Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 28.03.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Herr Möhrle, Herr Jordan (beide STRABAG Real Estate)
Protokollführung: Frau Klemm as
Betreff: Turm am Mailänder Platz - Sachstandsbericht zur
Fassade
- mündlicher Bericht der STRABAG AG -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform angehängt.


Zunächst berichtet Herr Jordan im Sinne seiner Präsentation. Ergänzende Anmerkungen sind nachfolgend in zusammengefasster Form mit Verweis auf die jeweilige Foliennummer wiedergegeben.

Im Wesentlichen, beginnt der Berichterstatter seinen Vortrag, gehe es beim Turm am Mailänder Platz um 2 Plattentypen bei der Fassade: Die glatten, sogenannten
fibreC-Platten und diejenigen mit Kunstrelief. Danach trägt er Details zu den insgesamt 3 Schadensfällen vor (Folie 3 ff.).


Schadensfall 1 - 28.06.2021 - Gewittersturm - Lösung zweier fibreC-Platten

Anstelle der geplanten Agraffen ohne Elastomer-Platte seien solche mit Elastomer-Platten geliefert worden. Zur Montage seien in der Folge zu kurze Schrauben (für
Agraffen ohne Elastomer-Platte) verwendet worden. Nach dem Schadensfall sei auf Anordnung des Baurechtsamts die Fassade zur Gefahrenabwehr sofort eingenetzt
worden und anschließend in den auf Folie 3 aufgeführten Schritten saniert worden
(Fotos s. Folie 4).


Schadensfall 2 - 07.04.2022 - Sturm - Absturz einer fibreC-Platte

Bei der Behebung des ersten Schadensfalls sei eine Platte nicht korrekt in die Unterkonstruktion eingehängt worden, d. h., die Platte sei nicht an allen Agraffen befestigt worden. Bei der erneuten Überprüfung auf Anordnung des Baurechtsamts mit Vernetzung der Fassade sei das Institut für Fassaden- & Befestigungstechnik (IFBT) Leipzig mit einbezogen worden. Die Fotos auf Folie 5 zeigen die Prüfarbeiten.

Schadensfall 3 - Juli 2022 - Auffälligkeiten bei der Prüfung - Rissbildungen an fibreC-Platten sowie
November 2022 - Rissbildungen an den Reliefplatten (Folie 6)

In der Folge der Auffälligkeiten habe das Nachbearbeitungskonzept erweitert werden müssen. Betroffene fibreC-Platten seien auf Austauschnotwendigkeit geprüft und schadhafte Platten sofort gesichert worden. Auch die Reliefplatten seien standsicher, sodass das Netz abgenommen worden sei. Es gehe nunmehr keine Gefahr mehr von jedweden Platten aus.

Die gerissenen fibreC-Platten würden wie auf Folie 6 dargestellt sukzessive und
"mieterschonend" bis November 2023 ausgetauscht. Bei ca. einem Drittel der Reliefplatten (94 Stück) werde derzeit ein Materialwechsel von Glasfaser-Beton zu Aluguss angestrebt, weil der Hersteller die Produktion der ursprünglichen Platten eingestellt
habe, die zudem noch wesentlich häufiger geprüft werden müssten. Vorteil der neuen Materialität sei die identische Optik zu den bisherigen Reliefplatten, sodass man derzeit überlege, alle Reliefplatten entsprechend auszutauschen. Fotos der Sanierungsarbeiten folgen mit Folie 7.


Mit einem zeitlichen Ausblick von März 2023 bis zum Abschluss des Austauschs im
November 2023 schließt Herr Jordan seinen Bericht ab.


Einhellig zeigen sich die Ausschussmitglieder bestürzt und verärgert. Im Verlauf der Aussprache stellt StRin Rühle (90/GRÜNE) den Antrag, den Sachverhalt dem Gestaltungsbeirat vorzustellen, um Alternativen auszuloten. StR Conzelmann (SPD) und StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) folgen dem, während StR Kotz (CDU) die Einschaltung des Gestaltungsbeirats für kritisch hält. Da jedoch aufgrund der derzeitigen Mängelbeseitigungs- und Regressphase eine grundsätzliche Veränderung der Fassade ohnehin nicht zur Debatte steht, wird über den Antrag nicht abgestimmt.

StRin Rühle bedankt sich für den Vortrag, äußert jedoch deutlich ihre Verwunderung über die ihrer Meinung nach nicht nachvollziehbaren Fehler. Es sei ein Glück, dass es nicht zu Personenschäden gekommen sei. Stadtgestalterisch sei die Situation katastrophal - komme man doch von einem Wettbewerbsergebnis eines Vorzeigeprojekts mit einer begrünten Fassade und lande nun bei Aluguss-Platten. Das Ergebnis sei eine "Riesen-Peinlichkeit" und der Turm optisch bisher schon nicht überragend, ganz abgesehen von der Umweltverträglichkeit von Aluguss-Platten.


Die Situation könne kaum nachvollzogen werden, so StR Kotz. Vom Wettbewerb bis zum heutigen Stand der Dinge sei nahezu alles schiefgelaufen, was schieflaufen könne, und die Fassade sei bedauerlicherweise städtebaulich verloren. Der Stadtrat fragt sich, ob die Aluguss-Platten tatsächlich optisch keinen Unterschied zu den jetzigen Reliefplatten machten. Die ausführenden Unternehmen beständen noch, so Herr Möhrle ihm gegenüber. Eines davon sei der Generalunternehmer, Eduard Züblin, eine sehr solvente, STRABAG-eigene Firma mit einem weiteren Nachunternehmen.

StR Conzelmann hält den Gestaltungsbeirat für sehr wichtig. Gehe man von der Materialität ohnehin in eine komplett andere Richtung, könne das auch eine Chance sein.
Dabei könne der Beirat durchaus hilfreich sein.


Seinen Vorredner*innen schließt sich StR Pantisano an. Der größte Schadensfall sei das Gebäude mit seiner Fassade an sich. So wie jetzt - u. a. mit den versetzt gestalteten Fenstern - könne das Gebäude - zumal direkt neben der viel beachteten Stadtbibliothek - nicht stehen bleiben. Insofern befürworte er eine grundsätzliche Überlegung zur Umgestaltung, auch im Sinne der Verantwortung gegenüber der Stadt.

StR Dr. Mayer (AfD) bedankt sich für die schonungslose Darstellung der Schäden.
Allerdings lasse sich über Geschmack bekanntlich streiten, meint er, und ob ein 60 m hoher Turm überhaupt begrünbar sei, müsse von Experten beurteilt werden. Die Hauptsache sei die Haltbarkeit und Sicherheit der Platten und in dieser Hinsicht vertraue er den verantwortlichen Unternehmen.


Es meldet sich die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Frau Kienzle, zu Wort. Der Bezirksbeirat habe sehr für die Fassadenbegrünung gekämpft, um gerade dort in der "Betonstadt" eine Überhitzung zu vermeiden. Verwundert sei man gewesen, dass der Gemeinderat sich zunächst dafür ausgesprochen und später aus Kostengründen die Begrünung letztlich versagt habe. Gleichermaßen sei es ein Schlag ins Gesicht derer gewesen, die eine begrünte Fassade vorgeschlagen hätten und nicht zum Zuge gekommen seien. Insofern finde sie einerseits die Konsultation des Gestaltungsbeirats und andererseits ein Gespräch mit Herrn Ingenhoven sinnvoll. Eine begrünte Fassade könne auch ein Signal aus Stuttgart heraus sein, wie man anders mit solchen Hochbauten umgehen kann.

Herr Möhrle nimmt anschließend zu den verschiedenen Wortmeldungen Stellung. Die Fassade werde nach wie vor kontrovers diskutiert. Er schildert nochmals kurz die
Historie vom Erwerb des Grundstücks von der Deutsche Bahn AG (DB AG) über die Auslobung des Wettbewerbs bis hin zur Wahl des Siegers, dem Architekturbüro RKW Architektur + (Düsseldorf), mit einer grünen Fassade. Diese sei auch so geplant
worden, habe aber aufgrund der deutschen Vorschriften nicht realisiert werden können. Die Fassade sei aber bereits mit dem gekürten Entwurf geplant gewesen, sodass man den Wegfall der Grünelemente kompensiert habe. In Abstimmung mit der Stadt
Stuttgart habe man für diese entstandenen "Lücken" einen erneuten Wettbewerb
ausgelobt, mit dem Ergebnis der Fassade mit Reliefplatten. Es sei auch ein Ratsmitglied zur Ansicht eines Musterexemplars anwesend gewesen. Insofern wolle sein
Unternehmen an der Optik nichts verändern. Er könne nachvollziehen, dass die Fassade polarisiere, man müsse aber sehen, dass man sich im Prozess eines Sanierungsfalls bewege. Vertragsgemäß müsse die Sanierung durch die ursprünglich gewählten Unternehmen ausgeführt werden. Im Übrigen könne man sich keinen Verzug mehr leisten, wolle man doch die Fassade bis Ende 2023 fertigstellen.


Der Vorsitzende stellt klar, die grüne Fassade sei an den Brandschutzanforderungen im Hochhausbereich gescheitert. Des Weiteren bestätigt er die Regresspflicht der ausführenden Unternehmen. In der jetzigen Phase von Mängelbeseitigung und Regress sei vertraglich keine andere Gestaltung möglich. Der Schaden müsse von der ausführenden Firma beseitigt werden. Erneut bekräftigt er diese Aussage, als StR Conzelmann noch in den Raum stellt, das Aufsuchen des Gestaltungsbeirats sei davon unabhängig. Es schade nicht, sich dessen Gedanken und Ideen anzuhören, die man ggf. im Rahmen des Regresses ohne große Zusatzkosten umsetzen könne.

Auch StR Pantisano meint, hier könne durchaus noch interveniert werden, wenn die Sanierungsarbeiten nicht den gewünschten Erfolg oder gar eine Verschlechterung brächten. Damit verschlechtere sich auch die Qualität der im Turm ansässigen und teils hochpreisigen Hotels. Ihn interessiere deren Umgang mit der misslichen Situation.

Dazu erläutert Herr Möhrle, es gehe um das Premier Inn (Short Stay, ca. 2 bis 3 Sterne) sowie um das Hotel Adina (4,5 bis 5 Sterne) mit einem Long-Stay-Konzept. Beide Häuser lebten von der ausgezeichneten Lage und die Auslastung sei sehr gut. Gleichwohl störe man sich an den ständigen Fassadenarbeiten und wolle die Situation beruhigen.

Das sei durchaus verständlich, meint StRin Rühle. Für die Stadt aber müssten der
Städtebau und die Optik im Vordergrund stehen.


Der Vorsitzende beendet die Diskussion: Man müsse die unbefriedigende Situation
akzeptieren, auch um weitere Schäden und damit verbundene Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Er hoffe trotz allem auf einen erfolgreichen Abschluss der Sanierungsarbeiten.



BM Pätzold stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik hat vom Bericht Kenntnis genommen.

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