Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
1519/2019
GZ:
SWU
Sitzungstermin: 28.01.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: IBA-Projekt des Kommunalen Arbeitskreises Filder
Living Lab/Stadt-Landwirtschaft und Klima

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 13.01.2020, GRDrs 1519/2019. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


StRin Schiener (90/GRÜNE) findet, die Mitteilungsvorlage sei nicht immer verständlich und nachvollziehbar, enthalte dafür aber aus ihrer Sicht wohlklingende Floskeln. Die Idee zu diesem IBA-Projekt des Kommunalen Arbeitskreises Filder (KAF) "Living Lab/Stadt - Landwirtschaft und Klima" könnte an sich interessant sein, jedoch dürfe man den Hintergrund - die Filderstudie - nicht aus dem Blick verlieren. Diese Filderstudie möchte Bauflächen auf den Fildern. Auch in der Vorlage sei die Rede von Landwirtschaft in Konkurrenz zu Siedlungs- und Verkehrsflächen. Landwirtschaft auf kleinerer Fläche bedeute jedoch letztendlich, dass die landwirtschaftliche Fläche zurückgedrängt werden soll, obwohl diese wichtig sei für die Klimafunktion und die Fildern die beste Bodenqualität haben. Laut den Sitzungsprotokollen der KAF sind zu viele Landschaftsschutzgebiete dort ausgewiesen und es gebe nicht genug Ausgleichsflächen, was das Bauen erschwere. Deswegen spreche man von einer neuen Art von Ausgleichsflächen, nämlich die Reduzierung von Landwirtschaft auf Grünbrücken. Ihre Fraktion lege Wert darauf, dass diese an sich erwünschten Grünbrücken nicht auf Kosten der Reduzierung von Filderböden geschaffen werden. Ihre Fraktion sage Ja zu diesem Forschungsprojekt, sehe aber ansonsten keine Verbindung was die Reduzierung der landwirtschaftlichen Fläche angeht.

StR Dr. Vetter (CDU) hält den Ansatz dieses Projekts, nämlich auf kleineren Flächen effizienter Landwirtschaft zu betreiben, für sehr innovativ, da er zugleich verspreche, ressourcenschonend sowie widerstandsfähig gegenüber Starkregen und Hitzeperioden zu sein. Er biete eine Chance, darüber nachzudenken, ob man nicht nur beim Wohnen in die Höhe geht, sondern auch in der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse vertikal zu gehen. Die IBA hätte aus Sicht des Stadtrats eine schöne Chance geboten, diese Grünbrücke nicht nur als virtuelles Grünbrücken-Projekt zu realisieren, sondern als tatsächliches Projekt. Er habe daher bedauert, dass die beteiligten Partner sich nicht darauf verständigen konnten, sondern nunmehr sich nur der kleinste gemeinsame Nenner widerspiegelt.

StR Ozasek (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) teilt die Einschätzung von StRin Schiener den Hintergrund, die IBA-Projekt-Idee der KAF, betreffend. Die Teilraumuntersuchung Filder verfolge letztendlich das Ziel einer Dichtestrategie auf den Fildern und eröffne damit einen "knallharten Konflikt um Fläche". Es gehe darum, einen großen Gewerbegürtel um den Flughafen herum auf besten Filderböden entstehen zu lassen, "die Mobilitätsdrehscheibe Filder und all diese Bausteine, die hier in der Diskussion sich befinden". Es gebe in dieser Teilraumuntersuchung Filder keine Dichtestrategie, die sich rein auf die Innenentwicklung konzentriert, sondern brauche im Wesentlichen eine Entwicklung auf dem Freiraum - auf fruchtbaren Böden mit all den schutzwürdigen Funktionen, die dieser Boden hat. Auch der Filderboden stehe bereits unter Stress durch den Klimawandel. Vor dem Hintergrund dieser Teilraumuntersuchung könne man das Living Lab/Stadt - Landwirtschaft und Klima nicht einfach herauslösen und dem Projekt den politischen Segen geben. Vielmehr müsse man einen Generationenvertrag erfüllen, nämlich für künftige Generationen eine Lebensmittelversorgung sicherstellen. Daher könne man diese Böden nicht opfern durch Digitalisierungsstrategien oder Agro-Food-Parks, Aquaponic-Systeme usw.

StRin Schanbacher (SPD) plädiert dafür, sich mit den verschiedenen Flächenansprüchen, die dort vorherrschen, auseinanderzusetzen. Die Vorlage zeige, dass im Entwurf der Projektstruktur diese verschiedenen Ebenen auch abgebildet sind und vorgesehen sei, dieses Thema offen auf den Tisch zu bringen. Der Klimawandel fordere die Gesellschaft heraus, ein Umdenken einzuleiten. Sie spricht sich dafür aus, die Expertise der Uni Hohenheim zu nutzen, was die Filderböden in Zukunft brauchen, damit sie weiterhin bestehen können. Ein Projekt müsse einen einzigartigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Region darstellen, um ein IBA-Projekt werden zu können. Dies sei aus Sicht ihrer Fraktion hier der Fall. Auch hoffe man, dass bis 2027 sich etwas in Sachen Realisierung bewegt. Man halte die Living Labs für einen richtig guten Ansatz, um den Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu machen, was alles möglich ist. Durch die Expertise der Uni Hohenheim erwarte man sich kreative Ansätze. Daher drücke man die Daumen, damit das Projekt tatsächlich kommt.

Auch die FDP unterstütze das Projekt und halte es für sehr interessant, so StR Serwani (FDP). StR Zeeb (FW) ist der Meinung, trotz aller vorgetragenen Aspekte, deren Bedenken man ernstnehmen müsse, sehe man in diesem Projekt auch die Chance, die kritischen Punkte zu befördern und im Kontext mit der IBA einer öffentlichen Diskussion zu unterwerfen. Seine Fraktion halte das Projekt für eine gute Sache. Dem schließt sich StR Dr. Mayer (AfD) an.

StRin Köngeter (PULS) spricht Seite 4 der Anlage 2 zur Vorlage an und bekräftigt den dortigen letzten Punkt. Der Fraktionsgemeinschaft sei es besonders wichtig, dass die Frage geklärt wird, welche prototypischen und effizienten Klimaschutz-Maßnahmen sich in der Filderregion bis 2027 sowohl im Freiraum und Landwirtschaftsraum als auch in Siedlungsbereichen umsetzen lassen. Gleichzeitig teile sie die Stimmen, die sagen, dies dürfe nicht zulasten der Filderböden passieren. Sehr wohl können Aquaponik-Systeme dagegen z. B. auf einem Parkhausdach passieren.

BM Pätzold fasst den Inhalt der Mitteilungsvorlage zusammen und betont, es gehe um den größten gemeinsamen Nenner der Filderkommunen, nämlich um die Landwirtschaft und die Frage, wie kann die Landwirtschaft in Zukunft weiterhin zur Lebensmittelversorgung des Großraums dienen? Da dies eine entscheidende Frage sei, werde die Uni Hohenheim eingebunden. Auch werde ein Freiraumplanungsbüro gesucht und nicht ein Stadtplaner. Das Thema vertical farming bedeute, wie kann man die Effizienz dort steigern? So rede man beispielsweise von Freiflächen-PV-Anlagen über landwirtschaftlichen Flächen. Beim Thema Klimaschutz habe der Rat lange diskutiert über den CO2-Abdruck. Daher könne er die Argumentation von StR Ozasek nicht verstehen, weil die Lebensmittelproduktion nahe an der Stadt ein wichtiges Thema sei und Verkehr und Transportwege dadurch verringert werden. Die Filderkommunen hätten sich lange darüber unterhalten, ob sie ein Projekt - auch ein Bauprojekt - einreichen wollen. Es gebe nun keine Bauprojekte außer vielleicht der Grünbrücke, deren Lage jedoch offen sei. Einige Mitglieder des Rates seien auch Mitglieder im KAF, sodass das Thema dort auf die Tagesordnung gebracht werden könne. Gerne gebe er weiter, dass die Uni Hohenheim als Projektpartner dort einmal darstellt, in welche Richtung es gehen könnte.

Er teile im Moment nicht die Angst, dass man sich darüber unterhält, wo wird dort gebaut. Sehr gut finde er, dass man sich beim zentralen Thema - Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion auf den Fildern - geeinigt hat und nun schaut, wie kann das ein Thema für eine Bauausstellung sein. "Hier geht es eigentlich darum, wie geht man mit dem Thema Grün um und wie kann die Landwirtschaft dem Klimawandel begegnen? Und die einfache Antwort heißt nicht, 'wir bewässern einfach', sondern die Antwort wird sein, 'wie kann man diese Flächen weiterentwickeln'." Mit den Reallaboren habe man die Möglichkeit, etwas umzusetzen, zu zeigen, was geht und was vielleicht noch weiter ausprobiert werden muss. Die Verwaltung halte die Projektidee für sehr gut und halte es für einen Erfolg, alle Kommunen dafür unter ein Dach bekommen zu haben. Er empfehle daher, die Möglichkeit zu nutzen, diese Themen in den Gremien des KAF zu diskutieren.

StRin Schiener stellt klar, man halte die IBA-Projektidee des Forschungsprojekts auch für gut - "aber als Zusatz, und nicht mit dem Hintergrund, wie es in der Vorlage teilweise drinsteht, dass man dann eben die Filderböden irgendwann reduziert". StR Ozasek pflichtet dem bei und verweist auf die derzeitigen Diskussionen über Strukturwandel, aus dem ein erheblicher Zusatzbedarf an Flächen für die Industrie resultiere. Dies werde nun schön eingekleidet in das Living Lab, zu dem vieles richtig ausgeführt werde. Die Diskussion um urban farming, um Lebensmittelversorgung, sollte aber innerhalb der Stadt geführt und nicht auf die Fildern ausgelagert werden. "Wie nutzen wir hier die Dachflächen? Haben wir dort die Möglichkeit, um in irgendeiner Weise Lebensmittel zu erzeugen? Was ist mit den UG-Flächen - Fischzucht, Algenproduktion und ähnliches mehr?" Die Stuttgarter Agenda sei die einer konsequenten Innenentwicklungsstrategie und diese Linie versuche der Gemeinderat zu halten. Größte Bedenken habe man aber im Hinblick auf die Entwicklung auf den Fildern, weshalb man sehr genau darauf achten werde, was dort passiert, und zwar auch im Kontext mit IBA-Projekten.

StR Zeeb dankt für diese Klarstellungen. Aus seiner Sicht sollte der Ausschuss ein so wichtiges und spannendes Thema nicht zerreden. Er schlägt vor, dass man die hohe Bedeutung und Wertigkeit der Filderböden und deren Schutz im Rahmen des heutigen Protokolls deutlich hervorstellt.

Nach dem Eindruck von StR Dr. Mayer wollen einige im Ausschuss das Ergebnis des Forschungsprojektes vorwegnehmen. Dagegen wendet er sich. Vielmehr sollte man ergebnisoffen forschen und entwickeln lassen.


Der Vorsitzende stellt abschließend fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik, dem der Schutz und die Wertigkeit der Filderböden sehr am Herzen liegt, hat von der GRDrs 1519/2019 Kenntnis genommen.

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