Protokoll: Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 19.03.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Wölfle
Berichterstattung:Herr Dr. Obert und Herr Grau (beide Caritasverband für Stuttgart e.V.), Herr Schröder (Corpus Sireo)
Protokollführung: Herr Krasovskij de
Betreff: Bauvorhaben Adlerstraße "Miteinander im Süden"
- mündlicher Bericht -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


In das Thema einführend erklärt BM Wölfle, es handle sich bei dem geplanten Bauvorhaben "Miteinander im Süden" im Bereich Adlerstraße um ein generationenübergreifendes, soziales Bauprojekt, das Wohnen und Pflege für ältere Menschen, Familien sowie eine ambulante Suchtbehandlung, -beratung und -betreuung von Drogenabhängigen umfassen soll. Das Vorhaben werde vom Caritasverband für Stuttgart e. V. und der Firma Corpus Sireo umgesetzt. Der Bürgermeister verweist darauf, dass das Thema nach der heutigen Beratung morgen (am 20.03.2018) auf den Tagesordnungen der Sitzungen des Ausschusses für Umwelt und Technik und des Bezirksbeirates Süd stehe. Für die Realisierung des Vorhabens sei eine Änderung des Bebauungsplanes in dem Gebiet notwendig.

Anschließend stellen Herr Dr. Obert (Caritasverband) und Herr Schröder (Corpus Sireo) das geplante Bauvorhaben analog der Präsentation vor.

Das zu bebauende Grundstück befinde sich im Eigentum der Deutschen Telekom AG, die von der Firma Corpus Sireo vertreten werde, erläutert Herr Schröder. Im heute komplett leerstehenden Gebäude an der Adlerstraße befänden sich ursprüngliche Lager- und Büroflächen. Das Gebäude sei für die Deutsche Telekom auch aufgrund des hohen Instandhaltungsrückstaus langfristig betriebsentbehrlich. Daran grenze das Gebäude in der Böblinger Straße an, wo weiterhin betriebsnotwendige Telekommunika-tionstechnik sowie eine Postfiliale untergebracht seien. Zur Vermeidung von dauerhaftem Leerstand und im Sinne einer städtebaulichen Aufwertung sowie einer sinnvollen Nachnutzung solle das Bauteil Adlerstraße abgerissen und durch eine Neubebauung ersetzt werden. Das Konzept für die Nachnutzung sei mit der Stadt Stuttgart abgestimmt worden.

Herr Dr. Obert erklärt, dass im Rahmen des Projektes "Miteinander im Süden" 52 Wohneinheiten für ältere Menschen, 6 Familienwohnungen sowie ein psychosoziales und suchtmedizinisches Beratungs- und Behandlungsangebot für Menschen mit Drogenproblemen unter einem Dach geplant seien. Er geht im Folgenden analog der Präsentation näher auf die einzelnen Wohnformen und die Beratungsstelle ein. Herr Dr. Obert betont, dass man die bisherigen ambulanten Bausteine der Suchtberatung und -betreuung, also die psychosoziale Beratungsstelle, die Substitutionsambulanz in der Hauptstätter Straße sowie die Kontakt- und Anlaufstelle für Substituierte und Drogenabhängige (HighNoon), künftig in der neuen Einrichtung vereinen wolle. Dies geschehe aus fachlich inhaltlichen und organisatorischen Gründen und bringe viele Vorteile mit sich. Durch die Zusammenführung wolle man in Zukunft eine bedarfsorientiertere und effektivere Hilfe anbieten. Eine bessere Optimierung der Kooperation von Sozialarbeit, Klientel und Medizin werde möglich, so Herr Dr. Obert, ebenso könne so eine kontinuierliche Erreichbarkeit der Mitarbeiter/-innen an einem Ort gewährleistet werden. Zudem wolle man in diesem Zusammenhang die Förderung und Umsetzung von bürgerschaftlichem Engagement in den neuen Räumlichkeiten weiter verstärken.

Abschließend erklärt Herr Dr. Obert, dass der Caritasverband sich mitverantwortlich für die Entwicklung rund um die künftige Einrichtung fühle und einen Beitrag zu einem zufriedenstellenden Leben aller Akteure im Quartier leisten wolle. Deshalb seien bereits in der jetzigen Planungsphase regelmäßige Anwohnergespräche geplant, um die Nachbarn von Anfang an in das Vorhaben mit einzubeziehen, und so möglichst frühzeitig Lösungen für etwaige Bedenken gegen die künftige Suchtberatungsstelle zu finden. Außerdem wolle man sich langfristig kontinuierlich auch mit der Polizei und weiteren Akteuren im Quartier wie Bezirksvorsteher, Bezirksbeirat, Sozialverwaltung und der Schule austauschen. Der Caritasverband strebe zudem eine enge Kooperation mit sozialen Institutionen vor Ort, vor allem der "Mobilen Jugendarbeit", an, und wolle eine gemeinsame Straßensozialarbeit um die Suchtberatungsstelle und im Umfeld der Schickhardtschule aufbauen.

Im Folgenden begrüßt BM Wölfle die geplante Zusammenlegung der bisherigen ambulanten Bausteine der Suchtberatung und -betreuung in der neuen Einrichtung. Er spricht von einem sozialplanungsverantwortlichen Interesse an der Bündelung im Suchtbereich und verweist auf ein ähnliches und bereits bewährtes Konzept in der Kriegsbergstraße.

Von StRin Bulle-Schmid (CDU) wird begrüßt, dass im Zuge des Bauvorhabens neuer (betreuter) Wohnraum für Senioren sowie Wohnungen für Familien geschaffen werden sollen. Allerdings habe sie große Skepsis bezüglich der Suchtberatungsstelle für drogenabhängige Menschen, die im gleichen Gebäude geplant sei. Vor allem die Nähe zu den Familien mit Kindern sehe sie als problematisch an, so die Stadträtin. Außerdem würden sich im unmittelbaren Umfeld auch mehrere Schulen, das Heslacher Bad sowie eine Flüchtlingsunterkunft befinden. Diesen Standort könne man ihrer Meinung nach nicht mit der Kriegsbergstraße vergleichen. Die Stadträtin möchte wissen, ob für die Suchtberatungsstelle nicht ein anderer Standort in Frage käme, und in der Adlerstraße stattdessen mehr Wohnraum geschaffen werden könnte. Sie erkundigt sich auch danach, was die Polizei zu dem angedachten Standort meine. Gleichzeitig betont StRin Bulle-Schmid, dass sie eine bedarfsgerechte Betreuung und Begleitung von Menschen mit Suchtproblematiken für unerlässlich halte. Falls die Planungen für die Suchtberatungsstelle in der Adlerstraße weiterverfolgt würden, müsse man die Bürgerinnen und Bürger vor Ort möglichst intensiv beteiligen, um für eine Akzeptanz der Einrichtung zu werben, so die Stadträtin abschließend.

In diesem Zusammenhang erklärt BM Wölfle, dass er erwarte, dass der Caritasverband Verantwortung für die Entwicklung der künftigen Einrichtung und dessen Umfeld übernehme. Er verweist ferner auf die von Herrn Dr. Obert bereits angesprochene geplante Beteiligung der Bürgerschaft und weiterer Akteure im Quartier. So sei das beabsichtigte Konzept der Straßensozialarbeit und der engen Kooperation mit der "Mobilen Jugendarbeit" unter anderem in Gesprächen mit Mitgliedern des Bezirksbeirates erarbeitet worden.

Gegenüber StRin Bulle-Schmid führt Herr Dr. Obert aus, man habe bereits vor vier bis fünf Jahren damit begonnen, nach alternativen Standorten für die Suchtberatungsstelle zu suchen. Man habe verschiedene Areale und Immobilien in der Innenstadt in Erwägung gezogen, letztlich konnte aber kein passender Standort gefunden werden. Er erklärt weiter, dass sich die Planer im vergangenen Sommer mit der Polizei zusammengesetzt hätten. Die Polizei habe in Bezug auf die geplante Suchtberatungsstelle darauf hingewiesen, dass man künftig gemeinsam deren Umfeld, vor allem die Schule und öffentliche Plätze, in den Blick nehmen müsse, um etwaige Probleme zu entschärfen.

Zum Thema Sicherheit erläutert Herr Dr. Obert im Weiteren, dass für die Suchtberatungsstelle und die Wohnungen für Senioren und Familien unterschiedliche Eingänge geplant seien. Dadurch hätten die Wohnungseigentümer oder Mieter keinen direkten Kontakt zu den drogenabhängigen Menschen. Auch wolle man verhindern, dass sich die Besucher der Beratungsstelle vor dieser auf der Straße aufhielten. Für Raucher werde deshalb, ähnlich wie in der Kriegsbergstraße, ein separater Bereich hinter dem Haus eingerichtet.

Das geplante Bauprojekt "Miteinander im Süden" bezeichnet StR Stopper (90/GRÜNE) als ein "aus sozialpolitischer Perspektive sehr interessantes Vorhaben", das seine Fraktion unterstütze. Er begrüßt die Schaffung von neuem Wohnraum ebenfalls und spricht in Bezug auf die geplante Zusammenlegung der ambulanten Suchthilfeeinrichtungen von einem Fortschritt aus sozialplanerischer Sicht. Er könne die Sorgen der Nachbarn vor Ort nachvollziehen und finde es deshalb gut, dass frühzeitig auf eine Beteiligung der Bürgerschaft gesetzt werde, und der Caritasverband sich Gedanken mache, wie möglichen Belastungen entgegengewirkt werden könne. StR Stopper macht zugleich klar, dass Suchtberatungsstellen soziale Einrichtungen seien, die in die städtische Landschaft gehörten, und nicht außerhalb auf der "Grünen Wiese" untergebracht werden dürften. Ähnlich äußern sich auch StR Ehrlich (SPD) und StRin Halding-Hoppenheit (SÖS-LINKE-PluS). Auch Herr Dr. Obert betont, dass es nicht zuletzt aufgrund der Erreichbarkeit wichtig sei, Suchthilfeeinrichtungen in der Stadt und nicht in Randgebieten unterzubringen.

Auch in anderen Standorten, wo ähnliche Einrichtungen untergebracht seien, gebe es schließlich Wohngebiete und Schulen, so StR Stopper weiter. Er spricht die Situation im Bereich des HighNoon an, wo es anfangs auch Bedenken und Konflikte mit der Nachbarschaft gegeben habe, weil sich die Betroffenen häufig auf der Straße vor der Kontakt- und Anlaufstelle aufgehalten hätten. Mittlerweile seien aber Lösungen gefunden worden und die Akzeptanz der Bevölkerung sei gewachsen. Die in letzter Zeit im Umfeld der Jakobschule immer wieder gefundenen gebrauchten Spritzen würden nach seinen Informationen nicht vom Klientel des HighNoon stammen, so der Stadtrat.

Dies wird auch von Herr Dr. Obert bestätigt. Er erklärt, dass man nach einer Laboruntersuchung davon ausgehen könne, dass die meisten der Spritzen nicht von den Besuchern des HighNoon bzw. der Substitutionsambulanz stammen würden.

BM Wölfle erklärt, dass es, abgesehen der Spritzenfunde bei der Jakobschule, in der Vergangenheit keine weiteren negativen Schlagzeilen im Zusammenhang mit den ambulanten Suchthilfe- und -beratungsangeboten gegeben habe.

Im Namen seiner Fraktion begrüßt auch StR Ehrlich die vorgestellten Planungen. Die SPD-Gemeinderatsfraktion habe zunächst auch Zweifel wegen einer Suchtberatungsstelle an diesem Standort gehabt, so der Stadtrat. Aber es sei erfreulich, dass sich die Planer bereits intensiv mit den kritischen Fragen und Anregungen aus dem Stadtquartier auseinandergesetzt hätten. Der Caritasverband müsse bei diesem Projekt eine "hohe sozialräumliche Verantwortung" in einem Umfeld übernehmen, in dem es auch Schulen, ein Schwimmbad und öffentliche Flächen gebe. StR Ehrlich spricht sich ebenfalls für eine weitere Beteiligung der Bürgerschaft und möglichst vieler anderer Akteure in dem gewachsenen Wohngebiet aus. Er wünscht dem Projekt Akzeptanz und eine erfolgreiche Verwirklichung. Ähnlich äußert sich im weiteren Verlauf der Aussprache auch StRin Halding-Hoppenheit. Sie findet insgesamt lobende Worte für das geplante Bauvorhaben.

Auf eine Frage von StRin Bodenhöfer-Frey (FW) eingehend, erläutert Herr Grau (Caritasverband), die vorgesehenen Seniorenwohnungen seien mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von ca. 28 Quadratmetern geplant. Man habe die Wohnungsgrößen bewusst klein gehalten, um so bezahlbaren Wohnraum für ältere Menschen mit kleinen Renten zu schaffen. Die Familienwohnungen im Hintergebäude seien als 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 80 und 90 Quadratmetern vorgesehen.

Gegenüber BM Wölfle, der sich nach den erwarteten Besucherzahlen der geplanten Suchtberatungsstelle erkundigt hatte, erklärt Herr Dr. Obert, dass sich derzeit im HighNoon tagsüber (zwischen 9 und 15 Uhr) regelmäßig 30 bis 40 Betroffene aufhalten würden. Man müsse davon ausgehen, dass die Besucherzahl in der neuen Einrichtung durch die Zusammenlegung der verschiedenen Angebote und die insgesamt größeren Räumlichkeiten höher sein werde. Zudem würden heute täglich rund 120 Personen die Substitutionsambulanz zwecks Einnahme von Methadon aufsuchen. Es sei geplant, die Öffnungszeiten der neuen Suchtberatungsstelle zu verlängern, wahrscheinlich bis 20 Uhr abends, um auch so der Gelegenheit entgegenzutreten, dass sich Betroffene außerhalb der Einrichtung in der Umgebung aufhielten.

Zu einer Frage von StR Körner (SPD) führt Herr Dr. Obert aus, die Trennung der bisherigen ambulanten Angebote sei aus logistischen und organisatorischen Gründen notwendig gewesen. Er wiederholt, dass man hoffe, durch die Zusammenführung die Hilfen für die drogenabhängigen Menschen in Form von niederschwelligen tagesstrukturierenden oder arbeitsähnlichen Angeboten bzw. Projekten, sowie ärztlicher Beratung, künftig effektiver und bedarfsgerechter anbieten zu können. Die Präsenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnte erhöht werden, wodurch man sich einen besseren Austausch mit den Betroffenen verspreche. Zudem wäre durch die Bündelung unter einem Dach gewährleistet, dass Besucher der Substitutionsambulanz die Möglichkeit hätten, im Anschluss das Kontaktcafé aufzusuchen. Heute stelle man immer wieder fest, dass einige Betroffene aufgrund der räumlichen Trennung zwar die Substitutionsambulanz besuchen würden, nicht aber die Anlaufstelle im HighNoon.

Abschließend wirbt auch BM Wölfle für eine umfassende Beteiligung der Bürger an den Planungen. Er hoffe, meint er weiter, dass dieses Projekt mit der Akzeptanz aller realisiert werden könnte. Für die Umsetzung müsse man von ungefähr anderthalb Jahren ausgehen. BM Wölfle begrüßt es, dass der Caritasverband nach der Realisierung des Vorhabens der Suchtberatungsstelle die Verantwortung für ein weiteres soziales Angebot im Stuttgarter Süden übernehmen würde. Bereits heute sei die Caritas für die "Mobile Jugendarbeit", den Sozialpsychiatrischen Dienst und Hilfen zur Erziehung zuständig. Ferner dankt der Bürgermeister dem Investor für die Bereitschaft, das Vorhaben zu realisieren.


Danach schließt der Vorsitzende diesen Tagesordnungspunkt ab. Somit hat der Sozial- und Gesundheitsausschuss von dem Bericht Kenntnis genommen.

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