Protokoll: Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
847/2019
GZ:
AKR/SI 4410
Sitzungstermin: 25.11.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Dr. Sußmann
Berichterstattung:Frau Ranz und Frau Döcker (beide HauptPersA),
Frau Lechler und Herr Spatz (beide SozA)     
Protokollführung: Herr Krasovskij fr
Betreff: Haushalt 2020/2021
1. Projekt "Vorbereitung Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes beim Sozialamt und den Bezirksämtern" - Abschlussbericht
2. Stellenplanrechtliche Auswirkungen im Geschäftskreis V - Referat Soziales und gesellschaftliche Integration

Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht und des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 21.11.2019, GRDrs 847/2019, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vom Abschlussbericht des Projektes "Vorbereitung Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) beim Sozialamt und den Bezirksämtern" wird Kenntnis genommen (vgl. Anlage 1). 2. Von der Bildung der neuen Abteilung "Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - Eingliederungshilfe" (Abt. 50-7) zum 01.01.2020 beim Sozialamt wird Kenntnis genommen.


3. Zum Stellenplan 2020 werden im Teilstellenplan des Sozialamtes 3.1 folgende Stellen geschaffen
3.2 folgende Beamtenstellen gehoben

4. Der Fallzahlenschlüssel für das Fallmanagement mit integrierter Sachbearbeitung (Einheitssachbearbeitung) in der Eingliederungshilfe wird bis auf Weiteres mit 1:70 festgesetzt.

5. Den Aufwendungen 2020 ff. in Höhe von insgesamt 2.148.035 EUR (davon einmalig 181.500 EUR) wird, wie im Kapitel Finanzielle Auswirkungen dargestellt, zugestimmt.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Zu Beginn erinnert BMin Dr. Sußmann daran, dass dieses Thema bereits im Rahmen der 1. Lesung der diesjährigen Haushaltsplanberatungen kurz angesprochen worden sei. Die Vorsitzende äußert sich positiv zur Vorlage, die von den Referaten AKR und WFB mitgezeichnet wurde, und erklärt, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) eines der Schwerpunktthemen für das kommende Jahr sein werde, die Verwaltung hierfür aber gut aufgestellt sei. Ferner bittet die Bürgermeisterin die Ratsmitglieder um Verständnis, dass die Präsentation aufgrund bis zuletzt stattfindender verwaltungsinterner Abstimmungen nicht vor der Sitzung verschickt werden konnte.

Herr Spatz (SozA) teilt den Stadträten ein Organigramm zur Umsetzung des BTHG im Sozialamt und den Bezirksämtern aus. Dieses ist dem Protokoll angehängt.

Danach informieren Frau Ranz und Frau Döcker (beide HauptPersA) die Ratsmitglieder analog der Präsentation ausführlich über das Thema.

Anschließend dankt BMin Dr. Sußmann allen Beteiligten für ihren Einsatz im Rahmen der Vorbereitung der Umsetzung des BTHG und wünscht der neu gegründeten Abteilung im Sozialamt "Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - Eingliederungshilfe" (Abteilung 50-7) viel Erfolg bei ihrer künftigen Arbeit. Besonders bedankt sich die Vorsitzende hierbei bei Frau Lechler (SozA). In diesem Zusammenhang äußert die Bürgermeisterin auch die Hoffnung, dass die bislang offene Frage der Konnexität im Hinblick auf die Kostenverteilung für die Umsetzung des BTHG gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg bald geklärt werde.

Zu diesem Thema berichtet Herr Spatz, dass sich das Land und die kommunale Familie in letzter Zeit aufeinander zubewegen würden und sich eine Lösung abzeichne. Unter Umständen könnte er schon in der 2. Lesung der Haushaltsplanberatungen weitere Informationen hierzu mitteilen, so der Amtsleiter.

Im Verlauf der folgenden Aussprache erklären StRin Rühle (90/GRÜNE), StRin Bulle-Schmid (CDU), StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), StRin Dr. Hackl (SPD), StRin Yüksel (FDP), StR Schrade (FW) und StR Dr. Mayer (AfD) ihre Zustimmung zur Vorlage und dem Konzept zur Umsetzung des BTHG beim Sozialamt und den Bezirksämtern. Übereinstimmend bezeichnen die Ratsmitglieder das BTHG als wichtigen Schritt, um Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das Gremium schließt sich dem Dank der Vorsitzenden an die Verwaltung für die Projektvorbereitung an. Von StRin Bulle-Schmid wird kritisiert, dass diese wichtige Vorlage den Stadträten erst Ende letzter Woche zugestellt worden sei, und damit wenig Zeit zur Vorbereitung blieb. Sie bittet künftig trotz verwaltungsinterner Abstimmungen auf einen rechtzeitigen Versand der Vorlagen zu achten.

StRin Rühle verweist in ihrer Wortmeldung auf die großen Herausforderungen, die auf die Kommunen als Träger der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit der Umsetzung des BTHG zukämen, da vielfältige strukturelle, organisatorische und personelle Änderungen im Rahmen der verwaltungsinternen Abläufe notwendig seien. Auch deshalb sei es positiv, dass Land und Kommunen sich bei der Frage der Kostenverteilung wieder aufeinander zu bewegen würden. Die Stadträtin macht deutlich, dass der Konflikt um die Kosten nicht auf dem Rücken des Personals und der behinderten Menschen ausgetragen werden dürfe.

Im gleichen Zusammenhang bezeichnet es StRin Bulle-Schmid als "nicht akzeptabel", dass das Land Baden-Württemberg den Ausgleich der kommunalen Mehraufwendungen im Rahmen des Konnexitätsprinzips für die Umsetzung des BTHG noch nicht verbindlich zugesagt habe. Das Land müsse für die Kosten der auf die Kommunen übertragenen Aufgaben aufkommen, macht die Stadträtin deutlich und fordert die Landesregierung auf, dieser Verpflichtung nachzukommen. Ähnlich äußern sich hierzu auch StR Pantisano, StRin Dr. Hackl, StRin Yüksel und StR Schrade. StRin Dr. Hackl erinnert an die einstige Zusage des Sozialministers Lucha, für die erforderlichen Mittel zu sorgen.

Im Folgenden begrüßen StRin Rühle und StRin Dr. Hackl den für die Einheitssachbearbeitung zugrunde gelegten Fallzahlenschlüssel von 1:70. Nach einer Frage von StRin Bulle-Schmid erläutert Frau Lechler, dass eine Evaluation dieses Fallzahlenschlüssels im Zusammenhang mit der Gesamtevaluation der Struktur zur Umsetzung des BTHG in der Stadtverwaltung stattfinden werde. Die Ermittlung des Schlüssels 1:70 sei auf Grundlage der Ergebnisse der AG Personalbemessung des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) mit einem anwendbaren Tool geschehen und zielgenau auf die Stuttgarter Verhältnisse angepasst worden.

Auf eine Nachfrage von StRin Rühle eingehend erklärt Herr Spatz, die Verwaltung gehe im Gegensatz zum Bund nicht von einer kostenneutralen Umsetzung des BTHG aus. Derzeit greife bis Ende 2021 eine Übergangsvereinbarung, die kostenneutral ausgelegt sei. Ab 2022 gehe man aufgrund der vielfältigen Aufgaben von steigenden Kosten aus, was man im Jahr 2023 nachweisen werde. Herr Spatz verweist zu diesem Thema auf die ausführlichen Erläuterungen in der Vorlage (S. 6). Hier seien auch die gesamten finanziellen Auswirkungen beim Sozialamt (Personalkosten, Sachkosten etc.) genau dargestellt.

Gegenüber StRin Rühle und StRin Dr. Hackl führt Frau Lechler aus, dass bis auf circa 10 Stellen die in 2018 mit der GRDrs 794/2018 geschaffenen 26,2 Stellen durch Verdichtungen in der Eberhardstraße 33 mittlerweile besetzt werden konnten. Weitere Stellenbesetzungen scheiterten aber derzeit an der Raumsituation, da die Kapazitäten für neue Arbeitsplätze erschöpft seien. Insgesamt sei es gerade schwierig, auf dem Arbeitsmarkt passgenau qualifiziertes Personal für die neuen Aufgaben zu finden. Die Verwaltungsmitarbeiterin verweist dabei auf das breite Anforderungsprofil an die Bewerber und den Versuch, die Stellen interdisziplinär zu besetzen. Seitens der Verwaltung gebe es in diesem Zusammenhang eine Qualifizierungsoffensive für die neuen Mitarbeiter/-innen sowie einige Fortbildungsangebote beim KVJS. Das Land biete hingegen keine Fortbildungsangebote an. Frau Lechler betont, dass die Qualifizierung des Einzelnen für die neuen Aufgaben mehrere Wochen in Anspruch nehme.

StRin Rühle macht daran anknüpfend auf die Wichtigkeit eines kultursensiblen Umgangs in diesem Bereich und die Notwendigkeit interkultureller Schulungen aufmerksam.

Ergänzend zum Thema Raumsituation berichtet Herr Spatz nach einer Nachfrage von StR Schrade, dass die Sozialverwaltung gerade ein Gebäudekomplex an der Ecke Nauheimer Straße/Deckerstraße als mögliche Büroflächen für die neue Abteilung prüfe, und man diesbezüglich in guten Gesprächen mit der Liegenschaftsverwaltung sei. Zudem gebe es die Option eines Gebäudes in der Torstraße. Über den weiteren Verlauf der Entscheidungsfindung werde man die Ratsmitglieder auf dem Laufenden halten, so der Amtsleiter. Er betont, dass die neue Abteilung in einem Gebäude untergebracht werden solle, welches gut mit dem ÖPNV erreichbar ist und barrierefrei zugänglich sei.

Auf Wortmeldungen von StRin Dr. Hackl und StR Dr. Mayer eingehend erläutert Frau Lechler bezüglich der Trennung zwischen existenzsichernden Leistungen und der Sozialhilfe durch die Umsetzung des BTHG. Der behinderungsbedingte Bedarf werde aus der Sozialhilfe herausgelöst und sei künftig im Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelt. Wenn die Menschen weiterhin Sozialhilfe bräuchten, würde diese über die Grundsicherungsdienststellen auf der Grundlage des SGB XII gewährt. Für die Erfüllung der behinderungsbedingten Bedarfe werde künftig die neue Abteilung 50-7 zuständig sein, und die Grundsicherung bleibe weiterhin Aufgabenbereich der allgemeinen Sozialhilfedienststellen des Sozialamtes und der Bezirksämter. Durch die Einheitssachbearbeitung hätten die behinderten Menschen künftig für die Fachleistung einen Ansprechpartner, der für ihren Bedarf, die Bedarfserhebung und die verwaltungsmäßige Umsetzung zuständig sein werde.

Auf die künftigen gesetzlichen Regelungen bezugnehmend, bedauert StRin Bulle-Schmid, dass das BTHG nicht zwischen den verschiedenen vielfältigen Arten und Formen der Behinderungen differenziere. Für geistig behinderte Menschen mit einem Betreuer/einer Betreuerin beispielsweise würden die neuen Vorgaben nach Ansicht der Stadträtin nicht zu mehr Teilhabe führen, aber auf der anderen Seite zu einem höheren bürokratischen Aufwand für die Betreuer.

Nach einer Anregung von StR Pantisano, der sich dafür ausgesprochen hatte, die Umsetzung des BTHG beim Sozialamt und in den Bezirksämtern beispielsweise durch eine Broschüre öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, wird dieser Vorschlag durch BMin Dr. Sußmann begrüßt. Die Vorsitzende sagt zu, gemeinsam mit der städtischen Behindertenbeauftragten, Frau Fischer, zu überlegen, wie Betroffene, deren Angehörige und Betreuer über die gesetzlichen Änderungen, die künftigen Angebote und Abläufe am besten informiert werden könnten.

An StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) gewandt, die auf die Situation der Kinder mit Behinderung aufmerksam gemacht hatte, verweist Frau Lechler auf die entsprechend dem individuellen Bedarf getrennte Zuständigkeit für Kinder und Jugendliche. Seelisch behinderte Kinder und Jugendliche würden Leistungen der Jugendhilfe nach SGB VIII erhalten, während die Leistungen für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche im SGB IX verankert seien. Stationär untergebrachte Kinder und Jugendliche würden bis auf Weiteres im bisherigen Leistungssystem verbleiben, das heißt, es gebe auch künftig keine Trennung von existenzsichernden Leistungen und Eingliederungshilfeleistungen. Für die geringe Anzahl der in Pflegefamilien untergebrachten behinderten Kinder in Stuttgart würden entsprechende Übergangslösungen gefunden werden, um eine Trennung von existenzsichernden Leistungen und Leistungen der Eingliederungshilfe zu vollziehen.

Abschließend bedankt sich Frau Lechler bei den Ratsmitgliedern ihrerseits für die Unterstützung bei der Umsetzung des BTHG und betont noch einmal die Komplexität des Vorhabens.

Danach stellt BMin Dr. Sußmann fest:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.
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