Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 217/2023
Stuttgart,
04/18/2023



Superblock West - Verkehrsversuch
Veränderung der Verkehrsführung in der Augustenstraße zwischen Schwab- und Silberburgstraße




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Bezirksbeirat West
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Einbringung
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
02.05.2023
02.05.2023
09.05.2023



Beschlußantrag:


1. Dem Möblierungskonzept wird grundsätzlich zugestimmt.

2. Um die verkehrsrelevanten Auswirkung zu ermitteln, wird für den Verkehrsversuch durch verkehrsrechtliche Anordnung nach § 45 Absatz 1b Satz 1 Ziffer 5 zweite Alternative StVO i. V. m. § 45 Absatz 1b Satz 2 StVO und i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 zweiter Halbsatz StVO zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung das Einvernehmen erteilt. Dafür wird an vier Kreuzungspunkten der Durchgangsverkehr unterbunden und ein Einbahnstraßenverkehrssystem eingeführt.

3. Der Anmietung von Gartenelementen der Firma MobiGa sowie der Firma CityDecks für eine Dauer von 17 Monaten wird zugestimmt.

4. Die laufende Unterhaltung der Gartenelemente (Wasserbefüllung, Personal- und Fahrzeugkosten) wird durch die AWS durchgeführt.

5. Der Kostenübernahme i. H. v. 90.000 EUR für die Anmietung und der laufenden
Unterhaltung der Gartenelemente wird zugestimmt.




Begründung:


Das Konzept "Superblocks" wurde in Barcelona als neues Instrument der Stadtgestaltung entwickelt. Dabei werden mehrere Häuserblöcke zu einem sogenannten Superblock (span. Superilla) zusammengefasst. Die Straßen werden zu einspurigen Einbahnstraßen umgewandelt, was Freiflächen generiert. Diese Flächen können beispielsweise für Bäume und Bänke genutzt oder das Angebot für Rad- und Fußverkehr verbessert werden. Zudem wird der Durchgangsverkehr stark reduziert, was die Lärm- und Schadstoffbelastung mindert.
Von Seiten der Anwohnerschaft in der Augustenstraße kam der Wunsch nach einem eigenen "Superblock" in Stuttgart West auf. Die daraufhin gegründete Initiative Quartierswerkstatt Augustenstraße e. V. initiierte zur Mobilitätswoche 2021 einen "Pop-up Superblock". Gründe hierfür waren der hohe Anteil an Durchgangsverkehr, keine Möglichkeit der Klimaanpassung und die Verbesserung der nachbarschaftlichen Verhältnisse als Beitrag zu einer modernen und resilienten Stadt.

Mit der Einrichtung des Superblocks in der Augustenstraße kann das Wohnumfeld spürbar verbessert werden. Die Einführung einer Einbahnstraßenregelung macht eine Reduzierung der Verkehrsflächen möglich. Dadurch entsteht mehr Raum für Begrünungsmaßnahmen, Aufenthaltszonen und nachhaltige Mobilität. Demzufolge sind positive kühlende Klimaeffekte zu erwarten, was für die Gesellschaft von Bedeutung ist. Die geplante Verkehrsführung schafft Möglichkeitsräume für eine soziale Teilhabe und Inklusion.

Im Anschluss an den politischen Beschluss am 09.05.2023 kann der Verkehrszeichenplan des Verkehrsversuchs verkehrsrechtlich angeordnet werden. Sodann erfolgt die Ausführungsplanung, Ausschreibung, Vergabe und Umsetzung der Maßnahme. Der Beginn des Verkehrsversuchs ist im Frühjahr 2024.

Der Verkehrsversuch wird gutachterlich und wissenschaftlich begleitet, beforscht und evaluiert. Neben den Verkehrserhebungen und dem Beteiligungsverfahren, wurden auch andere wichtige Planungsbeteiligte befragt, so wurden Gespräche mit der SSB, der Branddirektion, der städtischen Verkehrsüberwachung und der Polizei geführt. Die genannten Beteiligten werden auch während des Versuchs einbezogen und um Stellungnahme gebeten. Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit ist die kontinuierliche Weitergabe von aktuellen Projektinformationen über die Projekthomepage (www.stuttgart-meine-stadt.de). Für Anregungen und Kritik können sich die Bürgerinnen und Bürger über das Beschwerdemanagement der Stadt Stuttgart oder die projektspezifischen Kontaktdaten jederzeit rückmelden. Eine zeitnahe Beantwortung der Eingaben von
Seiten der Stadtverwaltung ist vorgesehen. Dadurch soll die Akzeptanz des Verkehrsversuchs aussagekräftig abgebildet werden.

Verkehrskonzept/Verkehrsversuch
Das Plangebiet des Superblocks schließt insgesamt zehn Baublöcke ein. Die Baublöcke werden im Norden und Süden durch die Rotebühlstraße und Reinsburgstraße sowie im Osten und Westen durch die Silberburgstraße und Schwabstraße begrenzt. Die Augustenstraße durchläuft in zentraler Längsausrichtung den zusammengefassten Block. Innerhalb des Superblocks befinden sich folgende vier Querstraßen: Hermannstraße, Senefelderstraße, Hasenbergstraße und Reuchlinstraße.

Zentrale verkehrsplanerische Elemente des Verkehrsversuchs sind die Einrichtung von Diagonalsperren an den jeweiligen vier Knotenpunkten im Plangebiet und die Einführung eines Einbahnstraßensystems. Das Ziel der verkehrsrechtlichen Anordnung des Verkehrsversuchs besteht darin, die Verkehrsbelastung zu verringern, die Bewohnerschaft vor Lärm und Abgasen zu schützen sowie die Verkehrssicherheit weitergehend zu verbessern. Der städtebauliche Mehrwert ist mit den genannten Maßnahmen zu erreichen.

Aufgrund des Einbahnstraßensystems können die freiwerdenden Flächen zur Aufenthaltszonen temporär umgestaltet werden. Um eine geordnete städtebauliche Entwicklung begründen zu können, sollen zunächst in einem ca. 1,5 Jahre andauernden Verkehrsversuch die verkehrlichen Auswirkungen erforscht werden. Der Schwerpunkt der vorgesehenen versuchsbegleitenden Verkehrsuntersuchungen liegt auf dem Abgleich der prognostizierten Auswirkungen der Voruntersuchungen mit den tatsächlichen Folgen des Verkehrsversuchs. Besonders werden dabei die Verlagerungseffekte und die Parkraumauslastung betrachtet.

Für die Vorbereitung, Dokumentation und Auswertung der verkehrsbehördlichen Anordnung wurde das Büro BrennerPlan aus Stuttgart beauftragt. Die Konzeption des Vorhabens wurde in Form eines Gutachtens bereits fertiggestellt (Anlage 1).

Wesentliche Elemente und Folgen der neuen verkehrsbehördlichen Anordnung sind:

Fazit des Gutachtens
Durch die Einrichtung des angedachten Superblocks bleibt die Leistungsfähigkeit der umgebenden signalisierten Knotenpunkte auch nach der Verlagerung des Durchgangsverkehrs erhalten.



Möblierungskonzept/Stadtgestaltung
Zur Begrünung und Steigerung der Aufenthaltsqualität werden während dem Verkehrsversuch, mobile Garten- und Sitzelemente aufgestellt. Die Einrichtung zielt darauf ab, den Aufbau des Verkehrsversuchs möglichst flexibel zu gestalten, um ihn bei Bedarf anpassen zu können.

Wesentliche Elemente des Möblierungskonzepts sind:

Die Möblierungselemente werden durch die Stadt angemietet. Dazu gehören die begrünten Gartenelemente, Parkletkombinationen, Stadtterrassen und Infostelen. Im Mietvertrag ist ein Pflegepaket enthalten, dadurch sind die Pflege und Instandhaltung gesichert. Die fünf Gartenelemente verfügen jeweils über einen eigenen Wassertank. In die Tanks wird Regenwasser eingeleitet, dennoch müssen die Tanks ca. einmal im Monat befüllt werden, was die AWS übernimmt. Die Bereitstellung und Pflege der acht Pflanzkübel an den Diagonalsperren übernimmt das Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurden Gastronomiebetriebe aufgerufen, sich am Versuchsaufbau zu beteiligen. Bisher möchten drei Betriebe eine Außengastronomie beantragen.

Bürgerbeteiligung
Da die Konzeption des „Superblocks“ eine tiefgreifende Änderung der Verkehrssituation hervorruft und damit starken Einfluss auf die Mobilitätsgewohnheiten der Anwohnenden hat, sollen die Bürgerinnen und Bürger auf lokaler Ebene in den Prozess eingebunden werden. Der Bürgerbeteiligungsprozess soll die Akzeptanz dieser verkehrlichen Maßnahme steigern und Lust auf eine Umgestaltung des Quartiers machen. Zusätzlich soll sichtbar gemacht werden, unter welchen Voraussetzungen eine dauerhafte Umgestaltung, aus Sicht der Anwohnenden, gelingen kann. Zur Durchführung des Beteiligungsverfahrens wurde das Institut Stadt | Mobilität | Energie (ISME) aus Stuttgart beauftragt.

Die Auftaktveranstaltung fand im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche am
18. September 2022 im Kulturzentrum Merlin statt. Ebenfalls zur Europäischen Mobilitätswoche 2022 wurde im Merlin ein Info-Café eingerichtet, welches von 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet war. Während der Öffnungszeiten waren Vertreterinnen und Vertreter des Planungsteams anwesend, um Fragen der Anwohnenden zu beantworten.
Die Gewerbetreibenden im Projektgebiet wurden für den 15. November 2022 im Rahmen des Ausschusses "Zukunft der Mobilität in Stuttgart-West" zu einem offenen Austausch eingeladen.

Für Interessierte bestand außerdem die Möglichkeit, sich online (stuttgart-meine-stadt) über das Projekt, dessen aktuellen Planungsstand und die Beteiligungsformate zu informieren. Außerdem konnten Interessierte vom 19. September bis einschließlich
31. Dezember 2022 auf einer Interaktiven Karte über die Homepage stuttgart-meine-stadt ihre Anregungen oder Kritik online verorten. Die Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger wurden in Form von FAQ aufgearbeitet und auf der Homepage veröffentlicht.

Zusätzlich wurde durch das Büro ISME GmbH eine eigene Projekt-E-Mail-Adresse eingerichtet, an die jederzeit Fragen, Anregungen und Kritik gerichtet werden können. Außerdem wurde auf der Homepage stuttgart-meine-stadt.de eine Postanschrift veröffentlicht.

Es werden weitere Beteiligungsformate während des Verkehrsversuchs durchgeführt. So wird zum regelmäßigen Austausch ein Runder Tisch eingerichtet, während der Startphase ist eine Auftaktveranstaltung vorgesehen und es ist eine Mitmachaktion geplant. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich auf der Homepage stuttgart-meine-stadt über die neusten Entwicklungen im Projekt informieren, zusätzlich werden dort alle planungsrelevanten Unterlagen online gestellt.

Wissenschaftliche Begleitung
Der Verkehrsversuch ist in zwei Forschungsprojekte eingebettet. Die Begleitforschung zielt darauf ab, eine breitere Datenbasis für den Superblock in der Augustenstraße und mögliche weitere Superblocks zu erhalten. Nicht nur im lokalen, sondern auch auf nationaler und internationaler Ebene werden durch die Forschungsprojekte Daten erhoben und ausgewertet.

EU-Projekt URBANOME
Dieses Forschungsprojekt mit 16 Projektpartnern aus 10 europäischen Staaten wird von der Universität Stuttgart, vertreten durch das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) und dem Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) durchgeführt. Es ist auf vier Jahre angelegt.

Das Projekt geht der Frage nach, welchen Einfluss Klima und Umwelt auf Gesundheit und Wohlbefinden von Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner hat und wie eine Stadt gestaltet sein muss, damit sie die Gesundheit und das Wohlbefinden fördert. Insbesondere wird sich URBANOME mit dem Zusammenhang von städtischer Luftqualität, Lärm, Innenraumluftqualität und Wohnbedingungen befassen und wie diese durch temporäre Interventionen beeinflusst werden kann. Gleichzeitig werden sozioökonomische und umweltbedingte Faktoren bei den Anwohnenden berücksichtigt, die zu gesundheitlichen Ungleichheiten führen. Die Datenerhebung erfolgt durch Befragungen und Messungen vor und während dem Verkehrsversuch.

Forschungsprojekt AdNEB
Das Projekt AdNEB - Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken: nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität (Advancing the New European Bauhaus: Sustainable Mobility and Resilient Urban Spaces for a Better Quality of Life) ist ein Eigenforschungsprojekt des Umweltbundesamts. Beim Projekt AdNEB, welches eine Projektlaufzeit von März 2022 bis September 2025 hat, wird hauptsächlich der Frage nachgegangen wie wir in Zukunft leben und wie eine ökologisch nachhaltige, sozial inklusive, gesundheitsverträgliche und attraktive Entwicklung urbaner Räume gelingen kann. Im Rahmen von AdNEB sollen die Wirkungsmechanismen von Verkehrsversuchen erforscht und evaluiert werden. Vornehmlich steht das transformative Potential von Verkehrsversuchen im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wird der Superblock West als Reallabor beforscht. Im Gegensatz zu URBANOME betrachtet AdNEB hauptsächlich den Prozess. Die unmittelbaren Auswirkungen der räumlichen Veränderung und die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger zur Transformation werden nur indirekt betrachtet. Eine eigene Befragung findet im AdNEB Projekt nicht statt.



Finanzielle Auswirkungen

Es stehen Haushaltsmittel in Höhe von 400.000 EUR bereit. Mit den Projektmitteln soll das Beteiligungsverfahren, die Verkehrsuntersuchung und die Umsetzung des "Superblocks West" als Verkehrsversuch sowie die Beauftragung einer externen Untersuchung von Potentialquartieren zur dauerhaften Umsetzung von "Superblocks" finanziert werden. Die Mittel stehen im Teilergebnishaushalt THH 610 Amt für Stadtplanung und Wohnen zur Verfügung.

Zusätzlich zu den bereits bewilligten Mitteln beim Amt für Stadtplanung und Wohnen benötigt das Tiefbauamt weitere 460.000 EUR für die Einrichtung des Verkehrsversuchs. Das Tiefbauamt wird den Mittelbedarf in der Anmeldeliste zum Doppelhaushalt 2024/2025 beantragen.

Bei den Gartenelementen handelt es sich um vier Elemente der Firma Mobiga und um ein Element der Firma Citydecks. Die Aufwendungen in Höhe von 90.000 EUR werden im Haushaltsjahr 2023 im Teilergebnishaushalt THH 610 – Amt für Stadtplanung und Wohnen, Amtsbereich 6107010 Stadtplanung, Kontengruppe 42510 Sonstige Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen gedeckt.



Beteiligte Stellen

Referat T
Referat SOS


Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 36/2023 der B90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion vom 13.02.2023:
"Superblock West": Testphase zur Urban Future Conference beginnen.
Die Urban Future Conference findet vom 21. bis 23. Juni 2023 in Stuttgart statt.


Erledigte Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 3/2022 der B90/DIE GRÜNEN - Bezirksbeirat West vom 22.03.2022: Super-block West - Priorität für Aufenthaltsqualität. Dieser Antrag wurde am 22.03.2022 mehrheitlich beschlossen.



Peter Pätzold
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1 Verkehrsgutachten


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