Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
60
2
VerhandlungDrucksache:
212/2018
GZ:
OB
Sitzungstermin: 22.06.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Stuttgart auf dem Weg zur glyphosatfreien Stadt
- Änderungsantrag Nr. 116/2018 z. GRDrs 212/2018
(90/GRÜNE, SPD, SÖS-LINKE-PluS)
"Die Anwendung v. Glyphosat ideologiefrei beurteilen"
- Antrag Nr. 157/2018 (CDU)

Vorgang: Gemeinderat vom 25.01.2018, öffentlich, Nr. 11
Ergebnis: Vertagung

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 02.03.2018, öffentlich, Nr. 15
Ergebnis: Beschlussvorschlag im Gemeinderat

Gemeinderat vom 22.03.2018, öffentlich, Nr. 55
Gemeinderat vom 03.05.2018, öffentlich, Nr. 72
jeweiliges Ergebnis: Vertagung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 20.03.2018, GRDrs 212/2018, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart verfolgt das Ziel eine glyphosatfreie Stadt zu werden.

2. Auf städtischen Flächen etwa Parks, Grünanlagen und Friedhöfen findet daher bereits seit Sommer 2016 kein Glyphosateinsatz mehr statt.

3. Das städtische Weingut befindet sich im Übergang. Nachdem im Jahr 2017 ein mechanisches Unterstockgerät erworben wurde, sollen im Jahr 2018 die personellen Voraussetzungen geschaffen werden, die 11 ha Direktzuganlagen zukünftig herbizidfrei zu bewirtschaften. Bei 5 ha Terrassenweinbergen wird 2018 mit zwei unterschiedlichen Lösungsansätzen versucht, eine vollständig herbizidfreie Unterstockbehandlung zu erreichen.

4. Dem Einsatz glyphosathaltiger Herbizidprodukte zur Bewuchsbekämpfung der Schottergleise der SSB und des Stuttgarter Hafens wird unter der Maßgabe zugestimmt, dass der Umfang der Anwendung so gering wie möglich gehalten und fortlaufend nach Alternativen zur Bewuchsbekämpfung gesucht wird.

5. Der Glyphosateinsatz auf städtisch verpachteten Wiesen, Baumwiesen und Gartenland ist künftig vertraglich auszuschließen. Die Verwaltung wird beauftragt, die bestehenden Pachtverträge zum frühestmöglichen Zeitpunkt (in der Regel 01.11.2018) anzupassen bzw. neu abzuschließen.

6. Die Verwendung von Glyphosat auf städtisch verpachteten Obstbau-, Acker- und Weinbauflächen kann fortgesetzt werden. Die Landwirte werden jedoch aufgefordert, den Glyphosateinsatz, wo möglich, zu reduzieren.

7. Die Verwaltung wirbt bei Handel, Landwirtschaft und privaten Gartenbesitzern für die Zielsetzung eines glyphosatfreien Stuttgarts.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Weitere Beratungsunterlagen sind die im Betreff genannten Anträge. Sie sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


EBM Föll informiert, im Ältestenrat habe die Verwaltung mitgeteilt, dass die genannten Experten aus terminlichen Gründen nicht zur Verfügung stünden. Die Fraktionen hätten sich überwiegend darauf verständigt, auf eine Expertenanhörung zu verzichten und die Anträge im Ausschuss vorzubereiten. Mit Blick auf die Anträge erklärt er, er persönlich halte eine Genehmigung von Glyphosat durch die EU über 2022 hinaus für unwahrscheinlich. Dann werde man sich darauf einstellen müssen, dass andere Mittel mit anderer Wirkungsweise zugelassen würden. Wenn Pächter städtischer Weinberge ihre Grundstücke zurückgäben, werde die Verwaltung diese wie üblich öffentlich zur Verpachtung zu den neuen Rahmenbedingungen ausschreiben. Sollten sich darauf keine Pachtinteressenten melden, müsse man überlegen, wie die Weinberge auch künftig bewirtschaftet werden könnten.

Zu Antrag Nr. 116/2018 merkt er an, es gebe bislang weder in Amberg noch in einer anderen Gemeinde ein Prämiensystem für glyphosatfreien Anbau.

StRin Porsch (CDU) begründet den Antrag ihrer Fraktion und nimmt Stellung zum Antrag Nr. 116/2018. Mit Blick auf das städtische Weingut weist sie auf die relativ lange Übergangsphase von fünf Jahren hin. Zudem sei in den ersten Jahren mit einem deutlichen Qualitätsverlust bei erheblichem personellen Mehraufwand zu rechnen. Sie plädiert im Namen ihrer Fraktion dafür, den Winzern zu überlassen, wie sie ihre Weinberge bewirtschaften wollten. Grundsätzlich halte sie eine Differenzierung nach unterschiedlichen Flächen für wenig sinnvoll. Ihre Fraktion werde dem Änderungsantrag nicht zustimmen, sondern würde gerne die ursprüngliche GRDrs 212/2018 beschließen.

StRin Munk (90/GRÜNE) schildert in der Begründung des gemeinsamen Antrags Nr. 116/2018 zunächst die Wirkungsweise von Glyphosat. Dass es nicht ordnungsgemäß angewendet werde, zeige die Tatsache, dass es im Klärwerk ankomme. Alternativ stünden in der Landwirtschaft z. B. das Mulchen oder das Walzen der Deckfrucht zur Verfügung. Mit dem gemeinsamen Antrag beachte man das Vorsorgeprinzip und bringe die Landwirte frühzeitig auf den Weg zum Ausstieg.

Für seine Fraktion begründet StR Ehrlich (SPD) den gemeinsamen Antrag.

StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) begründet ebenfalls den gemeinsamen Antrag und äußert dabei auch Kritik am zögerlichen Vorgehen der Verwaltung. Die CDU-Fraktion blende in ihrem Antrag die langfristigen Konsequenzen der Verwendung von Glyphosat aus. Die Hälfte aller verfügbaren Studien weise eine Genotoxitität nach, weshalb die WHO Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft habe.

An dieser Stelle erinnert EBM Föll an die Geschäftsordnung, die die Redebeiträge auf drei Minuten begrenze. Darauf werde er im nächsten TOP achten.

StR Zaiß (FW) vermisst Sachkenntnis bei den Mitgliedern des Ausschusses. Er weist auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge hin. Glyphosat sei bisher zugelassen. Wenn es 2022 verboten werde, werde es von den Landwirten auch nicht mehr eingesetzt. Bis dahin würden sich andere Möglichkeiten finden. Für das Stuttgarter Weingut seien die finanziellen Folgen des Verbots von Glyphosat weniger dramatisch, da ggf. der Ausschuss diesem eine finanzielle Unterstützung der Stadt gewähre. Es gebe bereits einige brachliegende private Steilflächen. Er betont, in Stuttgart würden keine Erntegüter mit Glyphosat behandelt. Und eine Prämie für glyphosatfreien Anbau würde zum Verlust von EU-Geldern führen. Er widerspricht StRin Munk und führt aus, in Klärwerken habe man kein Glyphosat gefunden, da dieses auf dem Boden inaktiv werde. Wenn Glyphosat verboten werde, müsse dies im Übrigen für alle, also z. B. auch die SSB, gelten. Er könne den von der Verwaltung vorgeschlagenen Kompromiss mittragen.

Ihre Gruppierung vertrete hier verschiedene Meinungen, erklärt StRin Yüksel (FDP). Der Beschlussvorlage der Verwaltung hätten jedoch alle drei Mitglieder zustimmen können. Bei Ziffer 1 des Änderungsantrags Nr. 116/2018 halte sie die Ergänzung "unabhängig von der Entscheidung der EU" für überflüssig, die Frist 2022 sei ihr zu willkürlich gesetzt. Bei Ziffer 2 des Änderungsantrags bittet sie um Klarstellung, ob es sich bei "und wird 2019 glyphosatfrei sein" um eine Feststellung oder eine Zielsetzung handle. Der Ziffer 3 des Antrags Nr. 116/2018 könne ihre Gruppierung zustimmen. Zu Ziffer 4 des Antrags merkt sie an, das Prämiensystem könnte man durchaus einmal testen. Dabei weist sie darauf hin, dass es in Amberg nicht praktiziert werde. Nicht zustimmen könne ihre Gruppierung jedoch der Kündigung bestehender Pachtverträge.

StR Klingler (BZS23) bedauert, dass keine Experten vortragen konnten und auch nicht auf die Anschreiben des Bauernverbands eingegangen worden sei. Er weist darauf hin, dass bei einem Verbot von Glyphosat 40 % des Herbizidmarktanteils neu verteilt werden müssten. Er betont, dass der von der WHO festgelegte Grenzwert in Deutschland bei Weitem nicht erreicht werde. Den Änderungsantrag lehne er ab.

Vor der Abstimmung erklärt StR Winter (90/GRÜNE) zu Ziffer 4 des Änderungsantrags, den zweiten Absatz könne man streichen.


EBM Föll lässt abschließend über die einzelnen Ziffern des Änderungsantrags Nr. 116/2018 sowie die GRDrs 212/2018 abstimmen und stellt fest:

Ziffer 1 des Antrags: Der Ausschuss stimmt mit 9 Ja- und 8 Nein-Stimmen mehrheitlich zu.

Ziffer 2 des Antrags: Der Ausschuss stimmt mit 9 Ja- und 7 Nein-Stimmen bei 1 Enthaltung mehrheitlich zu.

Ziffer 3 des Antrags: Der Ausschuss stimmt mit 10 Ja- und 7 Nein-Stimmen mehrheitlich zu.

Ziffer 4 des Antrags: Dem ersten Absatz stimmt der Ausschuss mit 10 Ja- und 7 Nein-Stimmen mehrheitlich zu. Der zweite Absatz wird von den Antragstellern gestrichen. Den beiden letzten Absätzen stimmt der Ausschuss mit 9 Ja- und 8 Nein-Stimmen mehrheitlich zu.

Den unveränderten Ziffern 2, 5 und 7 der GRDrs 212/2018 stimmt der Ausschuss einmütig zu.


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