Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 741/2017
Stuttgart,
11/14/2017


Begleitete Elternschaft



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Beirat für Menschen mit Behinderung
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Jugendhilfeausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
13.11.2017
22.01.2018
05.02.2018

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

In der UN-Behindertenrechtskonvention, von der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert, wird das Recht von Menschen mit einer Behinderung festgehalten, eine Familie zu gründen. Dabei betont Artikel 23: „[…] Die Vertragsstaaten unterstützen Menschen mit Behinderung in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung. […] In keinem Fall darf das Kind aufgrund einer Behinderung entweder des Kindes oder eines oder beider Elternteile von den Eltern getrennt werden.“

In der Landeshauptstadt Stuttgart wird aktuell im Sozialamt im Rahmen der Eingliederungshilfe in sechs Fällen Elternassistenz gewährt. In nur einem Fall betrifft dies Leistungen zur Begleiteten Elternschaft für eine Familie mit mindestens einem Elternteil mit einer geistigen Behinderung.

Um die Versorgungssituation für Eltern mit einer geistigen Behinderung in der Landeshauptstadt Stuttgart weiter zu verbessern, sind folgende Maßnahmen geplant:

· Die Einzelfälle sind sehr unterschiedlich und stets individuell zu begleiten. Eine enge Begleitung durch das Fallmanagement des Sozialamts, wie es auch aktuell erfolgt, ist weiterhin dringend notwendig. Das sozialplanerische Ziel besteht jeweils darin, individuelle Lösungen zu finden. Ein stationäres Angebot ist auch im Hinblick auf das Bundesteilhabegesetz (BTHG) für die Mehrheit der Einzelfälle nicht zielführend.

· In der Landeshauptstadt Stuttgart entwickelt die Sozialplanung gemeinsam mit dem Träger Caritasverband für Stuttgart e. V. ein Angebot des Ambulant Betreuten Eltern-Kind-Wohnens für Eltern(teile) mit einer geistigen Behinderung. Der Erstbezug in der Lindichstraße in Stuttgart-Feuerbach ist für Sommer 2018 geplant.

· Das Sozialamt befürwortet ausdrücklich ein ambulantes Angebot, da (werdende) Eltern mit einer geistigen Behinderung in der Regel vor der Geburt ihres ersten Kindes ambulant betreut leb(t)en und diese Form des Wohnens mit der entsprechenden Unterstützung für den zusätzlichen Bedarf, der durch die Elternrolle ausgelöst wird, weiterhin bevorzugen. Damit wird auch sichergestellt, dass Kinder im Gemeinwesen aufwachsen und Regelangebote wahrnehmen können.

· Bezüglich der Rahmenbedingungen, die sowohl Fragen des Kindeswohls als auch Fragen der Finanzierung des Angebots betreffen, stehen der Caritasverband für Stuttgart e. V., das Jugendamt und das Sozialamt bereits in einem zielgerichteten gemeinsamen Aushandlungsprozess.

Ziel aller Bemühungen in der Landeshauptstadt Stuttgart ist es, das gelingende Aufwachsen der Kinder bei ihren Eltern – unabhängig von einer Behinderung – durch die Zugänglichkeit und die Kombination von angemessenen Unterstützungsangeboten zu gewährleisten.


Beteiligte Stellen

Das Referat Jugend und Bildung hat die Vorlage mitgezeichnet.


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Antrag Nr. 90/2017 "Elternschaft und Behinderung" der SPD-Gemeinderatsfraktion, Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS, FDP




Werner Wölfle
Bürgermeister





1. Ausführlicher Bericht
2. Übersicht über die Einzelfälle des Sozialamts (Stand: August 2017)
3. Stellungnahme des Beirats Inklusion - Miteinander Füreinander (10. Juli 2013) zum Thema Elternschaft von Menschen mit Behinderung
4. Stellungnahme des Beirats für Menschen mit Behinderung (nach der Sitzung am 13.11.2017)




Ausführlicher Bericht

In der UN-Behindertenrechtskonvention, von der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert, wird das Recht von Menschen mit einer Behinderung festgehalten, eine Familie zu gründen. Dabei betont Artikel 23: „[…] Die Vertragsstaaten unterstützen Menschen mit Behinderung in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung. […] In keinem Fall darf das Kind aufgrund einer Behinderung entweder des Kindes oder eines oder beider Elternteile von den Eltern getrennt werden.“

Die Sozialverwaltung beschäftigt sich seit 2013 intensiv mit Angeboten der Begleiteten Elternschaft (vgl. Anlage 3: Stellungnahme des Beirats Inklusion – Miteinander Füreinander (Stand Juli 2013)).

Zum großen Teil werden Angebote in Deutschland aus Leistungen des SGB VIII (für die Unterstützung der Kinder) und des SGB XII (für die Unterstützung der Eltern) finanziert. Laut Angabe der BAG Begleitete Elternschaft haben alle stationären Einrichtungen eigene Leistungsvereinbarungen und Kostensätze für die Betreuung und Förderung der Kinder zusätzlich zum Entgeltsatz verhandelt, ambulant betreute Angebote werden in der Regel aufgrund von Einzelfallentscheidungen finanziert. Eine bestehende Leistungs- und Entgeltvereinbarung in Bezug auf die Begleitete Elternschaft im ambulanten Bereich besteht lediglich in Berlin (vgl. Bargfrede, Stefanie (2015): Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern mit geistiger Behinderung in Deutschland. In: Pixa-Kettner, Ursula (Hg.): Tabu oder Normalität? Eltern mit geistiger Behinderung und ihre Kinder).

Die Besonderheit in der Umsetzung der Begleiteten Elternschaft besteht darin, dass hier Jugendhilfe und Sozialhilfe zu kombinieren sind. Die Einzelfälle, die durch das Sozialamt begleitet und unterstützt werden, sind sehr vielfältig und differenziert (vgl. Anlage 2: Übersicht über die Einzelfälle des Sozialamts (Stand: August 2017)). Sowohl für die Einschränkungen durch die Behinderung der Mutter/Eltern wird eine angemessene Unterstützung gesucht, als auch für die Begleitung und Förderung des Kindes. Zudem muss die Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen werden. Weitergehend müssen rechtliche Grundlagen (UN-BRK, BTHG, KJHG) zugrunde gelegt und kombiniert werden.

Zum Thema der Begleiteten Elternschaft in Stuttgart wurde zuletzt auf Antrag 160/2013 „Begleitete Elternschaft – in Stuttgart (k)ein Thema“ der SPD Gemeinderatsfraktion im Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 23.09.2013 berichtet.

Aus Sicht der Sozialverwaltung ist die Aussage des Jahres 2013 nach wie vor gültig: Die wenigen Einzelfälle werden stets eng vom Fallmanagement des Sozialamts begleitet und die individuell erforderliche und geeignete Hilfeform wird vom Fallmanagement in Abstimmung mit Leistungsberechtigten und Leistungserbringer passgenau auf den Bedarf zugeschnitten.

Vorrang ist die Versorgung im bisherigen Lebensumfeld und die Vereinbarkeit des Bedarfs mit und ohne das Kind.


Sozialplanerische Erkenntnisse aus den Einzelfällen:

· Die Einzelfälle sind sehr unterschiedlich und stets individuell zu beurteilen. Die Bandbreite der geeigneten Maßnahmen reicht vom persönlichen Budget bis zur stationären Betreuung.

· In jedem Einzelfall können verschiedene individuelle auf den speziellen Bedarf zugeschnittene Angebote gemacht werden. Betreuungsmöglichkeiten werden in enger Abstimmung zwischen Sozialamt und Jugendamt geplant.

· Es gibt sowohl geistig, seelisch, körperlich als auch mehrfach behinderte Eltern, die unterschiedliche Unterstützungsbedarfe haben. Dass die Kinder ebenfalls eine Behinderung haben, ist die Ausnahme.

· Bei Eltern/Elternteilen mit körperlicher Behinderung reichen reine Assistenzleistungen i. d. R. aus; dies erfolgt im Einzelfall meistens im Rahmen eines persönlichen Budgets und ist für die Leistungsberechtigten gut selbständig handhabbar.

· Eltern mit geistiger Behinderung, die vor der Schwangerschaft einen eindeutigen stationären Bedarf hatten, haben diesen i. d. R. auch weiterhin. Hier gilt es, Lösungen zu gestalten und ggf. auch überregionale Angebote anzunehmen (z. B. Lebenshilfe Aalen). Eltern mit geistiger Behinderung, die ohne Kind im Ambulant Betreuten Wohnen gut zurechtkamen, haben nach der Geburt z. T. einen erhöhten und somit einen stationären Bedarf. Ein stationärer Bedarf mit Kind kann in Stuttgart beispielsweise im Weraheim (Träger: Kirchliche Stiftung für Zufluchtsstätten in Württemberg) oder im Paulusstift (Träger: Sozialdienst katholischer Frauen e. V. Diözese Rottenburg-Stuttgart (SkF)) gedeckt werden.

· Problematisch ist im Einzelfall die Anschlussversorgung, wenn Mutter und Kind im Paulusstift oder im Weraheim waren und nach dem 6. Geburtstag des Kindes eine Anschlussmaßnahme erforderlich ist. Beides sind stationäre Angebote, vor der Geburt waren die Frauen i. d. R. im Ambulant Betreuten Wohnen, was gemeinsam mit Kind z. T. „zu wenig“ ist. Hier ist das gemeinsame betreute Wohnen in Familien eine Alternative oder das beschriebene Eltern-Kind-Wohnen).

· Wenn Eltern mit seelischer Behinderung vor Geburt im Ambulant Betreuten Wohnen leben können, können sie dies i. d. R. auch nach der Geburt, erforderlichenfalls unterstützt durch Leistungen des SGB VIII.

· Bevorzugt werden ambulante Angebote vor Ort, dies soll gerade auch im Rahmen des BTHG fortgesetzt werden.


Neben den individuellen Lösungen, die es weiterhin geben muss, ist in der Landeshauptstadt Stuttgart ein Angebot des Ambulant Betreuten Wohnens für Eltern(teile) mit einer geistigen Behinderung und ihren Kindern (Eltern-Kind-Wohnen) im Aufbau. Die Sozialverwaltung fordert dabei den ambulanten Charakter des Angebots, da (werdende) Eltern mit einer geistigen Behinderung in der Regel vor der Geburt ihres ersten Kindes ambulant betreut leb(t)en und diese Form des Wohnens mit der entsprechenden Unterstützung für den zusätzlichen Bedarf, der durch die Elternrolle ausgelöst wird, weiterhin bevorzugen.

Träger des Eltern-Kind-Wohnens ist der Caritasverband für Stuttgart e. V. Im Bau befindet sich ein Wohnhaus in der Lindichstraße 6 - 8 in Stuttgart-Feuerbach, in dem 7 Appartements für Ambulant Betreutes Wohnen und 7 Appartements für Eltern-Kind-Wohnen geplant sind. Der Erstbezug wird für Sommer 2018 angestrebt. Eine Besonderheit des Angebots ist auch, dass es das von Menschen mit einer geistigen Behinderung in Stuttgart oftmals gewünschte Paarwohnen ermöglicht.


Bezüglich der Rahmenbedingungen, die sowohl Fragen des Kindeswohls als auch Fragen der Finanzierung des Angebots betreffen, stehen der Caritasverband für Stuttgart e. V., das Jugendamt und das Sozialamt bereits in einem zielgerichteten gemeinsamen Aushandlungsprozess.

Zu klären sind:

· Die Kooperation des Betreuungsträgers mit dem Beratungszentrum Jugend und Familie in Stuttgart-Feuerbach, ggf. schon bei der Belegung.

· Umfang und Aufgaben der ambulanten Betreuung auch im Hinblick auf das gemeinsame Leben von Mutter/Vater und Kind.

· Enge Kooperation mit anderen sozialräumlichen Angeboten der Jugendhilfe wie Kindertagesstätten, Elternbildung, den Angeboten des Netzwerks Frühe Hilfen.

· Sicherung des Kindeswohls durch die ambulante Betreuung und ergänzend durch Leistungen der Erziehungshilfen im Einzelfall.

Die Sozialplanung und das Fallmanagement des Sozialamts werden das Angebot begleiten und auswerten. Nach zwei Jahren soll wieder im Sozial- und Gesundheitsausschuss berichtet werden.

Ziel aller Bemühungen in der Landeshauptstadt Stuttgart ist es, das gelingende Aufwachsen der Kinder bei ihren Eltern – unabhängig von einer Behinderung – durch die Zugänglichkeit und die Kombination von angemessenen Hilfsangeboten zu gewährleisten.

Anlage 2 zu GRDrs 741/2017


Übersicht über die Einzelfälle des Sozialamts (Stand: August 2017)


In den 6 aktuell beim Sozialamt laufenden Fällen wird der Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe folgendermaßen gedeckt:

Fall 1
Mutter mit körperlicher Behinderung erhält ein persönliches Budget, mit dem sie eine Assistenz für die Freizeitgestaltung mit dem Kind und die Begleitung des Kindes in die Kindertageseinrichtung bezahlt. So stellt sie ihre Teilhabe individuell und bei Bedarf in ihrem Sinne sicher. Ein erzieherischer Bedarf besteht nicht, daher ist das Jugendamt nicht involviert.

Fall 2
Mutter mit seelischer Behinderung, die bis zur Geburt im ambulant Betreuten Wohnen lebte, lebt seit Geburt mit ihrem Kind im Paulusstift, die Leistung der Mutter wird über SGB XII finanziert, die Leistung für das Kind übernimmt das Jugendamt gem. SGB VIII.

Fall 3
Mutter mit Sehbehinderung erhält ein persönliches Budget, mit dem sie Unterstützung im Haushalt und Begleitung bei Freizeitaktivitäten mit dem Kind einkauft. So stellt sie ihre Teilhabe individuell und bei Bedarf in ihrem Sinne sicher. Ein erzieherischer Bedarf besteht nicht, das Jugendamt ist nicht involviert.

Fall 4
Mutter mit einer geistigen Behinderung lebte zunächst mit dem Kind im stationären Angebot der Lebenshilfe Ostalb. Nachdem die Mutter das Kind dort zurückließ und alleine nach Stuttgart zurückkehrte, zog der Vater mit geistiger Behinderung, der bislang im Ambulant betreuten Wohnen lebte, zum Kind. Der Vater erhält nun die Leistung für stationäres Wohnen gem. der Vereinbarung für stationäres Wohnen nach dem SGB XII im Rahmen der Eingliederungshilfe, das Kind erhält die Leistung gem. Vereinbarung SGB VIII vom Jugendamt.

Fall 5
Mutter mit seelischer Behinderung, erhält mit ihrem Kind Leistungen im Paulusstift, die Leistung der Mutter wird über SGB XII finanziert, die Leistung für das Kind übernimmt das Jugendamt gem. SGB VIII.

Fall 6
Mutter mit Körperbehinderung lebt im Ambulant Betreuten Wohnen. Das Kind besucht ein 5-Tage-Internat, finanziert vom Jugendamt über SGB VIII. Die Ferien und Wochenenden verbringt das Kind bei der Mutter. Ergänzende Leistungen der Eingliederungshilfe über die ambulante Betreuung hinaus sind nicht erforderlich.



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