Frage auf, ob diese weiterhin für den Kfz-Verkehr benötigt werde. Mit dem Prognose-Verkehrsmodell für die Friedrichswahl (Folie 9) sei der Planfall "Sperrung Wilhelmsbrücke" mit realisiertem Rosensteintunnel dargestellt. Die Entlastung der Brücke vom Kfz-Verkehr wirke sich weit über den direkten Brückenbereich hinaus beidseits positiv aus (Altenburger Steige, Wolfersberg, Überkinger und Waiblinger Straße). Der Verkehr bündele sich im Bereich des Rosensteintunnels, jedoch gebe es auch Verlagerungswirkungen auf einerseits die Reinhold-Maier-Brücke mit einer prognostizierten 10%igen Verkehrszunahme und andererseits eine vergleichsweise geringe Mehrbelastung im Bereich Pragstraße/Rosenstein-brücke, der ja gleichzeitig eine Entlastung durch den Rosensteintunnel erfahre. Für die Halden- und Wilhelmastraße hingegen sage die Modellrechnung eine Verkehrszunahme von ca. 25 bis 30 % voraus. Der Verkehrsversuch (Folien 10 ff.) werde im ersten Schritt mit Markierungen, Beschilderungen und kleinen baulichen Anpassungen in Form von 2 verklebten Pollern gestartet. Die heutige Fahrbahn werde dann als Radweg ausgewiesen. Die Aufenthaltsqualität rund um die Brücke deutlich zu verbessern (Folie 13, Ziffer 1.) erfordere eine langfristige bauliche Umgestaltung. Wesentlich im Rahmen des Verkehrsversuches sei die Frage nach einer Verkehrsverlagerung in das untergeordnete Straßennetz, worauf man ggfs. reagieren müsse. Verkehrsplanerisch könne man den Verkehrsversuch erst nach Inbetriebnahme des Rosensteintunnels (Anfang 2022) starten (Folie 14).

Ihren Dank für den Bericht und die Präsentation bekunden StR Peterhoff (90/GRÜNE), StRin Bulle-Schmid (CDU), StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), StR Serwani (FDP), StR Ozasek (PULS), StR Schrade (FW) und StR Goller (AfD).

Zustimmung zu der Planung signalisieren StR Peterhoff, StRin Kletzin (SPD), StR Pantisano, StR Serwani und StR Ozasek, wohingegen StRin Bulle-Schmid, StR Schrade und StR Goller erhebliche Zweifel äußern.

Man freue sich auf den Versuch, so StR Peterhoff. Er fasst den Sachverhalt kurz zusammen und betont, die Gesamtmaßnahmen würden künftig zu einer Aufwertung des Bereiches führen. Der durch den Rosensteintunnel dann stark reduzierte Verkehr auf der Wilhelmsbrücke könne ohne Weiteres auf die dann ebenfalls umfangreich entlastete, benachbarte Rosensteinbrücke verlagert werden. Wichtig sei seiner Fraktion, im Rahmen des Verkehrsversuches mit der Berücksichtigung der Zufluss-Straßen einen Schritt weiter zu denken und den Verkehr auf Prag- und Löwentorstraße inklusive einer Zufluss-Dosierung an der Kreuzung zu Am Wolfersberg einzubeziehen. Damit würde der Hallschlag deutlich entlastet, und die Buslinie 52 könne priorisiert werden. Die Veränderung an der Zufahrt Am Wolfersberg könne erst längerfristig realisiert werden, erklärt Herr Hemmerich. Ggfs. könne man eine kurzfristige Änderung der Signalschaltung am Löwentor mit dem Tiefbauamt ausloten. Es sei eine Begleitmaßnahme im Rahmen des Grundsatzbeschlusses zum Rosensteintunnel vorgesehen. Die Planung in diesem Bereich werde aber nochmals überarbeitet.

Des Weiteren schlägt StR Peterhoff vor, die im Plan dargestellten schraffierten Flächen (Sperrflächen) in der Brücken- und Überkinger Straße teilweise für die Pkw-Abbieger zu nutzen bzw. auf die andere Seite zu verlagern und damit Platz am Gehweg zu gewinnen. Auch StR Pantisano spricht sich für eine Überprüfung dieser Flächen aus. Die Sperrflächen könnten, erläutert Herr Hemmerich, nicht schon im Zuge der Versuchsphase verändert werden, da eine dadurch nötig werdende Umstellung der Signalanlage zu umfangreich sei. Perspektivisch jedoch und sollte sich der Verkehrsversuch bewähren, könne man sicher am Knotenpunkt die Fahrbahnbreiten reduzieren und die Sperrflächen den Seitenräumen zuordnen. Planerisch gehe man die Umgestaltung der Brückenstraße im Jahr 2022 unter Beteiligung der Bürgerschaft der Neckarvorstadt an, kommentiert Herr Hemmerich einen Vorschlag von StR Peterhoff. Mit der Umsetzung sehe er jedoch eher den Doppelhaushalt 2024/2025 tangiert. Einem Antrag der Mehrheit des Rates zufolge solle eine Gesamtplanung mit einer platzartigen Realisierung des Bereiches um die Kirche erfolgen. Zum Ende des Jahres 2022 und nach Vorliegen der Ergebnisse des Verkehrsversuches könne der weitere Planungsweg für die Brückenstraße und die Wilhelmsbrücke festgelegt werden.

Langfristig solle in einem baulichen Konzept die Aufenthaltsqualität verbessert werden, schließt StR Peterhoff seine Ausführungen ab, denen sich StR Serwani anschließt.

Einleitend hebt StRin Bulle-Schmid die nunmehr erkennbaren Vorteile des ursprünglich im Rat umstrittenen Rosensteintunnels hervor. Ihren folgenden Ausführungen schließt sich StR Schrade an. Die Schließung der Wilhelmsbrücke sei keine gute Politik für die Bürgerinnen und Bürger, zumal die Verkehrsuntersuchung eine lediglich geringe Radfahrerfrequenz ergeben habe. Durch die Trennung der Bad Cannstatter Altstadt von den jenseits der Brücke gelegenen Bereichen für den Pkw-Verkehr würden ältere und beeinträchtigte Menschen benachteiligt. Dies führe zu verstärkten Bewegungen in andere Stadtteile (Zuffenhausen), was im Sinne einer belebten Altstadt nicht gewünscht sein könne. Bauliche Umgestaltungen bereits vor der Versuchsauswertung lehne ihre Fraktion ab. Eine von ihr befürchtete verstärkte Alltagsbewegung der Bürger in andere Stadtteile (Zuffenhausen) kann sich StR Serwani nicht vorstellen.

Ihr fehle in der Präsentation, so StRin Bulle-Schmid weiter, die Darstellung der Auswirkungen um den Rosensteinbunker, ein bereits heutzutage für den Autoverkehr schwieriger Bereich. Durch den Rosensteintunnel werde es eine sehr starke Entlastungswirkung aus der heute stark frequentierten Schönestraße auf die Rosensteinbrücke geben, so Herr Hemmerich. Allerdings befinde man sich derzeit in einem Zwischenzustand, wo noch nicht alle Maßnahmen des Gesamtprojekts Rosensteintunnel realisiert seien (Rampe aus dem Rosensteintunnel auf die König-Karl-Brücke), auch wenn der Tunnel Anfang 2022 in Betrieb gehe. Im Bereich des Mineralbads Leuze werde man noch einige Baustellenzustände haben, während der Strom in Richtung Pragsattel sich größtenteils bereits in den Tunnel verlagere. In Gegenrichtung könne die Verlagerung noch nicht erfolgen. Das Rechtseinbiegen aus der Überkinger Straße auf die Rosensteinbrücke werde aber deutlich einfacher. Die Herangehensweise mit einem ergebnisoffenen Verkehrsversuch sei in Anbetracht dieses Zwischenstadiums der planerisch richtige Weg. Die Erhebungen würden unter Einbeziehung aller Knotenpunkte an einem regulären Werktag außerhalb der Ferien und in Wochen ohne Feiertag durchgeführt, beantwortet er eine weitere Frage von StRin Bulle-Schmid. Besonders berücksichtigt seien die Knoten Reinhold-Maier-Brücke/Neckartal-straße sowie Löwentorstraße/Neckartalstraße.

Freude über den Verkehrsversuch äußern StRin Kletzin und StR Pantisano für ihre Fraktionen. StRin Kletzin betont, nicht zuletzt aufgrund von Begleitmaßnahmen wie der Entlastung des Bereiches um die Wilhelmsbrücke habe man seinerzeit dem Bau des Rosensteintunnels zugestimmt. Die Sperrung der Brücke werde erst durch den Tunnel überhaupt möglich, und die Modellrechnung spreche für die Versuchsdurchführung. Gleichwohl findet sie es schwierig, im Vorfeld über Maßnahmen nach der versuchsweisen Sperrung zu diskutieren, ohne Ergebnisse zu kennen.

Auch er wolle die Ergebnisse des Versuches abwarten, so StR Serwani. Im Bezirksbeirat Stuttgart-Münster habe es einige kritische Anmerkungen zu der Planung gegeben, wobei die Entlastung durch den Rosensteintunnel durchaus positiv gesehen werde. Die Belastung der Haldenstraße hingegen sehe der Bezirksbeirat mit Besorgnis. Er schlage daher vor, besonders den Lkw-Verkehr bereits am Pragsattel so zu bündeln, dass die Löwentorstraße nicht belastet würde. Des Weiteren sei die Anbindung der EnBW angesprochen worden. Die Modellrechnung 2035 sei das aktuellste Modell, informiert Herr Hemmerich gegenüber StR Serwani auf dessen Frage, mit dem die gesamten Entwicklungen und Prognosewerte abgebildet seien, das aber naturgemäß nur einen Teil der Realität abbilden könne.

Bad Cannstatt erfahre einen großen Zugewinn an urbaner Qualität, findet StR Ozasek, und es werde eine Netzfunktion für Rad- und Fußverkehr hergestellt. Auch das trage zum Zusammenwachsen der Neckarvorstadt und der Altstadt Bad Cannstatt bei. Zudem erhoffe man sich eine deutliche Aufwertung durch die Ergebnisse des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs für das Neckarknie und das Sanierungsgebiet der Neckarvorstadt.

Es handele sich um einen Verkehrsversuch entgegen der Bedarfe, äußert sich StR Goller. Die Altstadt von Bad Cannstatt zu entlasten, habe durchaus eine Berechtigung. Den wesentlich geringeren Radverkehr gegenüber dem Pkw-Verkehr zu begünstigen, halte er jedoch für absurd. Auch er wende sich gegen die Forderung nach baulichen Veränderungen vor Feststehen der Ergebnisse des Versuchs. Im Gegensatz zu StR Peterhoff sehe er keine allgemeine, sondern eine Entlastung nur an dieser einen Stelle. StR Peterhoff entgegnet, die dargestellten Be- und Entlastungen bezögen sich auf die Zeit nach der Sperrung der Wilhelmsbrücke unter Einbeziehung des Rosensteintunnels. Die geringe Zahl der Pkw auf der Wilhelmsbrücke könne dann über die Rosensteinbrücke geführt werden. Der heute sparsame Radverkehr werde nach der Sperrung für Pkw deutlich zunehmen, was wiederum den Neckardamm entlaste und Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr verhindern helfe. Abschließend interessiert StR Goller eine Prognose zur tatsächlichen Belastung aller Straßen des dortigen Straßen- und eine Darstellung des Radwegenetzes. Beide Informationen reiche man nach, kündigt Herr Hemmerich an. Nur wenn diese Vorhersage eine deutliche Entlastung der heute belasteten Straßen zeige, könne er seine Zustimmung zu der Maßnahme geben, konstatiert StR Goller.

Anschließend beantragt StR Körner das Ende der Debatte gemäß Geschäftsordnung. Es erhebt sich kein Widerspruch.

Der Vorsitzende kündigt einen Bericht nach Ende des Verkehrsversuches an.

BM Pätzold stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik hat vom Bericht Kenntnis genommen.
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