Aus Sicht der Sozialverwaltung ist es sinnvoll, dass der Prozess „Wohnung-S-Los! 2025“ in folgenden zwei Schritten erfolgt: · Interne Überprüfung der Strukturen der Wohnungsnotfallhilfe im Sozialamt · Externer Evaluations- und Moderationsprozess
Die beiden Schritte bauen inhaltlich aufeinander auf und bedingen sich gegenseitig.
1.1 Interner Prozess
Im ersten Schritt sollen neben der Stärkung der Prävention vor allem die Verbesserung und Schärfung der Fallsteuerung und der Belegungssteuerung sowie die Umsetzung neuer rechtlicher Vorgaben im Fokus stehen.
Dafür ist es erforderlich, die bestehenden Strukturen an neue Anforderungen anzupassen, indem zunächst eine Überprüfung der verwaltungsinternen Abläufe und Aufgabenverteilungen erfolgt. Hierzu wird derzeit ein Konzept für einen entsprechenden Organisationsentwicklungsprozess erarbeitet, der im Herbst 2021 starten soll. Ziel ist es, die vielen mit dem Thema betrauten Verwaltungseinheiten zu bündeln, die Strukturen zu verschlanken und die erforderlichen Ressourcen aufzuzeigen.
Um die o.g. und in GRDrs 648/2020 ausführlich dargestellten Ziele zu erreichen, sind bereits für die bevorstehende Umstrukturierung vor allem konzeptionelle und planerische Aufgaben notwendig. Die bestehenden Ressourcen im Sozialamt reichen hierfür aktuell nicht aus.
Dies betrifft insbesondere den Aufbau und die Weiterentwicklung der neuen Aufgabe des Fallmanagements im Sachgebiet Städtische Wohnungsnotfallhilfe des Sozialamtes. Durch den enormen Anstieg an Fällen von Wohnungslosen in den Sozialunterkünften und Notunterkünften und der notwendig gewordenen Einführung von Fallmanagement sind erhebliche zusätzliche Herausforderungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht entstanden. Nicht zuletzt die Klärung komplexer Fallbedingungen und die Koordination des Fallmanagements bei gleichzeitig steigenden Fallzahlen bedingen neue konzeptionelle, Leitungs- und Steuerungsaufgaben.
Eine weitere konzeptionell planerische Aufgabe, die für den Ausbau der Steuerbarkeit im Hilfesystem der Wohnungsnotfallhilfe zwingend erforderlich ist, besteht in der Umsetzung des zum 1. April 2020 in Kraft getretenen Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes (WoBerichtsG). Dieses verpflichtet die Landeshauptstadt Stuttgart zu einer jährlichen Datenerhebung in der Wohnungsnotfallhilfe. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit sollen die erfassten Daten außerdem für Planungszwecke des Sozialamts aufbereitet, analysiert und der Berichterstattung sowohl in Fachgremien als auch dem Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats zugrunde gelegt werden.
Die Aufbereitung der Datenbasis ist eine wichtige Voraussetzung für einen zielgerichteten Weiterentwicklungsprozess der Wohnungsnotfallhilfe in Stuttgart. Die Leistungsfähigkeit des Hilfesystems und damit der sozialen Infrastruktur in der Landeshauptstadt Stuttgart wird dadurch bedeutend verbessert. Auch diese neue Aufgabe ist im Sozialamt zu verorten und mit Ressourcen zu hinterlegen.
1.2 Externer Evaluations- und Moderationsprozess
Die Ergebnisse der internen Überprüfung der Strukturen im Sozialamt müssen anschließend in einem extern moderierten Prozess mit den bestehenden Beratungsstellen, Diensten und betreuten Wohnangeboten der Träger der Wohlfahrtspflege Stuttgart verzahnt werden.
Dafür ist zum einen eine externe Gesamtevaluation des Hilfesystems nötig. Mit ihr werden die Wirkungen der bestehenden Angebote (z. B. Fachberatungsstellen, Wohn- und Betreuungsformen) vor dem Hintergrund der in GRDrs 648/2020 beschriebenen aktuellen Entwicklungen in der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe überprüft (z. B. fehlender Anschlusswohnraum, lange Warte- und Überbrückungszeiten, Vermittlungswege, Hilfekette).
Anschließend soll das Ergebnis dieser Evaluation von der Sozialverwaltung und den Trägern der Wohlfahrtspflege Stuttgart mit externer Moderation gemeinsam in konkrete Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Hilfesystems der Wohnungsnotfallhilfe übertragen werden.
Beide Aufgaben (Evaluation und Moderation) sollen Inhalt der Ausschreibung sein (vgl. hierzu GRDrs 571/2019 „Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt Stuttgart – Ergebnisse“). Die öffentliche Ausschreibung soll zur Jahresmitte 2022 erfolgen, so dass unter Berücksichtigung der für den Bewerbungsprozess nötigen Fristen bis spätestens Jahresende 2022 mit der Evaluation begonnen werden kann.
Für die Evaluation und die anschließende Moderation der Umsetzungsvorschläge wird ein Zeitraum von ca. 18 Monaten benötigt. Über die Ergebnisse soll zur Sommerpause 2024 berichtet werden.
Mit dem Weiterentwicklungsprozess „Wohnung-S-Los! 2025“ sollen die Lebensbedingungen von Wohnungslosen in der Landeshauptstadt Stuttgart verbessert und Wohnungslosigkeit reduziert werden. Die Umsetzung trägt dazu bei, das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 1 „Keine Armut“ zu erreichen. Zudem stärkt der Prozess „Wohnung-S-Los! 2025“ die soziale Infrastruktur in der Landeshauptstadt Stuttgart, indem er das Hilfesystem der Wohnungsnotfallhilfe an aktuelle Entwicklungen anpasst und für zukünftige Herausforderungen vorbereitet. Dies trägt dazu bei, das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ zu erreichen.
Nach einer ersten Markterkundung werden die Kosten für die externe Evaluation und Moderation mit 250.000 EUR beziffert. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass Kosten in Höhe von 200.000 EUR im Jahr 2022 und von 50.000 EUR im Jahr 2023 anfallen werden. 2. Umsetzung des Fachkonzepts „Housing First“ Gemeinsam mit den Trägern der Wohlfahrtspflege Stuttgart, die in der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe aktiv sind, hat die Sozialplanung des Sozialamts ein Grundlagenkonzept für ein Modellprojekt „Housing First Stuttgart“ entwickelt (Anlage 2). Der Caritasverband für Stuttgart e.V. ist bereit, das Konzept in Kooperation mit der Ambulanten Hilfe e. V., der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. und der Sozialberatung Stuttgart e. V. umzusetzen. Federführung und Projektverantwortung sollen beim Caritasverband für Stuttgart e. V. liegen. Die Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe ist mit einer großen strukturellen Herausforderung konfrontiert: Knapper Wohnraum und eine wachsende Zahl an Wohnungslosen führen dazu, dass das System verstopft. Es kommen einerseits mehr Wohnungslose in die Unterbringungen und betreuten Wohnangebote und andererseits fällt es vielen Wohnungslosen, die bereits einen Platz in einem solchen Angebot haben (z. B. einer ambulant betreuen Wohngemeinschaft), immer schwerer, dieses Angebot nach Ende der Betreuung wieder zu verlassen, weil sie keine eigene Wohnung finden. Dadurch belegen sie Plätze für andere, nachrückende Wohnungslose. Es entstehen Wartelisten. Diese Menschen müssen zur Überbrückung z. B. in Notübernachtungen oder Sozialunterkünften untergebracht werden. Dort erhalten sie jedoch nicht jene Unterstützung, die sie wegen der sozialen Probleme, die zur Wohnungslosigkeit geführt haben, benötigen (z. B. Sucht, Schulden, psychische Erkrankungen, Gewalterfahrungen, vorangegangene Straffälligkeit). Ihre persönliche Situation verschlechtert sich und die Chancen, eine Wohnung zu finden, sinkt weiter. Ziele des Modellprojekts in der Landeshauptstadt Stuttgart Housing First setzt in Stuttgart an zwei Stellschrauben an: Die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligten Wohnungslosen werden bei der Wohnungssuche unterstützt (Wohnungsakquise) und in den Wohnungen wird zugleich Hilfestellung bei sozialen Problemen gegeben (u. a. durch niederschwellige soziale Arbeit). Housing First trägt dazu bei, das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 1 „Keine Armut“ zu erreichen, in dem es Wohnungslosigkeit bekämpft und die Lebenssituation Wohnungsloser nachhaltig verbessert und damit eine weitere Verschärfung individueller Armut verhindert. Das Modellprojekt führt dazu, dass das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 10 „Weniger Ungleichheiten“ angegangen wird, da Wohnungslosigkeit die soziale Teilhabe der Betroffenen sowie vor allem ihre Chancen massiv einschränkt, ihre sozialen Probleme aus eigener Kraft zu überwinden. Wohnungslosigkeit senkt z. B. deutlich die Chancen auf Wiederaufnahme einer Erwerbsarbeit. Das Projekt „Housing First Stuttgart“ ist zudem ein Beitrag, um die Ergebnisse der „Stuttgarter Armutskonferenz 2019 – Vernetzt gegen Armut“ umzusetzen. Die „Stuttgarter Armutskonferenz 2019 – Vernetzt gegen Armut“ wurde in enger Kooperation mit der Liga der Wohlfahrtspflege Stuttgart und unter einer intensiven Beteiligung von Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind, durchgeführt. Während der Stuttgarter Armutskonferenz 2019 wurden in den vier Handlungsfeldern Wohnraumversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildungschancen sowie soziale und kulturelle Teilhabe Handlungsempfehlungen erarbeitet (vgl. GRDrs. 606/2019 Ergebnisse der „Stuttgarter Armutskonferenz 2019 – Vernetzt gegen Armut“). Die Erprobung des Ansatzes Housing First in der Landeshauptstadt Stuttgart wurde von der Arbeitsgruppe Wohnraumversorgung diskutiert und befürwortet. Für die Durchführung des auf vier Jahre befristeten Projekts (2022 bis 2025) beantragt der Caritasverband für Stuttgart e. V. eine Fachstelle Immobilienmanagement (Eingruppierung E 12), drei Fachstellen Sozialarbeit (SuE 12) sowie im ersten Jahr eine Stelle Wohnhelfer (EG 2). Da zu erwarten ist, dass mit dem sukzessiven Ausbau von Housing First der Bedarf an Wohnhelfern kontinuierlich steigen wird, sollen die Wohnhelferstellen jährlich um eine Stelle erhöht werden, im letzten Jahr des Projekts bestünden also insgesamt vier Stellen (Anlage 1). Die Personalkosten könnten mit 90 %, max. den Kosten eines Arbeitsplatzes der Landeshauptstadt Stuttgart entsprechend den o. g. Eingruppierungen, gefördert werden. Die Sachkosten könnten je Vollzeitstelle und Jahr mit der Pauschale in Höhe von 4.600 EUR analog der in mehreren Förderfeldern (z. B. Sozialpsychiatrische und Gerontopsychiatrische Dienste, ambulante Suchtberatungsstellen) geltenden Sachkostenpauschale gefördert werden. Darüber hinaus könnte das noch anzumietende Büro mit 90 % der anfallenden Miet-, Mietneben- und Reinigungskosten, gedeckelt auf die Obergrenzen 16 EUR/m² für Kaltmiete, 4,50 EUR/m²/mtl. für Mietnebenkosten und 27,20 EUR/m²/Jahr für Reinigungskosten (analog der geltenden Obergrenze für die Reinigungskosten bei den Begegnungsstätten für Ältere) bezuschusst werden. An der Erstausstattung der Räumlichkeiten würde sich die Landeshauptstadt Stuttgart einmalig mit einem Zuschuss in Höhe von 40 % der förderfähigen Aufwendungen, max. 6.000 EUR, beteiligen. Die Projektkosten könnten in Form einer angebotsbezogenen Pauschale i. H. v. 10.000 EUR/Jahr gefördert werden. Daraus errechnet sich ein Förderbedarf von insgesamt rd. 390.000 EUR im Jahr 2022, von rd. 435.000 EUR im Jahr 2023, rd. 479.000 EUR im Jahr 2024 und rd. 522.000 EUR im Jahr 2025. Finanzielle Auswirkungen
Mitzeichnung der beteiligten Stellen Die Referate AKR und WFB haben Kenntnis genommen. Das Referat WFB ist mit Blick auf die angespannte Finanzsituation der LHS aber der Auffassung, dass 250.000 EUR für weitere Evaluationszwecke aktuell nicht dringend erforderlich sind und daher auch nicht für diesen Zweck bereitgestellt werden sollten. Ferner kann für das Modellprojekt "Housing First" eine vierjährige Projektdauer aktuell nicht befürwortet werden. Maximal vorstellbar wäre aus Sicht der Finanzverwaltung ein Zeitraum von drei Jahren (DHH 2022/2023 zzgl. Evaluation). Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen. Vorliegende Anträge/Anfragen --- Erledigte Anträge/Anfragen --- Dr. Alexandra Sußmann Bürgermeisterin Anlagen: 1. Housing First - Antrag des Trägers 2. Housing First - Konzeptionelle Rahmenbedingungen <Anlagen> zum Seitenanfang