Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 19.01.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Frau Frucht (ASW), Frau Rickes (BaurA)
Protokollführung: Frau Schmidt
Betreff: "Wohnbau ohne Abstriche in der Doggerstraße 11 - 15"
- gemeinsamer Antrag Nr. 499/2020 vom 01.12.2020
(CDU, FDP, FW)
- mündlicher Bericht -

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 15.12.2020, öffentl., Nr. 504
Ergebnis: Vertagung

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Frau Rickes (BaurA, Folien 1 - 6) und Frau Frucht (ASW, Folien 7 - 12) berichten im Sinne der Präsentation.

Frau Rickes ergänzt anhand Folie 2, Hauptproblem sei die Konstellation einer Mischung von Wohnen und Gewerbe. Da die Bauherrschaft lediglich eine Bauvoranfrage gestellt habe (Folie 3), sei zu erkennen, dass das Problem nicht überraschend gekommen sei. Eine ausschließliche Nutzung als Wohnraum sei abgelehnt worden, da es sich um ein Mischgebiet handle, für das eine ungefähre Gleichgewichtigkeit von Wohnen und gewerblicher Nutzung gelte. Wenn ein Gebäude in einem Mischgebiet ersetzt werde, müsse dem Ziel eines Mischgebietes nähergekommen werden, auch wenn das Gebäude zuvor ausschließlich für Wohnen genutzt worden sei. Wenn eine erneute reine Wohnnutzung genehmigt würde, verstoße man gegen die durch den Bebauungsplan vorgesehene Nutzung. Des Weiteren erläutert die Referentin die Problematik, die bei Genehmigung eines Wohngebietes in einem Mischgebiet entstehe. Grundsätzlich sei in einem Mischgebiet Wohnen und Gewerbe zulässig. Keines dieser beiden Parameter dürfe das andere deutlich überwiegen oder dominieren. Wenn die Möglichkeit zur Entwicklung eines Mischgebietes nicht wahrgenommen und neue Wohnnutzung genehmigt werde, heble man das Mischgebiet aus. In der Folge ergäben sich für die Bewohner andere Abwehrmöglichkeiten bei Konflikten mit Gewerbebetrieben, beispielsweise bei Erweiterungen oder Lärmbelastung. Unter Umständen könnten für Betriebe dann keine neuen Genehmigungen mehr erteilt werden. Diese Konfliktsituation wolle man zugunsten der Betriebe nicht herbeiführen. Zudem laufe diese dem Auftrag eines Ausgleichs der Belange und der Umsetzung rechtmäßiger Verhältnisse diametral entgegen.

Auf Basis des Flächennutzungsplanes (Folie 7) erklärt Frau Frucht die Lage des betreffenden Gebietes innerhalb des Gewerbegebietes. Sie verweist auf die im westlichen Bereich anschließenden MV-Flächen, die eine Stuttgarter Besonderheit darstellten und aktuell geprüft würden. Dabei handle es sich um "Bauflächen für nicht störende Arbeitsstätten mit hoher Arbeitsplatzdichte vorwiegend für überörtliche, bedeutsame Verwaltungen ohne größere Wohnnutzungsanteile". Es gebe keinen Mindestwohnanteil; bis zu 20 % Wohnen seien maximal grundsätzlich denkbar, hänge aber mit der Situation vor Ort zusammen. Abschließend verweist sie auf die Beurteilungen durch das Amt für Umweltschutz, das Amt für Stadtplanung und Wohnen sowie das Baurechtsamt (Folie 12). Im Fazit sei es aufgrund der Lärmproblematik nicht machbar, das Mischgebiet in ein allgemeines Wohngebiet zu ändern. Wenn dies gemacht würde, müsse der Flächennutzungsplan geändert und um das künftige Wohngebiet herum Mischgebietsflächen ausgewiesen werden. Dies bedeute Einschränkungen für das Gewerbegebiet bei künftigen Entwicklungen sowie für die Betriebszeiten im Sportgebiet Schwarzbach.

Für StR Dr. Vetter (CDU) bedeutet dieser Sachverhalt nur die Spitze des Eisbergs. Es sei eine Frage der Zeit, bis sich durch weitere Bauvorhaben der Prozess auf die anderen Gebäude ausweiten werde. Er bestätigt, dass es sich um eine Insellage handle. Die Fragestellung laute, wie könne eine Lösung aussehen, die auch für die Zukunft tragfähig sei. Es gehe um eine deutliche Ausweitung der Wohnfläche sowie um die Vereinbarkeit von Arbeiten und Wohnen. Er halte es für begrüßenswert, wenn diese Aspekte umgesetzt werden könnten. Anhand mehrerer Fragen erhofft sich der Stadtrat eine Lösung für die Problematik. Er möchte wissen, ob durch eine Sanierung im Bestand das Wohnen gesichert werden könne, ob es alternative Grundstücke für die Bauvereinigung Vaihingen gebe und ob angedacht worden sei, den Bereich in ein urbanes Gebiet umzuwandeln. Darin seien ohne Gleichgewichtung Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes sowie sonstige Gewerbebetriebe und Anlagen für Verwaltung, kirchliche, soziale, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke möglich. Dies sei möglicherweise ein gangbarer Weg. Ein negativer Bescheid sei angesichts massiven Wohnraummangels die schlechteste aller Lösungen.

Das Dilemma zwischen dem politischen Wunsch, mehr Wohnraum zu schaffen, und dem Baurecht definiert StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Er ergänzt den Katalog von StR Dr. Vetter um die Fragestellung, ob bei Sanierung im Bestand durch Aufstockung mehr Wohnraum möglich sei. Interessant sei auch das urbane Gebiet, für das die Insellage nicht typisch sei. Er schlägt vor, die Erdgeschosszone mit sozialen Einrichtungen auszustatten, von denen profitiert werden könne. Dies müsse für die Baugenossenschaften attraktiv gemacht werden. Ein belebtes Erdgeschoss in Kombination mit Wohnen sei ideal.

Anhand der Situation sei die Nutzlosigkeit mancher Bauvorschriften festzustellen, so StR Serwani (FDP). Obwohl dringend Wohnraum benötigt werde, sei die Baugenossenschaft nun wahrscheinlich gezwungen, die bestehenden Häuser zu modernisieren. Dies bedeute deutlich höhere Kosten als ein Neubau und auch nicht mehr Wohnfläche. Es sei dringend erforderlich, die Baugesetze zu ändern. Im Übrigen könne er sich den Ausführungen von StR Dr. Vetter zur Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten anschließen.

StRin Kletzin (SPD) stellt fest, das MIV-Gebiet sei hinsichtlich Planungen für die Zukunft eingerichtet worden. Vorgabe sei das Gewerbegebiet gewesen. Wenn diesem nun widersprochen werde, müsse entweder das Planungsrecht geändert oder andererseits gut begründet werden, warum der alte Zustand wiederhergestellt werden solle. Wie Frau Rickes dargestellt habe, sei man in der Entscheidung nicht frei. Es bestehe Einigkeit darüber, dass Wohnraum erhalten werden müsse. Es gehe lediglich um den jeweiligen Umfang von Wohnen und Gewerbe, und dies sei eine Frage der Verhandlung. Beide Seiten müssten sich bewegen, um das Ziel zu erreichen. Abschließend merkt sie an, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik sei nicht für Einzelprojekte dieser Art geeignet. Sie bitte um eine Einschätzung, wie eine Abgrenzung zum Ausschuss aussehen könne.

Für StR Goller (AfD) handelt es sich um ein Einzelprojekt, das aber als Extremfall für eine zentrale Problematik wegweisend sein könne. Er wirft die Frage auf, was sich ändere, wenn das Projekt durchgeführt werde. Die Lärmemissionen seien weiterhin gegeben, auch wenn sich die Wohnflächengröße verändere. Er wolle wissen, wie sich die rechtlichen Ansprüche der Anwohner*innen änderten, wenn sich zwar die Bebauung ändere, das Mischgebiet aber weiterhin als solches deklariert bleibe. Wenn Wohnen und Gewerbe künstlich durchmischt würden, ergäbe sich keine Verbesserung für die Bürgerschaft. Ihm widerstrebe es, für das Gebiet einen Sonderstatus zu erkennen. Dem Vorschlag eines Tausches kann sich der Stadtrat anschließen.

Die Verwaltung, so BM Pätzold, bemühe sich, das Thema Wohnen weiter voranzubringen. Er erinnert an die Darstellung des Gebietes in Kombination mit einem anderen Projekt in Plieningen im Unterausschuss Wohnungsbau. An vielen Stellen sei ein Mischgebiet erlassen worden, weil es damals andere Vorstellungen von Gewerbe gegeben und eine Lärmproblematik bestanden habe. In der Folge seien zahlreiche Gebäude mit reiner Wohnnutzung entstanden. Um Konflikte zu vermeiden, seien dann die Gebiete als Mischflächen ausgewiesen worden. Diese Problematik tauche des Öfteren bei der Angrenzung gewisser Baugebiete auf. Der Rat habe eine kommunale Satzung beschlossen, die nun zu dieser Bauleitplanung führe und verbindlich sei. Die Verwaltung sehe nicht die Möglichkeit, nun ein reines Wohngebäude zuzulassen. Darauf sei in Vorgesprächen mit dem Bauherrn hingewiesen worden. Wenn reines Wohnen zugelassen werde, treffe man eine falsche Entscheidung, die rechtliche Konsequenzen habe. Er sei sicher, dass eine gute Lösung gefunden werden könne. Die Schaffung eines Präzedenzfalles müsse vermieden werden.

Neben dem Baurecht verweist Frau Rickes ergänzend auf das Immissionsschutzrecht. Ein Wohngebiet müsse sich nur niedrigere Beeinträchtigungen zumuten lassen. Wenn das Gebiet durch Änderung des Bebauungsplanes oder fehlerhafte Verwaltungsentscheidungen "kippe", dürften die Nachbargrundstücke weniger emittieren. Dies gelte für die Betriebe, deren Zufahrten und das angrenzende Sportgebiet. Die Ausweisung als Mischgebiet sei der Versuch gewesen, eine Lösung für diesen Konflikt zu finden. Der Vorschlag der Verwaltung für eine gemischte Nutzung sei "städtebaulich außenwirksam". Zur Frage der Sanierung erklärt sie, wenn Wohngebäude verfahrensfrei saniert würden, dürfe Wohnnutzung erhalten bleiben. Bei Aufstockung mit Wohnfläche müsse im Erdgeschoss Gewerbe untergebracht werden, um das Verhältnis von Wohnen und Gewerbe nicht weiter zu verschlechtern.

Die rechtliche Logik ist laut StR Goller gut aufgezeigt worden. Er stellt die Frage, an welchem Punkt sich die rechtliche Sachlage ändere. Es müsse auf die Anwohnerschaft geachtet werden. Moderne Gebäude seien viel besser gegen Lärm isoliert. Wenn eine Mischnutzung nicht vermieden werden könne, werde durch die Einrichtung von Gewerbe im Erdgeschoss noch mehr Lärm produziert.

BM Pätzold erklärt, es müsse zwischen den realen Werten und den Lärmgrenzwerten unterschieden werden. Mit der Ausweisung als Misch- oder Gewerbegebiet gebe es vorgeschriebene Lärmgrenzwerte für Nacht und Tag, die einzuhalten seien. Wenn eine reine Wohnbebauung zugelassen werde, sei ein Mischgebiet rechtlich nicht mehr haltbar. Er regt an, derartige Beratungen zukünftig in nicht öffentlicher Sitzung zu führen.

StR Körner (SPD) schlägt vor, die Verwaltung möge nochmals Gespräche mit dem Bauherrn führen. Darin sollten die von StR Dr. Vetter genannten Punkte sowie die Möglichkeit, an anderer Stelle zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, aufgenommen werden. Beide Seiten müssten sich bewegen, um eine gute Lösung zu erzielen.

Bezüglich eines Flächentausches warnt der Vorsitzende vor der Schaffung eines Präzedenzfalles. Alle weiteren Eigentümer*innen des Gebietes könnten bei einem Bauvorhaben dann ebenfalls ein Grundstück der Stadt bekommen. Er verweist abschließend auf den Vorschlag der Verwaltung, ein Bauvorhaben mit gewerblichem Anteil umzusetzen.

BM Pätzold stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik hat von dem Bericht Kenntnis genommen.
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